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^ÄOAT 99/./
J^arbarü CollrgE ILibrarg.
FROM TUE BEqpSST 01^
CHARLES SUMNER, LL.D.,
OF BOSTON.
(Clasa of 18300
" For books relatisg io Folitiei and
Fine Arta."
16 A^JS^\,
0
KATHARINA H.
. ■ KAISERIN VON RUSSLAND
IM
URTHEILE DER WELTLITERATUR
VON
B. VON B1LBA880FF,
PROFESSOR IN ST. PETERSBURG.
AUT0AI8IRTE IEBEKSETZUN6 A18 DEM KU»8I»C11M.
MIT £INKM VOKWORT VON
Db. THEODOR 8CH1EMANN,
K. UMIVBBSITÄTS-PBOFESSOB IN BKRLIH.
II. BAND:
DIE LITERATUK NACH KATHAßlNA'S TODE
tl797-18»6).
BERLIN 1897.
JOHANNES RADE.
(STUHR'SCHE BUCHHANDLUNG.)
Siioo^ 99/j
Oruok TOD Uttigei A Wittis io Mpilf.
IIb* Histoire ou anecdotes pour la rdvolntion de Bnssie en Tann^e
1762. (Par Mr. de Rulhüre.) Paris, 1797.
Baron Breteuil, der französische Gesandte am Hofe
Peters III., verliess St Petersburg zwei Wochen vor der Um-«
ivälzung vom Jahre 1762; Graf Broglie eriheilte ihm desshalb
einen ernstlichen Verweis und fügte hinzu: „et vous laissez
pour Yoir dömeler cette fus6e un secr6taire ä peine en ^tat,
d'en rendre compte" (Pariser Archiv, Russie, v. 62, pifece 41).
Dieser Secretar war ßulhifere, den Diderot als „un homme de
beaucoup d'esprit" charakterisirte (Diderot, XVIII, 255).
Rulhi^re blieb in St. Petersburg 15 Monate. Er kannte
sehr gut den Feldmarschall Münnich und den Feldzeugmeister
Villebois, war bekannt mit der Fürstin Daschkow und dem
Piömontesen Odard, mit dem Secretar der Wiener Gesandt-
schaft Agenfeld und mit dem Kammerdiener der Kaiserin,
Michel. Während der Tage der Revolution verkehrte er viel
auf den Strassen und Plätzen St. Petersburgs, wo er mancherlei
sehen und aus dem Munde der an den Vorgängen selbst Be-
theiligten hören konnte. Endlich hatte er, als Secretar der
Gesandtschaft, auch Zutritt zum Gesandtschaftsarchiv, dem
ev Informationen über die seiner Ankunft in Russland voraus-
gegangenen Zeiten entnehmen konnte. Leider beschrieb
Rulhiöre die „Revolution vom Jahre 1762", deren Augenzeuge
er gewesen, nicht unmittelbar nach der Umwälzung, sondern
«rst nach Verlauf von sechs Jahren, im Jahre 1768. Während
^lieser sechs Jahre waren ihm manche Einzelheiten entfallen,
einige Personen stellten sich ihm in einem anderen Lichte dar,
Bilbasioff, Katharina II. 1
— 2 —
die Unmittelbarkeit des Eindruckes war ihm verloren gegangen,
und das Bedürfniss einer pragmatischen Erklärung der Ge-
fühle und Aufregungen, die zu der Zeit die grosse Masse des
Volkes und die Einzelpersonen beherrscht hatten, machte sich
geltend. Als Hauptübelstand bei Bulhiere muss bezeichnet
werden, dass er, anstatt sich darauf zu beschränken, als ein-
facher Beobachter eine Schilderung der Vorgänge, die dann
höchst werthvoU gewesen wäre, zu geben, vielmehr als
Historiker, im höheren Sinne dieses Wortes, sich zu präsentiren
beabsichtigte. Er trug seine „Geschichte der russischen Ee-
volution vom Jahre 1762" den Mitgliedern der Akademie
d'Alembert, Diderot, Frau Geoffrin und Larochefoucauld, und
Allen, die sie anhören wollten, vor, und brachte begreiflicher-
weise auf seine Zuhörer, die dem Inhalte seines Vortrages,
den Thatsachen selbst, völlig unbetheiligt gegenüberstanden,
einen guten Eindruck hervor. Anders verhielt sich Katharina:
nachdem sie von dem Werke Rulhiere's erfahren, machte sie
die grössten Anstrengungen, das Manuscript zu vernichten.
Interessante Einzelheiten hierüber siehe in No. 1264. So las
denn Katharina die „Geschichte" Rulhiere's auch gar nicht*
Die Fürstin Daschkow aber hat sie gelesen, die Irrthümer und
Ungenauigkeiten, namentlich die sie persönlich betreffenden,
notirt (Archiv des Fürsten Woronzow, VII, 653), und kam zur
ITeberzeugung, dass der mit dem russischen Hofe gut vertraute
Bulhi&re dies Buch gar nicht geschrieben haben könne, das
sie daher als ein apokryphes bezeichnete (Archiv des Fürsten
Woronzow, XXI, 189).
In dem Buche Rulhifere's begegnet man zwar Irrthümem
und Ungenauigkeiten, im Allgemeinen aber ist die Geschichte
der zehn Tage recht wahrheitsgetreu erzählt^ und einige sehr
werthvolle Einzelheiten werden uns hier überliefert; leider aber
giebt Rulhifere nicht selten auch an sich wahren Thatsachen
eine höchst eigenartige Färbung, die ganz und gar nicht der
— 3 —
Wirklichkeit entspricht. Ein Vertrag über die Thronfolge
Katharinas, im Falle dass Peter IIl. kinderlos sterben sollte,
ist niemals abgeschlossen worden (4); Niemand hat anf den
St. Petersburger Strassen roth geschminkte Bettler gesehen
(57) und er selbst hat keine „Beerdigungs-Procession" am
Palais gesehen (96); nur im Scherze hat man ihm mittheilen
können, Katharina beabsichtige, im Falle des Misslingens
nach Schweden zu fliehen (81); eine unwahre Darstellung hat
bei Bulhi^re * die Betheiligung Michels gefunden (85), und
namentlich auch die Odard's (67, 77, 98, 151, 161); nicht be-
dingungslos Glauben darf man den Abenteuern Bressans
schenken (94) und des valet travesti (113). Aber Alles, was
Rulhi^re über das Gebahren des greisen Grafen Münnich (32,
116, 127, 130, 136), über die zwei Parteien: Orlows (53, 69,
139) und der Fürstin Daschkow (56, 66), über die Ismaile wzer
(89), über das Manifest (98), über Kronstadt (117), über die
Thronentsagung (131) u. s. w. schreibt, verdient volle Auf-
merksamkeit.
In dem gleichsam die Stelle der Vorrede einnehmenden
Briefe Rulhiöre's an die Gräfin Egmont vom 10. Februar 1768
ist der Gang der Arbeiten des Verfassers und das ganze
System seiner Geschichtserzählung offen dargelegt, so dass der
Leser sich davor gewarnt sieht, allzuviel Vertrauen zu hegen;
in dem ebenfalls an die Gräfin gerichteten, vom 25. August
1773 datirten, die Rolle eines Nachwortes spielenden Briefe,
wird dann auf einige Beweisstücke für die Darlegungen der
„Geschichte der russischen Revolution vom Jahre 1762'' hin-
gewiesen.
Zwei Ausländer, die nicht Zeugen der Umwälzung vom
Jahre 1762 gewesen sind, haben sich in ganz entgegen-
gesetztem Sinne über das Buch Rulhi^re's geäussert: der
•Franzose Goebel (No. 790) findet, das Buch sei nichts weiter
als „une production digne d'un imposteur assez maladroif'
— 4 —
(130); der Deutsche Heibig (No. 883) dagegen versichert, das
Buch Rulhifere's ,, enthält Thatsachen und Genauigkeiten, die
Wenige gewusst haben" (Xu). Laveaux lobt ßulhiöre, hat
jedoch sein Buch nicht gelesen (I, 212).
Gleich nach dem Tode Katharinas 11., im Jahre 1797,
erschienen acht verschiedene Ausgaben der „Geschichte"
Bulhi&re's: drei in französischer, zwei in englischer, zwei in
deutscher und eine in dänischer Sprache; in russischer Sprache
existirt bisher keine einzige, obgleich schon M.- N. Longinow
eine genaue üebersetzung des Buches veranstaltet hat (Russkij
Archiv, 1878, IH, 6).
Massen (No. 841) entschuldigt folgendermaassen sein Still-
schweigen über die Umwälzung vom Jahre 1762: „Si dans
ces Mömoires on ne parle plus de la r6volution de 1762, c'est
que l'Europe en est suüGsamment instruite par Thistoire qu'eu
a Iaiss6e Bulhi^re, et qui est en tout conforme k ce que
tout le monde sait et croit maintenant. Plusieurs fois j'en
ai entendu raconter les d^tails en Bussie par des gens qui
furent du nombre des acteurs; et ce sont k peu pr^s les memes
que ceux que j'ai lus depuis dans Rulhiöre (I, 165)".
Zur Kritik der Erzählung Eulhi^re's vgl. Swinton (No. 809),
wo Richer S6risy versichert, „que Paul tenait beaucoup de
son pöre et que Catherine et le beau Soltikow auraient donnö
le jour k un etre plus favoris^ de dons de la nature'^ Mehr
ins Einzelne geht die kritische Prüfung von Fortia Piles
(No. 857), wobei das Buch Rulhiöre's genannt wird „un monu-
ment de m^chancetö, d'audace et de vanit6" (37), „un libelle
calomnieux" (45) u. s. w. Auf die Mittheilungen einiger
Russen, namentlich Adadurow's gründen sich die Bemerkungen
von Andrö (No. 891), der die Vermuthung ausspricht, Rulhifere
habe sein Buch einzig dem französischen Ministerium zu Ge-
fallen geschrieben: „il fut comme la renomm6e qui sort du
nuage; il avait plus vraies qu'il s'etait hat6 de voler dans sa
— 5 —
patrie (390). Trotz abÄlligen Urtheils über Rulhifere läset
Andr6 ihm dabei doch wieder Gerechtigkeit wiederfahren: „il
accuse, il inculpe, il mele le vraisemblable aux faits qu'il
rapporte, mais avec tant d'esprit et d'art, que" u. 8. w. (391).
In welchem Grade die Rulhifere^sche Schrift Alle inter-
essirte, erhellt aus No. 885, wo, in den ,, Souvenirs du comte
de *^" erzählt wird, wie Prinz Heinrich von Preussen bei
seiner Anwesenheit in Paris im Jahre 1788, ohne Vorwissen
Grimm's, „pendant deux matin^es" von Rulhiere sich dessen
Geschichte vortragen liess, „sans que Timp^ratrice de Russie
ni le baron de Grimm en fussent instruits, qu'il eüt recherchö
l'occasion d'entendre sur son compte des dötails facheux (89)".
Mit nicht geringerem Interesse las dies Werk ein anderer
Zeitgenosse, Ludwig XYI., wie zu ersehen aus den „Notes
sur les mömoires de feu Mr. Rulhifere, 6crites de la main de
Louis XVI. sur le manuscript en velin" (Archiv des Fürsten
Woronzow, XI, 491).
776. Katharine II. vor dem Eichterstahle der Menschheit. Grössten-
theilfl Geschiebte. St Petersburg, 1797.
Der Titel entspricht dem Inhalte. Die Aufgabe des Ver-
fassers geht ausschliesslich dahin, zu zeigen, „unter welch
einem Gesichtspuncte der Menschenfreund Katharinen be-
trachtet und zu prüfen, ob ihr wohl je dieser den ßeynahmen
der Grossen geben kann" (7). Um dieser undankbaren Auf-
gabe zu genügen, wirft der Verfasser einen flüchtigen Blick
auf die wichtigsten geschichtlichen Vorgänge während der
Regierungszeit Katharinas II: die Ereignisse in Polen (8 — 12,
22, 31—42), die beiden türkischen Kriege (12—14, 16—17),
die schwedischen Vorgänge (17 — 31), und kommt zur Ueber-
zeugung, dass „die verewigte Monarchin wurde vorzüglich von
der Ruhmbegierde beherrscht; die meisten Thaten und Hand-
lungen, die sie ausübte, entsprangen aus dieser Quelle'' (58).
Darin läge noch nichts Schlimmes, aber Katharina vernach-
— 6 —
lässigte darüber die Interessen des Volkes, namentlich die
der Bauern (50): „Alle Bürden blieben auf den Bauer ge-
wälzt; er wurde, wenn die Bekrutenzeit kam, zum Soldaten
genommen, er zu den Arbeiten in den Minen gebraucht, er
musste alle Hauptlasten des Staates tragen und dabey noch
meistens der Aussicht beraubt bleiben, seine Ketten, die er
als Sklave trug, mit der Freiheit vertauschen, um einst in
einen bessern Zustand übergehen zu können'^ (51). Dabei
verwandte Katharina wenig Aufmerksamkeit auf die Ver-
breitung von Aufklärung, auf Volksbildung, in Folge dessen
die Unwissenheit dieselbe blieb, die sie früher gewesen. „Daher
ist auch der Busse am Ende des achtzehnten Jahrhunderts
fast noch ebenso wild, unaufgeklärt und ungebildet, als er es
am Anfang desselben war^' (54). Daraus erklärt sich auch
der Erfolg Pugatschews: das Volk warf sich ihm in die
Arme, in der Hofihung, von der Leibeigenschaft befreit zu
werden (47).
Leider hat der Verfasser zweierlei Gewicht und zweierlei
Maass: er rechtfertigt den Warschauer üeberfall auf die
Truppen Igelstroms (38) und geräth in Entsetzen über das
von Suworow über Praga verhängte Strafgericht, mit Berufung
auf die Verse Falck's:
Und vollends schulgericht zu brennen und zu sengen.
Und Städte in die Luft mit Weib und Kind zu sprengen;
Dazu gebort ein Held, wie Souwarow es war (40).
Nicht selten widerspricht er sich selbst: es sei Aufgabe
Gustavs lU. gewesen, Katharina die Lehre zu geben, „dass
ein für seine Unabhängigkeit kämpfendes Volk im Streite mit
Barbaren nie unterliegen könne'' (30), und sechs Seiten weiter
(30), wo die polnischen Vorgänge besprochen werden, erweist
sich diese Lehre als ganz und gar nicht stichhaltig. Li den
Angelegenheiten der inneren Verwaltung blieb Katharina hinter
Friedrich 11. und Joseph II. zurück (58), woher denn, un-
— 7 —
geachtet sogar der berühmten ^^Instruction'' (49, 55)^ in Rass-
land alles beim Alten blieb: ^^AUes ging auf dem despotisch-
militärischen Fusse fort und der alte Popanz der Regierungs-
verÜEkssung, bekam der schönen Phrasen und Gemeinsprüche,
mit denen die Instruktion zu einer neuen Staatsverfassung
abgefasst war, ungeachtet, nur einen neuen Rock, bey dem
man den alten Schnitt behielt'' (51).
Es scheint uns, dass die Worte Katharinas selbst als
die best^ Antwort auf das von dem Verfasser gefällte „ürtheil"
dienen können: „Je n'ai point dit ceci pour diminuer rien de
la distance infinie qu'il j a entre les vices et les vertus: k
Dien ne plaise! tTai seulement voulu faire comprendre que
tous les yices politiques ne sont pas des vices moraux et que
tous les yices moraux ne sont pas les vices politiques" („In-
struction", Kap. VI, § 56).
Dies Pamphlet ist in gutem Stile geschrieben. In der
Wiedergabe der geschichtlichen Namen treflfen wii- auf die un-
möglichsten Willkürlichkeiten: sogar das durch die Gefangen-
nahme Kosciuszkos berühmt gewordene Maciejowice hat sich
in „Maozwioz" verwandelt. Der angegebene Druckort der
Broschüre ist zweifellos willkürlich erfunden: auch sogar unter
Paul I. hätte eine solche Broschüre in St. Petersburg nicht
gedruckt werden dürfen.
777. Catharina die Zweite. Darstellungen aus der Grescbicbte ihrer
Regierung, und Anekdoten von ihr und einigen Personen, die
um sie waren. S. 1., 1797.
Die Nachricht von dem Tode Katharinas 11. gab in Deutsch-
land Anlass zu einer ganzen Beihe von Schriften, die, in Ge-
mässheit der Bedingungen des Büchermarktes „zur Ostermesse"
erschienen. Vom November bis zum April ist nicht viel Zeit,
und neben Werken von verhältnissmässigem Werthe traten
auch vollkommen nichtige und geradezu unsinnige Machwerke
ans Licht. Dieser letzteren Art war eine Schrift, deren Heraus-
— 8 —
geber, „J. Fr. Hammerich in Altona**, sich sogar geschämt hat,
den Druckort anzugeben.
Nach einer wortreichen Vorrede folgen sieben einzelne
gleichermaassen inhaltslose kleine Abhandlungen, die jedoch
nicht als besondere Kapitel bezeichnet sind: 1. Peter III. und
Iwan III. (15); 2. Pugatschew (99); 3. G. G. Orlow (132);
4. Potemkin (165); 5. Lanskoj, Mamontow, Subow (224);
6. Lehranstalten, Denkmal Peters I. und Zarskoje Sselo (236)
und 7. der schwedische Krieg (258). Wie aus diesedi Inhalts-
yerzeichniss zu ersehen, ist in dem ganzen Buche mit keinem
Worte der polnischen oder der türkischen Ereignisse Er-
wähnung geschehen, abgesehen von allen übrigen. Aber auch
das, was erzählt worden, ist in falschem Lichte dargestellt:
während der Zeit der Umwälzung schwört Katharina, die Frei-
heiten des russischen Volkes beobachten zu wollen (44), und
die Holsteiner erbitten sich von Peter ITT. die Erlaubniss, sich
mit den Russen schlagen zu dürfen (52); Iwan III. wird ein-
geschlossen in das „Mönchskloster Iwerskoi, das auf einer
Insel im Waldaischen See nicht weit von der Strasse von
Petersburg nach Moskau liegt" (67); Potemkin bestrickt Ka-
tharina durch klösterlich phantastisches Geschwätz (171);
Katharina vereinbart mit dem Senat eine besondere Bedingung^
„durch welche sie sich verbindlich gemacht hatte, keinen Aus-
länder zu ihrem Favorit zu erwählen'* (231), u. s. w. Das
ganze Buch ist höchst flüchtig geschrieben , in ganz und gar
nicht literarischer Sprache, wobei noch besonders Fehler her-
vortreten, wie „Lirivers" anstatt Dewjera (50), „Comolgori"
anstatt Cholmogory (66), „Zanskon-Selo" anstatt Zarskoje Sselo
(93), „Sinavin" anstatt Sinowjew (148) u. s. w. Der Verfasser
hat sich selbst ausreichend charakterisirt durch seine Er-
zählung von der ersten Entlassung von Zöglingen aus dem
Smolnaer Institut: „von den ersten vierzig bis fünfzig bürger-
lichen Mädchen erwählten zwei Drittheile eine ausschweifende
— 9 —
Lebensart y ein Sechstheil heirathete, und von dem übrigen
Sechstheil, das wegen Hässlichkeit das Handwerk als Lust-
mädchen nicht mit Erfolg treiben konnte, erreichten nur wenige
ihren Zweck als Gouvernanten angestellt zu werden^' (^^l)-
Damach freilich gewährt schon kein Interesse mehr das Dr-
theil, das der Verfasser über Katharina fallt: ,Jhr ganzes
Leben war ein seltsames Gemisch von Güte, Grossmuth und
Menschlichkeit und dann wieder von kleinlicher Eache, Bar-
barey und Despotismus; dieser letzte war nicht von der schreck-
lichen Art, wie der mancher ihrer Vorfahren, der am Morden
Freude gefunden hätte, aber dennoch schrecklich genug, um
die Menschheit zu bedauern, die unter ihm seufzte^' (11).
778. Leben Catharina 11., Kaiserin und Selbstherrscherin aller
Keassen etc. etc. von G. Freiherr von Tannenberg, Leipzig,
1797.
Baron Tannenberg hatte „eine lange Reihe von Jahren**
in russischen Diensten gestanden, war Zeuge gewesen der
Schlacht bei Kagul (92), war in St. Petersburg anwesend ge-
wesen bei den Festlichkeiten zur Vermählung des Grossfiirsten
Paul Petro witsch mit der Prinzessin von Württemberg (155),
war bekannt „mit vielen Grossen", und war glücklich gewesen
(„glücklich war*') in ßussland. Aus dieser Biographie Katha-
rinas n. ist zu ersehen, dass der Verfasser Bussland und die
Eussen kennt, welche er stets mit Vor- und Vatersnamen be-
zeichnet, wenngleich er dabei mitunter sich versieht, indem er
beispielsweise die Kaiserin Anna Iwanowna „Anna Petrowna"
nennt, oder den Alexander Hjitsch Bibikow als „Alexandro-
witsch" bezeichnet (90, 127).
Das ganze Werk ist in 71 Paragraphen eingetheilt, in
denen der Verfasser seine Aufmerksamkeit vorzugsweise den
äusseren Verhältnissen zuwendet; die inneren Institutionen
wurden auf nur wenigen Seiten besprochen (194), und voll-
ständig unerwähnt geblieben sind sogar die Arbeiten zu dem
— 10 —
Entwurf des Neuen Gesetzbuches. Gewidmet hat der Verfasser
sein Werk „Seiner Kaiserlichen Majestät Paul Petrowitsch"
und, da er nicht die Fähigkeit besitzt „den Zaren lächelnd
die Wahrheit zu sagen'S hat er ganz unnöthiger Weise seine
Freiheit des Blicks und sogar des Ausdruckes eingeengt und
begrenzt. So erweist sich Paul schon von seinen Kindesjahren
an als überraschend schön und erstaunlich klug (17, 86, 123),
und im schwedischen Kriege hat er, obgleich er den Feind
überhaupt gar nicht gesehen^ dennoch bewiesen, „dass er eine
kriegerische Seele hatte und zum Helden geboren war'' (220).
Ebenso genau ist es, wenn Katharina schon fast in den Windeln
ihre zukünftige Grösse verräth (8), als ausserordentlich religiös
bezeichnet wird, sowie als Freundin der Elisabeth Petrowna
und ihre Stütze und Helferin in Staatsangelegenheiten (13);
Peter III. gar, den Vater Paul Petrowitschs, stellt er auf
ein hohes Piedestal, spricht mit Begeisterung sogar von
der Bückgabe der von ihm ja gar nicht eroberten Länder-
gebiete (21) an Friedrich II., und errichtet ihm folgendes
„Denkmal Peters III.: Euhe sanft, grossmüthiger, gütiger,
menschenfreundlicher Monarch! Opfer der Ränkerei, der Bos-
heit und der Rache! Verfolgte, gemisshandelte, getödtete Un-
schuld! Du wurdest verfolgt und unterdrückt, weil du das
Gute wolltest; aber bald wird dein Name, gleich einem Phönix,
aus deiner Asche auferstehen, und auf einem Monumente
strahlen, das schöner und dauernder als dieses ist. Noch vor
dem Ende dieses Jahrhunderts ?drd man deine Thaten aus der
Vergessenheit hervorziehen: ihr Glanz wird den Glanz vieler
deiner Vorfahren übertreflfen und selbst den hellsten derselben
verdunkeln" (54). Den Verfasser charakterisiren besonders
scharf die der Umwälzung vom Jahre 1762 gewidmeten Para-
graphen: „Ursachen der Revolution" (25), „Katharina nach
der Revolution" (29) und „Lage Peters III. nach seiner
Entthronung" (48). Hier begegnet man nur einer einzigen
— 11 —
interessanten Einzelheit (44). Man tri£Ft bei Tannenberg auf
mancherlei Details, die Aufmerksamkeit verdienen , so bei-
spielsweise über Sztaray (167), über Beiser (193); sehr ver-
ständig ist die Jesuitenfrage behandelt (124, 179); interessant
sind seine Aeusserungen über die holsteinschen Truppen (35)
und über die deutschen Historiker (68). Ganz missverständlich
aufgefasst hat der Verfasser die polnischen Angelegenheiten
(70, 107).
Das Werk Tannenbergs ist ins Bussische übertragen worden.
Die Uebersetzung ist als solche recht mangelhaft: Schnee, so
heisst es, fiel am 7. August in St. Petersburg (148), Mohilew
wird an die Stelle von Moskau gesetzt (160), die Türken werden
verwechselt mit Katharina (162) u. s. w., doch sehr interessant
ist diese Uebex-setzung durch die in ihr vorgenommenen Ver-
änderungen des Textes: Tannenberg schrieb zur Zeit Pauls L,
und trat daher für Peter ni. ein; Timkowskij übersetzte zur
Zeit Alexanders L, und ergriff daher Partei fiir Katharina II.
AUe Paragraphen über die Umwälzung haben weichen müssen
einer Auseinandersetzung über die Manifeste Katharinas (25 — 54),
die Lobpreisungen Peters IH. für seine Ukase (59) und Pauls
für die gemeinsame Beerdigung seiner Mtem (248) sind ganz
ausgelassen u. s. w. Man darf Timkowskij dies nicht als
Schuld zumessen: er konnte ja wohl im Jahre 1804 nicht
folgenden Unsinn übersetzen: „Louise — Maria, Prinzessin
von Baden (EHisabeth Alexejewna), und Juliana Heinrica,
Prinzessin von Sachsen -Coburg (Anna Feodorowna), beide
die Zierde und Hoffnung des hohen kaiserlichen Hauses aus-
machen" (244).
779. Authenthic memoire of the life and reign of Catherine II.
£mpre88 of all the Russias. London, 1797.
Ein ziemlich ins Einzelne gehender Üeberblick nicht so-
wohl über das Leben als über die Begierung Katharinas, wobei
der Orlows, Potemkins u. s. w. aber gar nicht erwähnt wird;
— 12 —
besondere Aufmerksamkeit ist zugewandt den Beziehungen zu
England, auf welchem Umstände auch der Werth des Buches
beruht. So ist das die bewaffiiete Neutralität betreffende
Memoriel des Fürsten Galizyn herbeigezogen (184), und
es werden Einzelheiten mitgetheilt über die Yermittelung
Katharinas zwischen England und Holland im Jahre 1781
(198) u. s. w.
Der Verfasser äussert sich folgendermaassen über Katha-
rina: „The was a woman of a masculine disposition, found
understanding, and great ambition; her penetration was deep
and her perseverance astonishing^' (5). Zum Beweise hierfür
werden Briefe an D'Alembert (26), Voltaire (89), den Papst
(202), Friedrich 11. (216), Elisa von der Recke (285) angeführt,
namentlich aber umfangi*eiche Stellen aus der „Instruction^^
(78—88). Trotz der offenbaren Sympathie des Verfassers für
die Türkei, rechtfertigt er Katharina nicht nur hinsichtlich des
ersten und des zweiten Krieges, sondern auch der Annexion
der Krim (210); nicht verstanden hat der Verfasser und nicht
gerechtfertigt findet er die Einmischung in die Angelegenheiten
Polens, die Theilungen dieses Landes und die Grausamkeiten
bei der Einnahme Pragas. Der Verfasser weiss sogar, dass
auch der russische Thronfolger die polnische Politik ßusslands
nicht gebilligt hat: „The Grand Duke expressed some dis-
approbation of the business, and it is imagined, that from that
time Her Imperial Majesty vdshed to have altered the line of
succession, and transfer it to the female branch" (279).
Aehnlichen Sinnlosigkeiten begegnet man nicht selten neben
vollkommen wahren Angaben. So wird bei Katharinas Thron-
besteigung, nach „extraordinary revolution'* (20) ihr ausser dem
Sohne auch noch eine Tochter zugeschrieben (25); die Statt-
halterschaften stellt der Verfasser dar als „vice-royaltie6"
(183) u. s. w.; aber alle Documente, welche er anführt, sind
in wörtlicher genauer Uebersetzung mitgetheilt (10, 26, 33, 72,
— 13 —
89, 95, 124, 131, 187, 207, 225, 239). Unter diesen Documenten
ist auch mitgetheilt ein Brief Katharinas 11. an Misa von der
Becke, welcher Brief bei uns bisher nur als Concept veröfFent-
licht worden ist (Sammlung, XXVII, 495), wobei die russische
historische Gesellschaft nicht einmal im Stande war anzugeben,
Yon was f&r Werken in ihm die Rede ist In gleicher Weise
hat der Verfasser ein interessantes Dokument gerettet —
„obolition of court messages on familj events between Sweden
and ßussia (280)." Zur Zahl der vollkommen neuen Nachrichten
muss gerechnet werden seine Erwähnung der Tragödie, die in
Hamburg nach Veröffentlichung des Manifestes über die Hin-
richtung Miro¥dtschs herausgegeben wurde: „Innocence op-
pressed, or the death of Ivan, emqoror of Russia, a tragedy
by L E. Talion, dedicated to the baron de Libenstein." Diese
Broschüre ist in unserer Oeffentlichen Bibliothek nicht vor-
handen.
Das Buch ist durch zahlreiche Druckfehler verunstaltet,
namentlich bei der Wiedergabe der Eigennamen: Gljebow —
Clebow, Passek — Cassick (7), Wolkow — Walkow (8),
Wolkonskij — Wolonski (117), Perekop — Precup (132) u. s.w.
Dem Buche ist beigegeben „an elegant frontispiece^' —
Peter III., auf den Knieen, überreicht Katharina seinen Degen;
sie ist reitend dargestellt, ihr Pferd hält ein Stallknecht.
Alle befinden sich in polnischen Gostümen; die Gesichter sind
ganz phantastisch (Rowinskij, 11, 862, No. 374; III, 1774,
No. 64).
780. Kurze Übersicht der Geschichte Katharina der Zweiten, Kaiserin
von Rnssland, von Dr. J. Forster. Halle, 1797.
Die Nachricht von dem Tode Katharinas 11. brachte in
Deutschland einen grossen Eindruck hervor, „da Bussland seit
der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts den Völkern Deutsch-
lands und besonders den preussischen Staaten in mancher
Hinsicht wichtig geworden ist" (3). Der Verfasser hat eine
— 14 —
kleine Broschüre zusammengestellt, um darzulegen, auf welchen
Wegen Eussland in Europa diejenige Stellung erreicht hatte,
die es zur Zeit des Todes Katharinas einnahm.
Die Broschüre ist interessant lediglich als Hinweis
darauf, welche Thatsachen aus der 35jährigen Begierungszeit
Katharinas in Deutschland als besonders vächtig anerkannt
wurden, und welche erläuternde Darstellung sie fanden. Hier
erfahren wir beispielsweise, dass die Zusammenberufung der
Deputirten zu der mit der Ausarbeitung eines Entwurfes für
das neue Gesetzbuch betrauten Commission u. a. veranlasst
worden sei durch den Umstand, „dass die neuen ausländischen
Anbauer bei Saratof gebeten hatten ihnen Gesetze und Vor-
schriften zu geben oder zu erlauben, dass sie sich eine
Interims-Verfassung durch rechtsverständige Personen selbst
gäben" (20) ; die Institution der Gouvernements wurde hervor-
gerufen durch folgende Erwägung: „vorzüglich fand die kluge
Regentin, dass vielleicht einmal ein Statthalter einer zu grossen
und zu volkreichen Provinz sich leicht empören und sich vom
Staatskörper losreissen könnte" (25) u. s. w. Dem Verfasser
sind bisweilen sogar rein äusserliche Thatsachen unbekannt.
So fährt Katharina am Tage der Umwälzung vom Jahre 1762
aus Oranienbaum über Ropscha nach St. Petersburg (13);
Potemkin schloss sich auf dem Lande ein, „und fing an mit
unglaublichem Eifer und Erfolg beinahe den ganzen umfang
menschlicher Kenntnisse zu erlernen", und bereitete sich auf
solche Weise vor zu der Stellung als Favorit (15, 26);
Gustav ni. „durch eine Landung unweit Petersburg die
Hauptstadt überrumpelt" (27); die Grossfürsten vermählen
sich: Alexander mit einer Prinzessin von Sachsen-Coburg, und
Constantin mit einer Prinzessin von Baden (31).
Der taurischen Reise widmet Dr. J. Forster vier Zeilen,
und bemerkt dann: „In Kiew legte sie den Plan zu einer
wichtigen Entdeckimgsreise in den nördlichen Meeren unter
— lo-
dern Capitän Mnlowski, den Georg Forster, als Natur-
forscher und Geschichtsschreiber, mit vielen Gehülfen be-
gleiten sollten: welche aber wegen des gleich darauf aus-
brechenden Türkenkrieges unterbleiben musste" (27). Damit
erklaren sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, sowohl das
allgemeine Ei^ebniss der Regierung Katharinas U. — „Ge-
lehrsamkeit ^ Künste, Handel, Manufacturen, Bergbau, die
Schifffahrt und allerlei Gewerbe nahmen täglich zu und
machen das grosse Land täglich reicher^^ — als auch die
Hofl&iungen auf die Zukunft: „Paul Petrowitsch, der jetzige
Kaiser, gibt die gegründeteste Hoffnung zu einer glücklichen
Eegierung" (32).
781. Portrait de fea Sa Majest^ Catherine 11, imp^ratrice de toutes
les Bussies (par prince de Ligne). 1797.
Eine kleine Broschüre, ohne Nennung des Namens des
Verfassers^ der indessen ohne Schwierigkeit aus folgender Stelle
errathen werden kann: „II y avait dans une de ces lettres k
moi, pendant un combat naval de la demiere guerre de Suede:
c'est au bruit du canon qui fait trembler les vitres
de ma residence, que votre imperturbable vous 6crit"
(13). Diesen Ausdrücken begegnet man in den an den Fürsten
von Ligne gerichteten Briefen der Kaiserin (Sbomik, XLII,
81, 90). In der Gesammtausgabe der Werke des Fürsten
von Ligne, betitelt: „M61anges militaires, litt^raires et senti-
mentaires du prince de Ligne" ist dies „Portrait" abgedruckt
in Band XX, Seite 237.
Eine üebersetzung dieses „Portrait" und alle Nachrichten
über dessen Verfasser s. in unserer Abhandlung „Fürst de
Ligne in Bussland", und namentlich in dem Kapitel „Fürst
de Ligne und Katharina 11" in der Busskaja Starina, LXXTV,
30. Vgl. L'Imp^ratrice Catherine et le prince de Ligne, par
Perey (No. 1271).
16
782. Anekdoten aus dem Priyatleben der Kaiserin Oatharina, Pauls
des Ersten und seiner Familie. Hamburg, 1797.
In der Vorrede ist gesagt: „Diese Anekdoten sind aus
den Papieren eines jungen Polen gezogen, der einige Jahre
unter dem von dem GrossfÜrsten Paul Petrowitsch selbst
kommandirten Corps, als Inspectionsadjutant diente^^ Dieser
phantastische „Inspectionsadjutant^' dient nur als Verwand
für die Veröffentlichung einer Reihe von Erzählungen er-
fundener und unmöglicher Vorgänge.
Alle Erzählungen sind in drei Abtheilungen gruppirt.
Die erste, am meisten interessante — „Ueber die Handlungen
und Denkart der Kaiserin Catharina II." — ist zugleich auch
die am wenigsten phantastische. Hier wird eine Reihe von
Erzählungen mitgetheilt zum Beweise dafür, dass die der
Kaiserin Nahestehenden vor ihr die wahre Lage der Dinge
verbargen, und sie täuschten (19), in Folge dessen dann „der
prächtige Titel: Selbstherrscherin aller Reussen war bei der
grossen Katharina sehr oft weiter nichts als ein Titel" (24).
Wir finden hier auch die bekannte Erzählung von Potemkin
und dem persischen Prinzen (3 — 9) und andere schon sehr
viel mehr phantastische Begebnisse. Die zweite Abtheilung
— „Pauls des Ersten Charakteristik" — ist, gegen Erwarten,
der abgeschmackteste. Während der Auslandsreise der Grafen
Sjewernyje schickt der „Inspectionsadjutant" Paul Petrowitsch
in die Türkei nach Adrianopel, wo der Grossfurst alle Scla-
vinnen loskauft, und nach Konstantinopel zu einem Besuche
beim Sultan. Der Verfasser findet eine grosse Aehnlichkeit
heraus zwischen Paul I. und Peter d. Gr., und fügt hinzu:
„Nur befleckt keins der Laster seines grossen Ahnherrn die
Tugenden, die er mit ihm gemein hat" (79). Auch zur Frage
der Thronfolge hat der Verfasser irgend etwas in Erfahrung
gebracht (107), und erzählt darauf, da er mit dem russischen
Leben vollkommen unbekannt ist, allerlei Fabeln über die
— 17 —
Grossfürsten Alexander (120) and Konstantin (182) Pawlowitsch,
wobei der Letztere schliesslich gar zum St. Petersburger Polizei-
minister wird (137). In dieser Abtheilnng werden auch die
Anlässe zu der Schlägerei mitgetheilt, die zwichen dem jungen
Fürsten Schtscherbatow und dem Sohn des Prinzen Xaver
von Sachsen auf der Paradetreppe des Theaters stattgefunden
hatte (67 — 77); Katharina hat an Grimm über diese Affaire
unter dem Datum des 12. Juni 1 795 geschrieben, jedoch ohne
Angabe der Motive (Sammlung, XXIU, 642). Die dritte Ab-
theilung — „üeber die Vermählung der jungen Grossfürstin
Maria Alexandra Paulowna von Bussland mit Gustav IV.,
Könige von Schweden" — hat eine unrichtige Ueberschrift
erhalten: in ihr ist nicht sowohl von „Heirathsanträgen" die
Rede, als vielmehr nur vom schwedisch -russischen Kriege, in
welchem Gustav in. in der Schlacht bei Kronstadt eine Nieder-
lage erleidet (164).
Sogar die Zeitgenossen, und namentlich auch die Deutschen
(No. 840) gaben ihrer Unzufriedenheit mit dieser Broschüre
Ausdruck (541).
7S3. Eurzgefasste Lebensgeschichte Catharinas U., Kaiserin und
Selbstherrscherin aller Beussen. Petersburg, 1797.
Eine nicht nur kurze, sondern auch recht abgeschmackte
Lebensbeschreibung Katharinas. Von den 100 Seiten sind
die ersten 39 ausschliesslich der Staatsumwälzung vom Jahre
1762 gewidmet, d. h. mehr als ein Drittel der Broschüre; aus
den übrigen zwei Dritteln ist das Material ebenso ungleich-
massig vertheilt: die aller wichtigsten Vorgänge werden ganz
mit Stillschweigen übergangen, während der Verfasser doch
die Begrüssungsrede des Senats, vom 2. September 1793, in
Anlass des Friedensschlusses mit der Pforte, in wörtlicher
Uebersetzung wiedergiebt (79).
Der Verfasser ist, wie es scheint, ein Deutscher, und
zwar vielleicht ein Holsteiner (31): die Erfolge des ersten
Bilbsaaoff. Kathaiina IL 2
— 18 —
türkischen Krieges werden erklärt durch die Theilnahme
zweier „geborener Deutschen", Weismanns und Bauers (42);
bei der ersten Theilung Polens wird die Antheilnahme Oester-
reichs und Preussens ganz verschwiegen (45) u. s. w. Mit
Recht sieht der Verfasser in Katharina die directe Nachfolgerin
Peters des Grossen: „Niemals waren noch Peters des Grossen
Entwürfe so glücklich fortgesetzt, zum Theil weiser um-
geschaffen, oder so sehr zu einer kaum gehoflften Vollkommen-
heit erhoben worden, als durch Catharina II." (50). Dies
wird auf den übrigen 50 Seiten in kurzer Erwähnung der ge-
schichtlichen Ereignisse, jedoch keineswegs immer der alier-
wichtigsten, näher ausgeführt, stets begleitet von den lautesten
Lobeserhebungen. Der Verfasser charakterisirt folgender-
maassen seine Gesichtspunkte und die Aufgabe, die er sich
gestellt hat: „Catharina 11 besass alle Eigenschaften einer
grossen Regentin im höchsten Grade; dass Sie aber auch
Fehler gehabt haben möge, ist aus dem Grunde zuzulassen,
weil sie Mensch war. Doch eine einzige von ihren vielen
Tugenden würde vermögend sein, dieselben von der Tafel
wegzuwischen, auf die sie aus Vermessenheit eines Profanen
etwa aufgezeichnet werden könnten. Weit entfernt sey diess
von jedem derselben, und so auch von mir. Meine Absicht
war, nur ihr thatenreiches, unnachahmliches Leben in Kürze
zusammengezogen der Welt vorzutragen, und dieses glaube
ich in so weit vollzogen zu haben, bis eine geschicktere Feder
zu Entwerfung so unzählbarer Vollkommenheiten angewendet
wird" (91).
St. Petersburg, als der Ort der Herausgabe der Broschüre
ist mit Absicht und Vorbedacht fälschlicherweise angegeben:
im Jahre 1797, zur Regierungszeit Pauls I., hätten weder die
übermässigen Verherrlichungen Katharinas noch die wahrheits-
gemässen Aeusserungen über Peter III. (3, 14, 31) in St. Peters-
burg gedruckt werden dürfen. In einer zweiten Ausgabe der
— 19 —
Broschüre, richtiger als „Titelaasgabe'' zu bezeichnen, eben-
falls vom Jahre 1797, ist „Augsburg" als Druckort an-
gegeben.
784. Vita di Caterina Seconda, imperatrice di Russia, scritta da
Datfide BertolotH, S. 1. et a.
Eine kleine, in 16 Paragraphen eingetheilte Lebens-
beschreibung, die gleichsam nur als Erläuterung dient zu dem
grossen gravirten Portrait nach dem Originalbilde von ßosselin
(Rowinskij, 11, 799). Diese „Edition de luxe — in folio", auf
dickem Papier und in grosser Schrift ist ohne Angabe des
Ortes und des Jahres des Druckes, und auch die Seitenzahlen
fehlen; wahrscheinlich (wie aus dem Familiennamen des Ver-
fassers zu schliessen) ist sie in Italien erschienen, und zwar
im ersten Jahre der Regierung Pauls I.: „le succedette al
trono Poalo I. suo figlio", jedoch ohne nähere Angabe des
^Jetzt glücklich Begierenden" oder des ^,in dem Herrn Ent-
schlafenen", Ausdrücken, die in der Litteratur des Westens
nicht üblich sind.
Es ist dies eine Ode in Prosa, ein Panegyrikus auf Ka-
tharina, als Frau, Mutter und Herrscherin. Der Verfasser
schildert folgendermassen die äussere Erscheinung Katharinas:
„Bella nella sua gioventü, Caterina serbava anco a settant'
anni qualche avanzo della sua prima avvenenza; il dolce e
benigno suo tratto inspirava la confidenza e la gioja; parea
che la giovinezza, la serenitä;. il brio le danzassero perpe-
tuamente all' intomo."
785. Ueber das Leben und den Charakter der EaiBerin von Rubs-
land Katharina IT. Mit Freymüthigkeit and Unpartheylichkeit.
[Seume,] Altona, 1797.
Der anonyme Verfasser rühmt sich, ein Landsmann Ka-
tharinas zu sein: „unser Vaterland darf stolz darauf sein, sie
unter seine Kinder zählen^' (4), und er wünscht daher um so
mehr, eine kurze Geschichte ihrer Regierung „mit philoso-
— 20 —
phischem und kosmopolitischem Sinne^' (6) darzustellen, d. h.
über sie ,^ehr kosmisch als historisch'^ (33) zu reden.
Die kosmopolitischen Tendenzen and die kosmischen Er-
wägungen des Verfassers äusserten sich als Yollkommene und
bedingungslose Rechtfertigung dessen, was sich ereignet hatte.
Die Besitznahme der Krim (55), die Theilung Polens (48, 79),
sogar die Aufrechterhaltung der Leibeigenschaft (93) und ebenso
die Staatsumwälzung vom Jahre 1762 (21), alles geschah „zum
Besten der besten der Welten'^, um so mehr als ihm Katharina IT.
selbst als das Muster einer Herrscherin, eines Menschen (21,
26, 93, 138, 140), und sogar einer Frau (141, 151) erscheint.
Das ist alles recht gut, schlimm ist nur, dass die äussere
Form der Erzählung buchstäblich übereinstimmt mit der in
Nr. 789, z.B.:
Andrä:
Das Gewissensgericht ist aller-
dings eine sehr wohlthätige Er-
scheinung. Den Fremden, welcher
keinen BegrifiP davon hat, könnte
der Name erschrecken, indem er
Seume:
Die wohlthfttigste Erscheinung ist
das Gewissensgericht. Den Fremden,
welcher vielleicht keinen Begriff
davon hat, könnte der Name er-
schrecken, indem er sich eine Art
der schlimmsten Inquisition darun-
ter vorstellt Es ist aber ganz etc.
sich eine Art der schlimmsten In-
quisition darunter vorstellt Es ist
aber ganz etc.
Bisweilen wird die Erzählung der Thatsachen in kos-
mische Betrachtungen gehüllt (75, 78, 87, vergl. Andrä 153 bis
154); hin und wieder finden sich sogar persönliche ürtheile
des Verfassers wörtlich wiederholt (108, vergl. Andrä 145),
ganz abgesehen schon von den Anekdoten, deren Wahl und
Erläuterung bei beiden Autoren vollständig übereinstimmt
(158—160, vergl. Andrä, 186—189) u. s- w. Beide Werke
sind in ein und demselben Jahre (1797) gedruckt, das eine
in Halle, und das andere in Altena; wer von dem andern ent-
lehnt hat, und ob nicht beide Verfasser aus einer gemeinsamen
Quelle geschöpft haben — das ist eine für uns völlig be-
deutungslose Frage.
— 21 —
Aus der Zahl der selbständigen Theile bemerken wir hier
das ürtheil des Verfassers über die russischen Truppen
(52, 156) und als etwas Neues, von dem wir leider nicht
wissen, woher es geschöpft ist, die Notiz, dass gleich nach der
Staatsumwälzung vom Jahre 1762 „an den Grenzen bei Reyal
und Kiga waren sogleich die thätigsten Massregeln ftir die neue
Monarchie genommen" (29). Als Neuigkeit tritt uns hier auch
entgegen die Erwähnung eines angeblich allgemein bekannten
Historikers Katharinas: „Es ist in Russland bekannt, dass ein
Mann von bewährter Rechtschaffenheit, von gründlichen ge-
läuterten Kenntnissen in alter und neuer Literatur, von dem
feinsten Geschmack, und desser literarischer Kredit schon unter
seinen Landsleuten und unter den Ausländem fest steht, der
überdies in den wichtigsten Geschäften der Kaiserin oft ge-
braucht worden, entschlossen ist, die Geschichte seiner Mo-
narchin ohne Schmeicheley der Nachwelt zu geben" (8).
Als Beispiele wörtlich übereinstimmender Stellen in den
Werken von Seume und von Andrä stellen wir hier die ent-
sprechenden Seitenzahlen zusammen: 53, 54 — 64, 65; 54 — 150;
61—150; 63 — 150; 64—150, 151; 75—153; 78, 79 — 153;
87—154; 97—149; 102—137; 107—89; 107, 108, 109—144,
145, 146; 109, 110—100—101; 120, 121, 122, 123—146, 147,
148; 128—178; 140—162; 146—184; 149—201; 150—200;
158, 159—188, 159, 160—186, 187; 160—188.
786. Vita e gesta di Caterina 11, imperatrice di tutte le Rassie. 2 v.
Italia, 1797.
Diese tönende Ueberschrift — vita e gesta — der drei
dünnen Bändchen hat der Verfasser durch passendere Inhalts-
angabe ergänzt: „nella quäle si descrivono le vittorie delle
armi russe contro i turchi; le conquiste, le bettaglie navali,
gli aflfari della Pollonia, i viaggi di vari sovrani, ed altri avve-
nimenti del presente secolo". Thatsächlich ist der Verfasser
aller Wahrscheinlichkeit nach eine Militärperson, er wendet
— 22 —
seine Aufmerksamkeit ansschliesslich den Kriegen Katharinas
zu, berücksichtigt nur selten nichtmilitärische Angelegenheiten
rein äusserlicher Natur, und schweigt vollständig über die
inneren Vorgänge des Landes. Für militärische Fragen hat
das Werk vielleicht eine gewisse, wenn auch jedenfalls nur
geringe Bedeutung; sogar die Namen von Obersten, die sich
durch irgend etwas ausgezeichnet habeu, sind in ihm aufge-
führt (I, 124; m, 153), um so eher also auch die Kund-
gebungen Tschemyschews, Bulgakows, Repnins (II, 18; III, 80,
138) — aber als eine historische Leistung entbehrt es jeder
Bedeutung. Es bringt ganz und gar nichts Neues, selbst auch
da nicht, wo man von dem Verfasser eingehendere Mittheilungen
hätte erwarten können, wie z. B. hinsichtlich der Reise der
Grafen Sjewernyje in Italien (11, 154).
Der erste Band, der bis zum Jahre 1771 reicht, ist aus-
schliesslich den polnischen Wirren und dem türkischen Kriege
gewidmet; der zweite — dem Frieden von Kutschuk — Kai-
nardschi, der Theilung Polens imd der Besitznahme der Krim ;
der dritte — dem zweiten türkischen Kriege, dem schwedischen
Kriege und den beiden letzten Theilungen Polens. Ganz zu-
fällig trifft man hier, wahrscheinlich in Folge dessen, dass dem
Verfasser gelegentlich anderes Material in die Hände gerathen,
auf eine Notiz über die Befreiung der braunschweigschen
Familie (II, 151) und dann wieder auf ein specielles Verzeichniss
der Galeeren und eine Aufzählung sämmtlicher Theilnehmer
an der taurischen Reise (HE, 8). Der Verfasser äussert sich mit
grosser Sympathie über Katharina. Als sie noch Grossfürstin
war, „durante il regno delF imperatrice Elisabetta, Caterina
impiegö il suo tempo a coltivar lo spirito, e si applied sopratutto
alla lettura de' migliori libri di politica; dotata di talenti superiori,
gli perfezionö coli' abitudine della reflessione,riducendosi in grado,
comme TelBfetto dimostrollo chiaramente, di esser capace non
solo di concepire, ma di eseguire ancora le piü saste idee" (1, 6).
— 23 —
Zum Schlüsse seines Werkes , nach dem Berichte über
den Tod Katharinas, und nachdem er dessen Erwähnung ge-
than, dass sie über 34 Jahre lang Kaiserin gewesen, gesteht
der Verfasser zu, dass sie regiert habe „con tal saviezza e
felicitä, che il di lei regno formerä una delle epoche piu
brillante dell' impero russo: essa consolidö senza dubbio le basi
sulle quali Pietro il Grande fondö la potenza de' suoi stati;
e non pid negarsi che tutte le di lei imprese e stabilimenti
formati non presentino Timpronta di quella grandezza che
caratterizza le opere del genio" (III, 159). In allen drei
Bänden stösst man auf Ungenauigkeiten und, wie es scheint,
Druckfehler. So beschliesst Peter III. seine Tage in Schlüssel-
burg (1, 15); Admiral Tschitschagow wird „Schisgagott** genannt
(in, 103) und in dem Worte „Koyeikau" wird man wohl nur
mit Schwierigkeit den Namen Wojeikow erkennen (I, 9) u. s. w.
Jedes Bändeben ist mit einem Kupferstiche ausgestattet,
von denen der im ersten Bändchen Katharina II. darstellt,
der im zweiten — Paul I., und im dritten — die Kaiserin
Maria Feodorowna. Alle diese Kupferstiche sind ganz miss-
lungen, am meisten verfehlt ist jedoch das Porträt Katharinas:
ein mangelhaftes Bild nach der von Leberecht gearbeiteten
Medaille (Rovinskij, II, 842, No. 278), aber ohne das Oval
mit der lateinischen Bundschrifb, sondern nur mit der Unter-
schrift: „Caterina IL" Wahrscheinlich der mangelnden Aehn-
lichkeit dieser drei Porträts wegen ist keines derselben im
„Slowar portretoff" erwähnt.
787. Skizzen aus der Regierung Katharinas der Zweiten, Kaiserin
von Russland. Prag, 1797.
Der Tod Katharinas 11. rief in Europa eine grosse Nach-
frage nach Biographien von ihr hervor; auf dem Büchermarkte
wurden Bücher und Broschüren über Katharina zum aller-
gangbarsten Artikel. Der Verfasser der vorstehenden Broschüre
hat sie im Laufe eines Monates verfasst, und schon im De-
— 24 _
cember 1796 wurde sie gedruckt: „Der Krönungsact des
gegenwärtigen Kaisers wird im Jäner 1797 abgehalten" (78).
Auch nur aus dieser Ueberhastung kann man sich das Er-
scheinen einer so untergeordneten und formal unsauberen
Broschüre erklären. Es sind dies „Skizzen" nur deshalb, weil
die fliessende chronologische ErzShIung rein äusserlicher Ehr-
eignisse in eine Masse kleiner Bruchstücke zerschlagen ist,
die rein mechanisch durch Striche von einander geschieden
sind. So ist das Aeussere der Erzählung beschaffen; ihrem
Sinne und Inhalt nach ist sie eine Art panegyrische Ode in
Prosa, zur Verherrlichung Katharinas. „Sie brachte den
Regierungsplan, den Peter der Grosse vorgezeichnet hatte,
dem Vollzuge immer näher, und bewies, dass sie dazu Torher
bestimmt worden, ein mächtiges Volk zu beherrschen" (48),
wobei jedoch weder der Plan Peters noch auch die Art und
Weise seiner Verwirklichung durch Katharina angedeutet
werden. Freilich, in Polen und der Türkei, in der Blrim und
in Schweden, am Kuban, in Grusien und auf dem Mittelmeere
triumphirt Katharina stets, weil sie für Recht und Wahrheit
kämpft; in der inneren Politik ist ihre Regierung gekenn-
zeichnet durch segensreiche Reformen, und sie kommt dem
Kaiser Alexander II. sogar noch um hundert Jahre zuvor:
„Die Aufhebung der Leibeigenschaft des russischen Land-
mannes ist eine Wohlthat der Kaiserin, die der Nation stets
unvergesslich bleiben wird, dadurch wurde der zahlreiche und
nützlichste Theil der Landeseinwohner, der vorher durch den
Druck seiner Herrn einen rohen, wilden und hardnäckigen
Charakter überkam, zu guten Bürgern umgebildet" (47).
Der Verfasser verräth seinen Standpunkt schon von der
ersten Seite an, indem er den Tod Peters III. folgender-
maassen darstellt: „Eine ausgebrochene Empörung gab nun
einleichtend zu erkennen, dass man dem Czar weiter unter-
würfig zu bleiben nicht gesonnen war. Seine misslungenen
— 25 —
Yorkehrungen, dem Aufruhr vorzubeugen griffen seine Gtesund'
heit so sehr an, dass Er mitten in den innerlichen Landes-
unruhen starb'' (4). Ueber Katharina freuten sich Alle, auch
schon deshalb, weil sie eine Frau war: „Seit diesem Jahr-
hundert waren die Bussen gewohnt, sich der Regierung des
weiblichen Geschlechts zu unterzi^Len, die ihnen behaglicher
als die der eingeborenen Czaren zu seyn schien" (5). Nach
der Enthüllung des Denkmals Peters des Grossen „die Er-
ziehung des GrossfÜrsten Paul Petrovich wurde der Oberauf-
sicht des Grafen Niklas Panin anvertraut" (35) u. s. w. Die
Unwissenheit des Verfassers kommt namentlich auch in der
Wiedergabe der Eigennamen zum Ausdruck: Jakutsk —
„Ikostk" (14), Gattschina — Kaschwin (78), Elphinstone —
„Elchnigsthon" (23) u. s. w.
Der Broschüre ist ein Kupferstich beigefügt: Katharina,
in ganzer Gestalt, im Purpurmantel, an einem Tisch, auf
welchem die Krone und das Scepter, das sie mit der rechten
Hand fassen will, sich befinden. Die Unterschrift lautet:
„Catharina die Ute, Kaiserin von Bussland, geb. den 2. Mai
1729". Nur die Unterschrift giebt Anlass, in der dargestellten
Persönlichkeit die Kaiserin Katharina zu sehen.
788. Abriss des Lebenfi und der Regierung Kaiserin Katharina 11.
von Bassland. [Biester,] Berlin, 1787.
Eine mit Verständniss zusammengestellte Uebersicht der
Hauptmomente der Begierung Katharinas 11. Besonders gut
geschrieben sind die ersten sechs Capitel, bis zum Jahre 1774;
die übrigen zwei Capitel, die die letzten 22 Jahre der Be-
gierung umfassen, stellen sich eher nur als ein kurzer Ent-
wurf dar, wobei viele Ereignisse und Erscheinungen nur an-
gedeutet sind. Der Verfasser hat die Werke Friedrichs 11.
benutzt (129, 133) und die Briefe Voltaires (156), sowie die
Werke von SpitÜer (119, 122) und Struensee (235); die von
ihm angezogenen Citate aus russischen officiellen Documenten
— 26 —
(35, 37, 42, 51, 53, 62, 69, 94, 105, 155, 218, 249, 260, 274)
sind alle wörtlich genau. Die russische Sprache kennt der
Verfasser nicht (263), die von ihm angeführten russischen
Worte sind aber richtig wiedergegeben (69, 70, 72, 91, 151,
174, 196, 200, 216). Besonders wichtig ist das Buch infolge-
dessen, dass der Verfass* Mittheilungen der Gräfin Mellin,
verwittweten QeneraUn Ulrici benutzt hat, welche die Anhalt-
Zerbster Prinzessin Sophie Auguste Friederike persönlich ge-
kannt und mit ihr correspondirt hatte, und die dem Verfasser
zwei ihrer Briefe, aus den Jahren 1742 und 1789 mittheilte
(300, 302). Vielleicht hat der Verfasser von dieser Gräfin
Mellin, deren Neffe in russischen Diensten stand, auch die an
anderer Stelle nicht zu treffenden Einzelheiten, die er über
Iwan III. (11, 104) über dessen Flucht nach Smolensk (107),
und über das griechische Project (273) mittheilt, in Erfahrung
gebracht. Der Verfasser giebt auch einige unwahre Gerüchte,
die in damaliger Zeit umgelaufen waren, wieder, so z. B. über
die Anerkennung Katharinas als „ Thronfolgerin ^< bei ihrer
Vermählung im Jahre 1745 (7); über die türkische Bekannt-
machung anlässlich der Pest (160), über die Geldsendung des
Erzbischofs Benjamin von Kasan an Pugatschew (184), und
über die Frömmelei Katharinas (203). Der Verfasser schildert
Katharina nach der Darstellung von Augenzeugen (4, 201) und
der Gesichtspunkt, unter dem er ihr Wirken betrachtete,
kommt in folgenden Worten zum Ausdruck: „Hätte Katharina
den äussern Ruhm verschmäht, und nie einen Krieg geführt;
oder vielleicht richtiger, wäre nie Eigennutz der sich unter
Schmeichelei verbarg, ihrem Throne nahe gekommen : so würde
wahrscheinlich die Geschichte nur Eine Stimme haben sie als
Muster aller Regenten zu preisen" (235).
Herrman (No. 1024) ist unzufrieden mit dem hier be-
sprochenen Werke ; nach seiner Meinung „Biester ist ein sehr
glimpflich urtheilender Verfasser (V, 328).
— 27 —
Für uns sind besonders werthToU drei Anhänge: 1) ,,Ueber
das Geburtsjahr der Kaiserin" (292), wo das Datum der Ge-
burt genau auf den 2. Mai (21. April) 1729 festgestellt wird;
2) „Ueber den Geburtsort der Kaiserin" (293), wobei Mit-
theiluDgen gemacht werden über das Schicksal des Hauses,
in dem Katharina geboren worden, und 3) „Einige kleine
Anekdoten von der Kaiserin" (299), namentlich über die
beiden vorerwähnten Briefe an sie.
789. Katharina die Zweite, Kaiserin von Rnasland und Selbst-
hemcherin aller Reussen. £in biographisch -karakteristisches
Gemftlde von H. F. Andrä, Halle, 1797.
Von den 200 Seiten dieses Buches sind mehr als fünfzig
Peter III. gewidmet; auf den übrigen ist Katharina IL vor-
zugsweise aus dem Gesichtspunkte ihres inneren Wirkens,
nicht ihrer äusseren Bethätigung dargestellt, was für jene Zeit
vollständig neu war. Der Kriege mit der Türkei, mit Polen
und Schweden ist kaum Erwähnung gethan, und das ganze
Buch handelt nur von den inneren Institutionen des Landes.
In die erste Linie ist gerückt die Commission zur Ausarbeitung
eines Entwurfes f(ir das Neue Gesetzbuch (58—63, 179, 192),
wobei die administrativen und gerichtlichen Institutionen, die
später ins Leben traten, als Resultate dieser Commission hin-
gestellt werden (130 — 144); Handel und Industrie beanspruchen
einen ansehnlichen Theil des Raumes (108—129), ebenso end-
lich die Lehranstalten zur Förderung der aUgemeinen Bildung,
und namentlich das Gadettencorps für die Landtruppen (66
bis 90). Es erklärt sich diese Darstellungsweise aus dem für
den Verfasser massgebenden Gesichtspunkte: „Das beste
Monument errichten sich die Regenten durch Wohlthaten und
weise Regierung in den Herzen ihrer Unterthanen" (145).
Der Verfasser hat als Quellen Schriften benutzt, die in Russ-
land herausgegeben worden (89, 154), und theilt wenig Neues,
noch Unbekanntes mit. Interessant sind seine Mittheilungen
— 28 —
über die russischen Schiffe vor Eonstantinopel, gleich nach
dem Friedensschlüsse von Eutschuk-Eainardschi (65), über
den Plan zur Anknüpfung yon Handelsbeziehungen zu Indien
(121), über die Streitigkeiten zwischen S. G. Tschemyschew
und G. G. Orlow (197) u. a. Originell ist die Form der
Nachricht über die Forderung Choiseuls, der Türkei gegen
Bussland aufzuhelfen, trotz der Versicherungen Vergennes',
„dass die Türken werden geschlagen werden^' (58).
790. Fragmens hifltoriques sur Pierre III et Catherine 11 [par Ooebel],
Paris, 1797.
Diese anonyme Broschüre (Barbier, No. 6338) erschien
einige Wochen nach der Herausgabe des Werkes Ton Bulhi^re
(No. 775) über die Bevolution vom Jahre 1762 (124), und
ihre letzten Seiten sind der Kritik der „Anekdoten^' gewidmet.
Der Verfasser hatte dem Grafen Münnich nahe gestanden (16,
21, 27), in dessen Hause er mit Bulhiere sich getroffen hatte.
Vom Grafen Münnich konnte er freilich viele interessante
Einzelheiten über die Staatsumwälzung erfahren; „j'ai 6t6
präsent k cette catastrophe^^ (3); ohne Zweifel hätte er ein
interessantes Buch über diese Zeit zusammenstellen können,
welches er auch thatsächlich schon zu schreiben begonnen
hatte (26, 97, 102, 107, 124), das aber nicht im Drucke er-
schienen ist. Es ist dies auch nicht zu bedauern, wenn man
nach dem Inhalte der „Fragmens historiques" urtheilt. Die
Broschüre ist angefüllt von allerlei Erzählungen von der
romantischen Liebe Katharinas und Peters (9), der Fürstin
Daschkow und Panins (61), mit Fabeln vom Kosaken Jemeljan,
dem späteren Pugatschew (81), von der Broschüre „Opinion
des observateurs ou Pierre HI", gedruckt in der Typographie
der französischen Botschaft (112) durch einen gewissen „nommä
Brisse^S ^^^ „ä. la vue de la sentinelle d'Oranienbaum'^ (114)
getödtet worden. Die Unterredung zwischen dem Grafen
Münnich und Panin auf Kamennyj Ostrow (68) ist offenbar
— 29 —
erfuuden; die Erzählung Ton ,, Christas und den 12 Aposteln
in Eogerwiek" (117) beweist, dass der Verfasser weder Euss-
land noch die Bussen gekannt hat.
791. Katharina ü., Kaiserin von Bussland. Chemnitz, 1797.
Eine kleine Broschüre, die lange Zeit hindurch bei der
deutschen Lesewelt grossen Erfolg gehabt hat Der thatsäch-
liche Inhalt der Erzählung gründet sich auf No. 794 (40),
wobei die Ereignisse in eine deutsche, oder nach Ansicht des
Verfassers vielmehr preussische Beleuchtung gestellt sind: „es
war gut und nützlich flir Russland, dass Peter III. mit Preussen
Frieden machte" (20). Die 78 Seiten der Broschüre sind in
sieben Capitel von geringem Umfange eingetheilt: 1. „Ka-
tharinens Abstammung, Erziehung, Bildung und Vermählung
mit dem Grossfürsten Peter" (8); 2. „Katharina als Gross-
fftrstin" (13); 3. „Peters Entthronung" (18); 4. „Katharinens
Sicherheitsmassregeln" (27); 5. „Länder, welche durch Ka-
tharina erobert worden" (42); 6. „Katharinens Verdienste um
Russlands inneren Zustand" (58); 7. „üeber Katharinens
Charakter und häusliches Leben" (74). Neues enthalten diese
kleinen Capitel gar nichts. Originell ist nur die Art und
Weise, wie der Verfasser beispielsweise die Stellung Katharinas
zur Frage der Leibeigenschaft auffasste: „Peter der Grosse
hatte schon angefangen das Joch der Sclaverei zu erleichtern;
Katharina wünschte dessen angefangenes Werk zu vollenden.
Gern hätte sie die Leibeigenschaft im ganzen Reiche aufge-
hoben, aber sie sah bald, dass sich einem solchen Vorhaben
unübersteigliche Hindemisse entgegensetzen würden; dabei
musste sie behutsam zu Werke gehen und durfte die Grossen
nicht vor den Kopf stossen. Da sie an eine allgemeine Per-
sonalfreiheit nicht denken durfte, so beschloss sie die Zahl der
Leibeignen allmählich zu vermindern, und die der Freien zu
vermehren: die zwei kräftigsten Mittel, die sie hierzu wählte,
waren die Vermehrung der Städte und die Freiheitsbriefe,
— 30 —
welche alle verabschiedete Soldaten für sich und ihre Nach-
kommen erhalten" (59). Noch origineller ist die nachstehende
Auffassung des Verfassers: „die Pressfreiheit, welche sie bald
nach ihrer Thronbesteigung erlaubte, und nur in einigen
Stücken hin und wieder einzuschränken für nöthig fand, muss
jeden geneigt machen, diejenigen Handlungen, welche Flecken
auf ihre Denkart zu werfen scheinen, auf eine mildere Art zu
erklären, denn nur der Böse scheuet das Licht" (76).
Unter dem Einfluss des Jahres 1797 vergleicht der
anonyme Verfasser den Eegierungsantritt Katharinas mit der
Erwerbung der Gewalt durch Napoleon, damals noch einfach
„Bonaparte". „Sie errang sich die Herrschaft mit nicht
mindern Gefahren — auf sie wartete, bei etwas wenigerem
Glücke, wo nicht der Tod, doch ewige Gefangenschaft in
Sibirien, so wie auf Bonaparten, wo nicht die Guillotine, doch
Cayenne" (3). Keiner der Franzosen, und noch viel weniger
der Deutschen, hat sich zu einer solchen Vergleichung herbei-
gelassen.
Die Broschüre erlebte drei Auflagen — im Jahre 1804
und sogar noch 1823, wobei in ihnen aUen ebenderselbe „Bo-
naparte" figurirte.
792. L'ombre de Catherine II aux Champs Eljs^es. Kamschatka,
1797.
Von allen „Unterredungen im Reiche der Todten" (No. 49)
ist nur eine für uns besonders interessant: hier fuhrt Katha-
rina II. ein Gespräch mit Peter dem Grossen, Ludwig XVI,
und Friedrich 11. Die Broschüre war recht verbreitet, wurde
mehrmals unter verschiedenen Titeln neugedruckt, und zwar
stets mit falscher Angabe des Druckortes: weder in Kam-
tschatka, noch in Moskau oder Paris hätte die Schrift heraus-
gegeben werden können.
Nach der Absicht des Verfassers und dem Zwecke, den
die Broschüre verfolgt, kann sie nur aus der Feder eines der
— 31 —
französischen „6migr6s" herstammen, von denen im Todesjahre
der Kaiserin Katharina das südliche Deutschland überschwemmt
war. Der Verfasser hat im Auge, zur Bildung einer Coalition
gegen Frankreich, in der dem Kaiser Paul I. eine entschei-
dende Rolle gewahrt sein sollte, die Anregung zu geben. Von
den drei Gesprächen ist das mit Ludwig XVI. am bedeut-
samsten; in der Vorrede yergiesst Charon Thränen nur über
das Schicksal des hingerichteten Königs, und zum Schluss
wendet sich Friedrich 11. an Paul I. mit der Auflforderung,
zum Schutz der französischen Monarchie das Schwert zu ent-
blössen. Ein Russe hat die Broschüre jedenfalls nicht ge-
schrieben: vom Tode Peters I. bis zum Tode Katharinas II.
waren nicht „soixante ans" (17) verflossen, Moskau ist keine
Wüste (40), im Jahre 1762 hat nicht „Siewers" (78) Kron-
stadt besetzt, u. s. w.; die Erwähnung des Wortes „knout"
(35), und die Entdeckung des „Feudalismus" in Russland
(35) u. s. w. weisen auf einen ausländischen Ursprung der
Broschüre hin; und eine scharfe Aeusserung über die Demo-
kratie giebt Anknüpfung zu der Vermuthung, dass die Bro-
schüre einen der französischen Emigranten zum Verfasser hat:
„On compte dans les monarchies les renversements, les. change-
ments de places par rögnes ou du moins par ministres; mais
dans le regime qu'il plait aujourd'houi d'appeler d^mocratie,
c'est par individus, c'est par jour et ce sera bientot par heure,
qu'il faudra dater ces bouleversements dangereux" (30).
Nach den der Kaiserin Katharina in den Mund gelegten
Reden zu urtheilen, hatte der Verfasser eine ausserordentlich
hohe Meinung von ihr; nicht nur Friedrich IL oder Ludwig XVI.,
sondern selbst Peter d. Gr. erkennen ihre Ueberlegenheit be-
reitwillig an; sogar Charon spricht zu ihr: „tu resteras tou-
jours un Colosse et ta stature paraltra d'autant plus gigantes-
que que tu vivais dans un siöcle de Pygm^es" (4). Dem Er-
scheinen Katharinas im Reiche der Todten war ein guter Ruf
— 32 —
von ihr vorausgegangen, und Peter d. Gr. spricht zu ihr: „les
divers Souverains ont 6i6 d'accord pour me dire que tu ma-
vais recommenc6 aupr^s de ce peuple, que j'ai tirä de la bar-
barie" (19). Katharina selbst spricht: „Je suis mont6e sur
le tröne avec audace, je m'y suis assise avec gräce et main-
tenue avec grandeur" (42). Sie erzählt über ihre Thron-
besteigung (74), über Polen (49, 97), über die taurische Reise
(94). Interessant ist die der Kaiserin Katharina zugeschriebene
Meinung, die der Verfasser über das Volk hegt: „Le peuple
— c'est un enfant incons6quent et capricieux, destin^ k rester
toujours en tutelle, et dont il faut faire le bien pour ainsi
dire en döpit de lui; un souverain doit s'appliquer sans re-
lache ä connaltre les interets de ses sujets, s'en occuper sans
cesse et ne le consulter jamais" (65). Katharina äussert sich
folgendermaassen über die Impulse ihres Handelns: „Avide
de gloire, insatiable de faire parier de moi, de remplir les
gazettes, d'etre lou6e par les ^crivains les plus c616bres, de
fatiguer enfin la renomm^e, j'ai pr6f6r6 la guerre k la paix,
les conquetes aux amöliorations, le commerce k Pagriculture,
rinfluence politique k la tranquillitö int^rieure" (47).
793. Vita e fasti di Caterina II imperatrice ed autocratrice di tutte
le Russie etc. etc. 6 tom. Lugano, 1797—1799.
Es ist dies in Europa das erste, nach so umfassendem
Plane über Katharina herausgegebene Werk. Nicht alle •sechs
Bände sind Katharina gewidmet: der ganze erste Band, und
mehr als die Hälfte des zweiten handeln über ihre Vorgänger,
von Peter d. Gr. an; aber vier und einhalb Bände sind aus-
schliesslich der Kaiserin gewidmet, die der Verfasser ausser-
ordentlich hochstellt. „La donna piü grande che forse e negli
antichi e ne' modemi tempi abbia onorato il trono, e che si
rinvenga per lo splendore e l'eccelenza del suo governo na'
fasti deir istoria, lo & certamente Caterina II.'< Es ist dies
freilich nur eine Compilation, aber eine sehr gewissenhafte.
— 38 —
„Gli autori — so spricht der YerÜEisser — de quali si h fatto
uso in quest' Istoria sono Galiforo, Voltaire, la Storia Bien-
nale Inglese, le opere postume del Be di Prussia, Goxe, le
€lerch e TEv^que due autori celebri delF Istoria della Bussia'^
(VI). Der Verfasser natzt überaus sorgfältig alle diejenigen
Hterarischen Erscheinungen aus, in denen er das ihm nöthige
Material finden kann, lässt aber leider dabei seine Quellen
ungenannt. So z. B. hat er in Band VI. S. 151 einen vom
4. Juni 1783 datierten Brief Katharinas an den Papst auf-
genommen, den er der soeben im Jahre 1799 herausgegebenen
„Corrispondenza di lettere tra Caterina 11 e il signore de'
Voltaire^' (Lugano) entlehnt hat, und wo auch der Brief der
Kaiserin an Pius VI. (155) abgedruckt ist.
Obgleich er seine Quellen nidrt nennt, ist die Darstellung,
die der Verfasser von den Thatsachen giebt, dennoch eine
recht wahrheitsgetreue. So z. B. ist er der einzige yon den
Geschichtsschreibern jener Zeit, der dem dänischen Grafen
Banzau einen gewissen Antheil an der Staatsumwälzung vom
Jahre 1762 nehmen lässt (VI, 141). Diese Nachricht findet
Tollständige Bestätigung in „Life and times of H. M. Caroline
Matilde queen of Denmark and Norray, by sir C. F. Lascelles
Wraxall (London, 1864, 3 vis.), und zwar namentKch in Band I.
5. 235 — 238. Der Verfasser hat die Geschichte Katharinas
mit Liebe studiert, ist den Vorgängen sorgfältig gefolgt, und
hat viel gelesen. Seine Charakteristiken der an den geschicht-
lichen Vorgängen betheiligten Zeitgenossen Katharinas sind
sehr treffend, und schildern die gegebene Persönlichkeit
meistens sehr wahrheitsgetreu. So äusserte er sich beispiels-
weise über den Fürsten Potemkin folgendermassen : „Niuno
perö potea stargli a confronto per Fattivitä» dell' immaginazione,
e la disinvoltura ed agilitä del corpo, per il che nessun peri-
colo infievoliva il suo coraggio, e nessuno ostacolo era capace
d'indurlo a renunziare a' suoi progetti; ma il successo sovente
Bilbassoff, Kctliarlna H. 3
— 34 —
lo disgustava di quanto avea intrapreso . . . Promotteva
sempre, monteneva poco, e non si scordava mai di miente . . .
Non potea dirsi profondo in cosa alcuna, ma parlava bene di
tutto (V, 229)." Der Werth seiner Charakteristiken beruht
damuf, dass sie gleichsam eine Schlussfolgerang bilden aas
den von ihm mitgetheilten Thatsachen. üeber Katharina
äussert er sich direct folgen dermaassen: „Kistoria de' suoi
fasti, delle sue conquiste, delle sue da noi descritte vittorie
& piü che bastante a fame conoscere il carattere fondats supra
una fermezza d'animo, e una regolaritä. di principi, che niente
era capace di scuotere (VI, 125)."
Das ganze Werk, das 22, auf die sechs Bände vertheilte
Kapitel umfasst, leidet an dem Mangel eines festen Planes,
und das gesammte, sehr uihfangreiche Material ist ganz un-
systematisch durcheinander geworfen. Die Instruction der
Commission vom Jahre 1767 ist in den beiden letzten Bänden
mitgeteilt (V, 339; VI, 1); die Briefe Voltaires sind in drei
Bänden abgednickt (11, 289; III, 169: IV, 1); obgleich die
Vorgänge in chronologischer Beihenfolge erzählt werden, sind
auch die wenigen Worte über die Vermählung und den Tod
der Grossfürstin Natalia Alexejewna auf zwei Bände vertheilt
(III, 162; IV, 80). Besonders sorgfaltige Darstellung haben
die Angelegenheiten Polens gefunden (II, 203; IV, 75; 1—106)
und die beiden türkischen Kriege (II, 235; III, 1; V, 3, 117,
187). Aus dieser Systemlosigkeit erklären sich wohl auch die
im Texte vorkommenden Auslassungen ganzer, im Inhalts-
verzeichnisse angegebener Partien der einzelnen Kapitel, wie
z. B. die „Storia e disgrazie di Bobrinski" (Libro XXII) gar
nicht dargestellt worden sind. Der Verfasser hat zwei der
Kaiserin Katharina gewidmete Sonette der Nachwelt bewahrt,
von denen das eine auf die im Kubangebiet und der Krim be-
freiten gefangenen Christen Bezug hat (11, 277) und das zweite
auf den Sieg des Grafen A. Orlow bei Tschesme (III, 46).
— 35 —
Ein jeder Band ist am Anfange mit einem Bildniss aus-
gestattet — „Catterina IE.", „Anna I. Iwanowna", „Pugatchef ',
„Paolo L", „Principe Potemkin" und „Stanislao Augusto" —
und am Schluss enthält der erste Band — eine genealogische
Tabelle des Hauses Romanow, in der jedoch nur die Gross*
försten Alexander und Konstantin aufgeführt sind, sowie einen
Kupferstich, darstellend die Gründung St. Petersburgs; der
zweite Band — einen grossen Kupferstich: Katharina, mit der
Krone, auf weissem, von Pagen geführtem Pferde, reitend, mit
der Kasanschen Kathedrale im Hintergrunde; der dritte —
eine Karte des europäischen und eine des asiatischen Buss*
land; der vierte Band — eine Karte der Kleinen Horde und
der Krim; der fünfte — eine Karte der Moldau und der
Walachei; und der sechste — eine Karte Polens.
794« Vie de ELatharine II, Imp^ratrice de Bussle. [J. Castera,] 2 yoIs.
Paria, 1797.
Siehe Nr. 839. Unter derselben Ueberschrift, aber s, 1.
erschien in demselben Jahre eine zweite Auflage des Werkes,
und im Jahre 1798 — „nouvelle ödition, k Varsovie". Auf
Grund dieser letzteren Ausgabe wurde dann auch eine dänische
Uebersetzung veröffentlicht: „Buslands Kaiserinde Katarine
den Andens liv og levnet. D. Del. Kjobenhavn, 1798," mit
der Notiz auf dem Titel: „Het leven van Catharina II.,
Kaizerin van Eussland. Nit het Franch. 3 v. Amsterdam 1799.
795. HistoriBch-Btatistisches Gemälde des Russischen Reichs am Ende
des achtzehnten Jahrhunderts und unter der Regierung Katha-
rina der Zweiten, von H. Storch. 8 Bde. Riga, 1797.
Wichtiges Auskunftsbuch für die Kulturgeschichte Buss-
lands, gleichsam eine EJrgänzung des Werkes: „Georgi, Geo-
graphisch-physikalische Beschreibung des Bussichen Beichs,
Königsberg, 1797." Das ganze Werk sollte nach dem nicht
vollständig zur Ausführung gekommenen Plane in drei Theile
zerfallen: Bewohner, Staatsorganisation und Verwaltung. Die
3*
— 36 —
Vorrede zum ersten Bande ist datirt: „Petersburg, im Oktober
1796", d. h. sie ist wenige Tage vor dem Tode Katharinas
geschrieben'. „Wir stehen jetzt am Ende dieses Säkulums,
und es muss uns lehrreich und interessant sejn, einen Bück-
blick zu thun, und beyde Standpunkte zu vergleichen. Was
war Russland am Anfange dieses Jahrhunderts und was ist
es jetzt?" (VII). So wurde der Rahmen des Planes vom Ende
der XVin. Jahrhunderts bis zu dessen Anfang vorgeschoben;
später wurden sogar noch die Zeiten vor Gründung des
russischen Reiches in diesen Rahmen mit hineingezogen! Der
ganze vierte Band ist dem russischen Handel vor Peter dem
Grossen gewidmet, und er beginnt mit einer umfangreichen
Einleitung: „Geschichte des Handels in denjenigen Ländern,
welche jetzt die i-ussische Monarchie ausmachen, bis zur
Gründung derselben im Jahre 862." Der ganze sechste Band
jedoch, der der Geschichte des russisshen Handels von 1762 bis
1800 gewidmet ist, schliesst eine Masse höchst werth vollen
Materiales für die Zeit Katharinas in sich. Aber nur Material,
daher wir denn dies Werk auch nur als Auskunftsbuch
charakterisiren können. Die Schlussfolgerungen des Verfassers,
sogar die statistischen, müssen stets sorgfältig geprüft werden,
infolge des originellen Gesichtspunktes des Verfassers: ,^jede
Regierungsveränderung in monarchischen Staaten führt immer
einen neuen Zeitpunkt für die Statistik derselben herbey"
(m, „Nachricht an dea Leser").
Im achten Bande hat der Verfasser berechnet, dass während
der Regierungszeit Katharinas 11. Russland 526,012 Quadrat-
werft Landes mit 6,982,271 Bewohnern neu erworben hat (8).
796. Memoires historiques et g^ographiques snr les pajs entre la mer
Noire et la mer Caspienne, [par C. Baert]. Paris, 1787.
Das Werk setzt sich aus drei Theilen zusammen: 1. „De-
scription des pays situös entre la mer Noire et la mer Cas-
pienne" (9 — 60) übersetzt aus dem Englischen und fussend auf
— 37 —
den Forschungen von Güldenstädt; 2. „Memoire snr le cours
de TAraxe et du Cyrus'* (88 — 150), wobei der Verfasser, de
Sainte-Croix, die sagenhaften Nachrichten der Alten mit den
neuesten Entdeckungen, bis einschliesslich Gmelin (111) zu-
sammengestellt; und 3. „Memoire extrait du Journal d'un
Yoyage fait, aü printemps de 1784, dans la partie m6ridionale
de la Russie (1 — 96) par C. Baert." Im ersten Theile bietet
nur die Organisation der mosdokschen Linie, deren Be-
schreibung eine ziemlich detaillirte ist, einige ergänzende Züge
zu den Auskünften, die im „Historischen und geographischen
Kalender auf das Jahr 1779" mitgetheilt sind; im zweiten
Theile bietet nicht einmal die beigegebene Karte etwas Inter-
essantes oder für die Epoche E^atharinas II. Neues dar, was
man jedoch durchaus nicht von dem dritten Theile sagen kann,
der für uns am wichtigsten ist
Als der GrossftLrst Paul Petro witsch, unter dem Namen
eines Grafen Sjewernyj Bom besuchte, sprach Baert mit ihm
bereits über den ihm gemachten Vorschlag, den Süden Buss-
lands zu besuchen; die Beise wurde jedoch erst im Frühjahr
ausgeführt, als sich die Anschauung der Pforte hinsichtlich
der Einverleibung der Krim schon vollständig geklärt hatte;
Potemkin gab dem Beisenden, mit Wissen der Kaiserin, einen
Kabinetcourier als Begleiter mit (2). Aus dem Beiseberichte
geht hervor, dass der Verfasser mit Ssestrenzewitsch-Bogusch,
(5), Balmin (12, 13, 15), Igelstrom (17), Bepnin (40) u. a. be-
kannt war, ebenso auch mit Pallas (45, 81). Der Vefasser
führte ein Tagebuch („il a öcrit le Journal") und stellte danach
seine Beschreibung des südlichen Busslands zusammen, be-
ginnend mit Kijew (3), von wo er über Krementschug und
Chersson (11) nach der Krim (17 — 35) gelangte, sodann über
Taganrog (36) nach dem Kaukasus (43 — 64), und von dort
weiter über Astrachan (65) und Ssimbirsk nach Kasan
(89, 92).
— 38 —
Der Verüasser, der schon viele Eeisen durch Europa ge-
macht hatte, ist ein guten Beobachter, dem eine Besonderheit
der Eleinrussen aufgefallen ist — ,,ils sont serfs et non esclaves,
comme en Bussie'' (6), der die Stellung der Jesuiten, die
Ssestrenzewitsch ad mensam Imperatricis weihte (5) erkannt
hat, ebenso wie die Untauglichkeit der französischen „utchi-
telles" (Utschitel, Hauslehrer) (85). Er traf während seiner
Beise durch Bussland mit mehreren in russischen Diensten
stehenden Landsleuten zusammen (4,70). Die Beschreibung
der Krim, die er drei Jahre vor der taurischen Beise Katha-
rinas verfasst hat, ist sehr wichtig. Bei Besprechung der auf
die Vertreibung der Türken aus Europa gerichteten Be-
strebungen Busslands erwähnt der Verfasser „une carte im-
prim6e, mais qui a dispam bientöt apres, oü les ^tats du
Türe, en Europe, tout marqu^s des couleurs de la Bussie (27).
Der Verfasser zweifelt weder daran, dass Bussland die Türkei
überwinden werde, noch auch daran, dass es Busslands Ver-
derben sein würde, wenn Preussen oder Schweden mit den
Türken sich verbände, was bald darauf auch wirklich geschah,
wenngleich Bussland, den Voraussagungen des Verfassers zu-
wider, sowohl die Türken als auch die Schweden geschlagen
hat. Mit der russischen Sprache unbekannt, verzeichnete der
Verfasser das, was man ihm mittheilte, wobei es freilich nicht
ohne, jedoch leicht corrigirbare Fehler abging, wie z. B. bei
Erwähnung der russischen Längenmasse: eine Werst gleich
500 Ssashen, ein Ssashen gleich 16 Werschok (7). Der
Neigung des Fürsten Potemkin zu kirchlichen Angelegen-
heiten thut der Verfasser ebenfalls Erwähnung, und notirt
hierzu: „Le g^n^ral Ingeistrom, qui l'a connu fort jeune, me
disait quil ne serait pas surpris de le voir mourir pa-
triarche" (17). Die Angabe: Ssashen gleich 16 Werschok
gehört ohne Zweifel dem Verfasser an, aber der „Patriarch
Potemkin*' kann auch Igelstroms Eigenthum sein.
— 39 —
797. D6claration uniforme des trois cours. Ratisbonne, 1797.
,,Eastache comte de Schlitz dit Goertz, ministre d'6tat
de Sa Majest^ le Boi de Prasse et son minitre electoral k la
diäte d'Empire^' legte dem Reichstage in ßegensburg am 14.
(25.) Juli 1797 eine Declaration der drei Höfe vor über „dis-
solution du ßoyaume de Pologne^' und über ,,ran6anti8sement
de ce Corps politique", wobei, „pour mettre la Diäte k meme
d'en juger avec plus d*6tendue", beigefügt waren ,,le8 actes
relatifis k cet objet important, que les trois cours ont conclus
entre elles." Gerade diese Beilagen haben für uns einen be-
sonderen Werth: 1. ,,D6claration echang6e entre les pleni-
potentiaires de Sa Majest^ rimp6ratrice de toutes les Bussies
et Tambassadeur de la cour de Vienne, comte de Gobenzl, k
Pötersbourg, le 22. D6cembre 1794" (Martens, II, 238). Dieser
Act ist bekannt als „Trait^ du troisieme partage de la Pologne
entre la Russie et TAutriche" (Angeberg, 396). 2. „Convention
conclue entre Sa Majest^ le roi de Prusse et Sa Majest6
rimpÄratrice de Russie k St. Pötersbourg le 13. (24.) Octobre
1795« (Angeberg, 399; Martens, II, 266); dabei befindet sich
dann noch eine „Remarque additionelle", die sich auf die
„dömarcation du Palatinat de Gracovie'^ bezieht, die am 10.
(21.) October 1796 „sous les auspices de la cour de Russie"
war gestellt worden (Martens, II, 279). 3. „Convention entre
Sa Majest^ le Roi de Prusse et Sa Majest^ TEmpereur de
Russie au sujet des affaires de Pologne, conclue k St. P^ters-
bourg le 15. (26.) Janvier 1797". 4. „Acte d'abdication de
Sa Majest6 le Roi de Pologne", vom 14. (25.) November 1795,
in Grodno. Bemerkenswert erscheint, dass bisher noch keiner
von unseren bekannten Historikern, die sich mit der Geschichte
Polens beschäftigt haben — weder Ssolowjew, noch Kosto-
marow, noch Ilowajskij — diese Thronentsagung berührt haben.
„Elr unterzeichnete — so spricht ein Zeitgenosse (No. 798) —
theils mit Unmuth, theils mit thränender Traurigkeit und
— 40 —
selbst nach einigen Ohnmächten die Verzichtnrkunde'' (37).
Die folgenden zwei Acte betreffen den ,,Beitritt'' Oesterreichs
zum Vertrage vom 15. (26.) Januar 1797.
Graf Goertz, indem er alle diese Documente dem Reichs-
tage vorlegte, fährte zugleich in den Sprachgebrauch der
deutschen Kanzleien den Ausdruck „König von Preussen'^ an-
statt der bis zur ersten Theilung Polens üblich gewesenen
Bezeichnung „König in Preussen<< ein.
798. Polens Ende, historisch, statistisch und geographisch beschrieben
von Sirisa, Warschau, 1797.
Ein sehr nützliches Buch. Es zerfällt in drei Theile:
1. „Königlich preussische zweymalige Besitznehmung yom Jahr
1793 und 1795" (42), 2. „Russisch kayserliche zweymalige
Besitznehmung vom Jahr 1793 und 1795" (277) und 3. „Oester-
reichische Besitznehmung vom Jahre 1795" (445).
Jeder Theil zerfällt wiederum in zwei ünterabtheilungen:
„Statistische Beschreibung" d. h. Grenzen, Lage, Eintheilung,
Gewässer, Gebirge, Wälder, Bevölkerung, Einkünfte, Volks-
bildung, Productivität und Handel; „Geographische Beschreib-
ung", d. h. Eintheilung in Wojewodschaften, Districte und
Communen, in den Städten und den Ortschaften des flachen
Landes. Leider hat der Verfasser diejenigen Länder, die
Polen bei der ersten Theilung einbüsste, nicht mit in den
Eüreis seiner Darstellung hineingezogen: das Bild wäre dann
vollständiger gewesen.
Uns kann hier freilich nur der zweite Theil interessieren,
der die Erwerbungen Busslands bei der zweiten und dritten
Theilung Polens betrifft. Die Grenzen der bei der zweiten
Theilung in Eussland einverleibten Länder sind hier nicht
nach dem Vertrage vom 13. Juli 1793 angegeben, sondern
nach den Feststellungen der Grenzcommission, wie sie bei
Sotzmann: Grosse Karte von Polen, in 16 Blättern, verzeichnet
sind (vgl. Wolff, Karte des ehemaligen Königreichs Polen nach
— 41 —
den Grenzen von 1772, mit Angabe der Theilungslinien von
1772, 1793 und 1785. Hamburg, 1872). Den Erwerbungen
Busslands nach der dritten Theilung sind angefügt „Die Her-
zogthümer Kurland und Semgallen'' (^l^); obgleich der Ver-
fasser selbst schreibt: „Am 20. März 1795 unterwarf sich
der Land- und Bitterstand der beyden Herzogthümer Kur-
land und Semgallen der russischen Kayserinn freiwillig'' (34).
üeber di^ Einzelheiten vergl.: ^,Die Einverleibung Kur-
lands" in dem „Buss. Alterthum", LXXXV, 1. Die sta-
tistisch geographischen Darstellungen des Verfassers sind
im Allgemeinen ausserordentlich interessant und brauchbar;
zu ihrer Zeit haben sich polnische Kritiker über sie mit
grossem Lobe ausgesprochen, namentlich auch wegen ihrer
Genauigkeit, so z. B. im Pariser „Conservateur, Journal poli-
tique, philosophique et litteraire, du 19. Brumaire an VII"
(9. November 1797).
Leider kann man nicht dasselbe sagen von der „Histor-
ischen Einleitung", die äusserst parteiisch abgefasst ist: „6cri-
vant sous Tinfluence de nos vainqueurs il a 6t6 forc6 de de-
naturer les ^v^nements, et par cela seul que le livre paralt
librement dans les lieux que leurs bayonnettes oppriment"
(Conservateur, 1. c). In der Constitution vom 3. Mai 1791
sieht der Verfasser die „Verbreitung des französischen Demo-
cratismus und Jacobinismus" (12); der Warschauer Aufstand
vom 6. April 1794 ist ihm „ein Beweis des Einflusses der
französischen Demagogen und missverstandener Freyheits-
gefiihle" (16); er vermuthet sogar im Ernst, dieser Aufstand
sei hervorgerufen worden „von den Emissarien der Pariser
Propaganda durch verführerische Schriften und Vertheilung
von 30 Millionen Livres" (19), während doch in ebendemselben
Jahre 1794 die französische Bepublik mit Preussen Unter-
handlungen führte, und im April 1795 den Baseler Vertrag ab-
schloss, in welchem Polens nicht einmal Erwähnung geschieht!
— 42 —
Jedenfalls ist die Vermathung von Zeitgenossen, dass der
Verfasser des Buches ein Busse, ungerechtfertigt: die Be-
zeichnung „General Suwarow" (27) liesse sich noch allenfalls
erklären, wenn auch nicht begründen, aber der Ausdruck
„russischer General Tormansow" (18) konnte unmöglich einer
russischen Feder entstammen. Die unschicklichen Lobpreis-
ungen Stanislaus Augusts (37)* können gleichermaassen nicht
auf russische Nationalität des Verfassers hinweisen«
799. Dem Andenken des verewigten Helden Sr. Erlaucht des Herrn
Feldmarschals Grafen Rumjanzews Sadonaiskoy, gewidmet von
J. G. V. B. Riga, 1797.
Graf P. A. ßumjanzew Sadunaiskij wurde geboren gleich
nach dem Tode Peters I. und starb einen Monat nach dem
Tode Katharinas II. Sein Tod brachte grossen Eindruck
hervor, als dessen schwacher Widerhall die hier erwähnte Ode
gelten darf. Der Verfasser äussert die Hoffnung, dass nicht
die Poesie, sondern die Geschichte die Thaten des Helden
schildern werde:
„Doch mehr als Dichter singen können
Spricht der Geschichte Mnse einst,
Und jeden edlen Tag wird sie der Nachwelt nennen,
Auch angeschmückt sind seine Thaten schön."
Am 8. Dezember 1896 werden hundert Jahre seit dem
Todestage Bumjanzews verflossen sein.
800. Catarina Segunda, emperatriz de Rusia, drama heroyco en tres
actos. Par don L. F. ÖomeUa. Madrid, 1797.
Das Drama handelt von der Heldenthat des Kapitäns
Weymar bei der Einnahme Otschakows. Von geschichtlichen
Persönlichkeiten treten hier Katharina und „el general Po-
temkin^' auf, aber auch ihnen ist ein ganz phantastischer
Charakter gegeben. Die Liebesintrigue des Kapitäns Weymar
und des Hoffräuleins Sophie rechtfertigt nicht alle die Un-
gereimtheiten der drei Acte. Die Rede Katharinas an die
— 43 —
Heldin von Otschakow ist eine wahre Mustersammlung hohler
Phrasen, durch welche weder Katharina noch die Otschakow' -
sehen Helden charakterisirt werden:
HijoB mioB,
Defensores de mi Estado,
Apoyos de mi grandeza,
No puedo manifestaroB
Todo el placer, todo el gozo,
Que eeik mi pecho probando,
AI veroB de tantas glorias
Y laureles coronados.
No hay Exemplar en la hlBtoria,
De un triunfo tan Benalado
Como el vuestro. No, hijoB mios,
NingunaB tropaB pelearon
Como YOBOtraB; ninganas
Han dado k su Soberano
La grandeza 7 el poder
Que aquel qne k mi me habeiB dado,
En la toma de Oczakow etc. (5).
801. HiBtoire de la r^yolution de Pologne en 1794, par nn temoin
ocolaire [le g^neral Zajaexek], PariB, an V.
Joseph Sajontschek, Jösef Zajaczek, 1752 — 1826, der
unter Anführung Eosciuszkos gekämpft hatte, trat in die
französische Armee ein und wurde 1812 von den Bussen bei
Wilna gefangen genommen; im Jahre 1815 ernannte ihn der
Kaiser Alexander I. zum Statthalter des Zarthums Polen.
Während der Zeit, dass er in französischen Diensten stand,
veröffentlichte er in Paris, im Jahre 1797, eine Darstellung
der polnischen Revolution vom Jahre 1794, an der er selbst
theilgenommen hatte. Katharina kannte ihn nur dem Namen
nach, dessen sie in einem Briefe vom 1. Oktober des Jahres
1794 erwähnt: „Les Polonais ont fait imprimer tout au long
la conversation du vertueux Manstein avec Zaionczek — c'est
un chef — d'oeuvre de betise*' (Sammlung, XXIII, 614).
Sehr interessante Schilderungen der Kriegsereignisse des
Jahres 1794, denen der Verfasser einleitungsweise eine Dar-
— 44 —
legung seiner Anschauungen über die Theilungen Polens (8, 67),
über Stanislaus August (11), die Constitution vom 3. Mai 1791
(28) und die „royalistes polonais, qui sont les plus yils de
tous les royalistes de la terre" (65) vorausgeschickt. Der
Charakter Eoscinszkos ist sehr gut geschildert (70); sehr in-
teressant ist der Brief des Verfassers an Eosciuszko über die
Stimmung in Warschau (75). Für die Kriegsgeschichte des
Jahres 1794 ist dies Werk sehr wichtig, das auch vielfach
zur Erklärung des Pistorschen Berichtes beizutragen geeignet
ist (No. 1077).
Als Beilage sind 34 Documente abgedruckt, von denen
die nachstehenden für uns von besonderem Interesse sind:
„D6claration du roi de Prusse ä la Di6te, au sujet de l'al-
liance projet^e par la Russie entre eile et la Pologne, du
12 Octobre 1788" (195), „Note du ministre du roi de Prusse
sur la garantie russe de la Constitution de la Pologne, du
19 Novembre 1788" (200), der preussisch-polnische Bündniss-
vertrag vom 29. März 1790 (204) und die preussiche Decla-
ration vom 16. Januar 1793 (247), als zweifellose Zeugnisse
für die preussische Politik. Hier sind ausserdem auch einige
Documente der russischen Eegierung veröffentlicht (199,
231, 249).
802. Anekdotor om Statsforandringen i Rasland i 1762 af Rulhür\
Ejobenhavn, 1797.
Oversat af Fransk No. 775.
803. Anekdoter af Keiserinde Katharinas 11, Paul den Forstes og
hans Families Privatleynet Med en Anhang om den onge
Storfyrstinde af Bnsland Maria Alexandra Paalovnas Formae-
ling med Gustav IV Konge af Sverrig. Kjöbenhavn, 1797.
üebersetzung von No. 782.
804. Conferences de Catfaarine II avec Louis XVI, le grand Fr^deric
et Pierre-le-Grand auz Champs-Elysees. Moscou, 1797.
Eine wörtliche Wiedergabe von No. 792, wobei nur die
üeberschrift verändert worden ist, und von dem aus Semiramis,
— 45 —
act I, sc. V entlehnten Motto nur die folgenden sechs letzten
Verse abgedruckt sind:
Las sauvages humains soumiB an frein des loix,
Les arts dans nos cit^s naissans k votre yoix,
Ces hardis monumeiiB qne Tunivers admire,
Les acfilamations de ce poissant empire,
Sovt autant de t^moins, dont le cri glorieux
A d^posä pour vous au tiibanal des dieuz«
Diese ,, mildernden Umstände '^ vor dem Gerichte des
Minos sind hier um so mehr an richtiger Stelle angeführt,
als nach Katharinas Worten, ,,les adulateurs ont souvent
nomm6e devant moi cette S^miramis la Catherine de l'Asie''
(48). Von den mit Katharina sich unterredenden Personen
tritt an erster Stelle hervor Ludwig XVI. — ein neuer Be-
weis zur Bestätigung unserer Vermuthung (No. 792) hinsicht-
lich des Verfassers der Broschüre und des Zweckes, den er
verfolgte.
805. Besä genom P&len, &ren 1793 och 1794. Stockholm, 1796.
Eine Ueberzetzung von No. 744, jedoch mit starken
Kürzungen. Die Ueberschrift ist verändert, doch sehr wenig
passend: der Verfasser erwähnt mit keinem Worte weder des
„Blutbades von Warschau", noch auch Kosciuszkos, was seine
Erklärung findet in dem Umstände, dass er nicht nur Warschau
sondern überhaupt Polen bereits ein Jahr vor den April-Er-
eignissen verlassen hatte, und das Jahr 1794 figurirt daher
ganz unmotivirter Weise auf dem Titel.
806. Beisen und merkwürdige Nachrichten zweier Neufranken durch
Deutschland, Kussland, Polen und die Oesterreichischen Staaten.
Aus dem Französischen. 2 Bde. Leipzig, 1797.
Eine Uebersetzung von No. 754, vollständig und sehr
genau: Bestushew-Rjumin versetzt sie unrichtigerweise in
das Jahr 1784, in welchem auch das Original noch nicht ein-
mal verfasst war; er erwähnt dabei, dass ihm das Original
nicht bekannt sei; nach seiner Aeusserung, diese Reise-
— 46 —
beschreibung sei ,,nicht uninteressant^' darf man indessen ver-
muthen, dass ihn auch die Uebersetzung nicht besser bekannt
gewesen ist, als das Original.
807. Katharina IL £iii historischer Versuch in nenn Skizzen.
Berlin, 1798.
Diese ^^historische Studie^' ist abgedruckt im „Historisch-
genealogischen Kalender '' auf das Jahr 1798, und alle neun
„Skizzen^' stellen zwar nur eine Compilation dar, aber eine
sehr gelungene. Der Verfasser hat die Werke von Rulhifere,
Wraxall, Bellermann, Storch, Coxe, Hackert, die „Voyage de
deux firan^ais^S und sogar Cheraskow benutzt (35, 88, 43, 68,
88, 97, 99, 131), vor Allem aber das Werk von Müller
(No. 723), den er aber nicht nennt.
Der Verfasser stellt Katharina überaus hoch, in allen
Beziehungen höher als Christian von Schweden (74) und be-
wundert sie vor Allem als Deutsche (7). Nur den Deutschen
Grimm, der 20 Jahre lang mit der Kaiserin correspondirt
hatte, erachtet er für befähigt, die Geschichte Katharinas zu
schreiben, doch f&rchtete er, der hinfällige Greis werde dies
nicht mehr leisten können; aber der kleinlich berechnete Grimm
verfasste, nachdem er Katharina um 11 Jahre überlebt, in der
Eigenschaft eines Bittschreibens ein „Memoire historique, sur
l'origine et les suites de mon attachement pour Timperatrice
Catherine IE., jusqu'au d6cfes de S. M. I.
Den Verfasser der Compilation befremdeten in besonderem
Maasse drei Ereignisse: die Moskauer Pest (56), die Aus-
wanderung der Kalmücken (51) und der Pugatschew'sche Auf-
ruhr (54), und diesen Vorgängen sind mehrere Seiten gewidmet.
Es ist nicht bekannt, woher folgende Nachricht stammt: „Der
„Hamburgische Correspondent" war die Zeitung, welche die
Kaiserin ununterbrochen las^' (28). Damals war dies die beste
aller deutschen Zeitungen, die aus aller Welt ihre Corre-
spondenzen erhielt, wie jetzt die Times, und es ist sehr wohl
— 47 —
möglich, dass die Kaiserin diese Zeitung las, wenn auch nicht
bestandig.
Die letzte der Skizzen, die neunte, trägt einen besonderen
Titel: „Züge aus dem Leben einiger berühmter Männer der
Begierungszeit Katharinas 'S ^^^ schliesst kurze Charak-
teristiken Rumjanzow's (119), Orlow's (129), Panin's (130)^
Potemkin's (131) und Suworow's (137) in sich. Während den
Charakteristiken G. A. Potemkin's und des Fürsten A. W..
Suworow je fünf Seiten gewidmet sind, dem Grafen N. J. Panin,
anderthalb und dem Fürsten Orlow nur eine balbe Seite, um-
fasst die Charakteristik des Grafen P. A. Rumjanzow zehn
Seiten. Dazu kommt, dass die Biographie Bumjanzow's einen,
abgesonderten Artikel bildet, von dem Flügeladjutanten Herrn
J. A . . . . verfasst". Bumjanzow ist für den Verfasser ein
„Vorbild der Helden, die Zierde und der Stolz seiner Nation"
(122); viele interessante Einzelheiten aus seinem Privatleben
werden hier mitgetheilt, namentlich aus der allerletzten Zeit..
Beigelegt sind der Abhandlung in Kupfer gestochene
Porträts Katharinas II., Peters HI., Pauls I., des Grafen
A. Orlow, N. J. Panin's, des Fürsten Potemkin und des.
Fürsten Suworow, imd fünf Zeichnungen: „L'imp6ratrice allant
k Peterhoff", „Emigration d'une peuplade entifere de Cal-
mouques", „L'impöratrice dans l'institut de demoiselles",
„Erection de la statue de Pierre le Grand", „Consecration des.
pavillons turcs sur le tombeau de Pierre L", „Scfene de la
fete de Potemkin", „Voyage de Timpöratrice k Cherson" und
„Suwarow devant Pragua", fünf Medaillen: zu Ehren des
Doctors Asch, „liberator a peste, in hello Turcico ad Istrum,.
1770"; zum Gedächtniss des „freundnachbarlichen und ewigen"
Friedens mit Schweden, 3. August 1790; zum Gedächtniss des
Findelhauses, 1. September 1763; auf den Frieden mit der
Türkei, 10. Juli 1774, und zum Gedächtniss der Enthüllung
des Monuments für Peter I.; ferner ein kleines Bild: „Diet
— 48 —
Fontanka beim kaiserlichen Garten in Petersburg**, und eine
allegorische Daistellung in Anlass des Todes Katharinas 11.,
wobei Paul I. als Sphinx erscheint. Mit Ausnahme der Me-
daillen sind alle Porträts und Zeichnungen vollkommen phan-
tastisch, wobei z. B. Katharina in Chersson im Monate Mai
im Schlitten fährt, und auf der Fontanka Dreidecker- Schiffe
fsGthren. Vgl. Eowinskij, 369.
Diese Abhandlung erschien in demselben Jahre 1798 auch
in der französischen Ausgabe des Kalenders (No. 821).
S08. Voyage en Norv^ge, en Danemarck et en Eussie dans les
ann^es 1788—1791, par A. SwinUm, Traduit de Tanglais.
Pariß, 1798.
Uebersetzung des Werkes No. 661. Wichtig nur wegen
der Beilage: Lettre sur la Eussie, par Richer-S6risy (11, 326).
Der Brief ist geschrieben am 20. Juli 1797, und adressirt an
den Uebersetzer. Der Verfasser hatte versprochen Memoiren
über Russland zu schreiben, aber sein Versprechen nicht ge-
halten, und anstatt dessen diesen Brief verfasst, in dem er
ohne alle Ursache über Rulhifere und dessen „Histoire ou
anecdotes sur la rövolution de Russie en Fannie 1762" her-
fällt. Der Verfasser hatte nicht die allermindeste Kenntniss
von dieser Staatsumwälzung, und nennt sogar die Fürstin
Daschkow: „d'Achecoflf" (344), obgleich er sich rühmt, dass
er „les prixipaux personnages qui figurent dans cette sc^ne
sanglante" (342) gesehen habe. Folgende Tirade des Ver-
fassers über die russische Sprache soll wohl nur als Antithese
dienen zu dem Ausspruche Rousseaus: „La langue russe semble
etre formte pour les sentimens voluptueux et doux; si eile a
beaucoup d'irr6gularit6s et d'anomalies, eile est accentuöe,
brillante d'images et de tours nombreux" etc. (343). Das
Portrat des Fürsten Potemkin, dieses „Herkules oder Theseus
mit dem Haupte eines Richelieu oder Mazarin auf den mäch-
tigen Schultern eines Wilden" (345) ist lediglich ein hohler
— 49 —
Wortschwall. Der Verfasser wagt es nicht, Katharina zu be-
schreiben, und bringt dies in folgender Frage zum Ausdruck:
„Qui peindra, en traits de feu, cette femme, dont la tete et
le coeur conqu6rait, maltrisait, civilisait un empire immense,
qui, dans ses yastes projets, 6x6cut6s aussitot que form^s,
donnait et brisait k son gr6 les couronnes, et devait, si la
mort ne l'eüt arret^e dans sa course, placer son petit-fils
Constantin sur le tröne des Ottomans?" (346). Der ganze
Brief ist, wie es scheint, nur zu dem Zwecke geschrieben, um
der sterbenden Katharina als letzten, an den Sohn gerichteten
Willen die Aufforderung an ihn in den Mund zu legen, er
möge den Emigranten (348), zu deren Zahl auch der Verfasser
gehört. Hülfe leisten.
809« Züge zu einem Gemftlde des Rassischen Reichs anter der
Regierang von Catharina II. gesammelt (von A. B. Bernhardt),
2 Theile. S. 1., 1798.
Bemhardi, 1756 — 1801, aus Freiburg, kam nach ßuss-
land und zwar nach Riga im Jahre 1786 als Erzieher der
Kinder einer yerwittweten Generalin Naumhof, in welcher
Stellung er auch neun Jahre, bis zum Jahre 1795 blieb. Mit
der Familie Naumhof reiste er nach St. Petersburg und nach
Moskau. Sofort nachdem er nach Freiburg zurückgekehrt, im
Jahre 1796, ging er daran, seine „russischen Eindrücke" zu
Papier zu bringen, und veröffentlichte anonym zwei „Sammel-
bände" in den Jahren 1798 und 1799; der dritte, letzte,
Sammelband wurde erst nach seinem Tode im Jahre 1807
herausgegeben.
Das Werk Bemhardi's ist sehr geeignet, mit dem inneren
Leben Busslands während des letzten Jahrzehnts der Regierung
Katharinas II. sich bekannt zu machen. Alle späteren Ver-
änderungen und die auf die Zeit Pauls L sich beziehenden
Angaben haben in den Anmerkungen ihren Platz gefunden
(I, 116, 157, 246, 261). Der Verfasser hat sich mit der ein-
Bilb»88off, EaUiirln» H. 4
— 50 —
schlägigen Literatur wohl vertraut gemacht, und namentlich
mit den Werken: Snell, Beschreibung der Russischen Provinzen
an der Ostsee, Jena, 1 794 (29), Storch, Historisch-statistisches
Gemälde des Bussischen Reichs am Ende des 18. Jahrhunderts,
Riga, 1797 (31, 85), Hupel, Versuch die Staatsverfassung des
Russischen Reichs darzustellen, Riga, 1793 (44, 50), Herrmann,
Statistische Schilderung von Russland, Petersburg, 1790 (51,
'82), Posselt, Annalen 1792 (57), Georgi, Versuch einer Be-
schreibung der Residenzstadt Petersburg, Petersburg, 1790
(93), Merkel, Die Letten vorztlglich in Liefland, Leipzig, 1797
(260) u. a. Das ganze Werk ist in folgende 15 Briefe oder
Capitel eingetheilt: 1. Postwesen und Perlustration (geheime
Durchsicht der Correspondenz) (I, 1); 2. Finanzen (49); 3. Cours
und Papiergeld (81); 4. Armee (106); 5. Officiercorps (135);
6. Verwaltung (181); 7. und 8. Livland unter russischer Ver-
waltung (222); 9. Schulwesen (II, 1); 10. Cadettencorps für
Landtruppen, Moskauer Universität, Lehrer und Erzieher (61);
11. Leibeigenschaft (117); 12. Charakteristik der Russen (176);
13. Adel und Geistlichkeit (248); 14. Lage der livländischen
Bauern (III, 1); 15. Trunksucht (30).
Der Verfasser äussert sich mit Begeisterung über das
Findelhaus: „Das Findelhaus ist in der That eine schöne
Anstalt und wird in mehr als einer RiLcksicht gut verwaltet"
(1, 69), er rühmt die Einrichtung der Gouvernements (I, 183,
185), verurtheilt das System der staatlichen Belohnungen, be-
sonders für die Theilung Polens (II, 253), und die russische
Censur, die jeden Gedanken, jede Entwickelung tödte (II, 259),
wobei er die dem Professor Wolke und dem Moskauer Archi-
varius Stritter . seitens der Censur bereiteten Plackereien er-
zählt (II, 261). Einen unangenehmen Eindruck macht die
allzu übertriebene Vorsicht des Verfassers, die ihn veranlasst,
die Personen nur mit dem ersten Buchstaben ihres Namens
zu bezeichnen (I, 34, 42, 149, 220, 230, 260, 284, 301), und
— 51 —
im ganzen Buch ist nur der russische Kaufmann Fatow (I, 227)
mit seinem vollen Namen benannt worden.
810. Miranda, Kdniginn im Norden. Geliebte Pansalvins. Germanien,
1798.
In dem anonymen, im Jahre 1794 herausgegebenen Romane
Pansalvin (Nr. 736), der dem Fürsten Potemkin gewidmet ist,
tritt Katharina unter dem Namen Miranda auf. Zum Schlüsse
des Eomans wird folgendes Versprechen abgegeben: „Die
Lebensgeschichte Mirandas werden wir, vielleicht, auch mit-
theilen. Da wird m^n finden, welch eine yerehrungswürdige
Fürstin sie war.** (406). Nach Verlauf von vier Jahren, im
Jahre 1798, erschien der der Kaiserin Katharina gewidmete
Roman unter dem obigen Titel.
„Miranda*^ ist eine Nachahmung des „Pansalvin'^ Weder
der Ort der Handlung, noch die Zeit, noch die in dem Romane
auftretenden Personen sind näher angegeben; alles ist maskirt
und muss seinem Inhalte nach erst dechiffrirt werden. Die
Handlung spielt sich im Anfange in Preussen (Sandland) und
Stettin (Hofburg) ab, darauf in Russland (Norden) und St. Peters-
burg (Pieroburg); nur drei Jahre können genau festgestellt
werden: 1745 — Jahr der Vermählung Katharina Alexejewnas
und Peter Feodorowitschs (68), 1791 — Todesjahr Potemkins
(382) und 1796 — Todesjahr Katharinas (384). Wir geben hier
ein Verzeichniss der handelnden Personen, mit Angabe der
ihrer „Rechtfertigung" gewidmeten Buchseiten: Aura —
Elisabeth Petrowna (50, 78); Pryssus — Friedrich II. (13, 14),
Pierro — Peter III. (51, 287); ülo — Iwan III. (86); Artof —
A. P. Bestuschew — Rjumin (84, 198, 297), Ranof — S. W.
Saltykow (110, 156); Laskow — Münnich (123); Perso — Graf
Ponjatowski (165); Zadro — G. G. Orlow (212, 225, 237);
Passow — N. I. Panin (221); Wugo — Gräfin Elisabeth Wo-
ronzow (238, 244). Die Rolle Passeks bei der Staatsum-
wälzung ist zwei verschiedenen Personen zugetheilt, dem Ra-
— 52 —
sukof (222) und dem Passaltow (245). Da ,,Althau8<^ — An-c
halt bedeutet, so ist der Vater Eatharinas der Prinz Friedrich
▼on Alihaus (15), mid Eatharina selbst, als Sophie Angnste —
Auguste von Althain (16). Obgleich auf dem Titel Miranda
als „Geliebte Pansalvins^' bezeichnet ist, figurirt dennoch Potem-
kin in dem Boman unter dem Namen Powulzko (310, 342,
372, 382) — ein sicherer Hinweis darauf, dass der Eoman
„Miranda'^ nicht von dem Verfasser des Eomanes „Pansalnn'*
geschrieben ist
Der ganze Boman zer&lit in drei Theile (3, 63, 227) und
34 Capitel, von denen 23 der Liebesintrigue des Grafen Uso,
Adjutanten des Prinzen Friedrich, des Vaters Eatharinas ge-
widmet sind: Uso ist in Auguste von Althain verliebt; ihr
E^ammerfräulin Gräfin Lira liebt den Grafen Uso; zu den nächt-
lichen, stillschweigenden Zusammenkünften erscheint Lira, die
der Graf Uso ktisst und umarmt, Auguste in der Lira ver-
muthend, worauf dann Uso in der der Abreise der Sophie
Auguste nach Bussland vorausgehenden Nacht stillschweigend
mit der Gräfin Lira sich vermählt. Ohne die Täuschung zu
errathen reist Uso der von ihm Geliebten nach Bussland nach,
dringt bis in das Palais vor, wo man ihn jedoch arretirt und
nach Sibirien verschickt. Im Jahre 1762 händigt man diesem
Uso darauf im Versehen einen Brief Eatharinas an Bestuschew
ein, er kehrt nach St. Petersburg zurück, Eatharina empfangt
ihn in Audienz, und fragt ihn nach der Gesundheit seiner
Frau (299, 334). Uso kehrt in seine Heimat zurück, und trifft
auf einem seiner Landgüter mit seiner Frau zusammen, die
ihm die ganze Intrigue erklärt. Diese Handlung ist plump
selbst für solch einen Boman, und dennoch ist die einfältige
Erzählung, ohne Angabe der Quelle, von Laveaux (Nr. 827)
wiederholt worden, wobei Uso in den Grafen B. sich ver-
wandelt hat, und Lira — in die Comtesse von C. (III, 5 — 44,
78—90).
— 53 —
Irgend welche historische Bedeutung kann dieser Eoman
f&r sich natürlich nicht in Anspruch nehmen. In ihm sind
für uns interessant nur die von dem Verfasser wiedergegebenen
allgemeinen ürtheile, Meinungsäusserungen und Anschauungen
der europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Personen und
Ereignisse jener Zeit. So ist Katharina als Schönheit dar-
gestellt (16, 60, 291), als eine Frau mannhaften Charakters:
„ihr entschlossener Muth, ihr männlicher, für grosse Thaten
bestimmter Geist gaben ihr einen entschiedenen Werth*' (280).
Eine Kaiserin, welche „an Euhmbegierde, an Herrsch- und
Vergrösserungssucht keinem Menschen der Welt nachstehe"
(293), wobei als das Motiv und Ziel allen Strebens der Gross-
fiirstin die Erringung der Krone hingestellt wird (58, 73, 176).
Das Portrait Peters lU. wird also gezeichnet: „Pierro ist mehr
klein als gross, sein Gesicht hässlich, seine Augen sind klein
und widerlich" (58), seine „jämmerlichen Tändeleien" (106),
sein Violinspiel (173) und seine Unzuverlässigkeit (209) werden
geschildert Die Revolution vom Jahre 1762 ist ziemlich aus-
führlich dargestellt (225, 245, 333), sogar mit der Beerdigungs-
procession (235); der schwedische Krieg (304) und der zweite
türkische Krieg (366) sind nur kurz und vollständig unrichtig
erzählt. Von den handelnden Personen ist noch am besten
und wahrsten der Graf Stanislaus Ponjatowski, der polnische
König, dargestellt (165, 180, 292, 301, 349); nicht übel ist die
Eegierungsform in Russland geschildert (306). Der im Romane
vorkommenden Ungereimtheiten, wie der Vergiftung des Fürsten
Potemkin durch Katharina (382), was auch in Nr. 1238 sich
wiederfindet, thun wir hier weiter nicht Erwähnung — ihrer
trifft man dort gar zu viele.
Dem Roman ist ein Kupferstich beigegeben: Peter Hl.
im Kaiseromat als Schildwache am Kabinet Katharinas, die
ihm die Krone vom Haupt genommen hat und sie durch einen
Soldatenhelm ersetzt; durch die Thür wird diese Scene von
— 54 -
einer männlichen Figur beobachtet — es ist dies die Dar-
stellung des Traumes, der dem Kaiser Peter III. erschienen war.
Der St. Petersburger Kaufmann WulflFert, ein grosser
Biblioman, versicherte, der Verfasser des Romans sei ein
Schauspieler der St. Petersburger deutschen Truppe gewesen,
ein Herr Älbrecht, den er selbst persönlich gekannt habe.
811. Friedrich Wilhelms des IL und Katharinas der II. letzte Helden-
thaten. Nach dem Französischen des Boisay d^ Anglas wörtlich
übersetzt Paris, 1796.
Francois-Äntoine Boissy d'Änglas, 1756 — 1826 eins der
bekannteren Mitglieder der revolutionären Regierung in Frank-
reich, ein recht unfähiger Mensch, der seine politischen Ge-
sichtspunkte oft gewechselt, aber immer zum Boyalismus hin-
geneigt hat, hat viele Broschüren geschrieben, u. a. auch die
hier angeführte, die in der St. Petersburger OelBFentlichen
Bibliothek nur in der deutschen üebersetzung vorhanden ist.
Unter der Heldenthat des preussischen Königs Friedrich
Wilhelm II. und der russischen Kaiserin Katharina 11. ver-
steht der Verfasser „die endgültige Vernichtung Polens durch
die letzte Theilung*' (7). Der Verfasser, der niemals die Grenzen
Frankreichs überschritten hatte, und erst kurze Zeit vor der
Revolution aus der Provinz nach Paris übergesiedelt war, er-
zählt keine neuen Thatsachen zu seinem Thema, sondern legt
nur die Anschauungen der Mehrheit der Franzosen über die^e
dritte Theilung dar. Als Stanislaus August, der durch Katha-
rinas Einfluss König, geworden, sich endlich entschloss, sein
Vaterland von dem russischen Joch zu befreien, so war, wie
der Verfasser sich ausdrückt, der Versuch zur Lösung dieser
schwierigen Aufgabe ein jedenfalls würdigerer Zeitvertreib für
einen König, als „schönen Frauen nachzustellen, Geister zu
beschwören und Fliegen zu fangen" (7). Er erzählt sehr aus-
führlich, wie der preussische König die Polen getäuscht hat,
indem er mit ihnen sogar ein Bündniss gegen Russland ab-
— 55 —
schloss, wie seine Agenten Lucfaesini (9), Kalkstein und Ludwig
von Württemberg (12) die Polen in der fllr sie schwierigsten
Minute verliessen, nachdem sie ihnen yerrätherischerweise ganz
untaugliche Gewehre verkauft (11), wie die Polen durch
„kindische Frechheiten" sich an Katharina zu rächen suchten —
das Todtengeläute der Kirchenglocken bei Aufhebung des
st&ndigen Raths (conseil permanent, 23) u. s. w. Das War-
schauer Blutbad vom 6. April 1794 ist ziemlich unparteiisch
dargestellt, ein Blutbad „wie das menschliche Auge es noch
niemals gesehen", wobei die Polen in „furchtbarer" Weise
sämmtliche Bussen niedermetzelten (40, 41). Auf das Blutbad
folgte die Vergeltung: die Niederlage und die Gefangennahme
Kosciuszkos (46), die Einnahme und Zerstörung von Praga (47),
und endlich die letzte Theilung Polens und seine endgültige
Vernichtung (48). „Dies waren die letzten Heldenthaten
Friedrich Wilhelms und Katharinens. Die Nachwelt mag
diese sogenannten Heldenthaten richten, unsre Zeitgenossen
dürfen nicjit'' (48).
Es ist nicht bekannt, weshalb in die Geschichte dieser
Heldenthat „einige Züge" aus der Geschichte der Staatsum-
wälzung vom Jahre 1762 verflochten sind, welcher Zusatz den
achten Theil der ganzen Broschüre einnimmt (16). Auch ist
nicht bekannt, woher der Verfasser die Angabe geschöpft hat,
Fürst Potemkin habe Katharina sogar mit dem Heere gedroht.
„Er sagte ihr ganz unverholen, dass er entweder König von
Polen oder Gemahl der Kaiserin seyn wolle" (15) — es ist
diese Nachricht wahrscheinlich polnischen Ursprungs.
812. Annalen der Begierung Katharina der Zweiten, Kaiserin von
Bassland. I. Band: Gesetzgebung [U., Storch]. Leipzig, 1798.
Unmittelbar nach dem Tode Katharinas erschienen in
Westeuropa viele „Lebensbeschreibungen" von ihr. Der russisch
gewordene Deutsche Storch missbilligt dies: „seiner unvor-
greiflichen Meynung nach, ist die gegenwärtige Zeit noch nicht
— 56 —
reif genug, um eine vollständige, wahre und pragmatische Ge-
schichte dieser Fürstinn und ihrer Regierung zu liefern"
(Vorrede); er setzt indessen in diesem Falle keine bestimmte
Frist fest, doch finden manche Nationalrussen, dass sogar auch
nach hundert Jahren noch es zu früh ist, eine solche Ge-
schichte zu schreiben. Der Verfasser hat sich daher dafar
entschieden, nur eine Anzahl offizieller Akten in deutscher
üebersetzung herauszugeben; sie sind zwar schon tibersetzt
und gedruckt, aber systemlos, und in verschiedenen Werken
zerstreut (I\J); tiberdem hat der Verfasser ein jedes Dokument
mit einer „historischen Einleitung" versehen (V). Der Ver-
fasser hat mit der „Gesetzgebung" begonnen, sich aber auch
auf sie beschränkt: ein zweiter Band, der die „Geschichte der
innem Reichsverwaltung" (VI) bringen sollte, ist nicht heraus-
gekommen.
Ausser einer „Allgemeinen Einleitung" (3) enthält der
erste Band folgende fünf Akten: 1. „Konstitutionsakte für die
innere Verwaltung des Reichs" (23), 2. „Grundgesetz fär die
Verwaltung der Polizey in den Städten" (113), 3. „Kon-
stitutionsakte des Adelstandes" (129), 4. „Konstitutionsakte
des Bürgerstandes" (167), 5. „Entwurf und Grundlage einer
neuen allgemeinen Gesetzgebung" (193).
Das Storchsche Werk wurde von Gregorius Glinka ins
Russische übersetzt.
813. Vita Catharinae II Russorum Imperatricis [J. 0. Struve], Franco-
fiirti ad Moenum, 1798.
Eine kurze Uebersicht der Regierung Katharinas, ein-
theilt in 14 Kapitel; die geschichtlichen Ereignisse werden
hier in chronologischer Reihenfolge, ohne alle Erläuterungen
dargestellt. Der Verfasser verkündet den Ruhm Katharinas:
„Magnae huic Imperatrici Russia summum debet, ad quem
evecta est, splendorem. In subditorum suorum gratis animis
monumentum sibi exstruxit aere perennius, et per Ventura
— 57 —
saecula immortalis Catharinae laus et bonos nomenque mane-
bunt" (24). Der Verfasser, Johann Christian von Struve, hat
dies sein Erstlingswerk seinem Vater, Anton Sebastian, der
sich bei der rassischen Oesandtschaft in Regensburg befand,
gewidmet: sein zweites und sein letztes Werk ist unter Nr. 847
aufgeführt.
814. Besaltate und Meinungen über Preussens, Englands, Russlands
und Deutschlands Interesse. Nach dem Französischen des
Boissy <P Anglas wörtlich übersetzt Paris, 179S.
Eins der vielen politischen Pamphlete von Boissy d' An-
glas (No. 811), geschrieben zum Beweise, dass Oesterreich das
linke Ufer des Rheins an Frankreich abtreten müsse. Ohne
das allergeringste Verständniss und völlig sinnlos lässt sich
der Verfasser hier über die politischen Ziele und Tendenzen
Oesterreichs, Englands, Preussens und auch Russlands aus.
Er findet, dass Katharina viel besser gethan hätte, ihre Auf-
merksamkeit der Givilisirung Russlands zuzuwenden, anstatt
mit der Türkei und Polen Kriege zu führen, erkennt dabei
jedoch an, dass aus der gegen Frankreich gerichteten Coalition
Katharina den Hauptgewinn gezogen habe. Im Allgemeinen
ist dies eine Broschüre so ungereimten Inhalts, dass sie gar
keine Aufmerksamkeit verdient.
815. Monument litt^raire consacr6 aux mänes de Tauguste Cathe-
rine U, imp^ratrice des toutes les Russies. 1798.
Eine Sammlung von fünf Oden, geschrieben von franzö-
sischen Emigranten, und in Prachtausgabe veröfifentlicht jvon
Dubrowskij, in Hamburg, in nur dreissig Exemplaren. Premifere
ode (5), par J. B. Auguste Le-Rebours, avocat g^n^ral de sa
Majest6 le roi de France en sa cour des aides de Paris, ist
gewidmet dem Kaiser Pauli., und nach dem Jahre 1796 ge-
schrieben, als es in Frankreich keinen König mehr gab, und
nach der Flucht des Verfassers aus Paris; seconde ode (23),
par Larcher-Samson, officier fran^ais au service de Russie;
— 58 —
troisieme ode (32), par TabW Fitte; quatrieme ode (49), par
Bertant de Haarlem, und cinquiäme ode (69), par Mademoiselle
Mnrray. Einer jeden Ode sind angeschlossen „notes, variantes
et additions."
Das Hauptziel aller ftlnf Oden geht dahin, Paul I. zu
einem Kriege gegen die französische Republik zu bewegen.
816. The life of Catherine II of RuBsia, translated from the French
and enlarged with explanatoiy notes and brief memoirs of
illufltrious persona. 2 v. London, 1798.
Eine Uebersetzung von No. 794. Im Laufe zweier Jahre,
von 1798 bis 1800, erschienen in England fünf Ausgaben der
Uebersetzung des Werkes von Castöra über Katharina, und
zwar, mit Ausnahme der hier aufgeführten, sämmtlich in drei
Bänden. Eine dieser Ausgaben trägt den originellen Titel:
The history of the reigne of Peter III and Catharine 11 of
Russia. Die beste Ausgabe ist die Uebersetzung von H. Hunter,
und zwar nicht sowohl nach der Art der Uebersetzung, als
wegen der beigegebenen Kupfer, so dass die Herausgeber ihre
Ausgabe mit Recht bezeichnen konnten als „embellished with
thirteen portraits and a view of the fortress of Schliesselburgh."
817. Recueil de m^moires et autres pi^ces relatives aux aflPaires de
r£urope, et particuli^rement Celles du Nord, pendant la demi^re
partie da XVIII siöcle. Par le baron d^AJbedyhü, Stockholm,
1798.
Diese Sammlung enthält acht Artikel, von denen zwei
auf Russland Bezug haben: 1. „Nouveau memoire sur la neu-
tralitö arm6e^' — eine sehr interessante Denkschrift über die
Entstehung der „bewafl&ieten Neutralität*'; sie ist um so
wichtiger, als der Verfasser zu jener Zeit Secretär der schwe-
dischen Gesandtschaft in St. Petersburg war, und einige, in
besonderer Anlage abgedruckte Documente bewahrt hat (46),
und 2. „Lettre h Mr.*** en date de St. P6tersbourg le 16.
(27.) Janvier 1780, contenant quelques details sur les aflfaires
— 59 -
et les personnages les plus remarquables de la Cour de Russie'^
(167), wo namentlich die Aeusserung über Panin (179) und
die Mittheilung über den Protest der bourbonischen Höfe
gegen die den Jesuiten in Weissrussland gewährte Zuflucht
(184) von Interesse sind. Hier finden wir auch den Schrift-
wechsel Gustavs III., vom Januar 1789, in Änlass der Ge-
rüchte, der dänische Hof wünsche mit Katharina in Unter-
handlung zu treten zwecks Beendigung des schwedisch -russi-
schen Ej-ieges. Die Gerüchte erwiesen sich als unbegründet.
Albedyhll hatte sich immer im diplomatischen Dienste
befunden und war lange Zeit hindurch schwedischer Gesandter
in Kopenhagen. Nach dem Tode Gustavs III. büsste er seine
Stellung ein und lebte in beschränkten Verhältnissen — ,Je
vivotte obscur^ment dans une petite ville de province, au beau
milieu de neiges et des gla^ons de la Suade, avec une pension
de 200 B-dls, sauf les deductions, qui la reduisent k moins
de 150 R-dls" (269) — und gab das genannte Sammelwerk
heraus, um seine materielle Lage zu verbessern. Das Werk
ist bezeichnet als „tome premier", doch ist kein zweiter Band
erschienen.
818. Anectoter utur Eejsarinnan Catharina II" och Kejsaren Paul II >
jämte Haas Familles Privatle&ad. S. 1., 1788.
Obgleich im Titel dessen nicht erwähnt ist, bringt diese
Publication doch nur eine wörtliche üebersetzung von No. 782
in die schwedische Sprache.
819. Geheime Lebens- und Begierungsgeschichte Katharinas der
Zweiten, Kaiserin von Russland. Aus dem Französischen von
C. mit sechs Porträts. Paris, 1798.
Eine UebersetzuDg des Werkes No. 794. In demselben
Jahre erschien, ausser einer zweiten Auflage dieser Üeber-
setzung auch noch eine neue Üebersetzung in 4 Bänden unter
dem Titel: „Leben Katharinens der Zweiten**. Beide üeber-
setzungen wurden in Paris herausgegeben. In Deutschland
— 60 —
ist keine einzige Uebersetzung des Buches von Cast^ra er-
schienen.
820. Miranda, Königin van Noorden, beminde van Pansalvinus, Vorst
der Duisternis. Naar het Hoogduitsch. S. L, 1798.
Eine wörtliche üebersetzung von No. 810. Die üeber-
setzung ist in zwei Theile getheilt, und in der Vorrede zu
dem zweiten Theile äussern die Herausgeber ihre, der unsrigen
völlig entgegengesetzte Ansicht über diesen „Roman": „Dan
dit Werk is, buyten allen twyffel, iets meer, dan eene ver-
dichte Roman — eene waare, zeer belangryke en merkwaardige
Gesctiiedenis vak den jongstvoorledenen tyd, di aan geheel
Europa niet onbekena, on voor hetzelve ten uittersten belang-
ryk is, ligt hier ten grondslag" (Voorbericht). Die Zeichnung
ist nach demselben Clichö hergestellt, doch ist unten eine Be-
schreibung des Bildes angefügt: „Ik voelde de kroon afoeemen,
en den hoed opzetten, en toen ik omkeek, wierd ik in de half
opene deur enn Jongmanshoofd gewaar, die deze geheime ex-
peditie met een zeker genoegen aanzag."
821. Catharine II. Essai historique de sa vie en neof tableaux.
Berlin, 1798.
Eine üebersetzung von No. 807. Die üebersetzung war
im „Almanach historique et gönöalogique pour Tannöe com-
mune 1798" abgedruckt. Die üebersetzung enthält dieselben
„portraits, vues, medailles et estampes, dont les sujets sont
pris du regne de Catherine", die dem deutschen Originale bei-
gegeben sind.
822. Yiew of the Russian Empire during the reign of Catharine the
Second and to the dose of the present centarj, by W. Tooke,
3 vis. London, 1798.
William Tooke, 1744 — 1820, kam im Jahre 1771 nach
Russland, und war im Anfange Prediger in Kronstadt, und
darauf, seit dem Jahre 1774, in St. Petersburg; so hat er die
letzten 25 Jahre der Regierung Katharinas in Russland ver-
— 61 —
lebt: jjl have passed the greater pari of the long reign of the
late empress in her dominions" (V). Er war Mitglied der
Akademie der Wissenschaften und der freien ökonomischen
Oesellschafty war mit den Akademikern befreundet, benutzte
die Bibliothek der Akademie, die einzige damals in St. Peters-
burg, und verfasste eine Compilation auf Grund der Werke
von Pallas, Georgi, Lepechin, Falk, Storch, Schlözer, Hupel u. A.
Er selbst bezeichnet sein Werk als Compilation: „I have be-
stowed much care and pains in the compilations of this work
from the leamed writers abovementioned and other authentic
sources, and this in all the merit to which I pretend" (V).
Es ist dies eine sehr sorgfältige und brauchbare Compi-
lation. Der Verfasser hat das umfangreiche Material gründ-
lich durchforscht, und ein vollständiges Bild der Landwirth-
schaft, der Industrie und des Handels Busslands in der zweiten
Hälfte des XVIII. Jahrhunderts nach grossem Maassstabe ent-
worfen. Das in drei starken Bänden veröfifentlichte Werk
zerfällt in zwölf Bücher. Ihr Inhalt ist der folgende: 1. „On
the natural State of the empire'^ — Oberfläche, Klima, Boden,
Meere und Flüsse (I, 1); 2. „historical view of the nations"
— Slawen, Finnen, Mongolen, Tataren, kaukasische Völker
(I, 307; n, 1); 3. physical state of the inhabitants" — Be-
Tölkerung, Fruchtbarkeit, ärztliche Fürsorge, physische Eigen-
thümlichkeiten (11, 125); 4. „of the several classes of the
subjects*' — Adel, Geistlichkeit, Städter, Bauern (II, 289);
5. „the govemment of the Empire, or the monarch" — Thron-
folge, Titel, Staatsgewalt, Regierungsform (11, 357); 6. „forces
of the Eussian Empire" — Land- und Seemacht (11, 447);
7. „revenues of the Empire" — Kopfsteuern, Domänen, Zölle,
Stempel- und Postgebühren, Branntweinpacht (II, 503); 8. „the
imperial Colleges" — Reichsrath und Cabinet, CoUegien, Comp-
toire und Canzleien (11, 553); 9. „erection of the Viceroyalties"
— Gouvernements -Institution, Statthalter, Begierungs- und
— 62 —
Pro vinzial- Institutionen, Zünfte und Handwerker (III, 1);
10. „productive industry" — Jagd und Fischerei, Vieh- und
Pferdezucht, Landwirthschaft und Gartenbau, Weinbau, Wald-
wirthschaft, Seidenbau, Bergbau (III, 31); 11. „manufactures
and trade'' — Fabriken und Manufacturen, Baumwolle, Leder^
Porzellan, Krystallglas, verschiedene Gewerbe (III, 463); und
12. „of the commerce of Eussia" — auswärtiger Handel, zu
Wasser und zu Lande; innerer Handelsverkehr, Münzen, Maasse
und Gewichte (III, 559). Zum Schluss, als Beilage, eine kurze
Auseinandersetzung über die russische Sprache, das russische
Alphabet und das Vaterunser in russischer Sprache (III, 689)*
Das wirthschaftliche Leben, die Verwaltung und die pro-
ductiven Kräfte Russlands haben hier eine allseitige Be-
leuchtung erhalten, wobei die zahlenmässige Darstellung an
erster Stelle in Anwendung kommt. Doch waren dem Ver-
fasser die nöthigen Zahlenangaben nicht immer zugänglich.
So gelangte er nach ausführlicher Erörterung der Staatsein-
nahmen zu dem Schluss: ,^The national revenue far exceeds
that of most other countries in Europe, and is amply sufficient
not only to answer all the expences of govemment, but also
to afford considerable sums for the benefit and embellishment
of the empire, though the late empress remitted manj taxes
and abülished several monopolies" (11, 546); über die Staats-
ausgaben standen dem Verfasser jedoch keine Zahlenangaben
zu Gebot („Sammlung", V, 224). Es unterliegt keinem Zweifel,
dass der Verfasser, wenn er mit den Staaisausgaben näher
bekannt gewesen wäre, seine Anschauungen über die Staats-
einnahmen verändert hätte. Dafür bürgt die Geradheit seines
Charakters, die in dem von den „vassal boors*' handelnden
Gapitel sehr deutlich zum Ausdruck konmit; es heisst dort
über sie: „they have no civil liberty; theire children belong
not to them, but to their manorial lord, on whose will they
depend; they also, with their children, singly or in families^
— 63 —
may be alienated, sold and exchanged; they possess no im-
movable property, bat they themselves are treated someümes
as the movable, sometimes as tbe iminovable property of
anoter" (11, 336). Der Verfasser siebt in Katharina die
Schöpferin der Macht Russlands (III), die eine Folge der
ökonomischen Entwiekelung des Landes war: im Jahre 1768
belief sich der Werth der Ausfuhr auf nur 21 Millionen Rubel,
im Jahre 1 793 dagegen auf 63 Millionen, d. h. binnen 25 Jahren
hatte sich der Export verdreifacht (III, 632).
Leider hatte der Verfasser die russische Sprache nur bis
zum „Ye Boy" (I, 373) oder „Slatkoi trava" (III, 480) er-
lernt, infolgedessen er nur üebersetzungen benutzen konnte,
welcher Umstand ihm auch bisweilen zu Irrthümem Anlass
bot: die ganze Erörterung über den grossfürstlichen Titel
(11, 437) fusst auf solch einer ungenauen üebersetzung.
Massen (No. 841) äussert, das Tooke'sche Werk sei „une
compilation indigeste, incorrecte, inexacte et rebutante" (146);
Esneaux und Chennechot (No. 937) finden, Tooke sei „le
plus bas des apologistes du gouvemement de Catherine"
(V, 122).
Tooke hat die englische Literatur mit noch zwei Werken,
oder richtiger: Compilationen bereichert, die zwar von Russ-
land handeln, sich aber auf Eatharin anicht beziehen : „Russia,
or a compleat historical account of the all nations which
compose that empire." 3 vis. London, 1780, und „History
of Russia from the foundation of the monarchy by Rurik, to
the accession of Catharine the Second", 2 v. London, 1800.
823. Vojages et aventurea des ^migr^ fran^ais, depuie le 14. Juillet
1798 jusqu'i Tan VIL Par L. M. H. 2 vis. Paris, 1799.
Schon dieser Haupttitel lässt voraussetzen, dass in dem
vorliegenden Werke Russlands fiir das bezeichnete Jahrzehnt
Erwähnung geschieht; doch ist in dem Titel weiter noch er-
— 64 —
wähnt, dass dies Jahrzehnt — ,,^poque de lenr ezpulsion par
diffSrentes puissances de TEurope dans la Volhinie, le
gouvernement d' Archangel, la Sib6rie, le Eamtchatka^' etc.
lind dass in den beiden Bänden des Werkes ,yla description
historique e g^ographique de tous ces pays, avec des obser-
vations sur la r6volution de la Pologne" enthalten sei. Der
Titel des Werkes entspricht aber durchaus nicht dem Inhalte
der beiden Bände. Das Interessanteste in ihnen — ,,ATentares
des 6migr6s frangais" — nimmt nur die ersten 84 Seiten des
ersten Bandes ein, wobei auf der ersten Seite angegeben sind:
„Noms de plusieurs de ceux qui s'^taient refugi^s dans la
Volhinie, dont un grand nombre avec leurs femmes" (61) und
„Noms de quelques femmes, dont les maris ont 6t6 tu^s, et
qui ont suivis k Eamtchatka les autres 6migr6s'< (Ibid.) —
in Summa 25 Familiennamen yon getödteten oder nach
Kamtschatka ausgewanderten Personen, ohne Angabe der
Mörder, und andererseits der Gründe der Auswanderung nach
Kamtschatka. Sodann folgen: Description de la Volhinie
(I, 1); Dicouverte et histoire du Kamtchatka (I, 17); De-
scription de la SibÄrie (11, 1); Description du gouvernement
d' Archangel (II, 132) und dabei kein Wort über die Zeit
Katharinas; die neueste der im Werke enthaltenen Nachrichten
ist entlehnt aus Chappe d'Auteroche (II, 17).
Dem Werke sind vier Karten beigelegt: 1. Carte g6n6rale
de TEmpire des Busses, contenant la Sib^rie et le Kamtchatka
(I, 17); 2. Carte de la Pologne aujourd'hui partag^e entre la
la Russie, TEmpereur et le roi de Prusse (I, 1) und 3)^Russie
Blanche ou Moscovie. Province d' Archangel et Laponie russe
(n, 132), und vier Zeichnungen: 1. Coiffure et habillement
d'hiver des Kamtchadales (I, 31); 2. Femme Kamtchadale
avec ses enfants dans son habit ordinaire (11, 67); 3. Supplice
du knout ordinaire (II, 92) und 4. Supplice du grand knout
(H, 99).
— 65 —
824. Taurische Reise der Kaiserin von Russland Ka-tharinft n. [Von
Dr. Weücardt,] Koblenz, 1799.
Eine sehr interessante Beschreibung der tavrischen Beise.
Der Verfasser hat an ihr nicht theilgenommen, sondern nach
den mündlichen Elrzählungen von Augenzeagen und nach den
Aufzeichnungen yon Theilnehmem an der Beise dieselbe be-
schrieben (51, 87, 155), und zwar war er far diese Arbeit
wohlvorbereitet (141). Die in dem Buche dennoch • anzu-
treffenden thatsächlichen Unrichtigkeiten können ohne Mühe
aus dem der Hauptsache nach auf Grund der Quellen des Hof-
Archivs bearbeiteten vortrefflichen Werke von G. W. Jessipow:
„Beise der Kaiserin Eatherina 11. in Süd-Bussland, 1787.^'
(„Kijewer Alterthum", XXXI, 175) corrigirt werden.
Sogar die Voraussetzungen des Verfassers erweisen sich
als zutreffend: „Die Kaiserin mochte wohl vermuthet haben,
die Türken werden geschwinder zur Ejiegserklärung erhitzt
werden, und alsdann wäre es eine ihrer grössten Begeben-
heiten gewesen, nach Ueberraschung der Festung Oczakoff,
oder gar nach Einnahme von Constantinopel, siegreich nach
Moskau zurückzukehren" (8). Diese Voraussetzung findet ihre
vollständige Bestätigung in dem geheimen Ukas vom 16. October
1786 (Hauptarchiv des Ministeriums des Aeusseren, 565), der
bisher nicht veröffentlicht worden, und nur im Auszuge be-
kannt ist („Buss. Archiv*', 1865, 741).
Der Anonymus ist wahrscheinlich in Bussland gewesen.
Es dürfte kaum möglich sein, nach fremdem Munde eine so
genaue und richtige Beschreibung zu geben von der „Smo-
lenski* sehen Grütze" (34), dem „kleinrussischen Borschtsch"
(Suppe von rothen Buben, 49), den Fruchtliqueuren (59), den
Erdhütten (126); den Sinn der russischen Ausdrücke hat er
vollkommen richtig aufgefasst, und erklärt demgemäss das
Wort „Saporoschez" (d. h. ein jenseits der Wasserfalle
Wohnender) aus dem Worte „Parogi" (die Wasserfälle des
BllbftBBoff, Katharina IL 5
— 66 —
Dnjepr, 113), und erinnert bei dem Namen Potemkin an das
Wort „Potemki" (Finsterniss, 115) u. s. w. Ueber das
russische Volk äussert er sich ohne die im Westen üblichen
Yorurtheile: ,,üeberhaupt ist der eigentliche Busse sehr rein-
lich in seinen Wohnungen'^ (21); y,der Handel hat sich unge-
mein vermehrt, seitdem der Ort in russischer Herrschaft ist"
(26) u. s. w.
In der Beschreibung der Reise trifft man auf Einzel-
heiten, nach denen wir vergeblich in den officiellen Berichten
und in den Aufzeichnungen der Theilnehmer suchen würden,
wie z. B. über die Feuersbrunst in Smolensk (33), die Ver-
brennung dreier deutscher Officiere (43), über ein misslungenes
„Hurrah" in Kijew (87), über Fadejew (115), über den Ta-
pezirer und Gartenbauer Hempel (119), über die Verfolgung
der Buchdruckereien (203). Selbstverständlich jedoch giebt
der Verfasser auch die damals allgemein geglaubte Nachricht
von den „Decorationen" bei der Vortiberreise der Kaiserin
wieder (35, 68, 145, 153, 184).
Bei Erwähnung der „Dnjepr-Flottille" fügt der Verfasser
hinzu: „In KieflF schiffte sich einstens ein Grossfürst, mich
dünkt, auf dreyhundert Fahrzeugen ein, um Constantinopel zu
erobern. Die jetzige SchiflEfahrt gieng eben nicht auf Erobe-
rung dieser Hauptstadt aus, aber doch mochten sich manche
schmeicheln, dass eine solche Eroberung bald nachfolgen
könnte" (84). Ein bestimmter gefasster Hinweis hierauf
wiederholt sich bei Erwähnung der Stadtthore von Chersson
(123). Die Schwierigkeiten der Besiedelung von Chersson und
der Organisation der Verhältnisse der Krim veranlassen den
Verfasser zu der Bemerkung: „Man hat also wohl Recht zu
sagen: Eussland darf nur noch eine Crimme erobern, um sich
ganz zu ruiniren" (129). Sehr interessant sind seine Mit-
theilungen über die Art, wie der Kaiserin hinsichtlich der
Hungersnoth vom Jahre 1787 die Augen geöffnet wurden
— 67 —
(186, 193, 195). Der von dem Verfasser erwähnte Brief
Katharinas (102) ist yollkommen echt („Russ. Archiv", 1864,
518; 1880, HI, 844; „Vorlesung«, 1868, HI, 170; Smirdin,
UI, 844). Die im Bache vorkommenden Ungenauigkeiten lassen
«ich leicht als solche feststellen: der künstliche Schnee (22)
oder die Notiz über die Chaussee (179) finden in Missverständ-
nissen ihre Erklärung; „Strufalow" anstatt Strekalow schrieb
der Verfasser aus Ünkenntniss, u. s. w.
Auf dem Titel heisst es: „aus dem Englischen übersetzt«.
Falls dies wirklich eine üebersetzung ist, so ist sie jedenfalls
nach einer Handschrift angefertigt; wahrscheinlicher aber ist,
dass der Verfasser durch diese Bemerkung nur seine Anony-
mität sicherer zu wahren beabsichtigte.
Auf einem von mir unlängst erworbenen Exemplare be-
findet sich folgender Vermerk: „Ein Geschenk des Verfassers
Dr. Weikardts bey meiner Reise von München durch Heil-
bronn. 1800". Aus den vorerwähnten Gründen verdient dieser
Vermerk die vollste Beachtung.
825. Briefe während des Türkischen Feldzugs im Jahre 1787 bis
1789. Aus dem Französischen des Prinzen von Ligne übersetzt.
Dresden, 1799.
In Dresden waren auch, im Jahre 1795, die „Mölanges
militaires, litt^raires et sentimentaires du prince de Ligne'S
32 vis., herausgegeben worden: die Briefe über den zweiten
türkischen Krieg sind in den verschiedenen Bänden der „M6-
langes'' zerstreut. Von den 11 Briefen sind 2 aus Jelisawet-
grad datirt, 1 aas Chotin, 4 aus Otschakow, 1 aus Jassy,
1 aus Semlin, und 2 aus Belgrad, so dass auf Russland selbst
nur acht dieser Briefe Bezug haben. Vergl. „Fürst de Ligne
in Russland" („Russ. Alterthum", LXXIII, 541).
826. Sorvey of the Tnrkish Empire, in which are considered ....
tfae cause of the decline of Tarkey, with a deveiopement of
the political System of the late Empress of Bussia, by W. EUm,
London, 1799.
5*
— 68 —
William Eton hatte mehr als 20 Jahre in der Türkei
und in Bassland verlebt; er war englischer Consul in Eon*
stantinopel, hatte alle Provinzen der Türkei bereist, war in
Griechenland, Armenien und der Krim gewesen, war auch mit
dem Fürsten Potemkin gut bekannt („I was in the confidence
of the late Prince Potemkin^') und versah etwa ftinf Jahre das
Amt eines Secretärs der englischen Gesandtschaft in St. Peters-
burg. Mit den besten Werken über die Türkei hatte er sich
vollkommen vertraut gemacht: mit denen von Porter, Baron
Tott, Pejssonel, Osson, er hatte lange unter den Türken ge-
lebt, sprach türkisch, wenigstens stellt er eine solche Sprach-
fertigkeit als Bedingung auf: „tili a man is capable of con-
versing with ease among the natives of a countrj, he can never
be able to form an adequate idea of their policj and manners^^ (3).
Nach gründlichem Studium der Türkei und der Türken ge-
wann er die üeberzeugung von der Notwendigkeit, die Türken
aus Europa zu vertreiben (210, 373, 394), obgleich, seiner An-
sicht nach, sein ürtheil über sie kein strenges ist: „I am
sensible that I may be accused of treating the Turks too
severely^' (lY). Als Engländer ist er der Üeberzeugung, dass
die Vertreibung der Türken für England von grösserem Nutzen
sein würde, als für Russland: „the expulsion of the Turks trom
Europe would be more advantageous to Britain tban even to
ßussia" (VIII).
Da er lange Jahre in St. Petersburg lebte, dem Fürsten
Potemkin nahe stand, und die Möglichkeit hatte sowohl Ka-
tharina zu sehen, als auch mit ihren Angelegenheiten sich
vertraut zu machen, war der Verfasser im Stande, von der
Kaiserin, schon nach ihrem Tode, folgendes Portrait zu ent-
werfen: „As a sovereign she will make a great figure in
history. Her information proceeded from an extensive and
minute acquaintance with the present and past state of nations,
their actual and relative situations, and with the personal
— 69 —
character and private interesta of Boyereigns and indiriduals;
ahe was indefatigable in gaining intelligence and making parti-
zans, and spared neither money nor means to sacceed; she
was astonishingly rieh in resources; she had wonderful talents
to combine and dednce, ^o as to foresee with certainly futore
events, or be prepared for such as mere accident prodnces:
it was thence that she was enabled to profit bj erery fault
or misfortune of other states, as well as of what inevitably
foUowed in the common course of things; her projects were
always vast, their object her own glory; her perseverance was
inexorable; Opposition or difficnlty only excited greater exer-
tions of talent; she never gave up one single pursuit when it
was known to the world that she had determined to foUow it,
unlesB it could appear that she ceded from motives of gene-
rosity, and not from compulsion or invincible obstacle success
never dazzled, nor danger or embarrassment oppressed her;
on all occasions she had equal firmness, conrage, and pre-
sence of mind; she was always great'^ (^^7). Trotzdem ver-
meidet der Verfasser jede Parteilichkeit: „It is only in foreign
politics that she appears great, and because there only she
govemed alone; as to the internal govemment of the impire,
it was left to the great ofGcers, and they inordinately abused
their power with impunity" (459).
Man stösst in diesem Buche auf zahlreiche interessante
und neue Notizen, so über den ersten türkischen Krieg (196,
359), namentlich aber über die Schlacht bei Tschesme (90,
363), und auch über den zweiten (93, 363, 380), umsomehr
als der Verfasser z. B. ein Augenzeuge des Sturms auf Otschakow
gewesen ist (Xu, 96), den Bericht von Paul Jones über die
Liman-Eämpfe gelesen hat („I have read^') u. s. w. Er theilt
Documente mit, die über die Thätigkeit solcher Agenten Ka-
tharinas handeln, wie Sotiri (364), Lambro Concioni (378),
Psaro (364, 369), spricht von den Bestrebungen der Griechen,
— 70 —
den Grossfärsten Gonstantm Pawlowitsch zum König zu er-
halten (367, 370, 373, 375) u. s. w.
Eton hat in der Krim gelebt vor ihrer Einverleibung in
Bussland, er kannte die Tataren der Krim während der Zeit,
da sie noch zu der Türkei in einem Abhängigkeitsverhältniss
standen, Raubzüge unternahmen, plünderten, sengten, ihre
Nachbarn mordeten, und rechtfertigte vollständig die Besetzung
der Halbinsel und ihre Einverleibung in Bussland (312). „The
empress at last tired out bj the continual alarms they oc-
casioned, and determined no longer to suffer her subjects
to be exposed to the calamities the incursions of these bar-
barians occasioned, seized on the Krim and Cuban in
1783" (333).
Der Verfasser spricht von dem griechischen Projecte:
„The empress has also conceived the vast and generous design
of delivering Greece from its bondage, and of establishing it
under a prince of its own religion, as a free and independent
nation" (406). lieber die Beziehungen, die zwischen Bussland
und England bestanden, s. S. 379, 406 ff.
Als Anhang sind dem Buche beigefügt „Miscellaneous
Papers, i. e. extracts and translations from original documents"
(504). Diese Documente beziehen sich auf Egypten, Persien^
die üeberfälle gegen die Engländer in Indien, China und
Japan, die Besetzung der Inseln Lampedusa und Linosa im
Mittelmeere, die Angriffe auf die türkische Flotte in der Meer-
enge von Konstantinopel, und endlich auf die Land- und See*
macht Busslands im Jahre 1795.
Eine kurze Besprechung des Werkes s. bei Dohm, I, 226.
827. Histoire de Pierre III empereur de Bussie imprim^e bot tut
manuscrit trouv^ dans les papiers de Montmorin , ancien mi*
nistre des afiiures ^trangöres et compos^ par im agent secret
de Louis XY k la cour de P^tersbourg suivie de rhistoire
seeröte des amours et des principaux amants de Catherine IX»
Arec figures. [Par J. C. Laveaux,] 8 r. Paris, 1799.
— 71 —
Heibig als erster hat den Verfasser genannt (S. XIV) und
seine Angabe wird vom Herausgeber bestätigt: ,,c'est le re-
cueil des observations d'un komme d'esprit et de distinction,
que Louis XV entretenait secritement k la cour de P^tersbourg;
il 7 passa plusieurs ann^es depuis la fin du rögne d'Elisabeth
jusqu'ä la mort de Louis XV (1), und bekannt ist, dass von
1761 bis 1773 Jean Charles Laveaux ein solcher Agent ge-
wesen ist. Der anonyme Verfasser selbst bezeichnet sich
mehrmals als Augenzeugen (I, 204, 212, 214, 250), spricht
von seiner nahen Beziehung zu Personen jener Zeit (250, 272),
liihrt russische Phrasen an (117, 276), und erklärt: „Je pein-
drai d'apr^s nature Pierre HI, Catherine, ses complices, ses
amants, la Russie et les Busses, tels qu'ils sont, et je ne les
peindrai ni meilleurs ni plus m^chans que je ne les ai vus;
je les ai fr6quent6s, ^tudi^s, analys^s pendant plus de dix
ans'' (212). Dennoch äussert sich Graf S6gur, französischer
Gesandter am Hofe Katharinas, folgendermassen über den
Verfasser: „L'auteur de l'Histoire de Pierre in aime mieux
critiquer les hommes qui ont parlö avec justesse de la Bussie,
que de profiter de leurs lumiöres", er sieht in dessen Mit-
theilungen „des bruits d'antichambre'', stellt seine Schriften
auf eine Stufe mit „ces libelles, qu'on oSre honteusement aux
passants dans les rues'', und schliesst nach Hinweis auf einige
üngenauigkeiten mit den Worten: „on peut juger par ce trait
de l'exactitude de cet auteur et de la confiance, qu'il doit
inspirer (Cast^ra, I, p. VII). Heibig beschuldigt ihn des
Plagiats: Laveaux habe seine in der „Minerva'' von Archen-
holz abgedruckte Arbeit über Potemkin paraphrasirt (Heibig,
Biographie, XIV).
Als Hauptperson der „Histoire de Pierre HI" erscheint
aber nicht Peter III., sondern Katharina 11., der nicht nur
der ganze dritte Band, sondern auch ein grosser Theil des
ersten und des zweiten gewidmet ist; die Geschichte Peters JH.
— 72 —
nimmt nur den kleinsten Theil des 1. Bandes ein (114 — 210).
Wie aus dem Kapitel „Conspiration contre Pierre DI., son
dötronement et sa mort" (211) hervorgeht, war der Verfasser
nicht Augenzeuge der Bevolution: Gregorius Orlow holt hier
Katharina aus Peterhof ab (256), in der Kasanschen Kathe-
drale begrüsst man die Thronbesteigung Katharinas mit lautem
Applaus (258) u. s. w. Die einzige ToUkommen originale Nach-
richt betriflft die Anwesenheit Peters III. im Seehofe (278).
Wie es scheint, hat der Verfasser den Kaiser Peter III. nur
auf der Strasse gesehen (42, 46, 52, 76, 79, 116, 134, 159,
188, 194, 288), und über Katharina aus der damaligen Zeit
nur nach Hörensagen geschrieben (50, 53, 116, 233, 259).
Laveaux erzählt die Geschichte der Abfassung des „memoire,
publik par l'imperatrice, pour la pr6tendue justification de sa
conduite'', wobei er auch Mr. de Villiers als den Verfasser
dieser Denkschrift bezeichnet (214).
Die im ersten Bande enthaltenen „Eclaircissements histo-
riques, notes, anecdotes et additions^^ gehören nicht Laveaux
an, und haben mehr auf Katharina II. Bezug, so namentlich:
„histoire de l'infortun^ prince Ivan'' (80) und „histoire de la
r^volte de Pougatschef (255). In keiner der beiden Erzäh-
lungen findet sich irgend etwas Originales; die in ihnen an-
geführten Manifeste und Ukase waren in französischer Sprache
schon lange bekannt.
Der dritte Band bezieht sich vollständig auf Katharina II.
und trägt einen besonderen Titel: „Histoire secrfete des amours
et des principaux amants de Catharine JI". Er beginnt mit
einem unsinnigen Roman — „Histoire du comte de B . . ."
(5 — 44, 78 — 90), der vollständig aus No. 810 entnommen ist,
stellenweise sogar in wörtlicher Uebersetzung. Bei Laveaux
wird ein Detail mitgetheilt über das Gespräch der Naryschkin
mit Elisabeth Petrowna (54); dies Detail findet seine Bestäti-
gung durch den Bericht von Champeaux (Bilbassow, Joanne
— 73 —
Elisabeth, p. 115). Die Geschichte Orlows (91) und besonders
Potemkins (112) berichten über viele sehr charakteristische
Züge und Einzelheiten; es fällt nicht schwer, sie von der Lüge
und den Erfindungen, die reichlich vertreten sind, zu sondern.
Lassen wir auch die intime Geschichte bei Seite, so treffen
wir im 3. Bande noch auf mancherlei interessante Nachrichten:
so über das russische Heer (219, 280), über den „Fürsten-
bund^< (239), über die taurische Reise (260), und namentlich
über Stanislaus August (270).
Eünem jeden Bande ist ein Kupferstich beigelegt: im
1. Bande — die Scene in Bopscha, im 2. — das Strafgericht
über Pugatschew, im 8. — die Begegnung mit Potemkin dar-
steUend. Dieser Kupferstich findet sich auch in der hollän-
dischen üebersetzung: „Minnarijen van Gatharina n, Keizerin
van Bussland. En Geschiedenis van haare voomaamste min-
naars. Naar het fransch door Mr. Joannes van der Linden."
Amsterdam, 1800.
828. La BuBsie officienBe. Pur Fr. Barsa. Paria, 1799.
Der Verfasser, der seine Broschüre vom „29. fructidor, an
7 de la B^publiqne Frangaise" datirt hat, beabsichtigte Frank-
reich durch die Darlegung des Geschickes, das zur Zeit Ka-
tharinas über Polen hereingebrochen, zu warnen, namenüich
auch vor den „phrases perfides que le g^nöral Souworow croit
utiles de placer dans les proclamations au Peuple frangais^' (3).
EHir diesen Behuf druckt der Verfasser drei Declarationen der
russischen Gesandten ab: vom 18. Mai 1792 (8), vom 9. April
1793 (39) und vom 25. Juli 1797 (58). Diese drei Declara-
tionen sollen als Unterlage und zur Rechtfertigung dienen für
folgende Schlussfolgerung des Verfassers: „L'ambition et l'ava-
rice de Bussie sont mextinguibles. Elle prit une partie de
la Pologne, parce que le gouvemement de cette puissance ^tait
r^publicain; une autre partie fiit usurp^e, parce qu'elle avait
— 74 —
Youlu s'en donner au monaxchique; tont fat enfin d^yor6, sous
le pretexte qu'elle n'en avait aucun" (71).
829. Vollstfindige Bibliothek korländischer und piltenscher Staats-
Bchriffcen der Zeitfolge nach aufgestellet von J. C. Sohwartz.
Mitau 1799.
Eine überaus nützliche Sammlung sämmüicher, die Ge-
schichte Kurlands aus den Jahren 1561 bis 1795 betreffender
y^Staatsschriften^^ Hier sind nicht nur die im Druck erschie-
nenen ^ sondern auch handschriftliche (183) Documente ab-
gedruckt, wobei der Verfasser sogar solche Ausgaben angemerkt
hat, die er nicht in Händen gehabt, sondern nur in anderen
Werken citiert gefunden hat (161). In Summa hat er 283 Do-
cumente zusammengebracht, von denen die letzten 176 auf
die Begierungszeit Katharinas Bezug haben. Hier sind sehr
viele, sehr seltene Werke, die sich nicht einmal in der
St. Petersburger OeffenÜichen Bibliothek vorfinden, aufgeführt.
830, Der alte Leibkutscher Peters des Dritten. Eine wahre Anekdote.
Von A. V, Kotxebue, Leipzig, 1799.
Nach Ueberfiihrung des Sarges Peters III. und seiner
nochmaligen Beerdigung zusammen mit Katharina bildete sich
über Kaiser Paul die Legende, dass „treue Diener seines
Vaters sind ihm willkommen"; daraufhin bittet der alte Leib-
kutscher Peters IIL um Unterstützung und Paul I. lässt ihm
20,000 Rubel auszahlen, als den Betrag seines Gehaltes während
der 34 Jahre der Regierung Katharinas, zu 300 Bubel für
das Jahr, mit den aufgelaufenen Züisen. Die kleine Broschüre
hat flir uns nur deshalb Bedeutung, weil in ihr eine Familien-
ähnlichkeit constatirt wird; der Leibkutscher äusserte sich
folgendermassen über Paul: „Als ich ihn aber erst von weitem
sah, als ich die Züge seines Vaters erblickte" u. s. w. (30).
Derselbe Hinweis begegnet uns auch schon früher (15).
Noch zu Pauls Zeiten wurde die Broschüre ins Russische
übersetzt.
— 75 —
831. Th^ätre de rHermitage de Catherine 11, compoB^ par cette
Princesse, par plusieors personnes de sa soci^t6 intime et par
quelques ministres 6trangers. [Par J. Caetera.] 2. v. Paris, 1799,
Es ist dies nicht ein Neudruck von No. 536. Der Ver-
feflser äussert sich darüber direct: „Lorsqu'on eut jou6 un
certain nombre de ces pifeces, Catherine fit faire, k THermi-
tage, quelques copies de cette coUection; et c'est une de ces copies
que nous poss^dons.'^ Diese Ausgabe ist besonders werthvoll
deshalb, weil in ihr die Verfasser aller 19 Stücke, die in diese
Sammlung aufgenommen sind, genannt werden. Die Verfasser
dieser „Ermitage-Piöcen" waren, ausser Katharina: Graf Ko-
benzl, SÄgur, Fürst de Ligne, A. Dmitrijew-Mamonow, Qraf
Strogonow, J. Schuwalow, D'Estat (ein Franzose, der im Ca-
binet der Kaiserin diente) und Fräulein Aufrene (die Tochter
eines der Schauspieler). Der Prinz von Nassau -Siegen lieferte
auch ein „proverbe", das aber von S^gur geschrieben war,
wie Katharina mittheilt: „Monsieur de Nassau a 6i€ ran^onn^
par Sögur, son böte, qui a livrö pour lui un proverbe" „Samm-
lung", XXIII, 468). Nach der Mittheilung des Herausgebers
sind diese Stücke zu Ende des Jahres 1787 und im Winter
1788 aufgeführt worden.
Es sind hier sechs dramatisirte Sprichwörter von Katha-
rina abgedruckt worden: fünf, die auch schon in der Samm-
lung No. 536 sich vorfinden — wobei das erste Stück den
Titel: „Le tracassier" (I, 4) erhalten hat, — und ein sechstes:
„Imitation de Schakespeare, sc6ne historique, sans observations
d'aucune r^gle du th^ätre, tiröe de la vie de Eurick" (n, 369).
Der Herausgeber begleitet das Stück mit folgender Bemerkung:
„Cette pi&ce a 6i6 compos^e en Busse et jou^e dans cette
langue par des acteurs Busses, sur le thöätre de l'Hermitage;
apr^s cela, eile fut traduite en Frangais sous les yeux de Ca-
therine, qui en corrigea la traduction" (Ibid.). Zu diesem
Stücke 8. auch No. 687.
— 76 —
Hinsichtlich der Autorschaft kann ein Zweifel obwalten
nur bei dem Stücke: y,L'In8oaciant, com^die en trois actes et
en prose, par M. Alexandre Mamonof, favori de Timpöratrice
Catherine IL" (I, 359). Unter dem Datum des 17. November
1788 hat Chrapowizkij notirt: „das in russischer Sprache ver-
fasste Sprichwort: „Der Unsinn ist zollfrei" ist von mir ab-
geschrieben worden; das Stück ist angefangen vom Grafen
A. M. Dimitrijew-Mamonow, und beendigt von Ihrer Majestät
— er war träge geworden, und führte das Stück nicht zu
Ende" (197). Eine Gomödie in drei Acten beansprucht aber
sehr viel mehr Arbeit, als ein dramatisirtes Sprichwort.
Das in No. 536 mitgetheilte Bruchstück aus der vor-
erwähnten Comödie ist von J. S. wörtlich übersetzt worden
unter dem Titel: „Der Geist Katharinas der Grossen", 11, 13.
Dem ersten Bande ist ein in Kupfer gestochenes Porträt
Katharinas angefügt (Rowinskij, II, 849, No. 317).
832. Catarina Seganda en Cronstadt, drama herojco en dos actos.
Por don L. P. Gomeüa. Madrid, 1799.
Ebensowohl der Ort der Handlung, Kronstadt^ als auch
die handelnden Personen — Stoffel, Coulmin, Ribas, Fermer,
Meknof, und Katharina selbst nicht ausgeschlossen — sind
vollkommene Phantasiegebilde. Katharina begrüssend, ruft
das Volk:
Viva, Viva Catarina,
Viva de Analt la princesa (30).
Dies Drama ist ebenfalls so leer, wie das erste (No. 800) —
die Person Katharinas, die in damaliger Zeit das westliche
Europa sehr interessirte, rettete wahrscheinlich den Verfasser.
833. L' Antidote ou les Busses tels qn'ils sont et non tels qu'on les
croit. Lausanne, 1799.
Ein jedoch nicht vollständiger und zum Theil veränderter
Abdruck von No. 147. Der zweite Titel lautet: „Coup d*oeil
— 77 —
BOT r6tat actnel de la Russie, ou les Basses tels qu'ils sonU
Par im ami de la Verit6.**
834. Gorrispondenza di lettere tra Caterina 11 e il Signore de
Voltaire, tal qaale ö stata publicata a Pietroburgo nel 1797.
Lugano, 1799.
Eine Uebersetzung von No. 459. In St. Petersburg ist
diese Correspondenz in französischer Sprache niemals heraus-
gegeben worden; die Ausgabe vom Jahre 1797, auf die der
Uebersetzer sich beruft, ist in Genf veranstaltet worden, wobei
auf dem Titel die Bemerkung beigefügt ist: „et se trouve k
St. Pötersbourg". Ausser der Correspondenz selbst ist hier
noch abgedruckt: „una lettere di Caterina II a ss. Pio VI^'
(154) Yom 30. Januar 1782 („Sammlung'S I, 516) und: „Saggia
sopra la Legislazione^', betreffend die Instruction für die Com-
mission zur Verfassung eines Entwurfes des neuen Gesetz-
buches (No. 629).
835. Raslands Keiserinde, Katarine den Andens liv oglevnet Oversat
af det Franske. 2 v. Kj6benhavn, 1799.
Uebersetzung- von No. 794.
836. Leibkuczer Piotra HL Anekdota prawdziwa w jednym akcie.
Przez A. von Kotxebtte. S. 1., 1799.
Uebersetzung von No. 880.
887* Geschichte Peters des Dritten, Kaisers von Rnssland. Aus der
Handschrift eines geheimen Agenten Ludwigs XY. am Hofe
zu Petersburg. Begleitet von der geheimen Geschichte Ratha-
rinen II durch den Verfasser der Lebensgeschichte Friedrichs IL.
Nach der Pariser Original-Ausgabe. S. 1., 1799.
Uebersetzung von No. 827.
838. Bemerkungen auf einer Heise in die südlichen Statthalter-
schaften des russischen Reichs in den Jahren 1798 und 1794.
Von P. S. Palku. 2 Bde. Leipzig, 1799.
Peter Ssemenowitsch Pallas, 1741—1811, Doctor der
Medizin, Akademiker, war von Katbarina im Jahre 1767 nach.
— 78 —
Rassland berufen worden. Sie schätzte ihn sehr hoch, und
erwähnt seiner in ihren Briefen stets achtungsvoll (Marcard, 309;
Smirdin, 437; „Sammlung", XXIII, 141 ft). Er hat viele ge-
lehrte Expeditionen, vorzugsweise naturhistorische, durch Buss-
land unternommen, und seine Werke erschienen auch in
russischer Sprache. So sein erstes Werk: „Beise durch ver-
schiedene Provinzen des Bussischen Beiches", 3 Bände,
St. Petersburg, 1771, das auch in russischer Uebersetzung in
zwei Auflagen erschien. Wie in sämmtlichen Werken des
Akademikers Pallas trifft man jedoch auch in dem hier
angeführten nur sehr wenige das Culturleben betreffende
Notizen.
839. Histoire de Catherine II, imp6ratrice de Russie, par J. OaaUra,
4 vis. Paris, 1800.
Cast^ra war einer jener diplomatischen Agenten, deren
Dienste der franösische König in Anspruch nahm neben denen
seines Ministeriums des Auswärtigen (Boutaric, 1, 254). Cast6ra
lebte lange Zeit hindurch in Polen, war in Polnisch-Livland
gewesen (Saint -Sauveur ä Mr le comte de Maurepas, du
9. f<6vrier 1748, im Pariser Archiv, Bussie, carton 1748), hatte
St. Petersburg, Stockholm, Kopenhagen besucht und hatte,
nach seiner Bückkehr nach Paris, in Folge seiner Stellung,
die Möglichkeit, sich mit den diplomatischen Berichten der
französischen Besidenten sowohl am russischen, als an andern
Höfen bekannt zu machen. „J'ai eu des mat^riaux tr^8-pr6-
cieux et que le plus extraordinaire concours de circonstances
pouvait seul procurer k un meme öcrivain" (I, pr^face, HL)
und er hat dieselben sehr ausgiebig benutzt. So ist die
ganze Mittheilung über Ssoltykow (I, 158) nach dem Be-
richte des französischen Besidenten in Hamburg verfasst;
nachdem Cast6ra des Vertrauens Erwähnung gethan, das
Katharina dem Grafen A. P. Bestuschew^ dem englischen
Gesandten Williams und dem Grafen Ponjatowski schenkte,
— 79 —
f> er hinzu: ^^un 6tranger qui se trouvait k P^tersbourg
disait; en faisant allusion k ces trois hommes, qu'elle ne
pouvait manquer d'etre mal conduite, puisqu'elle se laissait
diriger par la fripponnerie, la folie et la fatuitö" (I, 191),
was der Depesche L'Höpitals vom 14. Mai 1758 entnommen
ist: ,,la grande duchesse a ^t6 tromp^e et s^duite par
trois personnes qui sont assur^ment plus criminelles qu'elle,
je veux dire Mrs. Bestucheff, Williams et Poniatowski — ce
trio formait un £ripon, un fou et un fat^^ (Pariser Archiv,
Bussie, Yol. 56, f. 165); der Ausdruck Katharinas: „il j a peu
de femmes aussi hardies que moi; je suis d'une t^m6rit6
eflfrenöe" (I, 199) ist wörtlich der Depesche L'Höpitals vom
1. November 1757 entnommen (Pariser Archiv, Bussie, vol. 54,
pifece 83); die Vorgänger Pugatschews, — der Schuhmacher
aus Woronesch, Tschemyschew und Stepan Malyj (II, 298)
— sind nach der Depesche des Herrn Durand an den Herzog
d'Aiguillon, vom 8. März 1776, namhaft gemacht; die Vor-
bereitungen der schwedischen Flotte in Earlskrona (III, 259)
sind erzählt nach der Instruction des Grafen Montmorin an
den Grafen S6gur vom 29. Juni 1788 u. s. w. Des Verfassers
Mittheilungen werden auch durch die Berichte der ausländischen
Minister bestätigt: so die Notiz über das unpassende Gespräch
Peters III. mit dem französischen Gesandten (I, 289) durch
die Depesche des Grafen Mercy d'Argenteau an den Grafen
Kaunitz („Sammlung", XVIII, 189); die Nachricht von den Ver-
handlungen Peters III. mit Friedrich 11. während des Sieben-
jährigen Krieges (I, 289) durch die im Berliner Archiv vor-
handenen Depeschen; die durch Wolkow geführten Verhand-
lungen (ibid. 289) ; endlich durch die Memoiren der Daschkow
(Archiv des Fürsten Woronzow, XXI, 41). Bis in die letzte
Zeit erschienen die Angaben Castöras über den „ministre de
Danemarck ä Pötersbourg, le comte de Eanzau Aschberg"
(I, pr^face, 288) zweifelhaft, um so mehr, als Graf Banzau
— 80 —
niemals dänischer Botschafter (ambassadenr) in St. Petersburg
gewesen ist; das jedoch unlängst herausgegebene Werk : ,,Life
and times of H. M. Caroline Matilda queen of Denmark and
Norway, by Sir C. F. Lascelles Wraxall," London, 3 vis. ent-
hält Mittheilungen über die Betheiligung des dänischen Grafen
Banzau an der Staatsumwäkung vom Jahre 1762 (I, 235).
Man darf mit Bestimmtheit behaupten, dass Gast^ra nicht
bewusstermassen erfundene Daten mittheilt, und wenn er sich
versieht, dies nur in Folge dessen geschieht, dass er selbst
durch das unbegrenzte Vertrauen, das er besonders zu den
diplomatischen Schriftstücken hat, in Irrthum versetzt worden.
Cast^ra begann sein Werk noch während der Zeit des
Lebens der Kaiserin zu schreiben, und gab bald nach ihrem
Tode, im Jahre 1797, seine „Vie de Catherine 11," in zwei
Bänden (No. 794) heraus; darauf arbeitete er länger als zwei
Jahre im Archiv des Ministeriums des Aeusseren, verwerthete
die Aufzeichnungen und Angaben von S^gur, Laharpe, Eos-
ciuszko, die Mittheilungen des Seemanns Herrmann, des Ar-
tilleristen Tureau und anderer Personen, die sich in russischen
Diensten befanden hatten, und verfasste im Jahre 1800 seine
vierbändige, sehr vollständige, recht wahrheitsgetreue und gut
geschriebene „Geschichte Katharinas II". Sie wurde sofort
in die englische, deutsche, holländische und dänische Sprache
übersetzt und begründete in der westeuropäischen Literatur
diejenige Auffassung von der Kaiserin Katharina 11., die im
wesentlichen noch bis zur Gegenwart in ihr vorheiTscht. Wir
betrachten also hier in erster Linie das Werk vom Jahre 1800,
und nicht das vom Jahre 1797, wie es sonst unserem Plane
entsprechen würde.
Cast^ra war Ausländer; dieser Umstand begründet den
hauptsächlichen, wenngleich unfreiwilligen Mangel, aus welchem
alle Besonderheiten dieser „Geschichte" sich erklären, ein
Mangel, den Katharina selbst treffend gekennzeichnet hat
— 81 —
(„Sammlung", XLII, 175, 187). Wir dürfen auch nicht ver-
gessen, dass er vor hundert Jahren geschrieben hat, und dass
wir auch hundert Jahre nach Cast^ra noch keine wahre und
getreue Geschichte haben, nicht nur von Katharina IL, sondern
sogar auch von Peter I.; nur wenn wir diesen Umstand in
Betracht ziehen, wird es uns möglich sein, uns ein richtiges
Urtheil über die „Geschichte" Cast^ras zu bilden.
Das ganze, aus vier Bänden bestehende Werk zerfällt in
drei ungleiche Theile: das 1. Buch, als Einleitung, ist gewid-
met einer kurzen Geschichte Busslands, bis Elisabeth Pe-
trowna sich einen Nachfolger bestimmt hatte; das 2., 3. und
4. Buch umfasst die Geschichte Peters III. ; die Bücher 5 bis
12 enthalten die eigentliche Geschichte Katharinas II., wobei
die gesammte innere Geschichte unter dem Titel „Tableau de
la Bussie" einer besonderen Beilage zugetheilt worden ist.
Der Verfasser hatte offenbar nur eine Darstellung der äusseren
Geschichte ins Auge gefasst, und zwar ausdrücklich Katha-
rinas, und nicht Busslands. Indem der Verfasser vorzugsweise
auf die Berichte der diplomatischen Agenten sich stützt,
wiederholt er deren Irrthümer, da er nicht im Stande ist, sie
zu corrigieren, verhält sich aber dieser seiner Hauptquelle
gegenüber recht unparteiisch. Nachdem er im Pariser Archiv
des Ministeriums des Auswärtigen die vom 20. August 1767
datirte Instruction des Herzogs Choiseul ftLr den französischen
Gesandten in Konstantinopel, Vergennes, aufgefunden, schreibt
Gast6ra ein Kapitel: „Le duc de Choiseul vait faire armer
les Turcs contre la Eussie (11, 124), und giebt einen Auszug
des wichtigsten aus dieser Instruction, deren, hundert Jahre
später, Petrow in seinem Werke: „Der türkische Krieg 1769
bis 1774" nicht einmal Erwähnung thut, sogar nicht einmal
in dem Kapitel „Die Intriguen Prankreichs in der Türkei"
(I, 54): bei Gastöra haben diese Intriguen Sinn, bei Petrow
dagegen treten sie auf wie ein deus ex machina. Gastöra be-
Bllbaiioff, Katharina n. 6
— 82 —
leuchtet unvergleichlich viel ernstlicher und gründlicher die
Bedeutung Pugatschews (11, 296), als Dubrowin (I, 156) mit
der dem Pugatschew zugeschriebenen „Idee, die Jaizkischen
Kosaken zum Kuban oder Terek zu entf&hren^^ Gast^ra hat
das „Portrait du prince Potemkin, par Sögur" (III, 360; IV,
385), abgedruckt, während wir uns mit Excerpten aus den
„M6moires et Souvenirs de S^gur'' begnügen, und in Potemkin
nur einen Abenteurer und Hazardspieler erblicken (Brückner,
Potemkin, 243, 276). Diese Hinweise bezeugen, dass es eine
Ungerechtigkeit wäre, mit dem Werke Castöras, der hundert
Jahre vor Petrow, Dubrowin und Brückner geschrieben, allzu
streng ins Gericht zu gehen.
Gast^ras ürtheile über die Zeitgenossen Katherinas hier
anzumerken, kann um so eher unterbleiben, als man sie nach
der dem IV. Bande angefügten „Table g^u^rale et raisonn6e
des matiöres'^ mit Leichtigkeit auffinden kann. Es muss je-
doch erwähnt werden, dass dies Register sehr lückenhaft ist:
in ihm ist z. B. der Fürst von Ligne nicht genannt, dessen
Schriften Cast6ra benutzt hat (IV, 87), ebenso wenig Pastukow
(III, 197), Schkurin (II, 281), Numsen (III, 199) u. s. w.; bei
einer Anzahl der aufgeführten Namen femer sind die Angaben
unvollständig: so bei Tschoglokow (11, 148), Gregorius Orlow
(III, 274) u. s. w. Sorgfältig sind dagegen alle diejenigen
Stellen mit Seitenzahlen angeführt, wo von „dunklen Thaten^'
Katharinas gehandelt wird, obgleich diese nicht selten voll-
kommen auf Erfindung beruhen, wie z. B. die Erzählung von
der Einkerkerung der Frau Witt (III, 230), wobei er auch
den französischen Gesandten in Konstantinopel nennt, der an
dieser Angelegenheit mit betheiligt gewesen sei („Russ. Alter-
thum", LXXm, 43).
Eine sehr wahre Bemerkung gegen Cast^ra macht Massen
(I, 234), obgleich er sonst das Verständniss und die Begabung
Cast^ras anerkennt und sich im Allgemeinen mit grossem Lobe
— sa-
uber ihn äussert (I, 118, 149, 162). Masson hebt den Vorzug
der zweiten Auflage hervor, „qui a feit disparaltre une partie
des b^Yues grossiöres de la premi^re^', und fägt hinzu: „Je
suis loin de refuser k cet ouvrage les 61oges qu'il merite. On
7 trouve des feits curieux, des anecdotes piquantes, des points
de vue nouveaux, des r6flexions interessantes, et des morceaux
parfeitement bien Berits; mais tout cela ne devrait pas s'in-
tituler »Vie de Catherine«'^ (in, 39). Interessante Bemer-
kungen, auf Qrund von Aeusserungen Adadurows, hat Andr6
(No. 891) gemacht, der sich über die Geschichte Castöras
folgendermassen äussert: „cette histoire est plutöt le r^cit le
plus recherch^ de feiblesses de la nature humaine dans un
grand caract^re, que celui des actions vraiment helles qui en
sont des 6manations" (391). In neuester Zeit hat Herrmann
(No. 1024) zugestanden, dass „die Nachrichten Gast^ra's, wo
er nicht blossen Gerüchten Gehör gibt, wie die nicht selten
wörtlich übereinstimmenden, von Kaumer aus dem Pariser
Archiv mitgetheilten Berichte beweisen, viel zuverlässiger sind,
als man sonst wohl angenommen hat'< (Y, 707).
Die Bemerkungen des Grafen M. A. Dmitrijew-Mamonow
über das Werk Cast^ras sind abgedruckt im „Kussischen Archiv^',
1877, m, 389.
840. Denkwürdigkeiten ans dem ablaufenden Jahrhundert bei histo-
risch-statistischer Darstellung der Kussischen Monarchie und
der merkwürdigen Bevolutionen in Frankreich und Polen zu
politisch- und kriegerischen Seflexionen. Berlin, 1800.
Das ganze Werk zerfällt in zwei Theile: „Erster Ab-
schnitt über den Verlauf bis Ende 1789, in Briefen abgefasst",
und solcher Briefe zählt man 34, die das Jahrzehnt 1780 bis
1790 umfassen, und „Zweiter Abschnitt über zweckmässige
Begebenheiten von 1790 bis zur Mitte 1800" (423), eingetheilt
nach den Jahren in zehn Kapitel. In beiden Theilen werden
die Ereignisse in ihrem allgemeinen Zusammenhange erzählt.
— 84 —
ohne Theilnng nach Ländern oder 0-egenständen, wobei im
ersten Theile die Darstellung der allgemeinen Geschichte vor-
wiegt, im zweiten Theile dagegen die der französischen
Revolution,
Der anonyme Verfasser ist Preusse, wenn auch vielleicht
nicht von Geburt, so doch nach seinen Gedanken, Anschauungen
und Gefühlen: ihm sind sogar kleine Details vom preussischen
Hofe bekannt (271, 288, 434), er rechtfertigt Preussen auch
hinsichtlich des Vertragsbruches (446), empfiehlt allen euro-
päischen Staaten die Tendenzen des Grafen Hertzberg (454)
und sieht im Baseler Vertrage „ein nachahmungsvolles Bei-
spieP' (510). Katharina ist eben dadurch gross, dass sie „sich
bemühte*', Friedrich II. nachzueifern (269, 543), obgleich, wie
er sich ausdrückt, Friedrich zwar als der „Grosse", Katharina
aber als die „Grösste'* zu bezeichnen sei: „man darf sie mit
allem Bechte als die Grosse, in ihrer Art als die Grosseste
auspreisen" (545). Seine Nachrichten schöpft der Verfasser
vorzugsweise aus „Hamburger politisches Journal" (310, 335,
363, 408, 431, 543) und aus dem „Magazin für die neue
Historie" von Büsching (274, 541), wobei jedoch der Verfasser
sein Material nicht beherrscht: über die von Katharina be-
rufenen Componisten, über Manfredini und Galuppi Buranello
(249, 250) spricht er sehr viel ausführlicher als über Peter HI.
(235) oder über die Umwälzung vom Jahre 1762 (239). Bis-
weilen tritt die Unwissenheit des Verfassers offen zu Tage:
so erklärt er zweimal (369, 483) die bekannte ,Joyeuse entröe",
und beide Mal unrichtig; er weiss nicht, dass die Tschesmesche
Seeschlacht bei Tschesme stattfand (260). In Bussland ist er
niemals gewesen, und die russische Sprache kennt er nicht
— potaky, denuscha (344), Fotanka (349) — obgleich er
Vilakiva Lukky (1 23) kennt, femer den Grafen Bulgakow (299),
Kalischeff (309), die Insel Feodomisii (394) u, s. w. Die An-
schauungen des Verfassers spiegeln sich in seinem Urtheile
— 85 —
über die Ursachen der französischen Kevolation: ,,E8 scheint
kein ganz unrichtiger Schluss, wenn man die Aufwiegelung
der Gemüther dem Anstiften einer gewissen Menschenklasse
beimessen wollte, die einer zutreffenden wichtigen Finanz-
Modalität entgegen zu arbeiten die Gelegenheit, und dabei den
eignen Selbstgenuss zur Absicht gehabt, um solchen aus dem
Taumel einer Revolution an sich zu ziehen" (417).
Der Verfasser beginnt die Geschichte Busslands mit
Burik (44), erzählt kurz auf 200 Seiten die äusseren Vorgänge
der Begierungszeiten der Fürsten und Zaren, bis Katharina 11.
(245), über die er sich ausführlicher verbreitet, ohne jedoch
auch hier irgend etwas Neues mitzutheilen. Er wiederholt die
Ungereimtheiten seiner Vorgänger, so z, B. über die Theil-
nahme Panins in der Angelegenheit der Thronentsagung
Peters III. (242), giebt sorgfältige Auszüge aus den Doku-
menten (277, 293, 301, 309, 323, 331, 375, 445, 505), und
schaltet nur selten Bemerkungen ein, in der Art der nach-
stehenden über den Monolith zum Denkmal Peters I. : „Hiebei
bemerken den Fehler, dass der ungeheure Felsen so ganz roh
mit schweren Kosten in die Stadt geschleppt worden, anstatt
er auf der Stelle hätte zu der proportionirlichen Grösse be-
arbeitet werden können" (276).
Das Thatsächliche der Begierungsgeschichte Katharinas 11.
hat der Verfasser jedenfalls sehr viel vollständiger zur Dar-
stellung gebracht, als die Geschichte Polens für denselben
Zeitraum. So z. B. erwähnt er an vielen Stellen der Consti-
tution vom 3. Mai 1791 (446, 457, 471, 498), ohne doch nur
mit einem Worte ihr Wesen und ihren Inhalt zu charakte-
risiren.
Indessen sind wir dem Verfasser dennoch zur Dankbar-
keit verpflichtet: er zuerst hat den Brief der Kaiserin an den
polnischen König Stanislaus-August, mit der „Einladung" nach
Grodno, zum Abdruck gebracht (503).
— 86 —
Die Urtheile des Verfassers über Katharina 11. (246, 541)
sind völlig werthlos.
841« M^moires secrets bot la Rassie, et particaliörement sor la fin
du rögne de Catherine n et sor celui de Paul I [par Masson].
Paris, 1800.
Massen, 1762 — 1807, ein aus der Schweiz gebürtiger
Franzose, kam im Jahre 1786 nach Bussland, und wurde als
Lehrer im Artilleriecorps angestellt; im Jahre 1789 wurde er
Adjutant des Präsidenten des Eriegskollegiums, N. J. Ssaltykow,
zugleich dessen Secretär und Erzieher seiner Kinder, der
Altersgenossen der Grossftirsten Alezander und Konstantin
Pawlowitsch. Von dieser Zeit an lebte Masson im Palais, bei
seinem Chef, traf häufig mit den jungen Grossftirsten zu-
sammen, und wohnte unter einem Dach mit Katharina, die
ihm Vertrauen schenkte: zu Anfang des Jahres 1795 wurde
Masson nach Bayreuth, Stuttgart und Karlsruhe gesandt, um
dort die Geburt der Grossf&rstin Anna Pawlowna anzumelden,
und am Schlüsse desselben Jahres wurde er zum Secretär des
Grossfursten Alexander Pawlowitsch, des Lieblings Katharinas
ernannt. Masson war verheirathet mit der Tochter eines liv-
ländischen Barons Kosen, wodurch er mit den Familien Besbo-
rodko, Tamara, Sievers, Essen und Üngem-Stemberg verwandt
wurde. Sein älterer Bruder, Premier-Major Iwan Jakowlewitsch
Masson, kämpfte in den Armeen Potemkins und Subows, ward
von ihnen ausgezeichnet, erhielt das Georgskreuz, den goldenen
Degen und wurde zum Obersten befördert; er war verheirathet
mit der Nichte Melissinos, der Tochter des Generals Lrmann.
Generalgouverneurs von Sibirien. So konnte denn, nach seinen
persönlichen Verhältnissen und verwandtschaftlichen Beziehungen,
der Verfasser der Memoiren wohl Vieles erfahren, und war
selbst Zeuge vieler Vorgänge. Nachdem er in Russland mehr
als zehn Jahre verbracht, sprach er das Russische zwar nicht,
doch war er (I, 167, 269) mit dieser Sprache immerhin soweit
— 87 —
vertraut, dass ihm der Unterschied zwischen einem ükas nnd
einem Gesetz bekannt war (I, 81). Als gebildeter Mann von
grosser Beobachtungsgabe machte er über Alles, was er
während seines Aufenthaltes am Hofe sah und hörte, Auf-
zeichnungen (pröface, XXXI); leider aber musste er einen
grossen Theil dieser seiner Papiere verbrennen: im Jahre 1796
liess Kaiser Paul I. die beiden Massons ausweisen und durch
Gensdarmen ins Ausland geleiten, was den. Verfasser, da er
eine Durchsuchung befürchtete, veranlasste, alle seine Papiere
zu verbrennen, und darunter namentlich auch sein Tagebuch.
Die Einzelheiten seiner Verhaftung und Ausweisung erzählt
der Verfasser in den Memoiren (II, 206), und in den von ihm
besonders herausgegebenen: „Lettres d'un fran^ais k un alle-
mand .... suivies d'un precis historique de la d6portation et
de r^xil de l'auteur", etc. Coblence, 1802. Gegenwärtig wäre
es völlig zwecklos, Vermuthungen anzustellen über die Nie-
mandem, selbst nicht Paul I. bekannten Anlässe zu dieser
Ausweisung („Euss. Alterthum", XV, 551 ff.); flir uns ist nur
von Bedeutung, dass die Ausweisung erst nach dem Tode
Katharinas erfolgte. Dieser Umstand ist sehr wichtig. In
unserer geschichtlichen Literatur treffen wir auf folgendes ür-
theil über die Memoiren Massons: „Das ganze Buch ist reich-
lich in Galle getaucht, und athmet fast in jedem Worte das
GeftLhl persönlicher Beleidigung, die dem Verfasser wider-
fahren; die Vorgänge und Persönlichkeiten sind nach dem
Wesen der Thatsachen und Charaktere zwar nicht direct ent-
stellt, aber doch in eine einseitige Beleuchtung gerückt, und
mit übermässig scharfen Zügen gezeichnet; die Anschauungen
des Verfassers und die von ihm ausgesprochenen Urtheile sind
offenbar extremster Natur, Ton und Sprache sind voll Bitter-
keit, und von Leidenschaft eingegeben^' („Russ. Alterthum'^,
XVI, 385). Leider wird dies über Massen gefällte strenge
ürtheil durch nichts bewiesen, und der Leser kann sich diese
— 88 —
Beschuldigungen nur aus Censur-Bücksicliten erklären. Der
jjMercure de France", ein Journal aus der Zeit des Verfassers
der Memoiren, beschränkte sich auf die Bemerkung, ,,ramour
du scandale" habe die Feder des Verfassers gefiihrt. In beiden
Fällen aber könnte sich dies nur beziehen auf Paul I., nicht
aber auf Katharina 11., welche allein uns interessirt, und vor
Allem nicht auf das russische Volk. Der Verfasser bekennt
selbst, dass er (}em russischen Volke sehr geneigt ist: „Je
me sens moi-meme, je l'avoue, une grande prövention en faveur
des Kusses; eile m'est inspir^e par leurs bonnes qualit^s, par
l'hospitabilitö, l'estime et l'amiti^, qu'ils m'ont accord^s pendant
dix ans" (pröface, XXXTT). Wenn der Verfasser den Zweck
verfolgte und Anlass dazu hatte, Paul I. „anzuschwärzen", so
erscheint es sehr wohl möglich, dass er gerade von diesem
Gesichtspunkte aus bemüht gewesen, Katharina IL über die
Gebühr weisszuwaschen , und es würde dann für uns daraus
eine Gefahr von ganz anderer Seite her erwachsen. Auf sie
muss daher auch besondere Auj&nerksamkeit verwandt werden.
„Je n'6cris que ce que j'ai vu, entendu, senti ou 6prouv6
moi-meme." Leider hat der Verfasser weitaus nicht alles das-
jenige beschrieben, was er gesehen, oder worüber er gehört;
wenigstens theilt er uns nicht eingehende Nachrichten mit über
das letzte Jahrzehnt Katharinas, von 1786 bis 1796, während
welcher Zeit er in St. Petersburg lebte. Er theilt verhältniss-
mässig überhaupt nur sehr wenig über Katharina mit, und
von den drei Bänden, oder, genauer, von den 17 Kapiteln,
sind nur folgende drei Katharina gewidmet: 1. Anwesenheit
Gustavs IV. in St. Petersburg (I, 1); 2. Katharina 11. (I, 57)
und 3. Das Favoriten thum (I, 133). Für die Epoche Katha-
rinas sind femer wichtig folgende Kapitel: 7. Der National-
charakter (n, 43); 8. Die Religion (11, 85); 9. Die Frauen-
Regierung (II, 107); 10. Die Erziehung (11, 151); 11. Die
Franzosen und Schweizer in Russland (11, 197) — obgleich
— 89 —
dies 11. Elapitel nicht von Masson verfasst ist, sondern nur
nach seinen Aufzeichnungen und Notizen; 12. Der persische
Krieg (in, 1); 13. Finanzen (HI, 49); 14. Die Kosaken (III, 102).
Am Schluss des dritten Bandes sind dann noch ,,Anecdotes
historiques'' abgedruckt, in denen Katharinas öfters Erwähnung
geschieht.
Zieht man in Betracht, dass Masson Franzose war, so
wird man erstaunen müssen über seine Beurtheilung Katharinas,
die er höher stellt als Ludwig XIY. : „La g^nörositö de Cathe-
rine, l'6clat de son rfegne, la magnificence de sa cour, ses In-
stituts, ses monuments, ses guerres, sont pour la Bussie ce que
le siöcle de Louis XIV fiit pour TEurope; mais Catherine fiit
personeUement plus grande que ce prince. Les fran^ais firent
la gloire de Louis; Catharine fit celle des russes: eile n'eut
pas comme lui Tavantage de r^gner sur un peuple perfectionn^,
et d'etre environnöe de grands hommes. H en rösulte que
tout ce qu'elle a fait est ä eile, surtout le bien. EUe parais-
sait foncierement humaine et g6n6reuse: tous ceux qui Tont
approch^e T^prouverent; tous ceux qui Tont connue de pr^s
^taient enchant^s des charmes de son esprit; tous ceux qui
l'enyironnaient 6taient heureux. Son activit^, la rögularitä de
son genre de vie, sa mod^ration, son courage, sa constance,
sa sobri6t6 meme sont des qualitös morales qu'il serait trop
injuste d'attribuer k Thypocrisie" (I, 84). Masson, obgleich
Franzose, stellt unsere Volkslieder den französischen an Werth
gleich: „On y trouve souvent une sensibilitö exquise, et une
m^lancolie touchante qui vous charme et vous attendrit; je
ferai connaitre un jour des morceaux en ce genre, qui ne le
cödent point k ce que la France a produit de plus dölicat"
(n, 144). Wo und wann nur immer möglich, betont Masson
die hervorragenden Eigenschaften der Bussen: „L'arm6e russe,
par la beaut6, la simplicit6 et la commodit^ de son habille-
ment, adapt^ au climat et au g6nie du pays, offirait un modele
— 90 --
k suivre. Aussi le soldat russe se croyait-il, non sans quelque
fondement, bien supörieur k ses voisins" (I, 242).
Die Memoiren Massons als Quelle für die Geschichte Ka-
tharinas erscheinen eher parteiisch, als feindselig und miss-
günstig. Man macht Massen bisweilen die Erzählung von Vor-
gängen zum Vorwurf, die er als Augenzeuge beschreibt (I, 78,
118, 122, 158, 165, 231, 242, 322), bisweilen auch An-
schauungen, die er als Schweizer zum Ausdruck bringt (I, 184,
230). Man trifft bei Masson freilich auf Ungenauigkeiten und
Unrichtigkeiten; sie zu bezeichnen oder gar sie zu widerlegen
wäre jedoch jetzt eine undankbare und vollkommen überflüssige
Arbeit. Nützlicher dürfte es sein, hier auf die positiven Ver-
dienste des Verfassers, als einer Quelle für die Geschichte
Katharinas hinzuweisen. So hat er das letzte Briefchen der
Kaiserin an den Grafen Kobenzl, datirt vom 4. November 1796,
aufbewahrt (I, 60); seine Mittheilungen zur Thronfolgefrage
sind höchst interessant (I, 38, 64, 67, 152, 177, 226, 227);
er beschreibt zeitgenössische Carricaturen (I, 123, 166), die
bei Rowinskij nicht erwähnt werden u. s. w. Viele seiner Mit-
theilungen, die uns vollkommen unwahrscheinlich vorkommen,
wie z. B. die über Kobenzl (I, 97, 125), werden durch solche
zuverlässige Zeitgenossen, wie Sternberg (No.725) bestätigt, u. s.w.
Doch sei hier nochmals bemerkt, dass Masson hinsichtlich Ka-
tharinas eher zu nachsichtig war, als zu streng; so z. B. stellt
er bei Besprechung der Gorrespondenz Katharinas mit Voltaire
die Briefe der Kaiserin, sogar ihrem Stile nach höher, als
diejenigen Voltaires (I, 92, 122). Wir nehmen hier keinen
Bezug auf die Nachrichten Massons über Paul I., nicht nur
deshalb, weil dies ausserhalb unserer Aufgabe liegt, sondern
auch weil der Verfasser selbst in erster Linie das russische
Volk und Katharina ins Auge gefasst hat: „Ce n'est point un
voyage que j'6cris, mais le r^sultat d'un long s6jour en Bussie.
Mon but est de livrer au public des remarques et des anec-
— 91 —
dotes plus interessantes sur un pays et sor une nation qui
m^ritent d'etre bien connus, et qui sont dignes d'un meilleur
gouvemement. J'espöre laisser ä rhistorien quelques matöri-
aux sur le rögne le plus brillant des demiers sifecles et sur
le caract^re de la femme la plus puissante et la plus c^lebre,
qui ait occup^ un tröne depuis S^miramis" (pröface XXVil),
Der Verfasser meinte es ganz aufrichtig, als er schrieb: ^^Je
croirai d'ailleurs bien m^riter de la nation russe, en usant de
ma liberte pour la venger autant que je puis; en ayant le
courage de publier ce que les honnetes gens pensent, et en
livrant k Tindignation de TEurope ceux qui sont les fl^aux et
la honte de ThumanitÄ" (Idem, XXXV).
Eine Ergänzung zur Charakteristik des Verfassers und
seines Werkes bietet die heftige Polemik zwischen Masson und
Eotzebue: ^yüne ann6e m^morable de la vie d'A. de Eotzebue'^
(2 V., Berlin, 1802). ,,Lettres d'un fran^ais k un allemand,
servant de r6ponse k Mr. de Eotzebue et de Supplement aux
Memoires secrets sur la Kussie'^ (par Masson), Basle, 1802,
und „E6ponse courte et honnete d' Auguste de Eotzebue ä un
gros libelle malhonnete de Mr. de Masson". Berlin, 1802.
Unsere Bemerkungen beziehen sich auf die Londoner Aus-
gabe vom Jahre 1802, als die vollständigere.
842. Biographie Peters des Dritten, Kaisere aller Reussen; zur un-
partheyischen Ansicht der Wirkung der damaligen Revolution,
und zur Berichtigung der Beurtheilung des Charakters *Catha-
rinens 11. Von Herrn von Saldem, Petersburg, 1800.
„Nach dem Französischen (No. 864) übersetzt," wobei sowohl
das Jahr als der Ort des Druckes falsch angegeben ist.
848. «Memoire, ou pr^cis historique sur la neutralit^ arm^e et son
origine, suivi de piöces justificatives, par Mr. le comte de Ooertx,
Basle, ISOl.
Johann Eustachius Graf von Schlietz-Goertz war im Jahre
1774 in Kussland aus Anlass der Vermählung des Grossfiirsten
— Vi —
Vv-*jisuir#*r. jLtr.iiAmÄ itü^ür iLi ittör viiiZ- xnt 'var £La
/IXVrr, a.4.ti ^.*ai Izsi-i-z^ T'-Tt r*b!ri Aiii X:^ ^?<^ jubl
r^v^ iiiit i-t»T T-,«rl!»«^i-*r r»*^Li*«:ir:fi »rrf* ticl d*ai
r*ry,r,it SATJi^ *5:.i wrsri*: ha filz-ei^i-ec Jilie. oli:-* ^^ss«» des
V*riah*5^^*T^. iL. ^x^lI^just XLevtr^^^zzz^ T^rifäiLÜ:: ..The
ir^^r'u uj z GerrLÄa Loblenuki^-- J>.=.i:::^ 1792. l*m J^Jire
^MJkr^r^f ffTViLifiL, ein*: fratzöäi^-he Aa-zabe der BroscLöre« aber,
u^,:, At4^\j^ Ae\ Xtrbkh^Thz «ime ^tion bies. mal M>i§i:ee*' (5\
Zq d^:r ZfrX al^ füe bewaffoete Neaträlitäi betreffende Deda-
fh^tiou ta*kS3A\4si* wurde, befand sich der Verlaäser in St. Peters-
\f*ifyi. HtiuA in freundschaftlichem Verhältniss zn dem Grafen
N. L Paniß, ond war, so scheint es, wohl in der Lage,
Einzi^ihdten über die Entstehung dieser Declaration xu wissen.
Kr erzählt, der englLsche Gesandte Harris, der bemüht ge-
we^^t^m, eine en^isch -russische Annäherung zu erzielen (14),
baF>e, ohne VorwLssen Panins, durch Vermittelung des Fürsten
Potemkin (20 j gearbeitet, zwei geheime Audienzen bei der
Kaif^erin erlangt (22), und, in Ausnutzung der Caperung zweier
runninch^r Handelsschiffe, der „Concordia^' und des „Saint-
Ni<xJaii", durch die Spanier (28), es ausgewirkt, dass in Eron-
Htadt eine russische Flotte gegen Spanien ausgerastet wurde.
Als Panin hiervon erfuhr, beantragte er „ponr contre-miner
les d6marches du Chevalier Harris'^ (37) bei Katharina eine
majestätischere Massregel — die bewaffiiete Neutralitat. „Tels
furent dans le moment le motif et l'occasion qui inspirörent
au comte Panin la premi^re id^e de la neutralit^ arm6e^' (33);
ffCe fut Mr. Panin seul qui congut Tidöe de la neutralit^
— 93 —
arm^e, lui seul qni d^cida rimp^ratrice k la mettre en ex6-
cntion" (38).
Katharina selbst hat diese Erzählung von Panin, als den
Urheber der bewafl&ieten Neutralität, widerlegt. Als sie in
No. 547 las, diese Idee gehöre Friedrich 11, an, schrieb die
Kaiserin hinzu: „Cela n'est pas vrai. La neutralit^ arm^e
est sortit du cerveau de Catherine 11 et de nulle autre. Le
comte Besborodko peut attester cela, parceque cette id6e partit
comme par inspiration de la bouche de cette Impöratrice un
matin. Le comte Panin n'en voulait pas entendre parier,
parce que ce n'^tait pas lui qui Pavait imagin^, et on eu
beaucoup de peine k la lui faire comprendre; ce fiit Bacounin
qui en fut chargö, et enfin il y mis la main.'<
Doch hat auch Dohm, II, 104 (No. 905) die Erzählung
noch wiederholt, und in letzter Zeit ist sie namentlich durch
Bergbohm: „Die bewaflEaete Neutralität", Berlin 1884, ver-
treten worden. Auch ist das Märchen in Alexander Brückners
Bilderbuch „Katharina 11." (Onckens Allgemeine Geschichte
in Einzeldarstellungen, m. Abth. X. Band) wiederholt worden.
Professor Th. Martens gebührt die Ehre, auf Grund archivaler
Quellen dies Märchen kategorisch und gründlich widerlegt zu
haben (X, 297). Bei P. Fauchille: „La diplomatie fran^aise
et la ligue des neutres de 1780". Paris, 1893 geschieht des
Märchens überhaupt nicht Erwähnung. Zum ersten Male finden
wir diese falsche Nachricht in einer Depesche des sardinischen
Eesidenten de Parello (No. 1204). Graf S. E. Woronzow er-
klärt folgendermassen den Ursprung der bewaffiieten Neutralität:
„Vous savez que les principes de neutralit6 arm6e ont 6t6 en-
fant6s k Paris, produits chez nous pp^r les Prussiens et couch6s
sur le papier par le döfunt Bacounine" (Archiv des Fürsten
Woronzow, IX, 133).
In der Beilage zu dieser Broschüre (61) sind 17 Documente
abgedruckt, darunter: „La döclaration de Timpöratrice" (67).
— 94 —
Documente des Moskauer Hauptarchivs des Ministeriums des
Aeusseren sind veröffentlicht in der Abhandlung ^^Die be-
waflBiete Neutralität im Seekriege".
844. A coUection of pablic acta and papers relating to the prin-
ciples of Armed Neutrality, bronght forward in the years 1780
and 1781. London, 1801.
Eine sehr verdienstvolle Sammlung aller Documente,welche
die Principien der bewaffneten Neutralität betreffen. Als echter
Engländer erklärt der Herausgeber, dass er Documente gesammelt
habe, „on which ihis Country (England) as a belligerent Power,
rests its Pretensions to exercise the Bight of searching Neutral
Ships, and of confiscating all such contraband Articles or
Enemy's Property as may be found on board (advertisement).*'
Im Jahre 1801 wurde im Parlamente, in der Presse und
in der Gesellschaft die Frage der „maritime rights of neutral
nations^' verhandelt; der englische Herausgeber, bestrebt diese
Rechte auf nichts zu reduciren, beginnt seine Documente mit
dem mittelalterlichen „Consolato del Mare" (die Capitel 27ä
und 287), auf Grund dessen die gehässige Praxis geübt wurde:
„voile ennemie confisque navire ami", und fiihrt dann alle
Documente auf, die von der bewaffneten Neutralität Eatha*
rinas II. ausgegangen sind. Diese Veröffentlichung ist die
einzige in dieser Art existirende; sie giebt ein überaus voll-
ständiges Bild von der Bedeutung der russischen Declaration
vom Jahre 1780.
Von den 39 Documenten, die hier gesammelt sind, be-
ziehen sich auf die bewaffnete Neutralität, streng genommen,,
nur folgende dreizehn: Die an den Londoner, VersaiUer und
Madrider Hof gerichtete Declaration der russischen Kaiserin
vom März 1780 (79); Erklärungen, eingefordert seitens des
schwedischen Hofes hinsichtlich der vom russischen Hofe be-
antragten gegenseitigen Beschützung der Schiffahrt ihrer Unter-
thanen, vom April (83); Antwort des russischen Hofes (85);
— 95 —
Antwort des spanischen Königs auf die Declaration der
rassischen Kaiserin, vom 18. April (89); Antwort des gross-
britannischen Hofes, vom 23. April (92); Antwort des franzö-
sischen Königs, Yom 25. April (94); Convention, abgeschlossen
zwischen den Königen von England und von Dänemark, vom
4. Juli (97); die an den Londoner, den Versailler und den
Madrider Hof gerichtete Declaration des dänischen Königs,
vom 8. Juli (101); die Convention über die bewafi&iete Neu-
tralität, abgeschlossen am 28. Juni 1780 zwischen der russischen
Kaiserin und dem dänischen Könige, angenommen vom schwe-
dischen Könige und von den Generalstaaten (106); Separat-
artikel zu dem vorstehenden Vertrage (118); Declaration des
schwedischen Königs an die Höfe yon London, Versailles und
Madrid, vom 21. Juli (127); Antwort des Londoner Hofes auf
die Declaration des dänischen Königs, vom 25. Juli (130), und
Antwort des Londoner Hofes auf die Declaration des schwe-
dischen Königs, vom 3. August (132). Von allen diesen Docu-
menten ist in unserer historischen Literatur bisher nur die
berühmte Declaration Katharinas H. vom 28. Februar (11. März)
1780 veröffentlicht worden (Martens, IX, 307), wo auch aus-
fuhrlich die Anlässe, die sie hervorgerufen hatten, angegeben
sind (Ibid., 259). Das neueste Werk hierüber ist: Bergbohm,
Die bewaffnete Neutralität, Berlin, 1884.
Von andern Documenten wird u. a. der 4. Artikel des
englisch -russischen Vertrages vom 14. März 1793 (142) an-
geführt, der die Bestimmungen der bewafiEheten Neutralität
abändert (Martens, IX, 360), indessen ist das über ihn Gesagte
nicht ganz genau.
Der Herausgeber spricht sich nicht darüber aus, wodurch
sein Werk sich von der „Sammlung von Staatsschriften, die
während des Seekrieges von 1776 — 1783 öffentlich bekannt
gemacht worden sind,'' von Hennings, Hamburg, 1784 unter-
scheidet. Erst nach Verlauf von hundert Jahren wurden die
— 96 —
Declaration der bewafi&ieten Neutralität, sowie ihre veranlassen-
den Ursachen und ihre Folgen der Gegenstand eingehender
Forschung; und fanden eine wissenschaftliche Darstellung in
zwei bemerkenswerthen Werken: C. Bergbohm, Die bewaflEnete
Neutralität, Berlin, 1884, und P. Fauchille, La diplomatie
fran^aise et la ligue des neutres de 1780. Paris, 1893. Das
Werk des französischen Gelehrten wird besonders interessant
dadurch, dass der Verfasser russische Archive benutzt hat.
845. Kurze Darstellang des durch Ruflsland im Jahre 1780 gegrün-
deten Systems der bewaffneten Neutralität, von A. Kopeix,
Prag, 1801.
Martin Kopetz, Professor der Prager Universität, hatte
es auf sich genommen, bis zu einem gewissen Grade die wichtige
Frage des internationalen Seerechts aufzuklären zu eben der-
selben Zeit, da die nördlichen Staaten sich zur Vertheidigung
der Freiheit der neutralen Schifffahrt verbunden hatten, —
unmittelbar nach dem Abschluss der nordischen Convention
vom Jahre 1800, durch welche Russland, Dänemark, Schweden
und Preussen den Vertrag über die bewaffnete Neutralität er-
neuert hatten, und vor der St. Petersburger Convention vom
17. Juni 1801. Seine Auseinandersetzungen sind gründlich,
seine Bemerkungen sehr treffend und überzeugend.
Ausgehend vom Naturrecht, äussert der Verfasser, nach
Darlegung der Prinzipien, die in den fünf Artikeln der Acte
vom 28. Februar 1780 zum Ausdruck kommen, ihnen liege
der Satz: „frey Schiff, frey Gut" zu Grunde, und streitet die
Möglichkeit des Nachweises ab, die Acte erkenne die Regel
an: „verfallen Schiff, verfallen Gut" (62). Der Verfasser führt
alle Verträge an, in denen der Prinzipien der freien Schiff-
fahrt Erwähnung geschieht, bemerkt alle Abweichungen von
diesen Prinzipien und entwirft in solcher Weise ein vollstän-
diges Bild dieser Frage im XVIII. Jahrhundert, indem er dabei
stets flir die bewaffnete Neutralität eintritt.
— 97 —
Später, nach der St. Petersburger Convention vom Jahre
1801 y nach Erlass der österreichischen Anordnung vom
7. August 1803, und besonders nach Abschluss der anglo-
schwedischen Convention vom 25. Juli 1803, veröflfentlichte der
Verfasser eine, neue Broschüre, in welcher er gleichfalls das
System der bewaffneten Neutralität vertheidigte („Vergleichung
des Systems der bewaffneten Neutralität mit der nordischen
Konvention v. J. 1800 und der Petersburger Konvention v. J.
1801." Prag, 1804).
846. Letters of SulpiciuB on the Northern Confederacy. [Lord
QranPtUe.] London, 1801.
Fünf Briefe, die in der Londoner Zeitung „The Porcupine"
in der Zeit vom 3. November 1800 bis zum 28. Januar 1801
erschienen waren, und dann in besonderer Broschüre heraus-
kamen, mit einer Beilage, „containing the treaty of Armed
Neutrality together with other documents relative to the sub-
ject.'' Ein sehr interessantes Pamphlet zur Aufhellung der
Geschichte der bewaffneten Neutralität sowohl während der
letzten Regierungsjahre Katharinas — Art. IV des anglo-
russischen Vertrages vom Jahre 1794 (41) — als in den ersten
Jahren nach ihrem Tode.
847. Beise eines jungen Enssen von Wien über Jassy in die Grimm
and ausführliches Tagebuch der im Jahre 1793 von St Peters-
burg nach Constantinopel geschickten Russisch -kaiserlichen
G^esandtschaft. Von [Siruve], (jk>tha, 1801.
Der Titel entspricht nicht vollständig dem Inhalte: es ist
dies eine Beschreibung der Reise der feierlichen Gesandtschaft
Golenitschew-Kutusows nach Konstantinopel (60 — 314), ein-
geleitet durch einen kurzen Bericht über die Reise eines Mit-
gliedes dieser Gesandtschaft aus Wien nach der Krim (1 — 59).
Das Buch ist in ziemlich ungeordnetem Zustande ver-
öffentlicht, ohne Inhaltsangabe. Es zerfällt in sieben Kapitel:
1. Reise von Wien nach Jassy (1); 2. Reise nach der Krim
BllbasBoff, EAfharina IL 7
— 98 —
und durch diese Halbinsel (11); 3. Reise nach St Petersburg
durch Polen (47); 4. aus St. Petersburg nach Konstantinopel
(60); 5. Eonstantinopel und erste Audienz des ausserordent-
lichen Botschafters (163); 6. besondere Merkwürdigkeiten Kon-
stantinopels (193), und 7. Abreise aus Konstantinopel und
Fahrt nach St. Petersburg (216).
Wer ist der Verfasser dieser Beisebeschreibungen? Die
Eeise von Wien nach der Krim hat mit der Gesandtschaft
nichts gemein: der Verfasser reiste im August 1791 aus Wien
ab; nach Verlauf eines Jahres, im August 1792, traf er in
St. Petersburg ein, und „nach einigen dahin abzielenden
Schritten" (58) „glückte" es ihm, der Gesandtschaft zugetheilt
zu werden, welche 650 Personen zählte (129); seine Ernennung
erfolgte von Seiten des Auswärtigen CoUegiums (59). Eins ist
ofiFeubar: der Verfasser ist kein Russe (19, 175, 210, 291).
Von Nichtrussen befanden sich bei der Gesandtschaft: der
Marschall der Gesandtschaft, Baron Korfif (156), der Rath
Pisani (279), der Secretär ftlr die orientalischen Sprachen
Sanetti, der CoUegienassessor Jos. Christ, von Struve und zwei
Uebersetzer: Wottom und Reimers. Wahrscheinlich waren
ausserdem noch andere Ausländer bei der Gesandtschaft;
zweifellos ist nur dies Eine: von den Russen hat Niemand
Beschreibungen dieser Gesandtschaftsreise verfasst , ihre
Autoren sind vielmehr die beiden Deutschen Struve und
Reimers; das dem Kaiser Alexander H. gewidmete und auf
Staatskosten veröffentlichte Werk von Reimers ist unter dem
Druck der Censur verfasst und daher unfrei gehalten.
Aus Wien reiste der Verfasser über den Schauplatz des
soeben beendigten Krieges durch Jassy (6), Bendery (13),
Chersson (14); in der Krim besuchte er Perekop (17), Simfero-
pol (19, 36), Bachtschissaraj (24), Sewastopol (30), Ssudak (33),
Theodosia (36), Tschatyrdag (38) und Kertsch (43). Seine
flüchtigen Bemerkungen sind zum Theil höchst interessant.
— 99 —
Er beschreibt ausführlich das Begräbniss des Fürsten Potemkin
in Jassy; erzählt, der Verstorbene habe den Marschallsstab in
der Hand gehabt (10); in Simferopol sah er S. S. Shegulin,
den Verwalter des Taurischen Gebietes (19), und traf in Du-
bossary mit Eachowskij zusammen (49). Auf der Bückreise
aus der Krim nach St. Petersburg durch Polen machte er
sehr interessante Beobachtungen über den Unterschied zwischen
den russischen und den polnischen Ansiedelungen (50); sehr
interessant, als ein Bild aus dem Leben, ist die Beschreibung
des Festes in Kuskowa, beim Grafen Scheremetjew (53).
Dieser ausführliche Bericht über die Gesandtschaft vom
Jahre 1793 ist die einzige nichtofQcielle Quelle über sie. Der
Verfasser theilt die ausführliche Reiseroute mit (77), sah den
Grafen P. A. Rumjanzow in Ssisora (87), besuchte Fokschany
(94), Bukarescht (100), Ruschtschuk (108), Schumla (119),
Adrianopel (129), Burgas (144), San Stefano (158), beschrieb
ausführlich die Audienz (173), die Feier des Namenstages der
Kaiserin sowohl in Jassy (8) als in Konstantinopel (181),
wessen auch Katharina erwähnt („Sammlung'^ XXIU, 600).
Aus der Beschreibung ist zu ersehen, dass unsere Gesandtschaft,
die gemäss dem an den Senat gerichteten Ukas Tom 26. Ja-
nuar 1793 gebildet worden (Archiv des Senats, Band 174,
Blatt 42; Vollständige Sammlung der Reichsgesetze, No. 17,098),
sich sehr viel besser führte, als die türkische, die den Zorn
Katharinas erregt hatte.*)
H. V. Reimers (No. 856) schreibt über dies Werk: „Das
kleine Bändchen liest sich zwar mit Vergnügen; allein es
kommen in demselben nicht nur mehrere Unrichtigkeiten vor,
sondern es sind auch von den Orten, über welche die Gesandt-
*) „Sammlang", XLII, 230. Dies Schreiben ist sehr nacblSssig heraus-
gegeben; dasselbe ist in das Jahr 1792 verlegt, während dessen in
St Petersburg doch gar kein türkischer Gesandter gewesen ist, und Fürst
Wolkonskij ist als Michail Nikobyewitsch benannt, anstatt Nikititsch.
— 100 —
Schaft ihren Weg nahm, verschiedene durchaus ganz falsch
benannt. Der Verfasser, Christian Ton Struve, ohne dessen
Yorwissen das Buch erschien, ist ganz unschuldig daran, da
es desselben Absicht nie war, seine Briefe, die er von der
Beise seinen Verwandten nach Deutschland schrieb, zum Druck
zu befördern" (I, Vorbericht, HI). Es muss hierzu jedoch
erwähnt werden, dass Reimers keine Beweise für das Vor-
kommen von üngenauigkeiten und Unrichtigkeiten bei Struve
beigebracht hat.
Das Buch wurde auch ins Französische übersetzt (No. 861),
gleichfalls ohne Nennung des Verfassers.
848. L'ange gardien de Catherine II. Vision de Fan 1801. St-P^ters-
bourg, 1801.
Eine sehr poetische Vision. Der Verfasser besuchte in
der Peter-Pauls-Kathedrale das Grabmal Katharinas, das von
ihrem Schutzengel gehütet wird; der Engel verkündete ihm:
Je suis son ange. Au pied de son tombeau
J'entends sa voiz, qui b6nit la Bussie.
Der Verfasser wendet sich an den Engel mit der Bitte (4):
Bends-nous plutöt son äme!
Anime, ^chauffe un peuple de sa fläme!
Bends-nous sa voiz, qui 89ut trente ans porter
L'amour aux coeurs et vaincre et pardonner.
Weiter, in der sich entspinnenden Unterredung, werden
die wichtigsten Thaten Katharinas aufgezählt, welche höher als
alle ihre Zeitgenossen, Friedrich 11. und Joseph 11., und in
ihren seelischen Eigenschaften Marcus Aurelius gleich ge-
stellt wird.
849. Czaar Peter de Derde. Treurspel door A. Kraft Amsterdam,
1801.
Im Vorwort theilt der Verfasser mit, dass seine erste
Tragödie „Alonzo" grossen Erfolg gehabt, in der „Vader-
— 101 —
landsche Bibliötheek" sehr gelobt worden sei, und dass er
hoflFe, diese seine Tragödie, in flinf Acten und in Versen, werde
eine ebensolche Aufnahme finden. Die Hoffnungen des Ver-
fassers erfüllten sich — die Tragödie erlebte mehrere Auf-
lagen, ungeachtet dessen, dass unter den handelnden Personen
u. a. auch folgende auftreten: Panin, Begent von Busland,
Novogorod, Aartsbischop u. s. w. Der letzte Act der Tragödie
spielt in Mopsa, anstatt Bopscha, und endet mit dem Verse
Peters:
Ik veTgeef bet u . . . d Gk>d! ontfang mijn* geest (112).
Katharina erscheint nur in zwei Scenen des vierten Acts,
und hält nur einen langen, jedoch farblosen Dialog, der mit
folgenden Versen beginnt:
Doorlucbte yriendenrei! Beschermers yan de kroon!
Van vaderland, van wet, van Grodsdienst, en den troon (78).
850« Teatro deir Eremitaggio di Caterina 11, Imperatrice delle RuBsie,
compoBto da questa Principessa et da alcnni distinti personaggi
della Sua Corte. Arezzo, 1801.
Der Titel ist nur eine Uebersetzung desjenigen von No. 831,
doch ist aus der ganzen Sammlung einzig nur die com6die-
proverbe des Grafen S6gur „L'enl^vement" (11, 173) auf-
genommen, unter dem Titel: „H Bapimento, commedia in un
atto in prosa^', wobei die handelnden Personen italianisirt sind.
851. Histoire de TEmpire de Russie, sous le rögne de Catherine 11
et & la fin da diz-hnitieme siöcle. Par M. Tooke. 2 vis. Paris,
1801.
Eine fast wörtliche uebersetzung von No. 822: „traduite
de l'anglais sur la deuxi^me 6dition, par M. S , . . avec les
corrections de M. Smirnove, aumönier et secr^taire de l'ambas-
sade de Bussie k Londres, et revue par M. Leclerc, ancien
capitaine au service de France." Die Correcturen Smimows
imd Leclercs beziehen sich meist auf eine genauere Tran-
— 102 —
scription russischer Worte (Avis sur Torthographie des mots
russes, I, XYII), und auf die Correctur des Originals in solchen
Fällen, in denen die Fehler und Ungenaifigkeiten durch eine
falsche Uebersetzung bedingt wurden, wie wir dies schon bei
der Besprechung des Originals erwähnt haben. A. J. de
Bassinet, commandeur honoraire de l'Ordre de Malte, als
Herausgeber der französischen Uebersetzung, hat sie dem Kaiser
Alexander I. gewidmet. In der Widmung wird Katharinas in
folgenden Worten Erwähnung gethan: „Tous les chapitres de
cet ouvrage sont comme le d6p6t des grandes vues legislatives,
des sages principes d'administration de votre auguste Aleule.
C'est par eile que la Nation Russe est arriv6e k cette existence
politique qui maintient en Europe cet 6quilibre de puissance
garant de toute autorit^, 6cueil de toute ambition" (VI).
852« Politique de toos les cabinets de TEurope pendant les rögnes
de Louis XV et de Louis XVI, augment^e de notes et com-
mentaires par L. G. Segtsr, ex-ambassadeur. 3 vb. Paris, ISOl.
Unter diesem Titel wurden im Jahre 1793 „les manu-
scripts trouv^s dans le cabinet de Louis XVI" herausgegeben ;
der vormalige französische Gesandte am Hofe Katharinas,
Graf S^gur (No. 927) hat zu ihnen seine Anmerkungen ge-
macht, die besonders hinsichtlich Russlands interessant sind,
dem ganze Artikel gewidmet sind (I, 365, 383). Sehr inter-
essant ist das Memoire de Mr. Vergennet sur la porte Otto-
mane (in, 105), noch interessanter aber ist für uns die An-
merkung, die S6gur zu ihm macht (III, 154). In den drei
Bänden findet sich zerstreut eine grosse Zahl für uns höchst
interessanter Nachrichten über Polen (I, 157, 190; III, 129),
über Schweden (I, 259; 11, 57), über N. J. Panin (I, 113,
321, 329), über G. G. Orlow (I, 311, 318). Russlands ge-
schiebt häufig Erwähnung (I, 269) und a. a. 0. ygl. das In-
haltsverzeichniss ; über Katharina schweigt das Werk voll-
ständig.
— 103 —
853. Denkwürdigkeiten aus der Lebensgeschichte des kaiserl. Rassi-
schen Staatsraths M. A. Weikard. Leipzig, 1802.
Weikard, Jegor Adamo witsch, 1742 — 1803, war Leibarzt
der Kaiserin Katharina 11. vom Jahre 1784 an, in welchem
Jahre er nach Bussland kam (230, 240). Seine Denkwürdig-
keiten sind sishr interessant, namentlich für die letzten zehn
Jahre der Regierung Katharinas. Der Verfasser hat, sehr
gegen seinen Wunsch, sich selbst als einen kleinlichen, zänki-
schen, anmassenden und misstrauischen Menschen charakteri-
sirt, — ihn verfolgen Alle, und erweisen ihm nicht genügend
Achtung; er ftihlt sich gekränkt, wenn er vor den Truppen
der französischen Sepublik fliehen muss. Jeder Wink eines
kleinen deutschen Prinzen wird sorgfältig in den Denkwürdig-
keiten als geschichtliches Ereigniss vermerkt; eine Einladung
zum iVühstück wird mit allen Details beschrieben. Nach
diesen Denkwürdigkeiten müsste man sich die Ansicht bilden,
Weikard sei eine medizinische Berühmtheit, der klügste Mann
von der Welt, der mit Verachtung auf alle übrigen Sterblichen
herabsieht.
Die Denkwürdigkeiten sind nicht übel geschrieben, aber
nachlässig herausgegeben; sogar ein Inhaltsverzeichniss fehlt.
Das Werk hat den folgenden Inhalt: 1. Geburt. Knaben-
alter (1); 2. Jünglingsalter, üniversitätsjahre (68); 3. Physikat
zu Bruckenau (127); 4. Medizinisch -praktische Laufbahn in
Fuld (169); 5. Laufbahn in Bussland (217); 6. Beise nach
Gherson und Ausreise Bussland (367); 7. Aufenthalt in Frank-
furt, Mainz, Aachen (390), und 8. Badkur. Fehden (513).
Ln 5. und 6. Kapitel wird vorzugsweise über Bussland
und Bussen gesprochen — über Olssu^ew (233, 250), Potem-
kin (252, 521), besonders viel über Lanskoj (261), über Ssobo-
lewskij (262), Bresinskij (284, 288), Chrapowizkij (382), um-
ständlich wird erzählt über die Elrankheit und den Tod
Lanskojs (276), über die Beziehungen des Verfassers zu
— 104 —
Zimmermann (171, 253, 283, 305, 309), über die taurische
Reise (367) und es werden zahlreiche Briefe Katharinas mit-
getheilt (283, 285, 288, 313, 334, 336, 337, 355, 359, 361,
362, 363, 364, 372), grösstentheils eigenhändige.
Sehr interessant ist die erste Audienz, zu deren Anfang
Katharina sich folgendermassen äusserte: „Ich muss Ihnen
zwar gestehen, dass ich eben keine grosse Dinge auf Aerzte
halte. Man gab mir in meiner Jugend Moli^re zu lesen und
jene Ideen von Aerzten sind mir ziemlich hangen geblieben'^
(245). Die Audienz schloss mit folgendem Dialog: „Ich sprach
von einem ganz neuen philosophischen Werke von Herrn
Herder über die Geschichte der Menschheit. — Wer ist dieser
Herder? — Es ist ein Geistlicher in Weimar. — Ein Geist-
licher! Da kann es schon keine philosophische Arbeit seyn.
Ist der Mann Philosoph, so kann er nicht Geistlicher sejm,
und ist er Geistlicher, so kann er nicht als Philosoph be-
stehen. Freilich kann das übersinnliche Unwesen, welches von
Manchen heutiges Tages für Philosophie hergegeben wird,
besser mit Geistlichen, Juden und Heiden bestehen; nur mit
dem gesunden Menschenverstände will es sich nicht vertragen^'
(246). Solche Stellen finden sich mehrfach in den Denkwürdig-
keiten. Sehr charakteristisch ist die Nachricht von dem chirur-
gischen Institute, das die Deutschen Kelchen und Weikard
für „deutsche Zöglinge'^ bestimmt hatten; in der Sitzung einer
besonderen Commission, unter dem Präsidium von Sawadowskij,
hielt ein russischer Arzt in lateinischer Sprache einen Vortrag,
in welchem er den Vorschlag machte, „aus dem für Deutsche
errichteten Institute eine ganz russische Nationalakademie zu
bilden'^ Hierzu bemerkt der Verfasser: „Es ist schon so die
Sitte der Menschen, dass der als Sklav unter despotischen
Erziehern aufgewachsene Mann, auch sogleich wieder Despot
wird, sobald er etwas zu befehlen bekommt. Graf Schwallow
sagte oft: un excellent esclave devient un excellent despote.
— 105 —
Zum Beweise, dass niedrige Seelen zu Sklaven und Despoten
die tüchtigsten sind'' (295). Weikard, nachdem er lange in
Bussland gelebt, glaubte den Süssen folgendermassen charak-
terisiren zu können: y,Der Busse ist gelehrig, begreift es bald,
seinen Herrn zu verstehen, wenn dieser auch nur wenige Worte
vorzubringen weiss" (239).
Ausser dem 5. und 6. Kapitel, die Bussland gewidmet
sind, trifft man auch in den übrigen E^apiteln auf viele, für
uns sehr interessante Bemerkungen, z. B. das folgende Urtheil
über Katharina: „Catharina II war freylich ein Weib, hatte
vielleicht mehr Verstand, mehr politische Gewandheit und Ver-
schmitztheit, als alle jetzlebende Kaiser, Könige und Fürsten,
sammt ihren Ministem zusammengenommen. Aber es hätte
doch grosser Muth dazu gehört, sie zur Ehegemahlin haben
zu wollen'' (116). Interessant sind femer seine Aeusserungen
über Ssestrenzewitsch und Jankowski (170), über Beniowski
(440) und Tschernyschew, den Grafen Iwan (456); bemerkens-
werth ist die Ansicht Strekalows über den Conseil Katharinas
(477), und die Meinung des Verfassers über die Theilung
Polens: „wirklich war man am Ende froh, nur einen geringen
Antheil von diesem Baube zu erhalten, und schämte sich nicht"
(473). Als der Händler Weihnacht der Kaiserin vorschlug,
„eine grosse schön gemalte Wachtparade von Herzog Karl von
Württemberg" zu kaufen, antwortete sie: „Geht mir weg mit
dieser Charlatanerie" (399). Solche kleine aber charakteristische
Bemerkungen trifft man zahlreich in diesen Memoiren. Im
Allgemeinen muss man anerkennen, dass die von Weikard
mitgetheilten Thatsachen bedingungslos Glauben verdienen;
seine ürtheile aber dürfen nur mit grosser Vorsicht auf-
genommen werden.
Die Erzählung Weikards von dem im Kexholmschen Ge-
fangniss eingeschlossenen Staatsverbrecher (440) stimmt in
vielen Stücken zusammen mit der Mittheilung, die der Graf
— 106 —
de Vezet in seinen noch nicht veröffentlichten Memoiren über
einen Franzosen macht, der sich für Iwan VI. ausgegeben
hatte, sodann auf Verlangen des russischen Gesandten Fürsten
Barjatinskij durch den Polizeilieutenant Le Noir war verhaftet
und nach St. Petersburg transportiert worden. „Einem Bussen
liegt nichts so nahe am Herzen, als ein günstiger Blick oder
gute Aufnahme am Hofe; Ungnade tödtet ihn. Der Russe
wurde krank, wenn einmal seine Kaiserin ihn nicht freundlich
angesehen hatte; er wurde recidiv, wenn sie während seiner
Krankheit nicht von ihm gesprochen, oder bey Andern sich
um sein Befinden erkundigt hatte. In diesem Punkte habe
ich nur von jeher eine antirussische Denkungsart gehabt" (241).
Indessen trifft man in Weikards Denkwürdigkeiten auf zahl-
reiche Stellen, welche beweisen, dass eine ganz ähnliche
„Denkungsart" in Deutschland sehr viel mehr entwickelt war
als in Russland. „An jedem Orte in dem lieben Deutschland
liess man mich es fühlen, wie wenig ein Mann geachtet würde,
der nicht zu einem deutschen Fürstenhofe verbunden war" (504).
Bei der Leetüre der Denkwürdigkeiten Weikards darf man
nicht vergessen, dass seine üebersiedelung nach Russland aus-
schliesslich um materieller, mit ihr verbundener Voriheile
willen erfolgte. Der Verfasser spricht ausfuhrlich von dem
Befehle Katharinas, lür ihn ein Haus zu kaufen (247), und
vergisst nicht zu erwähnen, dass er in einem Viergespann ge-
reist sei (299) u. s. w. Sogar an die Meldung des Todes der
Kaiserin knüpft er eine Notiz desselben Charakters: „Es starb
auch, seitdem ich in Heilbronn war, die Kaiserin Katharina
von Russland. Ihr Nachfolger ernannte mich, bey der ersten
grossen Beförderung, zum Staatsrathe" (509).
854. Histoire de la vie de Pierre III, Empereur de toutes las Rnssies,
par M. de Saidem. Metz, 1802.
Der Holsteiner Saldern, „qui joignit la grossi^ret^ d'un
paysan holstenois k la p6danterie d'un professeur allemand"
— 107 —
(Rulhifere, H, 308), lebte lange in St. Petersburg, verkehrte in
der höchsten Gesellschaft und bei Hofe; im Jahre 1771 war
er schon russischer Gesandter in Warschau, und nach der
ersten Theilung Polens wurde sein Name in den Zeitungen
Europas vielfach genannt, aber in solchem Sinne, dass Katha-
rina sich in einem Briefe an Frau Bjelke hierzu folgender-
massen äussert: „H n'y a personne qui peut mieux savoir que
M. de Saldem s'il m^rite ce que les gazettes ont d^bit^ k son
sujet — j'en appelle k son conscience („Sammlung^', XIII, 406).
In seinen Briefen ebenso wohl als in seinen Depeschen er-
scheint er weniger als ein Mann von grosser Geschäftsgewandt-
heit, als vielmehr als ein falscher Charakter; er besass Ver-
stand, dieser Verstand stand aber unter der Leitung eines bös-
artigen Gemüthes. In dem uns hier beschäftigenden Buche
hat Saldem sich ganz in seiner Eigenart gegeben: es ist ganz
aus Lüge und Fälschung zusammengesetzt. Das von dem
Herausgeber unterzeichnete, von Lobsprüchen auf den Verfasser
überfliessende Vorwort ist von Saldern selbst geschrieben (119);
die Versicherung, der Verfasser habe ausdrücklich die Be-
stimmung getroffen, das Buch solle erst nach dem Tode Ka-
tharinas gedruckt werden, ist gleichfalls eine Unwahrheit, denn
mehr als einmal wird in ihm der im Jahre 1797 heraus-
gegebenen „Histoire" von J. Rulhifere (No. 775) Erwähnung
gethan. Auf dem Titel ist gesagt, das Buch sei speciell der
Darstellung der Staatsumwälzung gewidmet — prÄsentant les
causes de la r6volution arrivöe en 1762 — während doch der
Verfasser zu dieser Zeit sich in Berlin befand, was bezeugt
wird durch eine Notiz Katharinas vom 2. Juli 1762 („Samm-
lung", XLVni, 8). Man könnte nun denken, der Verfasser
habe über die Staatsumwälzung nach den Mittheilungen min-
destens von Augenzeugen der Revolution, wenn auch nicht
von direct an ihr Betheiligten, geschrieben: nur bei ihm ge-
schieht Erwähnung der Verhaftung des Grafen S. K. Woronzow
— 108 —
(79), die durch einen Brief Woronzows selbst bezeugt wird
(Archiv des Fürsten Woronzow, VIII, 5); aber die ganze Er-
zählung ist von so groben Fehlem angefüllt, dass eine solche
Annahme nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit für sich hat:
G. Q. Orlow holt Katharina aus Peterhof ab (76), Katharina
bekleidet sich mit der Uniform Buturlius „pour cacher sa
grossesse" (78), das Nachtquartier wird nach Zarskoje Sselo
Terlegt (86), der verhaftete Peter III. wird nach Oranienbaum
geführt (93), als Tag der Thronentsagung wird der 2. Juli
(96, 105) genannt, und sogar der Tag der Revolution wird
unrichtig angegeben als „le 18. Juin, vieux style, ou le 29.,
nouveau style" (74, 82, 103). Das ganze uns hier beschäftigende
Werk charakterisirt sich durchweg als ein Panegyrikus auf
Peter in. und ein schmutziges Pamphlet auf Katharina. Weshalb?
Katharina erwähnt in ihren Briefen häufig Saldems, be-
zeigt Theilnahme sowohl ftir ihn persönlich als für seine
Verwandten (Vorlesungen, 163, 11, 165; „Achtzehntes Jahr-
hundert", m, 273; „Sammlung", X, 249, 292; XIH, 90, 99,
132, 354, 361, 379; XX, 228; LVU, 517; LXII, 510) und
erst vom Anfang des Jahres 1774 an hört jede Erwähnung
seiner Person in den Briefen Katharinas auf: in Depeschen
vom Februar 1774 theilen ausländische Diplomaten mit, dass
Saldem „voulait faire associer le grand duc ä Tempire" und
dass Katharina „dit qu'elle voulait qu'on lui conduisit ce mi-
serable, c'est k dire Saldem, la corde au cou" (Grimblot, 277).
Heibig (No. 894) äusserte sich folgendermassen über das Buch:
„In diesem Buche hat der Verfasser die Wahrheit oft verfehlt,
und sich nur von seinem Hasse gegen die Kaiserin bemeistem
lassen, der eine Folge seiner unbefriedigten Leidenschaften,
des Stolzes und des Geizes war" (254).
855. Lettres d*un Fran^ais & un Allemand, servant de r^ponse ä
Mr. de Kotzebue et de Supplement aux »M^moires secrets aur
la Kossiec. Par C. F. Ph. Massoiu Basle, 1802.
— 109 —
Der Streit Massons mit Kotzebue gewährt kein besonderes
Interesse, aber in den Ergänzungen zu No. 841 trifift man auf
bemerkenswerthe Einzelheiten. Diese „Ergänzungen'' sind in
die Polemik hineingemischt, und in Folge dessen durch das
ganze Buch zerstreut, als Beweismittel, geeignet Massen zu
stützen, wenn auch nicht gerade dazu ausreichend, Eotzebue
zu widerlegen.
Wir notieren hier zuvörderst zwei Bemerkungen hinsicht-
lich Katharinas: über die Doppelseitigkeit ihrer Persönlichkeit
(179) und ihr: „Praschai, droug moi. Bog stoboiou" (260), und
eine in Anlass ihres Todes: „son empire immense 6isit en
pleurs'' (275). Einige neue kleine Züge zu den Biographien
der Grafen Rumjanzow, Repnin, Besborodko (131), Nik. Ssal-
tykow (195), Kostoptschin (295) und des Baron Nikolai (210)
finden wir hier, sowie eine interessante Einzelheit über
A. D. Lanskoj (162) und eine nicht minder interessante Er-
klärung der umlaufenden Fabeln von der taurischen Reise (167).
Aufklärung wird hier auch gegeben über die Punkte in dem
Familienroman K ky — la princesse Alexandra Wla-
dimirowna Kaslowsky (238). Zur Charakteristik des Verfassers
vergl. S. 199.
856. August Lndwlg Schl5zers öffentliches und Privatleben, von ihm
selbst heschrieben. Göttingen, 1802.
Das vielleicht einzig dastehende Beispiel einer Autobio-
graphie, die den Verfasser in einem sehr abstossenden Lichte
erscheinen lässt. Pekarskij in seiner „Geschichte der Aka-
demie der Wissenschaften'^ hat vorsichtig aber eingehend.
Schritt für Schritt, alle seine, sogar gegen solche Personen,
wie Nowikow, gerichteten Beschuldigungen und Verleumdungen
widerlegt (I, 667); durch die von Kenewitsch besorgte üeber-
setzung der Autobiographie von Schlözer ins Russische hat
der Herausgeber wesentlich zu der Möglichkeit beigetragen,
sich von dem Verfasser eine richtigere Anschauung zu bilden.
— 110 —
Wir treffen in dem Buche, ausser den Angelegenheiten und
den Persönlichkeiten der Akademie, nur auf kleine, die ausser-
akademische Welt betreffende Bemerkungen. In erster Linie
ist hier zu nennen die Mittheilung über den Druck des Mani-
festes Yom 28. Juni 1762 (108).
857. £xamen de trois onvrages sar la Rossie, par Tauteur du Voyage
de deux Fran9aiB au nord de TEurope [Comte Fortia-Pil^].
Paris, 1802.
Der Verfasser der „Reise** (No. 754), Fortia de Pilfes, der
die Jahre 1791 und 1792 in Russland, vorzugsweise in St. Peters-
burg verlebt hat, kritisirt hier drei, Russland betreffende Werke:
1 . „Voyage philosophique, politique et litt^raire fait en Russie
pendant les ann^es 1788 et 1789, traduit du hoUandais par
le citoyen Chantreau." Paris, 1794 (No. 724). Der Kritiker
kommt zur Ueberzeugung, „que Tauteur a voyagö en Russie
Sans sortir de Paris" (3), wobei er nachweist, dass ganze Stellen
wörtlich aus Coxe (483) entlehnt sind (25, 33). 2. „Histoire
ou anecdotes sur la r6volution de Russie en 1762," par M. Rul-
hiere. Paris, 1797 (No. 775). Der Kritiker findet, dass das
ganze Buch Rulhiöres nur als ein „monument de mechancet6,
d'audace et de vanitö" (37) bezeichnet werden kann, und ein
„libelle calomnieux" (45) darstellt, — und 3. „Mömoires secrets
sur la Russie, et partculi^rement sur la fin du regne de Ca-
therine IL et sur celui de Paul I." Paris, 1807 (No. 841).
Das Werk Massons gefällt dem Kritiker ganz und gar nicht,
da „au travers de quelques d^tails curieux percent Tinjustice
et la malignitö les moins öquivoques" (59); es sei dies „un
ouvrage presqu'entiferement compos6 de diatribes et de calom-
nies" (81), und schliesslich erscheint ihm der Verfasser als
Jacobiner (105). Indem er die Kritik dieser drei Werke
unternimmt, stützt sich Fortia de Piles auf Auskünfte, die er
aus Russland und von Russen erhalten hat, daher denn seine
Bemerkungen einen gewissen Werth für sich in Anspruch
— 111 —
nehmen können. So sind z. B. seine Mittheilungen über Orlow
(50), über die französische Revolution (69), über die Theilung
Polens (71) und einige andere recht interessant. Bei Uebung
der Kritik verfällt der corrigirende Kritiker aber mitunter
selbst in Irrthümer. Biron war nicht in Beresow, sondern in
Sibirien, in Pelym, u. s. w.
Cbantreau und Sulhi^re waren schon im Grabe; nur
Massen hat „Un mot k l'auteur de TEkamen de trois ouvrages
sur la Sussie*' (255) als Antwort veröffentlicht; er spricht sich
gleichfalls gegen Chantreau aus, vertheidigt Rulhi^re, und be-
weist schliesslich hinsichtlich seiner „M^moires^^, dass der
Bjitiker Graf Fortia-Pil^s „porte sur des opinions et non sur
les choses^' (260) und vertheidigt natürlich die von ihm ver-
tretenen Gesichtspunkte.
Dem Werke ist ein Personen- und Sachregister angehängt.
858. Lobrede auf Catharina die Zweyte, von Nikolai Karamsvn.
Aus dem BoBsischen übersetzt von J. Richter. Biga, 1802.
Eine musterhafte üebersetzung hinsichtlich der Sprache
sowohl als der sachlichen Genauigkeit, trotz der Ungenauigkeit
der Wiedergabe des Titels: das Original trägt die üeberschriffc:
„Historische Lobrede auf Katharina II/< (Werke Karamsins,
Ausgabe vom Jahre 1820, VIII, 1). Die üebersetzung ist
Alexander L gewidmet. Der Uebersetzer hat die Benutzung
seiner Arbeit durch eine specielle Inhaltsangabe erleichtert,
sowohl der „Einleitung" (9) als der drei Theile: 1. „Catharina
als Siegerin" (23), 2. „Catharina als Gesetzgeberin" (64) und
3. „Catharina als Schöpferin wohlthätiger Anstalten und als
Mutter ihrer Unterthanen" (160).
859. Geheime Nachrichten über Russland unter der Begierung Catha-
rinens 11 und Pauls I. Ein Gemälde der Sitten des Peters-
burger Hofes gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts.
2 Bde. Paris, 1802.
Eine Üebersetzung von No. 841. Der ungenannte Ueber-
setzer macht zu einer Stelle des Originals folgende Anntkerkuug:
— 112 —
„Die grosse Gunst, in welcher der alte Fürst Betzkoi bey Ca-
tharinen stand, die Ehrfurcht, welche sie ihm bewies, und die
Nachsicht, mit welcher sie sich seinen Grillen unterwarf, waren
Ursache, dass man am russischen Hofe einem Gerücht Glauben
beymass, nach welchem dieser Günstling der Vater der Kai-
serin war. Mehrere Umstände trugen dazu bey, diese Sage
glaublich zu machen. Die Hofleute hatten ausgerechnet, dass
Betzkoi, als ein junger schöner Mann, auf seinen Reisen sich
einige Zeit an dem Zerbster Hofe aufgehalten hatte, und dass
diese Epoche gerade in das Jahr vor der Geburt Catharinens
fiel" (II, 171). Eben dieselbe Nachricht hat nach Verlauf von
einigen Jahren N. J. Gretsch in seinen „Memoiren" mit einigen
Abänderungen wiederholt: „Die Mutter Katharinas verbrachte
einen grossen Theil ihrer Zeit im Auslande, in Vergnügungen
und Zerstreuungen aller Art Während ihrer Anwesenheit in
Paris, im Jahre 1728, machte sie Bekanntschaft mit einem
jungen Manne, der der russischen Gesandtschaft angehörte:
Iwan Iwanowitsch Bezkoi, ausgezeichnet durch Schönheit, Geist
und Bildung. Katharina hatte grosse Aehnlichkeit von Bezkoi.
Die Monarchin verkehrte mit ihm als mit ihrem Vater" (335).
Beide Erzählungen werden durch die Thatsachen (No. 1241)
widerlegt und als unsinnig charakterisirt. Der Eine schickt
Bezkoi zu der Fürstin nach Zerbst, wo er aber im Jahre 1728
gar nicht gewesen ist; der Andere versetzt die Fürstin nach Paris,
wo sie in diesem Jahre ebenfalls nicht war, und beide machen
Bezkoi zum Fürsten, welchen Titel er jedoch niemals geführt hat.
In demselben Jahre 1802 erschien ein deutscher Nach-
druck dieser Uebersetzung, aber ohne Angabe des Druckortes
und mit verändertem Titel: „Geheime Nachrichten von Russ-
land, insbesondere von dem Regierungs-Ende Catharine II und
von der Thronbesteigung Pauls I. Ein Sittengemälde von
St. Petersburg zu Ende des XVIII. Jahrhunderts. Aus dem
Französischen.'« 3 Bde.
— 113 —
Die deutsche Uebersetzung des Massonschen Baches er-
lebte mehrere Anf lagen (No. 995, 1067), in allen jedoch ist
die vorerwähnte Anmerkung wiederholt (No. 1260).
860. Travels in the Crimea. A histoiy of the embassy from Peters-
burg to Constantinople, in 1793. Bj a secretarj to the Bossian
embassy. London, 1802.
Uebersetzung von No. 847. Der Verfasser, Struve, wird
irrthümlicher Weise als Gesandtschafts-SecreHlr bezeichnet.
861« Yoyage en Krimpe suivi de la relation de rambassade envoyäe
de P^tersbonig k Constantinople en 1793. Paris, 1802.
Auf dem Titel wird der Verfasser nicht genannt, aber
hinzugefügt: „traduit de Tallemand par L. H. Delomarre",
Es ist dies eine wörtliche Uebersetzung von No. 847.
862. Secret memoirs of the Court of Petersbouig, particularlj to-
wards the end of the reign of Catherine IT and the commence-
ment of that of Paul I. Translated j^om the French. 3 y.
London, 1802.
Uebersetzung von No. 841. Diese englische Uebersetzung
«rlebte drei Auflagen. Gleichzeitig mit der englischen erschien
auch eine dänische Uebersetzung: „Maerkvaerdige Anecdoter
om Eejserinde Catharina den Anden, Kaiser Paul den Forste,
den nu regierende Eeiser Alexander og de fomemste Personer
ved deres Hof. Oversat af Fransk ved Johan Werfel." Kjoben-
havn, 1802.
863. Yoyage k Pötersbourg, ou nouveauz mdmoires sur la Eussie,
par Mr. de la MeaselUre. Paris, 1803.
Der Graf Frottier de la Messeliöre, „Edelmann der Ge-
sandtschaft, Chevalier de la Messeliöre" (Archiv des Fürsten
Woronzow, ni, 223, 236), kam nach Bussland im Gefolge des
Oesandten L'Höpital, und hat ungefähr zwei Jahre in Buss-
land gelebt, vom 21. Juni 1757 (119) bis zum März 1759 (248),
und diktierte im Jahre 1772 (108), kurze Zeit vor seinem
Tode (316) seine russischen Beiseerinnerungen als Skizze, die
Bil bassoff, KathArinn n. 8
— 114 —
er als „Projection vague d'anecdotes diverses" (314) betitelte.
Diese Skizze sollte dann weiter ausgeführt werden. Infolge
des Todes des Verfassers wurde diese „Projection" in der
Gestalt, in der sie aus dem Diktat hervorgegangen war, heraus-
gegeben, ihr jedoch eine „Lettre du citoyen Jouyneau-Desloges"
(309), seines Freundes, beigefügt, in welcher einige Einzelheiten
über den Verfasser sowohl, als Nachrichten über Bussland,
nach mündlichen Äeusserungen desselben, mitgetheilt waren.
Als Vorwort dient ein „Tableau historique de la Bussie jus-
qu'en 1802" (1) par Musset Pathay.
In allen drei Theilen des Werkes äussern sich die Sym-
pathien des Verfassers für Bussland, und namentlich auch für
Katharina. In dem Vorworte, das im Jahre 1802 geschrieben
worden, heisst es: „Jetons un voile sur quelques vices de cette
imp^ratrice, qu'elle a plus que rachet6s par ses grandes qua-
lit^s. La malignitö de plusieurs historiens a fidMement re-
cueilli quelques aventures galantes. De toutes les vices des
souverains, le libertinage est le moins nuisible aux sujets,
quand il n'entraine pas les dilapidations et l'^puisement du
trösor public, et Cath6rine II est de ce cotö k Tabri de toute
accusation'' (53). Messeliöre erwähnt häufig Katharinas (122,
214 — 217, 231), bewundert „la force d'äme qui la caract^rise"
(226), und schreibt ihr folgendes Bekenntniss zu: „Je ne sais
pas ce qui peu m'arriver, mais je veux etre une femme extra-
ordinaire, et j'ai le pressentiment, que TEurope un jour par-
lera long-temps de moi" (320). Katharina erwähnt in ihren
Memoiren (No. 1059) Messelieres überhaupt gar nicht, der doch,
vrie er erzählt, dem Grafen Ponjatowski einen sehr wichtigen
Dienst erwiesen hat (215), und ein ähnliches Bekenntniss er-
scheint, eben zu jener Zeit, nach der Verhaftung Bestushews
(223) und vor der Entfernung des Grafen Ponjatowski (232),
höchst unwahrscheinlich. Die Äeusserungen des Verfassers
über den russischen Soldaten (116), über die französischen
— 115 —
Hanslehrer (124), über die Tabaksdose Bestushews, ,,que nons
avons toujonrs appelö la politique" (126) u. a. sind nnr anf
Gerüchte begründet Entsprechend der Aufgabe der Gesandt-
schaft, die den Wunsch gehegt hatte, Bussland der franzö-
sischen Politik dienstbar zu machen, erscheint dem Ver&sser
alles Eussische in rosigem Lichte, und sogar „les chemins de
la Bussie sont tres-ais^s et bien entretenus" (119).
Der Verfasser hat mit seinem Buche Glück gehabt so-
wohl in Frankreich als in Bussland: die Pariser Ausgabe
seiner „Voyage k Petersbourg" ist eine sehr sorgfältige, und
in Moskau ist eine vollkommen genaue üebersetzung seiner
Memoiren erschienen mit vortrefflichen Anmerkungen, die die
Bedeutung dieser Aufzeichnungen sachlich erläutern („Bussisches
Archiv", 1874, I, 952).
864. Zimmermanns YeihSltnisse mit der Kaiserin Catharina IL and
mit dem Herrn Weikard, von Markard. Bremen, 1803.
Der Altersgenosse von Katharina, Johann Georg Bitter
von Zimmermann, 1728 — 1795, von Geburt Schweizer, Doctor
und Philosoph, hat ungefähr sieben Jahre lang mit der
Kaiserin correspondirt, die ihn als Schriftsteller und prak-
tischen Arzt sehr schätzte. Er litt an Hypochondrie, und war
krankhaft von sich eingenommen. In Deutschland genoss er
grosses Ansehen, nicht nur wegen seiner guten Diagnosen, son-
dern auch als tiefer und origineller Denker. Er lebte vor-
zugsweise in Hannover, als grossbritanischer Leibarzt. Von
seinen philosophischen Schriften erfreuten sich besonderer Be-
rühmtheit zwei, die er noch als junger Mann geschrieben, und
später umgearbeitet hatte: „Ueber die Einsamkeit^' (Leipzig,
1784) und „Vom Nationalstolze'* (Leipzig ^ 1789); die erste
Schrift wurde in viele Sprachen übersetzt, und darunter auch
in die russische. Katharina, die damals durch den Tod
Lanskojs in Betrübniss versetzt war, las das Werk „üeber
die Einsamkeit'' im Original („Sammlung",. XXIII, 243), und
— 116 —
übersandte dem Verfasser einen kostbaren Bing und eine
Medaille mit ihrem Bildniss, nebst einem Brief, in dem es
hiess: ,,in Dankbarkeit fiir die schönen Bezepte, die Sie der
Menschheit in Ihrem Buche ,über die Einsamkeit' verordnet
haben'^ (62). Von da ab, zu Anfang des Jahres 1785, be-
gann eine Gorrespondenz, die bis zum Jahre 1791 andauerte.
Katharina hatte zuerst aus den Briefen G. G. Orlows, im
Jahre 1780, von Zimmermann erfahren, der den Fürsten
Orlow von Ems nach Pyrmont begleitet hatte (14); mehrmals
forderte die Kaiserin Zimmermann auf, nach St. Petersburg
zu kommen, er lehnte jedoch diese Einladungen stets ab
(„Sammlung^', XXIII, 343). Nach Berlin kam Zimmermann
einige Tage vor dem Tode Friedrichs 11., und veröffentlichte
darauf eine Schrift: „üeber Friedrich den Grossen und meine
Unterredung mit ihm kurz vor seinem Tode" (Leipzig, 1788).
Sowohl diese, als andere Broschüren von ihm über Fried-
rich n. schadeten ihm sehr in der öffentlichen Meinung
Deutschlands, und er starb im Jahre 1795, seinen Buhm
überlebend.
Zimmermann empfahl Katharina Äerzte, und mit Dank
gab sie ihnen Anstellung (89, 91 ff.), da Bussland damals an
geschickten Aerzten Mangel litt („Sammlung" XXVII, 371;
XLII, 273). Im Jahre 1786 verlieh die Kaiserin ihm den
Wladimir-Orden (388).
Im Anhange sind 30 Briefe abgedruckt, und darunter
21 Briefe von Katharina an Zimmermann. Leider ist hier
nur ein Theil der Briefe abgedruckt (301), und zwar nur ein
kleiner Theil. Dies erklärt sich durch den Charakter der
durch die erbitterte Polemik zwischen den beiden Deutschen
hervorgerufenen Veröffentlichung: im Jahre 1802 waren die
„Denkwürdigkeiten aus der Lebensgeschichte des Kaiserlich-
Bussischen Staatsraths Weikard (No. 853) im Druck erschienen,
in welcher Schrift der Verfasser über Zimmermann herfallt;
— 117 —
sein Freund Markard gab darauf das uns hier beschäftigende
Werk im Jahre 1803 als „Vertheidigungsschrift" heraus, und
veröffentlichte demgemäss im Anhange nur diejenigen Briefe,
deren er für den bezeichneten Zweck bedurfte. Das ganze
Buch ist angeftLUt Yon kleinlichem leeren Geschwätz und
Klatsch, so dass es unangenehm ist, darin zu lesen. Die
beiden Streitenden gingen so weit, dass sie Katharina in ihr
Gezänk einweihen wollten, die Kaiserin wies aber Beide schroff
damit zurück: dem Doctor Weikard, der sich ihr gegenüber
in Schmähungen über Zimmermann ausgelassen hatte, schickte
sie seinen Brief zurück, nach Hinzuftlgung der Bemerkung:
„Die Herren Gelehrten thäten wohl, wenn sie das Zanken und
Schelten beyseiten lassen wollten; denn dabei ist wenig Ehre
zu verdienen" (245); und Zimmermann antwortete sie: „Mais
qu'est ce que cet inimitiö de Weikard! j'ai envie de prendre
cela pour un badinage" (341).
Die nichtigen Zwecke, die Markard mit seinem Buche
verfolgte, übten die Wirkung, dass Niemand es las, so dass
schon im Jahre 1808 die Correspondenz Katharinas mit Zim-
mermann von dem Buche ganz abgetrennt und in einer Sonder-
ausgabe veröffentlicht wurde (No. 888). Für uns hat nur die
Correspondenz selbst ein Interesse: Markard ist niemals in
Sussland gewesen, und war nicht im Stande, die Beziehungen
Katharinas zu Zimmermann richtig zu beleuchten; jedoch trifft
man auch im Texte seiner „Vertheidigungsschrift" auf man-
cherlei kleine Aeusserungen und Hinweise, die Bückschlüsse
gestatten auf die Anschauungen, die die deutsche Gesellschaft
zu einer gewissen Zeit hinsichtlich Russlands hegte.
Sehr umständliche Mittheilungen über das Markard'sche
Buch finden sich in der Abhandlung von Brückner: „Katha-
rina n. in Correspondenz mit dem Doctor Zimmermann,'' im
„Russischen Alterthum", LIV, 271. Die Correspondenz Katha-
rinas mit Zimmermann wurde ins Russische übersetzt unter
— 118 —
dem Titel: ^^Philosophische Correspondenz der Kaiserin Katha-
rina n. mit dem Dr. Zimmermann." St. Petersburg, 1803;
einige Briefe Katharinas an Zimmermann sind auch über-
gegangen in die Sammlung: ^^Correspondenz der Kaiserin Katha-
rina n. mit verschiedenen Personen." St. Petersburg, 1807.
Auch in den „Archives littöraires" 1804, HI finden wir
Briefe Katharinas an Zimmermann. Höchst interessante „Briefe
Zimmermanns an Hu&agel über seine russischen Beziehungen"
sind herausgegeben von W. Stricker in: „Blätter der Erinne-
rungen an W. F. Hu&agel". Frankfurt 1851.
865. Reise der kaiserlich-mssiBchen ausserordentlichen Gresandtschaft
an die Ottomanische Pforte im Jahre 1793. Von H. von Reimers.
3 Thle. Petersburg, 1803.
Eine Prachtausgabe „auf kaiserliche Kosten". Der Ver-
fasser ist einer der acht „Secrötaires-interpretes aus dem
Reichscollegio" (I, 8), die zur Gesandtschaft beordert waren;
er hatte viele Reisen gemacht durch Europa (I, 20, 33, 59),
hatte an einer Hofcour in Versailles theilgenommen (16), kannte
mehrere Sprachen, das Russische aber, obgleich er das Gegen-
theil behauptet (I, 145), war ihm nicht geläufig: er schreibt
„Podaroschnaja" (22, 25, 29), „Kübitke" (18, 34, 46, 90, 109),
und vermochte nur anzugeben, dass „Tschomowoda bedeutet
schwarzes, trübes Wasser" (I, 146).
Dieselbe Gesandtschaft hat auch Struve beschrieben
(No. 847), aber nur Reimers giebt eine merkwürdige Auf-
klärung darüber, wie diese Gesandtschaft in Konstantinopel
zugleich den Zweck verfolgte, die zweite Theilung Polens der
Türkei gegenüber zu decken: „Russlands feine Politik ver-
zögerte daher die Abschickung einer feierlichen ausserordent-
lichen Gesandschaft an die Pforte anderthalb Jahre nach Ab-
Schliessung des Congresses zu Jassy so schlau bis zu den
kritischen Augenblick, da der Ambassadeur (in Warschau),
Herr von Siewers, nach Grodno zum Reichstag, um dort den
— 119 —
Plan unserer grossen Kaiserin durchzusetzen, abging. Der
Glanz einer prachtvollen ausserordentlichen Gesandschaft und
eine Menge prächtiger Geschenke, um mit diesen den Diwan
zu blenden, sollten die Pforte vergessen machen, dass die
Macht ihres nunmehr ausgesöhnten Feindes durch den Besitz
neuer ansehnlicher und fruchtbarer Provinzen einen grossen
Zuwachs bekomme" (1, 137).
Für uns hat besonderes Interesse die Beschreibung der
Reise aus St. Petersburg, über Schklow (27), Mohilew, Njeshin
(33), Chorol (35), Erementschug (36) zum Sammelplatze der
ganzen Gesandtschaft, Elisawetgrad (38). Im AUgemeinen
constatirte diese Reisebeschreibung materielle Erschöpfung und
Hungersnoth in ganzen weiten Gebieten (I, 24, 30), und un-
ergründlichen Schmutz auf den Strassen. Die Bewohner von
Elisawetgrad vermochten nur auf Stelzen die Strassen zu über-
schreiten, und der Verfasser nahm hiefür „die breiten Schultern
seines Bedienten" (I, 39) in Anspruch. Bei Dubossary wurde
der Regen einem Adler verderblich: „Einem jungen Adler
hatte der Regen die Flügel so durchnässt und ihm das Fliegen
so erschwert, dass unser Wegweiser ihm zu Pferde nachsetzte
und ihn bei seinem niedrigen schwerfälligen Fluge bei den
Flügeln erwischte" (I, 53). Nachrichten dieser Art trifft man
in diesem Werke übrigens nur selten. Ueber die bekannte
eigenartige Hommusik schreibt der Verfasser: „Einen Menschen
blos in der Absicht zu unterhalten, um sein ganzes Leben
lang nur einen Ton auf seinem Hörn anzugeben, lässt sich
allenfalls in den Ländern ausführen, wo Leibeigenschaft ist;
wo diese nicht stattfindet wäre dies zu kostspielig" (I, 15).
Jenseits der Grenzen Russlands sah der Verfasser den
Ort, an dem Potemkin gestorben (I, 87) und den Schauplatz
des Kampfes bei Fokschany (I, 116); von Ausländem sah er
in Russland den Grafen d'Artois in St. Petersburg (I, 216)
und den Grafen von Choiseul-Gouffier in Elisawetgrad (I, 39).
— 120 —
866. Der Todtentanz bei Ismael. Geschichte einer Bluthochseit,
nebst dem Leben des Bräutigams. St Petersburg, 1803.
Eine sinnlose und alberne Biographie Suworows, bei
welcher sämmtliche Namen völlig verändert sind: Katharina IE.
heisst hier „Miranda" (89), Joseph 11. — „Ismael" (230),
Friedrich II. — „Alfred" (88), Peter in. — „Pirano" (88),
Pugatschew — „Posniew" (139), Polen — „Podalien" (95),
die Krim — „Cantaurea" (221), Warschau — „Wirsa" (300),
die Weichsel — „Wachsa" (315), Grodno — „Gamau" (333),
die Türken heissen „Oihonier" (103), die Kosaken — „Kaskier"
(121) u. s. w. Der Sturm auf Ismail bildet keineswegs den
Hauptgegenstand der Erzählung, und nimmt von den 370 Seiten
des Buches nur einige wenige in Anspruch; der Verfasser er-
klärt hier: „Die Feder vermag es nicht alle die Greuel- und
Jammerscenen, die sich hier ereigneten, zu schildern" (261).
Das Buch ist selbstverständlich nicht in St. Petersburg
herausgekommen, und wahrscheinlich auch nicht im Jahre
1803; Suworow starb im Jahre 1800, und das Buch erwähnt
seines Todes nicht einmal.
867. Katharina IT., Kaiserin von Bussland. ChemnitE, 1804.
Die „Gallerie aller merkwürdigen Menschen, die in der
Welt gelebt haben" erschien in einzelnen Heften in Chemnitz;
ein jedes dieser Hefte enthält je eine Biographie. Das 13. Heft
ist Katharina II. gewidmet.
Von den kurzen, populär erzählten Biographien der Samm-
lung ist diese jedenfalls die beste: die Lebensbeschreibung
Katharinas ist wahrheitsgetreu, genau, gerecht, die Darstellung
und Sprache ist einfach, allgemeinverständlich und correct.
Nach mündlicher Ueberlieferung heisst es hier über Perard:
„Ihr vorzüglichster Lehrer war der französische Hoi^rediger
von Perard, ein heller Kopf, der mit nicht gemeinen Kennt-
nissen zugleich die Eigenschaften eines gebildeten artigen Hof-
manns verband" (9). Der Verfasser spricht die Kaiserin frei
— 121 —
von der Schuld an der Katastrophe vom 6. Juli 1762. „Ihre
ganze Begierung, ihr Benehmen gegen ihre Günstlinge, von
denen sie manches duldete, hat bewiesen, dass sie einer solchen
Handlung gegen Peter nicht fähig gewesen" (25) und beglück-
wünscht Russland zu ihrer Thronbesteigung: „Ohne sie würde
Russland in Hinsicht auf die Ausdehnung seiner Gränzen,
seiner Kultur, seines ganzen Zustandes nicht das sein, was es
ist" (26). Der Verfasser wendet seine Aufmerksamkeit in
erster Linie den inneren Angelegenheiten zu, und nennt dabei
Katharina die „Wohlthäterin" Russlands, vergleicht sie mit
Peter dem Grossen^ und fügt hinzu: „Dabei hatte sie auch
Peters I. Kraft nicht: sie musste behutsam zu Werke gehen
und durfte die Grossen nicht vor den Kopf stossen" (59). Auf-
merksamkeit verdienen die Beurtheilung des „umständlichen"
Manifestes (38), die Aeusserung über die Einberufung der De-
putirten der russischen Lande (62), die Charakteristik Potem-
kin8(76), die Vergleichung Katharinas mit Heinrich IV. (74), u.a.
Fehler und Versehen, namentlich auch grössere, haben wir
nicht bemerkt. Die Angabe, dass Katharina am 5. Juni den
Thron bestiegen (18), beruht wahrscheinlich nur auf einem
Druckfehler, indem an anderer Stelle der Tag richtig als der
9. Juli n. St. bezeichnet wird (51); den Familiennamen Talysin
richtig wiederzugeben, ist sehr schwierig.
Die ganze Biographie zerfällt in sieben Theile: 1. Her-
kunft, Elrziehung und Bildung der Prinzessin Sophie Auguste,
und ihre Vermählung mit dem russischen Grossfürsten Peter
Fedorowitsch (8); 2. Katharina als Grossflirstin (13); 3. Ab-
setzung Peters UI. (18); 4. Besitznahme vom Throne (27);
5. Landerwerbungen (42); 6. Verdienste der Kaiserin um die
inneren Angelegenheiten (58), und 7. Charakter und häusliches
Leben Katharinas (47); der Verfasser trägt indessen Bedenken,
eine ausgeführte Charakteristik Katharinas zu entwerfen: „Man
findet in Katharinens Charakter so viele einander widersprechend
— 122 —
scheinende Züge, dass es schwer ist, über sie ein Urtheil zu
faUen« (76).
S6S. Potemkin. Ein interessanter Beitrag zur Regierongsgeschichte
Katharinas der Zweiten. Leipzig, 1804.
Im Laufe von vier Jahren, 1797 — 1800 erschien in dem
von dem bekannten damaligen Publizisten Ärchenholz heraus-
gegebenen Hamburger Journale „Minerva" eine sehr umfang-
reiche Abhandlung über „Potemkin den Taurier", vierzig, in
113 Paragraphen eingetheilte Kapitel umfassend. Der Name
des Verfassers war nicht genannt, doch gilt jetzt als sicher,
dass die Abhandlung von dem sächsischen Residenten am
St. Petersburger Hofe, Heibig, dem Autor von 883 und 894
verfasst worden ist. Diese in der „Minerva" abgedruckte um-
fangreiche Abhandlung liegt dem hier zu besprechenden Werke
zu Grunde, doch hat der Verfasser noch einige in den Jahren
1800 bis 1804 erschienene Werke über Katharina benutzt;
er erklärte: „auch ist hierbei der Anstrich von Leidenschaft
verwischt worden, mit welchem man so oft Potemkins Thaten
geschildert hat" (Vorrede), doch ist es ihm dennoch nicht ge-
lungen, dem Einfluss dieser „Leidenschaft" sich zu entziehen.
Für uns ist hier nicht sowohl Potemkin wichtig, als viel-
mehr Katharina. Da sind denn von Interesse die Mittheilungen
über die Antheilnahme Potemkins an der Bevolution vom Jahre
1762 (10), welche Thatsache mehrfach von Katharina selbst
bezeugt wird (Jacob, 16; Archiv des Fürsten Woronzow, XXV,
423; „Sammlung", Vn, 109, 110, 113, 115). Potemkin kannte
die Schwachheit Katharinas, und wusste dieselbe sehr wohl
auszunutzen: „ihren Lieblingsgedanken, die Welt glauben zu
machen, dass sie allein und ganz ohne alle Theilnahme irgend
eines ihrer Minister regiert" (28); er war bemüht, „die schon
an sich wenig zärtlichen Gesinnungen Katharinens gegen ihren
Sohn noch mehr zu vermindern" (29). Die Nachricht, Potem-
kin habe seine Wohnung im Schlosse beibehalten, „und räumte
— 123 —
dem Grafen Sawadowsky nicht die Zimmer" (42) wird aus
anderen Quellen bestätigt („Russisches Archiv", 1867, 1207).
„In einem Hause neben dem Pallaste des Enees Wäsemsky
befanden sich die Gefängnisse der geheimen Eanzlei, die
Peter IH abschaffte und die Katharina ü in ihren Wirkungen
im Geheimen wieder herstellte" (66). Der Verfasser corrigirt
bisweUen Andere: „Es ist unbegründet, wenn einige Schrift-
steller behaupten^ Katharina und Stanislaus Augustus hätten
sich im Jahre 1764 in Riga gesprochen" (17). Die taurische
Reise Katharinas wird vom Verfasser dargestellt als „thea-
tralisches Maschinen werk, durch dessen F^erie.sich niemand
täuschen liess, als die Kaiserin" (115), wobei „Getreidesäcke
mit Sand gefüllt waren" (116); Katharina hatte ihre Freude
an „der travestirten leichten Cavallerie, die aus sechs Regi-
mentern umgekleideter Husaren bestand" (123), „den Gebäuden
die waren nur Bilder" (125) u. s. w. Thatsächlich war Katha-
rina in Begeisterung über all das von ihr Gesehene (Smirdin,
m, 342; „Russisches Archiv", 1864, 966; 1867, 1235; „Samm-
lung", XV, 95; XXm, 408); doch nicht Katharina allein:
auch E. A. Tschertkow („Russisches Alterthum", XV, 33), und
K. G. Rasumowskij (Wassiltschikow, I. 370) und Fürst De-
Ligne (De-Ligne, HI, 43), sowie S6gur (S6gur, HE, 195) waren
erstaunt über die Erfolge, die Potemkin erzielt hatte. Fügt
man hierzu noch zwei Bemerkungen über die Stellung, die die
Favoriten einnahmen (15, 32), so ist damit auch alles dasjenige
angefiihrt, was der Verfasser über Katharina bringt.
Potemkin ist in den dunkelsten Farben gezeichnet als
„der Schrecken Katharinens und das Unglück vieler Millionen
Menschen" (13), sogar als Mörder des Fürsten P. M. Golizyn
(87),- wobei ganz unglaubliche Details beigebracht werden
(„Russisches Archiv", 1864, 423). Bis zu welchem Grade der
Verfasser den Fürsten Potemkin gar nicht verstanden hat, ergiebt
sich aus seiner Betheuerung: „Wäre Potemkin leben geblieben^
— 124 —
so würde er nie in die Theilung Polens gewilligt haben" (196),
während doch Potemkin sich schon 1790 für eine zweite
Theilung Polens ausgesprochen hat (y^Histor. Zeitschrift"
XXXIX, 237; „Russisches Archiv" 1865, 730). Ein zuktinf-
tiger Biograph Potemkins wird nicht wenig Unsinn und Wider-
sprüche des Verfassers (72, 111, 186, 204) zu widerlegen
haben, doch wird er hier auch viele wahre Nachrichten finden,
wie z. B. die Aeusserung Potemkins über den „Gore Bogatyij"
(„traurigen Helden", 172), die bei Chrapowizki (250) ihre Be-
stätigung findet. Bisweilen wird auch zu einer wahren Nach-
richt, wie z. B. zu der über das Gebahren Potemkins beim
Sturm auf Otschakow (160) von dem Verfasser eine unrichtige
Erklärung gegeben („Odessaer Almanach" auf das Jahr
1839, 68).
Heibig, der selbst stets in Geldnöthen gewesen, hält in
allen seinen Werken genaue Abrechnung über jede Kopeke;
so sammelt er denn auch in dieser seiner Schrift sorgfältig
alle Nachrichten über die von Potemkin bezogenen Summen
(62, 84, 92 ff.). Da er die Russen hasste, sucht Heibig sie
selbst da, wo er lobt, den Ausländem gegenüber niedrig zu
stellen, wie z. B.: „Tschitschakoff erlernte in seiner frühesten
Jugend das Seewesen in England. E}r war brauchbar, musste
aber, als Admiral, Greigh und Kruse an Talenten und Kennt-
nissen nachstehen" (147). Diese zwei charakteristischen Züge
Helbigs — sein Interesse für Geldangelegenheiten und die
Sucht zur Verkleinerung der Bussen — kamen auch in diesem
Werke zu vollem Ausdruck.
Da Potemkin sein Hauptthema bildet, so erwähnt der
Verfasser nur ganz nebenher der allgemeinen politischen Fragen
und Vorgänge dieser Zeit. So spricht er u. A. von dem
griechischen Projecte (49, 51, 57), über die Krim (53, 72),
über die bayrische Nachfolge (56), über die Anwesenheit des
.preussischen Prinzen in St. Petersburg (59), über die bewaff-
— 125 —
nete Nentralität (60), über das Bündnisss der dentschen Fürsten
(92), über den türkischen Krieg (139, 153), wobei direct be-
merkt wird, dass von diesem Ejdege „nur das wird erzählt,
wo Potemkin selbst zugegen war" 155), xmd über den schwe-
dischen Krieg (145, 180).
Die allgemeine von Potemkin gehegte Anschauung weicht
sehr ab von der Ansicht Helbigs über ihn: „Es ist wahr, dass
dieser merkwürdige Mensch mehr berühmt, als gross gewesen
ist; aber es lässt sich auch in seinem Leben unmöglich ver-
kennen, dass er dazu bestimmt war, etwas mehr zu sein und
zu leisten, als der gewöhnliche Schlag der Menschen" (Vor-
rede). Der Verfasser erkennt an, dass „noch ist es der Ge-
schichte zu neu, um ganz wahr über ihn zu urtheilen", und
ftgt hinzu: „doch wird er der Gerechtigkeit der richtenden
Nachwelt nicht entgehen" (Ibid.).
Das ürtheil über Potemkin ist bis auf die Gegenwart
noch immer nicht gesprochen, doch liegen bereits zahlreiche
und genügend glaubwürdige Zeugenaussagen vor, die es mög-
lich machen, sich über ihn ein Urtheil zu bilden. So hatte
der Verfasser, als er das Werk Helbigs benutzte, nicht seine
f&r die Kritik sehr wichtigen Berichte] unter Händen. Aus den
von Herrmann herausgegebenen Berichten Helbigs (VII, 102)
widerlegt sich z. B. folgende Angabe des Verfassers: „Viele
Grossen des Hofes standen hinter Potemkins Stuhle und
warteten ihm, gleichsam als dem Landesherm, auf' (204).
Seine Versicherung, zwischen dem Grafen Dmitrijew-Mamonow
und Potemkin habe Feindschaft bestanden (163), worauf auch
in den Denkwürdigkeiten des Fürsten Golizyn („Kussisches
Archiv", 1874, 1, 1329) Hindeutungen sich finden, wird durch
eine ganze Beihe von Mittheilungen in den Memoiren Gar-
nowskijs („Russisches Alterthum", XV, 696; XVI, 207, 400)
widerlegt. Gegenwärtig ist eine überaus grosse Zahl von
Briefen Katharinas an Potemkin veröffentlicht worden, die es
— 126 —
gestatten, die Beziehungen, die hinsichtlich der Staatsangelegen-
heiten zwischen ihnen bestanden, mit ausreichender Sicherheit
festzustellen. Leider interessiren sich die Biographen Potem*
kins gerade filr diese Angelegenheiten am allerwenigsten, und
ziehen es vor, seine Figur im N6glig6, im Schlafrock, „sans
culottes'' zu zeichnen, wie ihn die Zeitgenossen darzustellen
liebten („Russisches Alterthum^', XXU, 382; „M^moires du
prince Stanislaw Poniatowski", in der „Revue des Revues",
1895, 15. August, S. 292). Von der „Lebensbeschreibung des
Generalfeldmarschalls Fürsten Gregorius Alexandrowitsch
Potemkin des Tauriers", St. Petersburg, 1811 an bis zum
„Potemkin^^ A. Brückners wiegt in allen von ihm handelnden
Schriften die Darstellung des „Potemkin in N^glig^'^ vor der
des Staatsmannes Potemkin vor. Fürst de Ligne, der mit
Potemkin nahe bekannt gewesen, äusserte sich treffend hierzu:
„II y a des lecteurs qui veulent savoir tout, jusqu'i Töglise,
ou Ton a 6t6 baptis^, le nom de la nourrice, et voir ensuite
ce qu'on appelle les h^ros en robe de chambre^' (De-Ligne, IH,
pröface). Einem zukünftigen Biographen Potemkins wird die
Aufgabe zufallen, seine Verdienste um das Heer und die
Flotte Russlands, seine administrative Bethätigung zur Culti-
virung des Südens des Reiches und seine staatsmännischen
Gesichtspunkte hinsichtlich der türkischen und polnischen An-
gelegenheiten zur Darstellung zu bringen, mit einem Worte:
über das Wesen und den Sinn der an Potemkin gerichteten
Worte Katharinas: „ohne Dich bin ich wie ohne Hände" —
Licht zu verbreiten („Sammlung", XXVII, 392), und die
Aeusserung A. M. Turgeniews, der Ruhm Katharinas sei mit
dem Tode Potemkins verblasst, auf ihren wahren Werth zu
prüfen („Russisches Alierthum", LXII, 210).
Ausser der von dem Neffen Potemkins, dem Grafen
A. N. Ssamojlow verfassten panegyrischen Biographie: „Leben
und Wirken des Generalfeldmarschalls Fürsten G. A. Potemkin"^
— 127 —
abgedruckt im „Russischen Archiv" für das Jahr 1867, giebt
es in der russischen Literatur nur noch A. G. Brückners:
„Potemkin", St. Petersburg, 1891, in welchem Werke mit er-
staunlichem Fleiss die verschiedenartigsten Potemkin betreffen-
den Nachrichten ohne kritische Sichtung und Prüfung neben
einander zusammengestellt sind, ohne Bücksicht darauf, dass
sie häufig einander widersprechen, oder gar sich gegenseitig
aufheben und vernichten. Der Verfasser hat seine Aufmerk-
keit jener soeben charakterisirten intimsten Seite des Lebens
Potemkins zugewandt, der unter seiner Feder uns als Aben-
teurer, Höfling und Glücksritter erscheint; er gesteht ihm
sogar nicht zu, dass er „Patriot^' gewesen.
869. !^loge historique de Catherine 11, Imp6ratrice de toutes les
Buflsies. Par Mr. d* Hannenaen, Paris, 1804.
Harmensen, gentilhomme de cour au service de sa Majest^
le Roi de Su6de", hat seine Lobschrift auf Katharina ihrem
Neffen, dem Kaiser Alexander I. gewidmet, welcher „du haut
d'un si beau tröne ^tonne ddjä. les nations par sa sagesse^' (54)^
der aber schwerlich zufrieden sein konnte mit einer solchen
Schrift, namentlich nachdem die bereits im Jahre 1802 ins
Deutsche übersetzte, und daher für den Schweden Harmensen
vollständig zugängliche Karamsin'sche „Historische Lobrede
auf Katharina 11.'' vorausgegangen war.
Es ist dies ein eigenartiger Schwede: er verehrt ßossuet
(9, 26, 34), hasst die „französischen Philosophen'' (31) und
kennt nicht einmal die schwedische Geschichte (44). Er ge-
steht zwar zu, dass ein „!^loge historique" Kenntnisse und
Talent beansprucht (4), entschliesst sich aber doch, das Eine
sowie das Andere durch leeres Geschwätz zu ersetzen, wobei
er seine Beden der Esserin Katharina in den Mund legt
(35, 38, 42). Die ganze Broschüre umfasst nur 54 Seiten^
von denen die ersten 24 über Peter I. handeln, der nach
Voltaire dargestellt ist.
— 128 —
870. Djaryusz podr627 Stanis^awa Augusta Kröla na Ukrainf, w
Bokn 1787, przez Adama Narusxetctexa, Warszawa, 1805.
Der Coadjutor des Bischofs von Smolensk, später Bischof
Yon Luzk und Brest, Adam Namschewitsch, hatte soeben im
Jahre 1786 den 7. Band seiner „Hystoryi narodu polskiego"
yeröffentlicht, als er am 12. Febmar 1787 mit Stanislaus-
August nach Eanew aasreiste, wo der König mit der auf dem
Dnjepr nach der Krim sich begebenden Kaiserin Katharina
zusammentreffen wollte. Die Reise des Königs dauerte f&nf
Monate, und erst am 11. Juli kehrte er nach Warschau zurück;
für diese ganze Zeit hat Naruschewitsch, ohne seinerseits
irgend welche Reflexionen anzustellen, täglich Alles einfach
beschrieben, was er gesehen, und mit wem er zusammen-
getroffen. Es ist dies ein sehr langweiliges, aber sehr genaues
Reisetagebuch, das uns viele interessante und wichtige Einzel-
heiten aufbewahrt hat. Für die taurische Reise Katharinas
ist seinerzeit nichts Aehnliches geleistet worden; in der Suite
der Kaiserin hat Niemand die Rolle eines russischen Narusche-
witsch gespielt. Jetzt, nach Verlauf von hundert Jahren, ist
man gezwungen, mit unglaublicher Mühe aus verschiedenen
Nachrichten aller Art, vorzugsweise nach archivalischen Quellen,
eine „Beschreibung der Reise Katharinas 11. nach dem süd-
lichen Russland, im Jahre 1787" zusammenzustellen, wie dies
G. W. Jessipow gethan hat in seiner im „Kijewer Alterthum"
für die Jahre 1890 und 1891 a\)gedruckten Arbeit. Das Werk
Jessipows stellt eine gründliche, sehr werthvoUe Untersuchung
dar, während bei Naruschewitsch in erster Linie nur der un-
mittelbare Eindruck wiedergegeben wird.
Für uns hat nur Bedeutung die über die Begegnung
Stanislaus Augusts mit Katherina, die auf dem Dnjepr, bei
Kanew, am 6. Mai (25. April) stattfand, berichtende Ein-
tragung des Tagebuches (279). Ueber dies Zusammentreffen
besitzen wir nicht nur Berichte von Augenzeugen („Der Sohn
— 129 -
des Vaterlandes", 1843, No. 3; Memoiren S6gurs, St. Peters-
burg, 1865), sondern auch von Katharina selbst („Vorlesungen",
1863, m, 167; „Eussisches Archiv", 1864, 518; 1878, III,
139; 1888, 1, 2; „Sammlung", XV, 91; XXTTT, 408; XXVn,
407); aus allen diesen Mittheilungen ist zu ersehen, dass die
Erzählung Naruschewitschs vollkommen genau und wahrheits-
getreu sind. Man hat daher keinen Anlass, auch hinsicht-
lich der übrigen Angaben Naruschewitschs irgend welches
Misstrauen zu hegen. Solcher, fiir uns in Betracht kommen-
der Aufzeichnungen finden sich im Tagebuche zwar nur wenige,
aber doch einige. Vor der Begegnung bei Kanew besuchten
den polnischen König: der russische Gesandte Stackeiberg
(209, 239), Potemkin (209), Rumjanzow (236), Schuwalow
(239, 268), Besborodko (240), Ssaltykow (263), Bibikow (264),
Naryschkin (265) u. A., ferner ausländische Personen aus der
Suite Katharinas: der Prinz von Nassau (209, 247), der Spanier
Miranda (237) und der Fürst de Ligne (261). Kamen die
Ausländer ausschliesslich aus Gründen der Höflichkeit, so er-
schienen dagegen die Russen zum Zweck von Unterhandlungen
über die bevorstehende Zusammenkunft, wie z. B. unter dem
15. April folgende Notiz verzeichnet ist: „Po obiedzie przybyi
z listem do kröla od Potemkina officer rossyiski polak Krzy-
zanowski, ktory okdo wieczora byl expedjowany** (273). Von
sonstigen interessanten Nachrichten verdient Aujfmerksamkeit
die Mittheilung über den Eid Victor Ssadkowskis in Tultschino
(„Vorlesungen", 1865, 2, Vermischtes, 21), „mai^cy iuryzdyk-
cya nad cerkwiami Dyzunickiemi w Polszcze i Litwie" (304),
der später eine hervorragende Rolle spielen wird; die ihm am
28. Juni seitens des Königs erwiesene Ehrenbezeigung (474) u. a.
Das Tagebuch Naruschewitschs bringt auch eine neue
Angabe. Dnser Marine-Archiv enthält ein „Verzeichniss der
Schiffe, die am 7. April 1787 in Kijew sich befanden", mit
Angabe der Namen der Fahrzeuge, ihrer Commandeure und
Bilbassoff, Katharina n. 9
— 130 —
der Passagiere, wobei das Schiff, das den Fürsten Potemkin
und die Gräfinnen Branicki und Skawronski an Bord hatte,
und das von dem Kapitän-Lieutenant Adolf von Sacken kom-
mandirt wurde, unbemannt geblieben ist. Naruschewitsch bringt
nun in seinem Tagebuche ein: „Nazwiska galer Flotty Impe-
ratorowey leymoici, porz^dek wedlug ktörego i^na i osoby
na nich znaydi^ce si^^' (289) und in ihm heisst es unter No. 10:
„Boh. Xi^z^ Potemkin, Grafinie Skowro^ska, Branicka z
m^zami<<, d. h. das Schiff führte den Namen „Bug'^
Einige Details s. bei „Niemcewicz, Pami^tniki czasöw
moich", Paryz, 1848, S. 121.
871. Quelques fleon & rhomme regrett^. Po^me biographiqae et
philoBophiqne snr 8. £. Mr. le oomte Valerien Zonboff Par
Moussard. St-P^tersboaig, 1805.
Graf Valerien Alexandro witsch Subow, 1771 — 1804, er-
freute sich der besonderen Zuneigung Katharinas, die für ihn
sorgte, wie eine Mutter. In ihren Briefen an ihn („Russisches
Archiy'S 1886, I, 269) und in ihren Aeusserungen, die sie
anderen Personen gegenüber machte über „dies echte, wahre
Kind'' („Sammlung^', XLII, 24, 28), über seine „belle et bonne
äme'' (Ibid., 326) und darüber, dass in seinem 23. Lebensjahre
„sa r^putation militaire est faite'' (Ibid., XXIII, 615; „Russi-
sches Archiv", 1878, ICE, 217), zeigt sich Katharina von einer
sehr anziehenden Seite. Als Subow im Kampfe gegen die
Polen ins Bein verwundet war, war Katharina aufrichtig be-
kümmert „wegen dieses Unglücks", das die „gottlosen Polen"
verschuldet („Russisches Archiv", 1886, I, 272), und war un-
säglich erfreut durch die Nachricht von der Einnahme Derbents
durch Subow (Ibid., 274), welche Festung 20 Jahre vorher ftLr
Katharina ein solcher Gegenstand des Schreckens geworden
war, dass sie auf den betre£fenden Bericht die Worte ge-
schrieben hatte: „der Teufel selbst hat uns nach Derbent
geschickt" („Sammlung", XXVII, 59). Bald darauf starb
— 181 —
Katharina, und Paul I. beorderte die Regimenter aus dem
Kaukasus zurück, ohne Subow davon auch nur vorher in
Xenntniss gesetzt zu haben. Verabschiedet und in Ungnade
beim Kaiser lebte Subow sodann in Kurland, als Derschawin
ihm poetischen Trost zusprach, indem er ihn hinwies auf das
Beispiel Suworöws, der im Glück wie im Unglück stets die
gleiche Seelenstärke und Grösse bewahrt habe.
Alexander I. berief Subow wieder zur Thätigkeit, doch
starb er bald darauf, am 21. Juni 1804.
Von alledem ist in dem „po^me biografique^' nichts gesagt.
Der Verfasser bekennt selbst: „Je n'ai point connu Zouboff"(X),
— er hatte ihn nur einmal zufällig im kaiserlichen Sommer-
garten gesehen. Das Gedicht ist der Gräfin Maria Fedorowna
Subow, verwittweten Gräfin Potocki, geborenen Fürstin Ljubo-
mirski gewidmet, die im Jahre 1805, als das Gedicht im
Druck erschien, bereits im Begriff war, eine dritte Ehe mit
Th. P. Uwarow einzugehen. Dem VerÜEksser, einem eifrigen
Boyalisten (II), ist es sogar unbekannt, dass Graf W. A. Subow
in der Coalition als Volontär gedient hat. In seinem „Dis-
cours pr^liminaire^' kennzeichnet sich der Verfasser überhaupt
als unwissend und sogar als thöricht. Im „Sommaire des
mati^res contenues dans le poöme^^ ist ein „portrait de Cathe-
rine" versprochen; dies „Porträt" lassen wir hier folgen:
„U6clat a dans Zonboff une henreuse origine:
II parait aux regards, montr6 par Catherine,
Dont Tep^e et la plume ont brill6 qaarante ans;
La gloire de son sexe et Tappoi des talents.
La merveille d'un trdne environn^ de charmes:
Qui fit aimer les arts, s'illustra par ses lois;
Qui int, par le g^nie, autant que par les armes,
L'arbitre de TEurope et Texemple des rois" (3).
872. M^moures sar la r^yolation de la Pologne, trouy^ 4 Berlin.
[Par de Piator,] Paris, 1806.
Jacques de Pistor (Jakow Matwejewitsch), ein französi-
scher Offizier, der im Jahre 1771 in russische Dienste getreten,
- 182 —
findet sich im Jahre 1792 in den Registern der ukrainischen
Armee als Generalquartiermeister verzeichnet (,,Sammlung^',
XL VII, 243, 267). Mit dem General M. W. Kachowskij traf
Pistor im Jahre 1792 in Polen ein, und befand sich am 6.
(17.) April 1794 in Warschau. Im Jahre 1796, während seiner
Anwesenheit in St. Petersburg, verfasste Pistor sodann ein
„Mömoire sur la rövolution qui s'est faite k Varsovie le 6.
(17.) avril 1794 et sur les mesures qui ont 6t6 prises de notre
part pour la pr6venir" und legte es Katharina vor, begleitet
von einem besonderen Briefe, in dem es u. A. heisst: „Ayant
6crit ce Memoire uniquement k Tusage de Votre Majest6
Imperiale, je Tai 6crit frauchement, en indiquant les fautes
commises de notre part". Kostomarow (I, XII) schreibt hierzu:
„In seiner Darstellung (der Revolution) ist Pistor bestrebt,
sich als ausgezeichneten Kenner des Kriegswesens zu geben,
und alle Misserfolge den Fehlem der russischen Generale zu-
zuschieben". Dennoch enthält die Arbeit Pistors viele inter-
essante Einzelheiten, und sie ist für die Kriegsgeschichte des
Jahres 1794, vom ersten Auftreten Kosciuszkos in Erakau an,
sehr wichtig. Hier finden wir eine ausführliche Darstellung
der Schlacht bei Raclawice, des Warschauer Aufstandes, der
Schlacht bei Szczekoczny, und der ersten Zeit der Belagerung
von Warschau, bis zu der Zeit, da Pistor wieder in die Ukraine
abgesandt wurde.
Diese Schrift ist ins Polnische übersetzt worden (No. 1077),
wobei auch der räthselhafte Zusatz auf dem Titel: „trouvös
k Berlin" seine Aufklärung findet.
Beigelegt ist den „M6moires" ein umfangreicher „Plan de
la ville de Varsovie" und eine Karte „Partie du thöätre de la
guerre en Pologne de Tannöe 1794" — wichtig deshalb, weil
wir in ihnen die Hilfsmittel besitzen, die den russischen Auto-
ritäten damals zu Gebote standen.
/
— 133 —
S73. Demetrius, the Impostor. A tragedj by Alex, Sawnarokove,
Translated irom the Ruesian. London, 1806.
Eine Uebersetzung von „Demotrius, der Usurpator, Tra-
gödie in fünf Acten'S Moskau, 1771. Das Stück war in
Moskau im Jahre 1771 aufgeführt worden. Das „Dramatische
Wörterbuch" vom Jahre 1787 theilt mit, bei der Aufführung
dieser Tragödie sei das Theater niedergebrannt; bald darauf
starb der Moskauer Schauspieler Kaligraf, der die BoUe des
Demetrius gespielt hatte, durch Selbstmord. Zwei Verse dieser
Tragödie sind unter die bildliche Darstellung Demetrius des
Usurpators gesetzt: „Ich bin gewohnt des Schreckens, in
Frevelmuth entbrannt, blutbefleckt und zu jeder barbarischen
That bereit". Vielleicht hat die Feuersbrunst des Moskauer
Theaters damals dazu Anlass gegeben, dass Ssumarokow seine
Pläne dafür entwarf, „wie das Moskauer Theater gebaut werden
müsse". Er bereitete Katharina damit grosse Langeweile. In
einem Briefe der Kaiserin an M. N. Wolkonskij heisst es:
„BiS vergeht kein Posttag , dass Ssumarokow mich nicht mit
«inem Briefe bombardirt, und zu mancher Post erhalte ich
deren gar zwei" („Achtzehntes Jahrhundert", I, 77).
874. Potemkin de Taurier. Naar het HoogduitBch. Deventer, 1806.
Uebersetzung von No. 868.
S75« M^moires particuliers, extraits de la correspondance d*un voja-
geur avec feu Afr. Garon de Beaumarchais, aar la Pologne, la
Litfauanie, la Roasie Blanche, P^tersbouxg, Moscou, la Crim^e etc.
Publica par M. D. [Mehee de la Touche]. 2 via. Hambourg, 1807.
Der mit einer reichen Polin verheirathete Prinz von Nassau-
Siegen war Besitzer grosser Ländereien in Polen („Nowoje
Sslowo", 1894, Nr. 3 u. 4) und hatte den Plan, polnische und
russische Waaren, namentlich SchiflFbauholz, über die Wasser-
strasse des Dnjestr nach dem Schwarzen Meere gehen zu
lassen, und von dort weiter nach Marseille zu verschiffen
(Aragon, 57). Er interessirte an diesem Unternehmen einen
— 134 —
in damaliger Zeit bekannten Kapitalisten, den französischen
Armeelieferanten Beaumarchais, den berühmten Verfasser von
„Le barbier de Seville" und von „Le mariage de Figaro",
entlehnte von ihm eine grosse Summe, zahlte aber nicht ein-
mal die Zinsen davon. Da der Prinz von Nassau-Siegen da-
mals in russischen Diensten stand, so schickte Beaumarchais
einen seiner Agenten nach Polen und Bussland, um sich mit
der Lage des Unternehmens vertraut zu machen, und wegen
Zahlung der Gelder einen Prozess zu führen. Dieser Agent
verbrachte ungefähr acht Jahre auf seinen Fahrten (11, 164)
und schrieb an seinen Patron beständig Briefe; Auszüge aus
diesen Briefen für die letzten drei Jahre, vom 18. Oktober 1788
bis zum 15. Juli 1791 bilden den Inhalt des uns hier be-
schäftigenden Werkes.
Beaumarchais starb im Jahre 1799, nnd die Briefe sind
erst im Jahre 1807 herausgegeben. Dieser Umstand hat auf
den Inhalt der Veröffentlichung Einfluss geübt. In dem vom
8. Januar 1789 aus Mohilew datirten Briefe polemisirt der
Verfasser gegen das Werk Bulhi^res (No. 775), obgleich dieses
doch erst 1797 im Druck erschienen ist (I, 86); in dem Briefe
vom 15. Juli 1791 spricht der Verfasser von der Begeisterung
der Polen über die Constitution vom 3. Mai 1791 und fügt
dazu die prophetischen Worte: „il est k craindre, que tout
ce vacarme n'aboutisse qu'ä, un arrangement humiliant entre
la cour de Bussie et les principaux m^contens, ou peut-etr&
m^me au partage d6finitif de ce qui reste k la malheureuse
r^publique" (II, 160). Aus dergleichen Hinweisen geht hervor,
dass der Herausgeber die Briefe nicht nur „verkürzte" (Pr6-
face, VII), sondern sie auch vervollständigte. Sehr verdächtig
erscheint daher auch folgende Aeusserung des Verfassers über
die russische Armee: „qui est excellente: il me parait cepen-
dant impossible que Tarm^e russe sa maintienne en cet ötat,
si l'empire avait k soutenir une guerre un peu longue coutre
— 135 —
mie pnissance redoutable'^ (II, 33). Diese Bemerkung ist im
Vorwort besonders hervorgehoben, da diese Zeilen: „pourraient
rassurer ceux qui craignent ou feignent de craindre que la
gaerre actuelle avec la Russie ne tire en longueur (Pröface, IX).
Eis scheint somit, dass diese Zeilen erst im Jahre 1807 hinein-
geschoben worden sind.
Der Verfasser ist ein gebildeter Mann von Beobachtungs-
gabe. Für den Grafen von Anhalt verfasste er das nach-
stehende Distichon f&r den Giebel des Eadettencorps:
His colit ingennas, generosos in aedibns, artes,
Spes patriae, nova gens, auspicie, Bubsus, Anhalt (II, 97).
Zu der Angabe, wie Katharina durch die Minister betrogen
worden, fugt der Verfasser folgende Bemerkung: „D'aprfes cet
öchantillon de la mani^re dont on instruit les princes du v6ri-
table 6tat des choses, vous jugez de quel oeil Timpöratrice a
vu et du voir le tableau trac4 par Tabb^ Chappeau, de la mis^re
de certains paysans russes; et cela vous donne la clef de
l'aigreur avec laquelle cette princesse lui a r^pondu dans un
ouvrage anonyme, intitul6: T Antidote, ouvrage dans lequel le
pauvre abb6 re^oit une infinite de d^mentis, qu'en conscieuce
il ne möritait pas" (II, 70). Er erlernte die russische Sprache
(I, 48, 61), und vermochte sich schliesslich in ihr auszudrücken
(I, 92, 155) und sogar die Scheltworte eines Geistlichen zu
Papier zu bringen (II, 117). Einige Zeit diente der Verfasser
bei Passek, in Mohilew, wo er die Stelle eines „secrötaire des
affaires 6trang^res pour le departement de la Russie Blanche'^
(I, 193) einnahm. Längere Zeit lebte er auch in Schklow und
St. Petersburg; auch Moskau und Tula hat er besucht.
Alles Thatsächliche hat der Verfasser in seinen Briefen
vollkommen wahrheitsgetreu dargestellt. In Mohilew machte
er die Bekanntschaft der Gräfin Mellin und schreibt unter dem
19. Januar 1789: ,,Son man fait en ce moment la guerre aux
Turcs; il vient d'etre nomm6 g6n6ral-lieutenant" (I. 97), was
— 136 —
hinsichtlich des Grafen Boris Petrowitsch Mellin vollkommen
zutreffend ist. In Schklow lernte er einen Italiener kennen:
„il se nomme Pierre Ferrieri, il est Tain^ de trois frferes et
tous au Service de Russie, dans la partie diplomatique'^ (I, 206).
Thatsächlich war Peter Alexandrowitsch Ferrieri Consul in
Smyma und in Salonichi („Sammlung", XLII, 135; LXn,381),
und seine Brüder Karl in Syrien und Vicentius in Porto
Ferrajo (AUg. Ges.-Sammlung, No. 16044). Ob er von den
Eadziwills in Wilna (I, 31) spricht, oder vom Cafö Henri in
St. Petersburg (II, 53, 55), — seine Angaben sind immer
genau und zuverlässig. Giebt er jedoch nur Gehörtes wieder,
oder macht er Schlüsse nach Analogien, so macht der Ver-
fasser in seinen Briefen oft Fehler, und stellt mitunter recht
ungereimte Behauptungen auf. So versichert der Verfasser
allen Ernstes, „qu'il n'y a pas l'expression par laquelle on
rend en Russie le mot »ordre«; on ne sait pas ce que c'est
que l'ordre qui doit regner dans une maison, dans un Eta-
blissement quelconque" (I, 69). „Le cabinet de Timpöratrice
— c'est TautoritE qu'exerce en France l'intendant de la liste
civile" (II, 29).
Der erste Theil der Briefe ist vorzugsweise dem Leben
in Mobile w gewidmet, der zweite — dem in St. Petersburg,
wobei im ersten Theile sich sehr interessante Bemerkungen
über Schklow finden (I, 64), sowie über Soritsch (I, 66, 200;
II, 10, 142), der Katharina nicht anders nannte als „sa dame"
(I, 67), und im zweiten Theile — über Moskau (11, 67, 75)
und Tula, „wo Stahlsachen producirt werden, die man als
englische verkauft** (11, 77). Seine Beschreibungen sind immer
charakteristisch und treffend: so seine Bemerkungen über
Passek bei Maria Ssergijewna Ssaltykow (I, 76, 90), über die
Durchreise Potemkins nach der Einnahme von Otschakow
(I, 170), über die weissrussischen Jesuiten (I, 189) u. s. w. —
es sind dies alles Bilder nach der Natur; während doch seine
— 137 —
Nachrichten über Passek (1, 83) und über Peter m. (I, 85, 188)
jeder Begründung entbehren. Den^ ältesten Ferrieri, mit dem
er in Schklow bekannt wurde, charakterisirt er als „une esp6ce
de charlatan assez dröle, qui est de l'ignorance la plus grasse^'
{I, 206, 208), und berichtet „nach dessen eigenen Worten"
vollkommen wahrheitsgetreu über seine Handlungsweise, wegen
deren er seines Postens enthoben worden, und die Anlass dazu
gab, dass Katharina in einem an J. A. Bulgakow gerichteten,
Yom 2. Oktober 1786 datirten Bescripte den Befehl gab:
„allen Consuln einzuschärfen, dass sie sich auf Angelegen-
heiten, die ihr Amt nicht berührten, nicht einlassen dürften
(Bytschkow, 33); speciell über Ferrieri, seine „Apothekerrech-
nungen", schrieb Katharina an den Fürsten Potemkin unter
dem 3. Januar 1791 („Russisches Alterthum", XVII, 645;
„Sammlung", XLII, 134).
Der zweite Theil bietet weniger Interesse auch schon des-
halb, weil der Verfasser hier nicht über Thatsachen berichtet,
sondern über seine Ansichten und Meinungen über das Heer
(ü, 32), die Finanzen (45), die Polizei (52), die Schulen (67),
die Freimaurer (119) u. s. w. Doch auch hier triflFt man auf
interessante Mittheilungen, z. B. über die Theater (131), wobei
er sich als Verfasser des folgenden Epigramms auf Katharina,
als die Autorin von „Zarewitsch Iwan" und „Oleg" erweist:
Un jonr, un plaisant du parterre,
Assistant 4 riwan Tzar^witch, pr^tendit
Qne Ton ne ponvait plas mal faire.
L'auteur, piqu^, promit de prouver le contraire.
H Ta, mon Dfeu, fait comme il i*avait dit (188).
In St. Petersburg sah er das Marmorpalais, „qui est un
chef-d'oeuvre de mauvais goüt" (EL, 71); er las die (russische)
„St Petersburger Zeitung", „qui se tirent k plus de cent
mille exemplaires" (II, 140), mit welcher Angabe er oflFenbar
nur die Prahlerei irgend eines seiner Bekannten wiedergab.
Derselben Herkunft ist seine Erzählung über die Winterreise
— 138 —
der Kaiserin aus St. Petersburg nach Moskau: „des tonneauz
goudronn^s et pleins de matiöres combustibles, ^taient allum6s
de distance en distance, assez k propos pour que Tair en füt
ÄchauffÄ tout le long de sa route" (II, 70). Seinen Äeusse-
rungen über die Bohheit der russischen Geistlichen (11, 22, 117)
kann man Glauben schenken, infolge der offenbaren Thatsäch-
lichkeit des Erzählten. So z. B. war ein Pope mit einem
Bauer in Schlägerei gerathen; man trennte sie, und es ent-
spann sich zwischen dem Verfasser und dem Popen „une con-
yersation en latin: le pretre me barbouilla des phrases latines
avec plus de facilitö que je ne l'eusse attendu de son 6tat
d'ivresse. Je voulus savoir le sujet de sa quereile. H me
dit que son adversaire 6tait un dourak (fou) qui, apr^s, Tavoir
engag^ k boire, ayait youIu lui faire payer sa part, et que
cela lui 6tait impossible, puisqu'il n'avait pas d'argent. J'offris
d'^teindre la querelle en en faisant cesser la cause. Mon
homme accepta sans fa^on un demi-rouble que je lui pr^sentai.
Sur ces entrefaites, le paysan qui s'ötait battu avec lui voulait
s'en aller, et ne pouvant le faire en conscience, aprös ayoir
battu un pretre, sans en avoir au pröalable obtenu le pardon,
vint lui baiser la main, en lui disant: vinavat (je suis coupable).
Alors mon ivrogne, sans avoir besoin d'autre satisfaction, le
baisa sur la bouche, et lui donna par dessus le march^ sa
bönödiction, de quoi je fiis fort 6difi6" (11, 28).
Der Verfasser erwähnt häufig Katharinas (I, 83, 107,
128, 189) und stets mit dem Ausdruck vollkommener Hoch-
achtung. Auf die russische Literatur kommt er ebenfalls zu
sprechen, erwähnt jedoch hier nur Lomonossows, als eines
„homme sup6rieur'', und bezeichnet ihn als eine E^rscheinung,
die eine Ausnahmestellung einnehme, „le grand homme, qui
sous le nom de Catherine 11, gouveme une partie de TEurope
et trouve encore du temps pour ^crire k Voltaire et faire des
comödies russes et fran^aises^' (II, 138).
139
876. Histoire de Fanarchie de Pologne et du d^membrement de cette
R^publique. Par Gl. Rulhüre. 4 vis. Paris, 1807.
Im Jahre 1768 hatte Rulhi^re, als Augenzeuge, die Revo-
lution vom Jahre 1762 (No. 775) beschrieben und in demselben
Jahre wurde ihm, wie es in der „Notice sur Rulhifere" heisst,
aufgetragen, „pour Finstruction du dauphin, Thistoire des
troubles de Pologne" zu verfassen (XI). Er war kein Historio-
graph, sondern nur „employ6 sur Tötat du d6partement des
affaires ^trang^res dans la classe des öcrivains politiques" (XII).
Der Verfasser starb im Jahre 1791, ohne sein Werk beendet
zu haben, und der Dauphin, f&r den es unternommen worden,
war bereits seit 1774 französischer König als Ludwig XVI.;
es ist daher nicht zutreffend, dass „diese Geschichte in buch-
stäblichem Sinne ad usum delphini bestimmt war" (Earejew, 85).
Mehr als zwanzig Jahre hat der Verfasser an seiner „Ge-
schichte der polnischen Wirren" gearbeitet, und, anstatt die
ihm gestellte klare und bestimmte Aufgabe zu erfüllen, eine
„Histoire du despotisme de Russie et de l'anarchie de Pologne",
wie er selbst anfänglich sein Werk betitelt hatte (LX), ge-
schrieben. Indem er die „polnischen Wirren" zu dem „russi-
schen Despotismus" in Beziehung setzte, hat der Verfasser
seine Aufgabe zwar zeitlich begrenzt, sie aber dabei inhaltlich
wesentlich erweitert, dadurch, dass er zu der Behandlung der
ihm nur ungenügend bekannten polnischen Verhältnisse noch
die Darstellung des bezeichneten, ihm völlig fremden russischen
EHementes hinzufügte. Seine Aufgabe gewann dadurch, nach
dem Bekenntniss des Verfassers selbst, „une extreme ^tendue"
(1, 8) und überstieg offenbar die Kräfte des Verfassers, der
sich denn auch^ genau genommen, auf die Geschichte Polens,
von der Thronbesteigung Katharinas bis zur ersten Theilung
beschränkt hat. Von den 15 Büchern, in welche das Werk
zerfällt, sind die letzten 11 Bücher der russisch -polnischen
Geschichte der Jahre 1762 bis 1773 gewidmet, und die ersten
— 140 —
vier Bücher bilden gleichsam nur die Einleitung zur Geschichte
dieser zwölf Jahre.
Der Verfasser kannte weder Polen noch ßussland; er hat
zwar einige Zeit in Bussland, oder genauer: in St. Petersburg
und in Moskau gelebt, ist aber niemals in Polen gewesen (XV).
Im Jahre 1776 verbrachte er je einige Monate in Wien,
Dresden und Berlin, um Material f&r sein Werk zu sammeln;
das wichtigste Material aber, das ihm zu Gebote stand, waren
die diplomatischen Berichte der französischen Agenten. „De
longs voyages entrepris k dessein de connaitre par moi-m^me
presque toutes les cours, les souverains et les ministres ^jue
j'aurai k peindre, mes liaisons personnelles avec les chefs des
factions oppos^es, la communication des m^moires les plus
sürs, et des innombrables relations envoy^es de tous les pays
au minist^re de France, m'autoriseront k parier avec certitude
de la plupart des 6v^nemens, des intrigues et des caract6res'<
(I, 9). In seiner „Geschichte der polnischen Anarchie" be-
schäftigt sich der Verfasser mehr als dies nöthig gewesen
wäre, mit Russland. „L'empire de Bussie ayant eu sur la
destin^e de Polonais une si fatale influence; Thistoire des czars
et Celle meme de leur cour etant devenue dans les demiers
malheurs de cette B^publique une partie ins^parable de son
histoire, il m'a paru important de bien connaitre le g^nie de
cette cour et les moeurs de ce peuple. Apr6s avoir ^tudi6
Tun et Tautre dans ses deux capitales, et soignement com-
parÄ ce qu'il fut autrefois et ce qu'il est aujord'hui. Tun sur
d'excellentes relations d'anciens ambassadeurs, Fautre sur mes
observations personnelles, j'ai trouv6 tout ce qu'on dit com-
mun^ment k ce sujet, meU de beaucoup d'erreurs et de men-
songes" (I, 70).
Dies sind die Mittel des Verfassers, und dies ist sein Plan.
Ihn zu controliren, ist sehr schwer, da er niemals auf seine
Quellen hinweist, und überhaupt alle Anmerkungen vermeidet.
— 141 —
Dennoch aber treten in seinem Werke sichtbar hervor die
Spuren sowohl seiner „liaisons personnelles, — Mr. de Knip-
hausen m'a dit'^ (IV, 238), als auch der „communication des
mÄmoires", — so bringt er ein Excerpt aus der „Vie de Du-
mouriez" (IV, 222), die erst im Jahre 1795 herausgegeben
wurde; namentlich aber das Archiv des Ministeriums des
Aeussem hat er in umfänglichstem Maasse benutzt, und dabei
den Berichten der französischen Agenten unbedingten Glauben
geschenkt (11, 38, 62; m, 143, 305; IV, 74). Hinsichtlich
des Planes seires Werkes muss bemerkt werden, das» der
Verfasser dem wahren Gedanken der Beeindussung der pol-
nischen Angelegenheiten durch Russland eine missbräuchliche
Anwendung gegeben, und vielen Episoden Raum gewährt hat,
die zur Geschichte Polens in gar keiner Beziehung stehen.
Dieser Art sind die Episoden über das griechische Project
(m, 163, 296, 345), über Stepan Malyj (III, 305), über den
Peloponnes (III, 319), über die Dardanellen (HI, 458), über
die kleine Tatarei (IV, 7), über Friedrich II. (IV, 138) und
über den Fürsten Kaunitz (IV, 169). Da er zur Ueberzeugung
gelangt, dass Fürst Kaunitz „est un homme tr^s difficile ä
connaltre et k peindre" (Ibid., 170), widmet der Verfasser der
Charakteristik desselben 30 Seiten, und vergleicht ihn dabei
auch noch mit Friedrich 11. Ziemlich eingehend behandelt
der Verfasser den ersten türkischen Krieg, auf seinen ver-
schiedenen Theatern, ohne diejenigen Ereignisse, die auf Polen
Einfluss geübt haben, von denjenigen Vorgängen zu scheiden^
die mit diesem Lande gar nichts zu schaffen haben.
Nachdem der Verfasser den grössten und besten Theil
seines Lebens dem Studium der russisch-polnischen Beziehungen
gewidmet, kannte er dennoch weder die russische noch die
polnische Sprache auch nur soweit, dass er eine einigermassen
leidliche Transcription der russischen Worte hätte vornehmen
können — „pagonissa** (I, 76), „slavec" (I, 82), oder im Stande
— 142 —
gewesen wäre, polnische Namen richtig wiederzugeben —
„Ledukoski" (I, 119, 125), „Moraski" (ü, 217), „Dzirzanouski"
(in, 61), „Kaminiek" (IH, 172, 224), „Petrikaw" (IV, 95);
Graf Branicki ist in einen „Bran^ki** verwandelt (11, 206; m,
42, 74; IV, 225, 235) u. s. w.
Der Verfasser tritt für Polen ein, und äussert sich als
Gegner Busslands. Man kann nicht gerade sagen, dass der
Verfasser alles Polnische lobt, jederfalls aber darf man sicher
sein, dass er alles Bussische tadelt. So ist der Verfasser
gegen das „liberum veto, cette foUe loi de l'unanimit^^^ (I, 5.
43; n, 223), er beschönigt nicht die schlechten Eigenschaften
Stanislaus Augusts (I, 250; 11, 231) u. s. w. ; aber er hegt
unbedingten Hass gegen die Bussen und Bussland, welches
„non seulement avait perdu sa libert6, mais eile en avait perdu
jusqu'au sentiment; le Souvenir m6me en est totalement eiFac^
de sa memoire" (I, 71). Er hatte Peter DI. noch als Gross-
fbrsten gesehen, und bezeichnet ihn als „sans figure, sans
esprit, sans courage'' (I, 245); als Kaiser kam er ihm vor wie
„un prince en dÄmence" (I, 275), „un insensö" (I, 281). In
Katharina als Grossfürstin sah er „rhöritifere" (I, 306) des
russischen Thrones, in der Kaiserin „femme singuliöre, dont
les grandes qualit^s se trouv^rent malheureusement alt6r6es
par rhabitude des petites intrigues; alti^re, s^duisante et
dissimul^e, qui sut avec une adresse surprenante conduire les
esprits de ce peuple ob6issant, feroce et superstitieux; parais-
sant aimer la gloire et donnant tout k la renomm6e, mesurant
tout sur sa fiertö; jamais abattue par les revers, souvent em-
port^e par les succ^s; combl6e enfin de tous les pr^sens de
la nature et de la fortune, mais recevant trop ais6ment Tem-
preinte de tous les vices de son peuple" (I, 338). „Catherine
n'avait pu parvenir ni & se faire aimer du plus grand nombre
de ses sujets, ni k leur faire prendre aucun int6rgt k ses
desseins" (LH, 107). Er sah und beobachtete Katharina im
— 143 —
Laufe einer längeren Zeit, und theilt dennoch viele ungereimte
Gerüchte über ihre Beziehungen zu Poniatowski mit (I, 254,
259; n, 252), bringt sogar Bruchstücke aus einem Briefe an
seinen Vater (I, 261), und von ihm an Katharina (11, 285),
erzählt ausführlich von dem Wunsche der Moskauer, die
Kaiserin abzusetzen und Paul Petrowitsch auf den Thron zu
bringen (III, 108), glaubt an die Vergiftung Krim-Girej's
(in, 121) und spricht im Ernste von den zu General-Lieute-
nants ernannten Elephanten (DI, 130). Der Verfasser kannte
G. G. Orlow, er kannte aber nicht die Geographie Busslands,
und erklärte die im Jahre 1767 unternommene Reise der
Kaiserin nach Kasan mit ihrem Wunsche, „un nouveau
royaume vers les plaines d'Astracan^^ ftir Orlow zu begründen
(H, 285).
Ueber die Bussen äussert sich der Verfasser folgender-
massen: „Leur antique pauvretö et le faste asiatique, les
superstitions judalques et la licence la plus effr6n6e, la stu-
pide ignorance et la manie des arts, l'insociabilit^ dans une
cour galante, la fiert6 d'un peuple conquerant et la fourberie
des esclaves; des academies chez un peuple ignorant; des
ordres de chevalerie dans un pays oü le nom meme de Thon-
neur est inconnu; des arcs de triomphe, des troph6es et des
monumens de bois; Timage de tout et rien en röalit^; un
sentiment secret de leur faiblesse et la persuasion qu'il ont
atteint dans tous les genres la gloire des peuples les plus
üameux^' (III, 129). Hinsichtlich des provinzialen Bussland
führen wir hier nur zwei Beispiele an: im Archangelschen
Gouvernement erscheinen bei den Eltern eines jeden neu-
geborenen Knaben 20 Mädchen zur Dienstleistung „sans aucun
autre salaire, que la promesse de Tepouser un jour" (111,^31);
in Sibirien „dans une peuplade nomm6e la ville de Tomsk'^
wurde ein zufällig dorthin gebrachtes Messer als ein solches
Wunderding angestaunt, dass, „par une deliberation publique'^
— 144 —
68 mitten in der Stadt an einen Baum gebunden wurde ,ypour
I'usage commun de tous les habitans" (III, 133). Damit je-
doch nicht genug: der Verfasser hat selbst in St. Petersburg
gelebt, versichert aber dennoch, dass die Newa das Meer gar
nicht erreicht (III, 127). üeber die russischen Staatsmänner
äussert er sich mit der grössten Strenge: bei dem Fürsten
Repnin entdeckt er „un caractere altier et föroce" (II, 145,
270, 427); Georg Eonisskij „6tait un Busse ignorant, sans
esprit toujours ivre" (II, 479); Fürst Wolkonskij ist ein
„seigneur timide et fain^ant^' (III, 276); alle jungen Offiziere
sind unbedingt ,joueurs et d6bauch6s" (11, 321), sogar Graf
Bumjanzow ist ihm „une r^putation ^quiyoque'^ (IV, 46). Aus-
nahmen werden nur zugelassen hinsichtlich der Ostseeprovin-
zialen in ihrer Eigenschaft als Nichtrussen: so bei Kaiserling
(II, 23, 149, 220) und Stackeiberg (IV, 254, 257).
Der Verfasser ist Katholik und zugleich „philosophe",
Mitglied der Pariser Akademie. Daraus, aller Wahrscheinlich-
keit nach, erklärt sich seine Stellung zur Dissidentenfrage
(I, 38; II, 280, 321, 324, 478). Man darf dabei auch nicht
ausser Acht lassen, dass nach Ansicht des Verfassers „les
anciens czars se montr^rent plus d'une fois dispos^s k embrasser
la religion romaine" (III, 143).
Fünf Bücher von den 15, ein Drittel des Werkes, sind
dem ersten türkischen Kriege gewidmet. Wie in den übrigen
zehn Büchern den Polen der Vorzug gegeben wird vor den
Russen, so in diesen fünf Büchern — den Türken. Wie sich
der Verfasser zu diesem Kriege der Kaiserin gegen den Sultan
verhält, geht aus folgenden Zeilen hervor: „Le sultan, toujours
juste, toujours appliquö, avait appelö son peuple önerve et
amolli k une guerre n^cessaire, et qui plus tard eüt 6t^ plus
dangereuse encore; Catherine, au contraire, entrain^e d'impru-
dence en imprudence par ses passions personnelles et par
toutes les fautes de son conseil et de ses ministres, avait
— 145 —
eDgag6 dans une guerre injuste un peuple appauvri, epais^, k
qui le repos 6tsM n^cessaire'' (III, 284). Dieser Krieg war,
nach Bulhiäre, nicht sowohl fiir die Türkei gefahrvoll und
schwierig, als vielmehr f&r Russland (TII, 107, 120). Die
Türkei war vollkommen kriegsbereit (III, 166), in Bassland
aber erhielt das Heer weder Verpflegung, noch Sold (III, 147);
das Offiziercorps war völlig uniähig: „La plupart de colonels
^taient des jeunes gens parvenus par la faveur et qui ne con-
naissaient encore que le Service du palais dans les r^giments
des gardes; presque tous les officiers subalternes 6taient n^s
dans l'esclavage; le corps de Tartillerie 6tait plein de jeunes
gens prot^^s du favori, et qui devaient leurs emplois et leur
avancement k la recommandation des femmes'^ (IQ, 161). Der
Obercommandirende, Fürst Galizyn, ist Generallieutenant ge-
worden ausschliesslich par son Service k la cour (DI, 162),
ein .schwacher und ganz unbedeutender Mensch, dem der
Orossvezier Mechmed-Emin gegenübersteht, ein Tscherkesse
von Geburt, von Profession Seiden waarenhändler, „n'ayant
jamais eu aucune sorte de commandement, n'ayant aucune
id6e de la guerre^^ (III, 215, 217). Während der ganzen
Dauer des Krieges sind die Bussen in beständiger Gefahr, und
beständig stösst man auf Phrasen folgender Art: „Farm^e russe
4tait dans un extreme perii^^ (Ibid., 247), „l'imp^ratrice 6tsii
dans les plus cruelles alarmes^^ (Ibid., 307), „Situation p6ril-
leuse des Busses" (Ibid., 420), und doch werden die Türken
von den Bussen geschlagen, und diese erringen Siege, aber
freilich „faciles conqugtes" (Ibid., 273). Sogar der Bericht
über die Schlacht bei Tschesme beginnt mit der Phrase: „le
vaisseau russe 6tait jonch^ de morts" (III, 444). Und all
diese Lüge und Fälschung der Wahrheit soll ihre Becht-
fertigung finden in der Phrase: „le czar est cent fois plus
despote que le grand seigneur" (III, 285). In dieser Be-
ziehung kann der Bericht über die Belagerung und Einnahme
BilbasBOff, Katharina U. 10
— 146 —
von Bendery (IV, 41, 67, 76) als Muster der Ungereimtheit
dienen.
Der Verfasser hat „les t^moignages irrecusables^' (IV, 150)
gesammelt dafür, dass nicht Friedrich 11. es war, der zu der
Theilung Polens die Anregung gegeben, und ist dafür auch
von Dohm (I, 444) gelobt worden. Was sind dies aber für
Zeugen? Preussische Hofleute: „le baron de Eniphausen,.
M. Sandos et M. C^sar, secr6taires du prince Henri'' (Ibid., 210).
Die historischre Kritik bildet indessen die schwächste Seite an
dem ganzen Werke. Er erwähnt des eigenhändigen Briefes
Katharinas an Kaiserling „pleine d'invectives contre les d^faut»
oorporels de l'ölecteur de Saxe" (II, 149).
Die Darstellung wird beeinträchtigt durch Einschiebung^
zahlreicher verschiedenartiger Beden (I, 175; 11, 478; III, 198,.
356, 414, 426; IV, 38, 47, 58, 81); sogar während des Sturme»
auf Bendery halten die Soldaten Beden an ihre Offiziere (IV, 73).
Die eigene Darstellung Bulhi^res bricht mit dem 12. Buche
ab (IV, 82); in den übrigen Büchern wird von den Heraus-
gebern nur eine Zusammenstellung der Aufzeichnungen und
Notizen des Verfassers gegeben, und ganze Seiten des Buches
sind hier gar nicht von Rulhifere geschrieben (Ibid., 155), und
namentlich vom Ende des 13. Buches an (Ibid., 198) ist der
ganze übrige Theil des Werkes, das 14. und 15. Buch, durch-
weg nur nach den von Bulhiöre hinterlassenen Bemerkungen
und Auszügen zusammengestellt.
Das Werk hat mehrere Auflagen erlebt; die letzte und
zugleich beste ist im Jahre 1862 veranstaltet worden durch
Christian Ostrowski, der, von Feindschaft gegen Russland be-
seelt, versichert, Kaiser Alexander I. habe den Besitzer der
Handschrift Rulhi^res bestochen, und das Manuscript sei in
russischem Sinne „corrigirt^^ worden; man habe darauf das
Manuscript, „embelli de cette maniöre", bereits zu drucken
begonnen, Napoleon I. jedoch habe befohlen, die schon ge-
— 147 —
dmckten Bogen der y,corrigirten<< Ausgabe zu yernichten, und so
sei dann die Ausgabe Tom Jahre 1807, die unserer Besprechung
zu Grunde liegt , erschienen. Bei dem Zusammentreffen in
Tilsit habe Alexander deshalb Napoleon gegenüber sich tadelnd
geäussert: „Dans leur entrevue de Tilsit, le tzar Alexandre
reprocha tr^s-virement & l'empereur fran^s d'aroir fait im-
primer un liyre qui lui appart^nait, ,,et qu'ilavaitpay^, disait-il,
assez eher pour avoir le droit d'en disposer k son gr6" (XII,
ed. 1862). Diese Nachricht erscheint uns im höchsten Grade
verdächtig; doch wenn sie auch begründet wäre, würde sie wohl
den Kaiser Alexander I. charakterisiren, aber in keiner Weise
das Werk Bulhiäres berühren, das im Jahre 1810, also noch zur
Zeit Napoleons, Tom Institut de France als ein der Prämiirung
unwürdiges, zurückgewiesen wurde. Schon im Jahre 1789
tadelte der Akademiker Chabanon Bulhi^re wegen seiner Partei-
nahme filr die Polen und seines Hasses gegen die Eussen
(Ferrand, y. I, p. XI). Es ist begreiflich, dass Ostrowski un-
geachtet dessen für Rulhi^re als Schriftsteller und Historiker
sich begeistert, und verkündet, dass sein Werk „vivra aussi
longtemps que la nation, dont eile retrace la gloire et les
malheurs^'; mit diesem Ausspruch ist durchaus nicht einver-
standen Flassan, „Histoire de la diplomatie fran^se'^, VI, 523).
Vollkommen unverständlich aber ist, wie das Werk Rnlhi^res
in der russischen Literatur als ein „berühmtes^' hat anerkannt
werden können (Karejew, 84). Für die Charakteristik Rulhi^res
ist sehr wichtig No. 667.
Im folgenden Jahre, 1808, wurde No. 885 veröffentlicht,
welches Werk, nach den Worten der Herausgeber, als „Supple-
ment k THistoire de l'anarchie de Pologne^' zu betrachten sei.
877. De la politiqae et des progrös de la puissance rosse. Par
[Andre iTÄrbeües], Paris, 1807.
Eüne von den Broschüren, durch welche Napoleon seinen
Feldzug gegen Russland vorbereitete: „ün grand capitaine et
10*
— 148 -
des arm^es incomparables peuvent faire un moment trembler
le colosse hyperbor^en; mais il n'y a que Tunion sincöre des
^tats dn continent et le rötablissement d'un meilleur systöme
politiqne, oü les nations puissent d^sormais trouver la paix
et la s^cnrit^'^ (114). Dabei wird in der Broschüre dargelegt,
Bassland bedrohe Alle, und zwar wird zam Erweise dessen
vorzugsweise die Geschichte der Regierung Katharinas 11.
herangezogen: sie bemächtigte sich Kurlands (28)^ sie hat
Polen getheilt (32, 83), hat die Krim an sich gerissen (59),
Schweden bedroht (73), die Türkei niedergedrückt (43, 92),
Orusien occupirt (101) und gefährdet Persien u. s. w. That-
sachen werden nicht mitgetheilt: „Qu'est-il besoin de les rap-
peller? Hs sont gravis dans la memoire de tous les contem-
porains'^ (33). Daraus folgt: „Le regne de Catherine fut une
sörie de fourberies, de violences, et de crimes politiques, dont
aucun prince ni aucun peuple n'avait donn4 Tid^e^^ (87).
Peters I. und Pauls I. geschieht nur, um dem Anstände zu
genügen, Erwähnung, Alexander I. aber wird als der Erbe der
ehrgeizigen Pläne seiner Grossmutter hingestellt (110).
878. Coup d*oeil rapide sur les causes reelles de la decadence de la
Pologne. Par KomarxMoaki. Paris, 1807.
Der Titel der Broschüre entspricht nicht ihrem Inhalte:
sie handelt nicht von dem Niedergange Polens, sondern von
dessen Theilungen, als deren Urheberin Katharina hingestellt
wird. Für uns ist die Broschüre nur dadurch wichtig, dass
der bekannte Brief Katharinas an den Grafen Stanislaus Pon-
jatowski, vom 2. August 1762, in ihr seine erstmalige Er-
wähnung findet (118).
879. Catherine II, impdratrice de Bussie. Tragödie en cinq acte«,
par M. G***. Paris, 1807.
Eine nicht zutreffende üeberschrift — die Tragödie be-
handelt die Thronbesteigung Katharinas, und ihre Handlung
bezieht sich auf die letzten zwei Wochen des Lebens Peters m.
— 149 —
Am besten ist der Charakter N. J. Panins gezeichnet: nach-
dem Passek bereits verhaftet worden,
„De Catherine on a Tordre, dit-il, k prendre;
D'ailleurs, il est trop tard,* demain, il faat attendre'^ (S5).
Die Rollen der Fürstin Daschkow, Basomowskijs, der
Orlows, sind richtig vertheilt, und die ersten vier Acte hin-
durch verläuft die Handlung ziemlich übereinstimmend mit den
geschichtlichen Thatsachen, der Schluss jedoch ist frei erftinden:
Peter ni. wird in einem Scharmützel zwischen den holsteinschen
und russischen Truppen tödtlich verwundet. Orlow berichtet
darüber an Katharina:
C'^tait trop peu, madame, au czar, de sa defense;
De sa retraite encore Pierre fondait Bur nouB.
Ce fdt notre devoir de parer k ses coupa
Lee tours, les man brillants d*im chateau de plaisance,
Ont devant nos soldats fait peu de r^sistance:
Nul ne voulait du csar Stre le meurtrier,
L*objet 6tait rempli d'en faire un priBonnier;
Mais malgr^ le respect, sans vouloir se d6mordre,
Frappant, tuant, sur tons il tombait en d^rdre;
C*e8t alors, au milien de ce combat sanglant,
Qu*an trop foneste coup vient loi percer le flanc.
L'empereur devant vous a d(§8irä parattre;
Conduit par noB Boldats, pr^ ces lieux il doit etre (50).
Peter HL wird auf einec Bahre herbeigetragen, und Katharina
setzt sich mit dem sterbenden Kaiser auseinander. Peter
äussert seine Reue und stirbt. Katharina tritt an die Kampe
und declamirt:
Toi, qui connaiB les coeurs, divinit^ Bupr^me,
Ciel! pour juger le mien, je Tinvoqae toi mSme,
Si contre Tempereur j'ai conspir^ Ba mort!
Tromp6 par ses conseils, bouIb auteors de Bon sort,
Je n'euB d'autre int^r^t et n'euB point d*aatre envie,
De mon fils et de moi que de sauver la vie.
Oai, je lui montrerai des exemples fameux;
Du grand Pierre imitant les efibrtB g^n6reuz,
Je veux porter Fempire k Ba plus haute gloire,
Je fixerai Bon nom au temple de Memoire (58),
— 150 —
und 80 geht es noch weiter mit prophetischer Verkündigung
ihrer zukünftigen grossen Thaten.
Einer Tragödie ist man geneigt, vieles zu verzeihen: Paul
Petro witsch war im Jahre 1762 bereits acht Jahre alt, und
nicht sechs; N. J. Panin war nicht Graf, — und verschiedene
andere kleine Irrthümer.
830. A tour round the Baltic, thro' the Northern countries ofEurope,
particularlj Copenhagen, Stockholm and Petersburgh. B7
N. WraxaU. London, 1807.
Siehe No. 262. Es ist hier nur die Ueberschrifb verändert.
Von den fünf englischen Ausgaben dieses Werkes ist eine in
Wien erschienen, im Jahre 1797.
881. Voyage en Pologne et en Allemagne, fait en 1793 par im
Livonien, oü Ton trouve des d^tails trös-^tendus sur la revo-
Intion de Pologne en 1791 et en 1794. Tradnit de TAllemand.
2 vis. Paris, 1807.
Eine üebersetzung von No. 744, aber abgeändert den
„Polonais r6fugi4s parmi nous'^ zu Gefallen. Die Polen, denen
die üebersetzung in der Handschrift mitgetheilt worden war
„ont trouv4 plusieurs d^tails hasard^s et en ont trouv^ quel-
ques-uns de calomnieux — la plupart de ceux-ci ont 6t6 sup-
primös" (VJLL). Wie ungenau die üebersefeung selbst ist, lässt
sich schon aus den unter No. 744 mitgetheilten Excerpten er-
sehen; beispielsweise führen wir hier zwei Stellen an: die des
deutschen Textes unter I, 56 und 11, 37, die in der franzö-
sischen üebersetzung unter I, 42 und I, 116 sich finden.
Ausserdem ist die üebersetzung mit Anmerkungen ausgestattet,
die den ausschliesslichen Zweck verfolgen, die Russen anzu-
schwärzen und die Polen reinzuwaschen. So ist der Aeusse-
rung des Verfassers über die schlimme Lage der Bauern in
Polen, Eussland und Livland die nachstehende Bemerkung
angefiigt: „Le paysan russe est encore plus malheureux que
n'^tait le polonais, par la facilit6 qu'ont ses mattres de
— 151 —
Tarracher ä sa famille et k son pays, et de le vendre comme
une pi^ce de b6taiP' (I, 150); der Notiz über die Bestechlich-
keit und die Käuflichkeit der Polen soll durch nachstehende
Bemerkung die Schärfe benommen werden: y,On se rappeile
que, plus haut, Tauteur a peint les nobles polonais comme
g4n6ralement spirituels et cultiv^s par une öducation brillante^'
{I, 275), wobei jedoch die Seitenzahl flir dies „plus haut" nicht
angegeben wird, wie denn auch der Verfasser Aehnliches über-
haupt gar nicht geäussert hat.
Der üebersetzer hat den ersten Band mit einer „Intro-
iluction" yersehen, und dem zweiten Bande ein „Supplement"
angefügt (11,315); beide diese Zusätze sind abgefasst in einem
<j^eiste, der dem der übersetzten „Beisebeschreibung" direct
entgegengesetzt ist. Dank dieser Tendenz der üebersetzung
macht die französische Ausgabe der „Reisebeschreibung"
durchaus nicht den Eindruck, den das deutsche Original
hervorruft. Aufmerksamkeit verdient eine Besonderheit des
Terfassers: die Verantwortung flir die Theilungen Polens,
namentlich für die erste, schreibt er Preussen zur Last Auf
4len Zusammenkünften in Neuss, im Jahre 1769, und in Neu-
stadt, im Jahre 1770, wurden die endgiltigen Abmachungen
über die erste Theilung getroffen, worauf „le roi de Prusse
•envoya son fröre le prince Henry ä St. P^tersbourg, qui fit
<entendre ä Catherine que si eile se refusait au partage, eile
^urait ä combattre trois ennemis au lieu d'un" (XXII).
Ealinka (No. 1133) erzählt, in demselben. Jahre 1807 sei
:auch jene „tlömaczenie francuzkie wydane Brukseli" (LVIII)
erschienen; uns ist sie nicht bekannt.
882 . Voyage en Syrie et en Egypte pendant les ann^s 1 788, 1 784 et 1785.
Accompagnä ... de consid^rations sur la guerre des Bosses et
des Turks, publi^s en 1788. Par M. Vohey. 2 v. Paris, 1807.
EHir uns ist nur der Nachdruck dieses Werkes, No. 504, von
Interesse. In zweiter Ausgabe erschien das Buch im Jahre 1825.
— 152 —
88S. Biographie Peter des Dritten. Von [G. A. W. HeUng]. 2 Thle.
Tübingen, 1808.
Der Verfasser dieses Werkes ist der Secretär der sächsi-
schen Gesandtschaft, Heibig, der vom Jahre 1787 bis 1796
in St. Petersburg gelebt hat. Katharina kannte ihn und war
ihm feindlich gesinnt („Sammlung", XXIII, 651, 674) seit dem
Jahre 1789, nachdem sie bei geheimer Durchsicht von Post-
correspondenzen („Perlustration'^) Eenntniss genommen hatte
von einem über Sacken ausgesprochenen ürtheile, das man
unrichtigerweise ihr zugeschrieben hat (Chrapowizkij , 812).
Das sächsische Ministerium schätzte die einsichtigen und wahr-
heitsgetreuen Berichte Helbigs sehr hoch, und als er, auf Ver-
langen Katharinas, aus St Petersburg abberufen werden musste,
ernannte man ihn zum Secretär in Berlin, wo er auch bald
zum Legationsrath befördert wurde. Er starb im Jahre 1818
als sächsischer Besident in der Freien Stadt Danzig.
Das zweibändige Werk Helbigs stellt bis zum gegen-
wärtigen Augenblick die einzige und die beste Biographie
Peters III. dar; er hat sorgfältig da« einschlägige Material
gesammelt, und hat die Mittheilungen solcher Personen be-
nutzt, die Peter gekannt und ihm gedient hatten, und Zeugen
seines Lebens und seiner Regierung gewesen waren. „Ich
habe einen grossen Theil der langen Zeit meines Aufent-
haltes in Bussland dazu angewendet, die wichtigsten umstände
aus der Lebens- und Begierungs- Geschichte Peters IIL zu
sammeln |und aufzuklären^' (III). Den besten Beweis hierf&r
liefern deine Untersuchungen, die er in Oranienbaum und in
Bopscha angestellt hat (11, 144, 152, 168). Er hat viele, ihm
durch [Zeitgenossen und Zeugen der Ereignisse mitgetheilte
Nachrichten aufbewahrt, darunter einige, durch welche die
Memoiren Katharinas vollständig bestätigt werden (No. 1059),
die jedoch in damaliger Zeit Niemandem bekannt waren
(I, 57, 96; II, 180). Er hat als Erster die Bevolution vom
— 153 —
Jahre 1762 in ihren Hanptzügen (II, 111 — 114) vollkommen
wahrheitsgetreu beschrieben; er bezeugt , wenn auch mit dem
Ansdmck des Missbehagens, dass die Staatsumwälznng „bey
der unbegreiflichen Euhe der EJinwohner der Residenz'' (11,117)
sich vollzogen hat. Ihm, als einem Anhänger Peters III.,
theilte man aber auch viel Unwahres mit; über die Befürch-
tungen Katharinas (11, 159), über die Handlungsweise des
Fürsten Trubezkoj (11, 174), über das Monument Peters DI,
(11, 192), über die Eisenst&be in den Fenstern des Winter-
palais (II, 203) u. s. w. ; gleich den üebrigen schreibt auch er
der Beerdigungsprocession eine Bedeutung bei (11, 117). Er
rechtfertigt jedoch Peter lH. nicht: „Es ist gewiss, dass der
Kaiser selbst sehr Schuld daran war, dass die Empörung durfte
gewagt und vollendet werden'' (11, 105).
Der Biograph Peters lH. lässt Katharina Gerechtigkeit
widerfahren und nimmt sie den schweren Beschuldigungen der
Zeitgenossen gegenüber in Schutz (11, 162). Freilich war
Katharina für ihn nur „eine vollendete Schauspielerin^' (11, 96),
Peter verhielt sich gnädig gegen sie (11, 72\ und nicht für sie
war das Haus bestimmt, das er in der Schlüsselburger Festung
erbauen Hess (11,79,118); doch erwähnt er delicat der Krank-
heit der Kaiserin im April 1762 (II, 83, 94), und schiebt in
Allem die Schuld eher den Anhängern Katharinas zu, als ihr
persönlich. Zwei von ihm mitgetheilte Nachrichten sind voll-
kommen unwahr: die* eine, aus Büchern stammende , über
Katharina, als Thronfolgerin (I, 49), und die andere, nach
mündlichen üeberlieferungen, über die Verbrennung der Papiere
im Krasnyj Kabatschok (II, 134). Die Nachricht von dem Er-
scheinen Po temkins (II, 155) bedarf noch der Bestätigung; die
Mittheilung über den Burgunderwein (II, 165) mehr als wahr-
scheinlich gleichfalls.
Jedem der beiden Bände sind am Schlüsse Beilagen an-
gefügt, die namenÜich für diese Zeit sehr wichtig und werth-
- 154 —
Toll sind; die Dmckwerke, die Helbig benutzt bat, bat er
Torber einer Kritik unterworfen (Vorrede).
SHi^ Polens ünteigBog. Ein diankteriBtiBehes Gemilde dieaer Adels*
NstioiL Zur riehtigeo Bemtheiliiog der neuesten JEte^olntion und
ihrer Folgen herftosgegeben. (Ton J. G. KattlfuMs.] Colin, 1808.
„Die gedankenlose Menge, die nur an der Oberfläcbe der
Dinge Uebt, scbreibt Polens Tbeilong den drei tbeilenden
Mäcbten zo« Nicbt der Busse, der Preusse, der Oesterreicher,
die Nation selbst bat sieb Temiebtet^' (3). Dies ist der grund-
legende Gesicbtspunkt des VerCassers, eines belesenen, mit der
polniscben Geschiebte sebr gut yertrauten Mannes. Er kannte
diese Gescbicbte nicht nur nacb den Werken Yon Naruscbe-
witscb (8, 15, 92) oder Czacki (58), sondern auch nacb denen
von Pjassezki, Eochowski, Sawadski (29), Fredro (24, 31) und
Eoscbucbowski (32). Der Yerüeisser ist zwar Deutseber —
„eine Ursacbe der Nicbtcivilisirung Polens war der Hass g^en
alles Deutsche'^ (88) — und Protestant, aber ein Mann von
Becbtsgef&bl und Duldsamkeit; er acbtet die Katholiken, aber
hasst die Jesuiten (78, 84, 95).
Die Broschüre ist in einzelne Kapitel getbeilt. Besonders
interessant sind folgende yier: 1. „Regierung des Staats'^ (14),
— die polnischen Magnaten yemichteten die oberste Staats-
gewalt, die Königswahl und das liberum reto untergruben die
Regierung; 2. „Staatsrerwaltung'^ (39) — Polen kannte keine
geordnete Staats wirthschaft, und im Jahre 1790 erreichten
die Einnahmen des Königreichs die Höhe von nur 18^2 Mil-
lionen polnischen Gulden, d. h. drei Millionen Rubel (51);
3. „Trauriger Zustand der Gerechtigkeitspflege'' (54), wobei
der Verfasser das Werk von Czacki, „0 litewskich i polskich
prawach'', Warszawa, 1800, über das er sich mit grossem
Lobe ausspricht, benutzt hat; über dies Werk äussert der
Verfasser: „die polnische Nation kann darauf stolz sein'' (58),
und 4. „Religion. Priester. Jesuiten" (69), wo von dem Antrage
— 155 —
Zamoyskis, die Polen von dem päpstlichen bürgerlichen Joche
zu befreien (76), von dem Conflicte Sigismund- Augusts mit
dem Papste Paul IV. (96), und ausführlich über die Dissi-
denten berichtet wird.
Die Eönigswahl und das liberum veto tragen die Schuld
am Untergänge Polens (28). In beiden diesen Anlässen „der
kleine Edelmann nahm das G^ld der Crossen, der Grosse das
Geld fremder Mächte — und beide verkauften das Vater-
land<< (185). Originell ist das Urtheil des Verfassers über
Stanislaus- August: ,,1791 hätte er sterben sollen und die
Nachwelt würde ihm, als einem seltenen, aber unglücklichen
Könige, ihre Hochachtung nicht versagt haben. Von 1792
gab er sich der Verachtung aller Zeiten Preiss. Wer so
handelt, wie Stanislaus von 1792 an, wer auf die Art wie er,
lebend den Thron verlassen kann, der hatte nie verdient ihn
zu besteigen^' (l^^)*
Der Verfasser spricht sich dahin aus, dass bei der ersten
Theilung Polens Friedrich IL „seine Grenzen erweitem musste,
um stärker zu werden'^ ^^^ Katharina 11. , „um der civili-
sirten Welt näher zu kommen^' (l^l)* üeber das Verhältniss
Russlands zu Polen nach der Theilung heisst es: „Gleich nach
der Theilung gab Bussland ihr eine Constitution, die etwas
Neues war, ohne etwas Besseres zu sein, und die ganz dahin
arbeitete, die Nation in ihrer EjrafUosigkeit zu erhalten und
zu bestärken. Von jetzt wurde der russische Minister in
Warschau Regent von Polen, und Polen völlig eine russische
Provinz" (153).
Die Broschüre wurde verö£Fentlicht in einem Umschlage
von feuerrother Farbe, mit der Aufschrift: „Erster Feuerbrand
aus Polen."
Im ,^ücherverzeichnis8 von L. F. Maskes Antiquariat",
Breslau, 1868, ist angemerkt, der Verfasser der Broschüre
sei: Johann Georg Kaulfiiss. Kostomarow bezeichnet das
— 156 —
Schriftcheu als „ausserordentlich einsichtig, in wenigen Worten
hat der Verfasser es verstanden, sehr viel Wahres zu sagen"
(I, xni).
885« Lettres particuliöres du baron de Viom^nil sur les affaires de
Pologne en 1771 et 1772. Paria, 1808.
Eine höchst interessante Sammlung zeitgenössischer Docu-
mente hinsichtlich der Eonföderirten und der ersten Theilung
Polens; die Herausgeber nennen ihr Buch „une coUection pour
serrir k Thistoire du temps et de supplöment k l'Histoire de
Tanarchie de Pologne" (No. 876). Sie sind überzeugt, die
wichtigsten Dokumente hinsichtlich der ersten Theilung Polens
mtLssten am preussischen Hofe aufbewahrt sein, „puisque
c'ötait lui qui arait provoqud le partage" (XI).
Die eigenen Briefe Viom^nils, „officier g6n4ral envoyö
par la France pour diriger les Operations militaires des con-
f§d6r4s" sind abgedruckt nach den Mittheilungen über seine
Vorgänger de Taul6s (4) und Dumouriez (19), zusammen mit
einem Schreiben Bellecours (No. 295), aber ohne „dötails qui
ne pouraient int^resser que lui seul" (67) und ohne „Souvenir
du comte de * * * sur le premier d^membrement de la Pologne,
en 1772" (87). Ausser den zwölf Briefen ViomÄnils, vom
81. Dezember 1771 (149) bis zum 29. April 1772 (255) sind
hier noch zehn Dokumente abgedruckt, von denen am meisten
Interesse darbietet das „Journal du si^ge du chäteau de Cra-
covie^ par Mr. de (}alibert, officier fran^ais au service des
conf6d6r6s de Pologne, du 2 f§vrier au 22 avril 4772" (267).
Am folgenden Tage, 28. (12.) April, wurden bekanntlich
von Suworow die Uebeifgabebedingungen Krakaus unter-
schrieben (262).
Es ist dies ein reiches Material f&r die Geschichte unseres
Krieges mit den Konföderirten. In seinem ersten Berichte
theilt Viom^nil mit, er habe bei den Konf5derirten gefunden
„des troupes ruin^es, indisciplinöes, sans consistance et sans
— 157 —
ordre; les soldats point pay^s, presque nus, mal nourris, mal
arm^s, et encore plus mal exercös^' (155); im Journale Galiberts
ist direct gesagt: ,yles officiers polonais sont autant k redouter
que nos ennemis'^ (298).
Antoine Charles du Houx, baron de Viom^nil, bekamiter
Boyalisty wurde am 10. August 1791 beim AngrifiF auf die
Tuilerien verwundet, und starb an dieser Wunde im Februar
des Jahres 1793. Im Jahre 1791, in einem vom 8. März
datirten Briefe, machte G-rimm Katharina den Vorschlag, seinen
Bruder in russische Dienste zu nehmen, „le cadet de Viom^nil,
qui a le grand cordon rouge'^ („Sammlung^', XXXIII, 350),
und dies kam auch, wie es scheint, zu Stande, wenigstens
schrieb Katharina im August 1794 an Grimm: „Je pense que
tout ce qui regarde M. de Viomönil est arrang6 depuis tr^s
longtemps'^ (Ibid., XXIQ, 606). Des Verfassers des hier be-
sprochenen Werkes geschieht in den Papieren kein Mal Er-
wähnung.
886. D^Alembert k Fr^d^ric 11 sur le demembrement de la Pologne.
Pr^diction accomplie d*an contemporain temoin ocnlaire des
deux premien goavemementB saxons en Pologne. Amsterdam,
180S.
Aus der Correspondenz D'Alemberts mit Friedrich n.
sind hier aus No. 547 diejenigen 13 Briefe abgedruckt, in
denen Polens Erwähnung geschieht. In seinem Briefe vom
8. März 1772 spricht sich D'Alembert folgendermassen über
die polnischen Konföderirten aus: „8i les conf6d6r6s se |)laig-
nent k tort ou k droit, d'gtre opprim6es par la Bussie, j'entends
d'un autre cöte cent mille paysans et d'ayantage qui se plaig-
nent, ou qui peuvent se plaindre, non k tort, mais k tr^s
grand droit, d'etre opprim6s de temps imm^morial par ces
mSmes conföd^r^s, et tant que ces demiers sont oppresseurs,
je ne yerrai dans leurs ennemis qu'un mattre, qui rend k son
valet de chambre les coups de bäton que celui-ci donne aux
— 158 —
laquais^' [XIV, 169). Nach neun Monaten, am 20. November
1772, Bchreibt er dann wieder: ,,Je viens de recevoir la belle
m6daille que Votre Majest^ m'a fait l'honnear de m'envoyer
et qui a pour objet les nouveaux 6tats qu'EUe vient d'acqu^rir.
La legende Regno Redintegrato pronve, que Yotre Majest^
n'a fait que rentrer dans des possesions qui Lui ont appar^
tenu autrefois" (XIV, 195). Daraus folgert der Herausgeber,
„que le reproche fait au philosophe, de s'etre abaiss6 au role
d'un vil adulateur, est absolument faux*< (XOII).
Auf diese Correspondenz folgt in dem Buche eine Ab-
handlung „Sur le d6membrement de la Pologne'S geschrieben
nicht später als im Jahre 1776 von einem Franzosen, der in
Polen länger als 40 Jahre gelebt hatte, und Augenzeuge der
ersten Theilung gewesen war. Nach Hinweis auf die äusserst
gedrückte elende Lage der Bauern (24, 44) und den unsinnigen
Besitzstand der „fainÄants priviWgiÄs" (32), vertheidigt der
Verfasser nicht nur die erste Theilung — „ce n'est plus une
injustice atroce, commise par les cours spoliatrices, c'est une^
dömarche que la balance politique a rendue nÄcessaire" (90) —
sondern spricht noch sein Bedauern aus, dass Polen nicht
vollständig getheilt worden : „la position des affaires de l'Europe
est teile, que les cabinets de Vienne, de P6tersbourg et da
Berlin ont taii une faute consid^rable de n'avoir pas fait le
partage entier de la Pologne, pour 6teindre jusqu'au nom
meme de la nation^' (1^8).
Bei Erwähnung Russlands (72) äussert der Verfasser, er
sehe in dessen Einäuss auf die polnischen Angelegenheiten
eins der Motive zur Theilung: „Le second motif politique qui
peut avoir servi k d&terminer au d^membrement est la trop
grande influence que la cour de P^tersbourg avait pris dans
les affaires de la Pologne. Les nouvelles loix qu'elle venait
de dicter par la force; les violences, qu'elle exergait; ses
troupes r6pandues sous diff(6rents pr6teztes dans tout le>
— 159 —
royaume, n'offraieot aux cabinets de l'fiurope d'autre perspec-
tiye qu'un nouvel aggrandissement des forces d'un empire,
devenu ddjä formidable et qui en subjaguant la Pologne, ou
Tayant pour alli^e soumise k ses volontös, pouyait se mettre
dans une position capable de faire trembler TAllemagne pour
sa libert6'< (84).
Es ist bemerkenswerth, dass der Herausgeber im Jahre
1808 keinen Anstand nahm, ein so tendenziöses Buch ,,& Son
Altesse Monseigneur le prince Joseph Ponjatowsky, ministre
de la guerre du grand-duch6 de Varsovie^' zu widmen.
Janssen (No. 1118) bezieht sich auf dies Buch, als eine
ernst zu nehmende Quelle (9).
887« Vie du prince PotemkiD, feld-mar^chal au service de RoBsie
sous le r^gne de Catherine 11 (par Mme. CeretiviÜe), Paris,
1808.
In einer Compilation, „redig^e d'apr^s les meilleurs
ouvrages allemands et firan^ais qui ont paru sur la Russie &
cette epoque'S darf man keine neue Nachrichten und neue
Thatsachen suchen, sondern nur die Entwickelung besonderer
Gesichtspunkte. In dieser Beziehung täuscht die Verfasserin
der Compilation auch nicht die Erwartungen des Lesers: die
Beleuchtung, die sie ihrem Stoffe giebt, ist neu, die auf-
gestellten Gesichtspunkte sind originell.
Nach dem Tode Peters des Grossen trat eine Periode
weiblicher Herrschaft ein — es war dies ein grosses Glück
für Russland, da, nach dem treffenden Ausdrucke Montesquieus,
während der weiblichen Herrschaft das Land verwaltet und
regiert wurde durch Männer, die sämmtlich aus der Zucht
und Schule Peters hervorgegangen waren, und die von ihm
eingeschlagene Richtung weiter verfolgten. Zur Zeit der
Thronbesteigung Katharinas II. waren sämmtliche „Petrowzen^^
schon ausgestorben; es traten neue Leute auf. Das Schick-
sal der Epoche Katharinas hing von ihnen ab. Zum Glück
— 160 —
befand sich unter diesen neuen Leuten auch Potemkin. ,,Cet
homme eztraordinaire prenait si peu de peine k dissimuler
ses vices, et tout ce qui 6manait de lai avait un caract^re si
frappant, que de son yiyant, et pendant les premiöres annöes
qui ont suivi sa mort, on n'a parl^ que de ses d^fauts, sans
faire aucune mention de ses hautes qualit^s. Ce n'est pas
ainsi que la posterit6 prononcera sur son compte, et, osant
anticiper sur son arret, ce n'est pas ainsi que nous le juge-
rons nous-memes" (292). Die Erwartungen der Verfasserin
haben sich jedoch nicht erfbUt. Nach hundert Jahren ist in
St. Petersburg ein Specialwerk veröffentlicht worden, in welchem
der Nachweis geführt wird, dass Potemkin — „mehr Aben-
teurer war, als Patriot, mehr Höfling als Staatsmann, mehr
Hasardspieler als Held<< (Brückner, „Potemkin'^, 276). Man
muss jedoch bemerken, dass der Verfasser dieses letzteren
Buches, nach seinem eigenen Geständniss, ein gründliches
Werk über den Fürsten Potemkin zusammenzustellen, „nicht
im Stande war, und auch nicht den Willen dazu hatte^'. Wie
die Verfasserin die Persönlichkeit Potemkins auffasste, dafür
bringen wir hier nur ein Beispiel: „Potemkin n'aima qu'une
femme dans sa yie: cette femme fut la plus grande de son
temps. II Taima, non en esclave, mais en amant indöpendant
qui se platt k Clever, k embellir, k faire admirer l'objet de
ces affections; et cette passion qu'il eut pour eile fut toujours
mel6e k Famour de son pays. Ce demier sentiment fut par
dessus tout la vertu caract6ristique de Potemkin. Cet homme
c^lfebre ne perdit jamais de vue la gloire du nom russe,
et l'idöe de faire de la Russie la puissance dominante de
TEurope" (293).
Das ganze Werk zerfällt in sieben Kapitel: 1. Geburt
und Erhöhung (1); 2. sein Einfluss auf die Staatsangelegen-
heiten und die Erwerbung der Krim (31); 3. Vorbereitung
zum Kriege mit der Türkei (94); 4. taurische Reise und
— 161 —
zweiter türkischer Krieg (136); 5. Lage Russlands und Ein-
nahme Otschakows (180); 6. Krieg mit Schweden und der
Türkei; Unterwerfung Bessarabiens und der Moldau; Einnahme
von Ismail (219); 7. das Potemkin-Fest; Friedensschluss mit
der Türkei; Tod Potemkins (262). Das Buch ist geschrieben
unter dem starken Einflüsse der damals vollständigsten Bio-
graphie Potemkins, die im Journal ^.Minerva'' erschienen war,
und im Jahre 1804 als Material f&r das Werk No. 868 ge-
dient hatte. Eine russische üebersetzung des Buches erschien
zu St. Petersburg im Jahre 1811, in zwei Theilen. Doch steht
diese Üebersetzung sehr viel niedriger als das Original: vieles,
sehr Charakteristisches ist ausgelassen; E^zelnes ist auch neu
hinzugefügt, so z. B. das Manifest vom 8. April 1783 (I, 52),
das Manifest vom 7. September 1787 (I, 135), das Manifest
vom 13. August 1790 (II, 65), die Ceremonie der Begräbniss-
feier des Fürsten Potemkin (11, 125). Beigelegt sind der
üebersetzung viele Zeichnungen und Pläne der Schlachten,
jedoch mit französischen Aufschriften, wodurch allein schon
bezeugt wird, dass es sich hier nicht um ein Originalwerk
handelt, sondern um eine üebersetzung, was aber im Buche
verschwiegen ist.*)
*) Die scharfe AeasBeraiig des Grafen Seamoilow Über eine übei^
setzte Biographie Potemkins („Russisches ArchiV, 1867, S. 584) bezieht
sich nicht auf die hier erwähnte, im Jahre 1811 herausgegebene Üeber-
setzung: Seamoilow weist direct hin auf die Ungereimtheit der Verleihung
einer „Nowgoroder Statthalterschaff' an Potemkin, wovon in unserer
Üebersetzung, in der die Notiz des Originals: „ELatherine lui donna le
riebe gouvemement de Novogorod'^ (44) ausgelassen ist (I, 23) — nichts
sich vorfindet Ausserdem ist die Abhandlung Ssamoilows schon vor dem
Jahre 1811, in dem die Üebersetzung erschien, verßisst worden, sodass
der Tadel Ssamoilows sich nicht auf sie beziehen kann. Die 3. An-
merkung, als spätere Einschiebung, kann keinen Anhalt bieten zur Fest-
stellung der Zeit der Abfassung der Biographie (,.Bu8sisches Archiv'^
1867y S. 579). Die Bemerkung des Herrn Brückner kann sich nicht auf
die uns hier vorliegende Üebersetzung beziehen (S. 4, Anm. 1).
Bilbftssoff, KAthorina U. 11
162
888, Correspondance originelle et trea interesssuite de Fimperatrice
de Bussie Catharina II avec le Chevalier de Zimmermann.
Breme, 1808.
Da No. 864 keine rechte Verbreitung gefunden hatte, ent-
schied sich der Herausgeber dafiir, die Briefe Katharinas II.
vor der „unverdienten Vergessenheit" zu bewahren, und liess
sie in einer besonderen Broschüre erscheinen, unter Bei-
behaltung der Seitenzahlen nach Markard , doch hat er leider
alle Briefe Katharinas verstümmelt. Der Brief vom 11. Oktober
z. B. ist ganz mit Punkten, die Auslassungen markiren, über-
säet, was durch Anmerkungen erklärt wird: „Einige gar zu
starke, zwar durch den damaligen Krieg entschuldigte Aus-
drücke, bleiben hier lieber weg" (375), oder: „Es folgt hier eine
Stelle politischen Inhalts, die ich wegzulassen mehrere Gründe
finde, hauptsächlich auch weil darin von noch lebenden Per-
sonen mit starken Ausdrücken gesprochen wird" (380). Die
Briefe Zimmermanns werden nicht beigebracht, wodurch das
Verständniss der Antwortbriefe Katharinas erschwert wird; fast
alle Eigennamen sind durch Punkte ersetzt, zahlreiche Briefe
sind willkürlicher Weise ganz weggelassen (387), und endlich
enthält der letzte Brief mehr Punkte als Text. Es ist dies,
mit einem Worte, eine ganz unbrauchbare Ausgabe, durch die
sowohl Katharina als Zimmermann in falschem Lichte dar-
gestellt werden, aber auch Markard, indem der Herausgeber
erklärt, er drucke die Correspondenz, „comme eile est publice
et om6e 'de remarques par H. M. Marcard".
889. Tlomaczenie z Franzuzkiego Historyi bezrz^u Polski. Dzieio
poimiertne Rulhiera. Warszawa, 1808.
Uebersetzung von No. 876. Diese Ausgabe wurde nicht
zu Ende geführt, und es erschien nur der erste Band, der
gegenwärtig eine bibliographische Seltenheit darstellt. Das
Exemplar der St. Petersburger Kais. Oeflfentlichen Bibliothek
stammt aus dem Staatssecretariat des Zarthums Polen.
— 163 —
890. Keijsarinnan Catariaa ILs Lefveme, utgivet af Elmen, Stock-
holm, 1809.
Das ganze, aus zwei Theileii bestehende, in sechs Hefte
zerfallende Werk ist seinem Inhalte nach französischen Quellen
entlehnt, vorzugsweise der No. 841. Bisweilen übersetzt der
Verfasser wörtlich, so z. B. die ganze Notiz über Odard (I, 70) ;
bisweilen auch nimmt er erhebliche Aenderungen Yor, wie z. B.
bei Darstellung des Todes Peters III. (I, 105). Der Verfasser
war mit der russischen Sprache nicht bekannt, wo er aber
russische Worte anführt, werden sie stets richtig wiedergegeben:
Eljätva (96), pismo (98) u. s. w.; daneben freilich ist das
Preobrashenskische Regiment stets unrichtig mit dem Worte
„Preobaginsky" bezeichnet (I, 49, 79) und einmal heisst es
anstatt „Peter III." ganz unpassend „Paul L"(I,32). Bobrinskij
wird von dem Verfasser stets nur „Basili Gregorowitsch"
genannt.
Der Verfasser rechtfertigt den Favoritismus Katharinas
mit der folgenden historischen Notiz: „Elisabet af England,
Maria af Scottland, Christina af Sverige, alla Ryska Kejsarinnor,
och deflesta Fruntimmer som berott af sig sjelfva, hafva haft
gunstlingar eller älskare" (I, 86, not. 3). Bei biographischen
Mittheilungen über einzelne Personen wiederholt der Verfasser
gewöhnlich die Ausdrücke seiner französischen Originale; so,
„Teplow war naturlig son af Teofil, Ärke — Biscop af Nov-
gorod, och en ringa arbetskarls hustru" (I, not. 14); doch
wissen wir nicht, woher folgende Details über Bressan stammen :
„fordom Perukmakare, fodd i Moraco och naturaliserad Frans-
man"(I, 81); oder über Sawadowskij : „Zavadovsky var endast
nyttjad som sufflör vid Hof-Teatern, d& Fält-Marskalken Ro-
manzow antog honom tili sin Sekreter och Adjutant" (II, 48,
not. 4). Nur über schwedische Angelegenheiten würde man
bei Elm6n neue Mittheilungen suchen dürfen: so über den
Besuch Gustavs III. in Russland, den Krieg von 1789 — 1791
11*
— 164 —
und den Aufenthalt Gustavs IV. in St. Petersburg. Leider
aber macht der Verfasser gerade über diese Angelegenheiten
gsx keine Mittheilungen, wahrscheinlich in Folge der eigen-
artigen Verhältnisse der schwedischen Censur. So geht er^
nachdem er des schwedischen Krieges kaum nur Erwähnung
gethan (11, 10), sofort zur Heirath Mamonows (11, 18) über,,
und erwähnt nur ganz beiläufig des Friedensvertrages von
Werelä (H, 71).
Es muss hier auch noch hingewiesen werden auf die höchst
unpraktische Paginirung des Werkes, die wahrscheinlich auch
den Schweden damals Unbequemlichkeiten gemacht hat: nicht
nur die beiden Theile, sondern sogar alle sechs Hefte be-
ginnen mit Seite 1, so dass in jedem Theile eine und dieselbe
Seitenzahl dreimal vertreten ist. Die Anmerkungen gar sind
ganz ohne aUe Paginirung gedruckt, und zwar nach Theilen
geordnet, nicht aber nach Heften.
891. Pierre-le-Grand, par Charles Denina, traduit par J. F. Andr^^
avec des notes relatives auy calomnies r^pandues dans divers
ouvrages frant^ais contre rimp^ratrice Catherine II. Paris,
1809.
Ein merkwürdiges Buch: es ist von der russischen Censur
gebilligt, dem Kaiser Alexander I. gewidmet, und dennoch
wird nicht nur die Revolution von 1762 ganz frei beurtheilt^
sondern auch der gewaltsame Tod Peters III. und Paul Petro-
witschs gebilligt. Der Verfasser hatte während der Jahre
1769 und 1770 länger als ein Jahr in St. Petersburg zu-
gebracht, stand in nahem Verkehr mit Woronzow und Ada-
durow, kannte Schtscherbatow und Potemkin (352, 371, 879,
387, 392, 395, 398) und begründete auf deren Erzählungen
seine kritischen Bemerkungen zu den Büchern von Kulhi^re
und Cast6ra, die er hier ausschliesslich ins Auge gefasst hat
(390, 391). Der Verfasser ist Imperialist, sogar Napoleonist:
,je ne sais quel est celui qui a dit le premier, qu'il ne fallait
— 165 —
pour le repos des penples que deux grandes puissances; je
«erais tent6 de croire qu'il avait raison^' (882). Es gefSallen
ihm daher ungemein alle die grandiosen Pläne Katharinas,
mit Einschlnss der Vertreibung der Türken aus Europa: „si
le comte Orlow avait su m6nager I'esprit des grecs, c'en ätait
fait de l'empire Türe en Europe" (380). Die Theilung Polens
erscheint ihm gleichfalls natürlich und unyermeidlich : ,,Le
partage de la Pologne est un de ces 6ven6ments que les poli-
tiques ayaient pr6yu depuis longtemps. L'abbö de Mabli fut
«ngag^ k donner un plan de Constitution pour ce pays; mais
quand tous les abb^s du monde se seraient r^unis pour üetire
une Constitution, pour sauyer la Pologne, ils n'y auraient pas
rÄussi" (381). Der Verfasser rechtfertigt auch die Leibeigen-
schaft: „il est dangereux de sortir rapidement d'un gouyeme-
ment despotique pour se jeter dans la monarchie; ü faut pr^-
parer les esprits k passer du sentiment de la crainte k cehii
de rhonneur comme le dit Montesquieu'^ (377).
Am ausführlichsten behandelt der Verfasser die Beyolution
yom Jahre 1762. Gemäss den Angaben Adadurows, Woron-
zows und Schtsoherbatows schreibt der Verfasser dabei der
Fürstin Daschkow eine Hauptrolle zu: „belle, yiye, sensible et
g6n6reuse, eile rcQoit la oonfidence de sa soeur, que dans trois
jours eile sera Imp^ratrice; la jeune princesse 6coute, s'^tonne,
admire et se tait — eile a d^jä con^u le projet le plus hardi,
«Ue se retire pour Texöcuter^* (393). üeber den Tod Peters III,
führt der Verfasser die eigenen Worte Adadurows an: „Dans
«et 6y6nemeut tragique Tlmp^ratrice fut passiye, comme eile
l'ayait 6t6 dans la r^yolution qui la suit sur le tröne. II ne
46pendait pas plus d'elle de r^gner que de conseryer la yie
k son man. Les conjur6s ou quelques-uns d'entre eux, le
sacrififerent k leur süretö personneUe" (394). Dies bestätigten
ihm auch Fürst Potemkin, Fürst Schtscherbatow u. a., mit
denen er hierüber sprach (395).
— 166 —
Hat er aber auch thatsächlich mit ihnen sich unterredet?
Im Jahre 1809 waren alle die von ihm genannten Personen
bereits im Grabe ^ und konnten sogar auch dagegen nicht
protestiren, dass z. B. der Verfasser bei Erwähnung Adadurows
ihn niemals anders nennt als „comte AdadouroflF" (353, 394),
und den Namen des Fürsten Schtscherbatow — „Sch6r6batof"
schreibt (371, 395). Der Verüasser giebt jedoch Anlass zu
noch ernstlicherem Verdacht: die Zeit seiner Anwesenheit in
St. Petersburg hat er mit ziemlicher Genauigkeit angegeben:
, j'ai demeurö plus d'un an k P6tersbourg, de 69 ä 70" (388);
dennoch schreibt er* solchen Unsinn : „Je Tai vu cette admi-
rable hörolne, Catherine 11, quand sur un rocher immense,
suivie d'une cour qui l'adorait en face de tout un peuple
prosternö k son passage, eile 6rigeait k son auguste 6poux, k
ce Czar si justement proclam^ le Grand, ce vaste rocher d'oü
s'61feve sa statue" (352). Der Felsblock wurde auf dem Senats-
platze am 24. September 1770 abgeladen, und erst im Jahre
1772 auf dem für das Denkmal bestimmten Platze aufgestellt,
wobei gar keine Feierlichkeit stattgefunden hat, und Niemand,
Andr6 nur ausgenommen, hat Katharina 11. zur Gemahlin
Peters I. gemacht. Aehnliche Details finden sich weder bei
Carburi (No. 331), noch im Kammerfurier- Journal auf das
Jahr 1770.
In der „Notice d'un ouvrage intitul^, dans la traduction
frangaise, Pierre-le-Grand" (s. a. et 1.) erklärt Denina, das
Original sei im Jahre 1796 nach St. Petersburg geschickt
worden, um dort der Kaiserin, welche „Fr6d6ric II n'aimait
pas** (6), vorgelegt zu werden, Katharina aber starb, ohne das
Gedicht gelesen zu haben (21), wie sie denn überhaupt „ne
lisait pas Titalien".
Derselbe Denina ist auch Verfasser eines „Essai sur la
Tie et le rfegne de Fr6d6ric II., roi de Prusse, pour servir de
pr^liminaire a Tödition de ses oeuvres posthumes**, Berlin, 1788^
■— 167 —
über welche von Katharina ihre bekannten Bemerkungen ge-
macht wurden (Chrapowizkij, 476; „Russisches Archiv", 1878,
II, 284).
892, Lettera of the Swedish Court written chief ly in the early part
of the reign of Gastavus III, to which is added an appendix
with some interesting anedotes of the court of St Petersburg,
during the visit of the Duke of Sudermania and the present
King of Sweden to the Russian Capital. London, 1809.
Die acht und zwanzig Briefe der königlich-schwedischen
Familie und dem schwedischen Hofe nahestehender Personen
aus den Jahren 1768 bis 1779, sind für uns von keiner Be-
deutung; für uns hat nur die „Beilage'^ ein Interesse (257).
Es sind gegenwärtig viele Documente, die sich auf des schwe-
dischen Thronfolgers, nachherigen Königs Gustav IV. Braut-
werbung um die Grossfiirstin Alexandra Pawlowna beziehen,
bereits herausgegeben worden. Abgesehen von den Papieren
des Budbergschen Familienarchivs („Sammlung" IX, 195) und
den Dokumenten des' Pawlowsker Palais („Russ. Alterthum",
IX, 277), sind viele Nachrichten über dies Ereigniss veröflfent-
licht im „Archiv des Fürsten Woronzow" (Vm, 143; XII, 170;
XVin, 317 flf.), im „Russischen Alterthum" (V, 462), im
„Russischen Archiv" (1876, I, 403), in der „Sammlung" der
Russischen historischen Gesellschaft (XVI, 295, 507, 524),
u. s. w. Vollkommen neue, über das in den Briefen Katha-
rinas IL und Maria Fedorownas Mitgetheilte hinausgehende
Nachrichten zu dieser Angelegenheit lassen sich nur von
schwedischer Seite erwarten, nicht von russischer. Der Ver-
fasser jedoch hat nur Nachrichten veröffentlicht, die er
„through the communication of a friend, whe resided some
time at Petersburg", erhalten hat (257); es erweist sich, dass
es sich hier nur um eine wörtliche Wiedergabe des von
Massen (No. 841) in seinem Werke: „Söjour du roi de Sufede
k P^tersbourg" (I, 1—54) Mii^etheilten handelt. So z. B.:
168
I, 13:
Des sa premi^re enixevue avec
lui, eile en parut eDchant^e et pres-
que amureuse elle-meme (ce farent
868 propres termes).
I, 25:
Elle se leva, b^gaya, se trouve
mal, et ressentit m§me une Ugöre
atteinte, avant coureur de celle qui
la mit au tombeau quelques semai-
nee aprös.
p. 268:
At their first interview she ap-
peared 'enchanted and almost (as
she Said afterwards) in love with
him herseif.
p. 274:
She rose, attempted to speak; but
her tongue failed her, she nearlj
fainted, and even had a slight fit,
the precursor of that which carried
her off a few weeks after this.
Es ist sehr wohl möglich, dass die englische Ausgabe
diejenige Redaction der Erzählung wiedergiebt, die Massen
mit seinen Eeflexionen nur verschönert und ausgeschmückt
hat; jedenfalls aber darf man ihr nicht viel Vertraaen schenken:
Eussen thun dieser Details nicht Erwähnung, weder Panin,
noch Bostoptschin, Sawadowskij od. a.
898« Anecdotes rörande f. d. Konunges vistande i Petersburg'är 1796,
och hans felslagna Förmftlning med Storfustinnan Alexandra.
Stockholm, 1809.
Diese ^^Anecdoter'^ sind, nach Versicherung des Verfassers,
,^krifu är 1800^'; sie haben für uns nur Interesse durch das
Urtheil, das der Verfasser über die Grossfbrstin Alexandra
Pawlowna fällt Die Broschüre ist bereits vor dem 30. April
1809, der Thronentsetzung Gustays IV., die damals ganz
Schweden in Aufregung verseste, veröffentlicht worden, denn
in ihr ist mit keinem Worte dieses Ereignisses erwähnt; zur
Zeit Gustavs IV. wäre es unmöglich gewesen, sich ungestraft
über die Grossfürstin Alexandra Pawlowna lobend zu äussern,
weshalb der Verfasser, um sich zu decken, die Notiz: „öfver-
sättning frän Franskan'' hinzufügte, obgleich, soweit bekannt,
in französischer Sprache etwas Aehnliches nicht erschienen ist.
Der Verfasser zeichnet die Grossfürstin folgendermassen: „wid
i^ordon ärs älder var hon redan stör och fullkomnad; hon
— 169 —
bade ett adelt och majestätligt utseende, mildradt af alla
liennes älders och hennes kons behag, regoliera drag, ea
bländande hy, en panna d&r uppriktigbetens och oskuldens
gudomliga stämpel var inpräglad; blonda b&r, som alltid
syndes ordnade af föemes hand^ besknggade detta vackra
hufnid" (18).
Der Misserfolg der Brautwerbung wird aus der Con-
fessioDsfrage erklärt, wobei ein angeblich von Markow in den
Ehecontract hineingesetzter Artikel angeführt wird: ^yattPrin-
sessan skulle ha sitt särskilta Eopell och EVästerkap i Kongl.
Palastset och yissa forbindelser af Sverige emot Frankrike,
som man h&Uit ganska bemliga^' (24), Der Verfasser der
Broschüre schreibt die Hauptschuld an dem Misserfolge den
Würdenträgem Katharinas zu : ,,Detta felslagna giftermäl har
i sanning f5rlöjligat de Kyske Ministrama och det mäste varit
mycket forödmjukande för den gamla Eejsarinnan, att hon lätit
nyttja sä eländiga medel^' (32).
894. RofiffischeGünBÜmge [von G.A.W. von ^eZ&i^]. Tübingen, 1809.
Das ganze Buch, das 110 Biographien „russischer Günst-
linge^' in sich schliest, war you uns für das „Bussische Alter«
thum^' L ff. übersetzt worden, wobei in der Vorrede zu der
Uebersetzung auf die Bedeutung des Yerfasse^rs und seines
Werkes hingewiesen war; in den Anmerkungen zu einer jeden
Biographie sind, soweit möglich, alle Quellen zur kritischen
Beurtheilung der Mittheilungen des Verfassers angegeben. Das
Gesagte zu wiederholen, liegt hier kein Anlass vor, doch muss
des Schicksales dieser Uebersetzung erwähnt worden.
Von den 110 Biographien nahmen die ersten 62 den
ganzen Aprilband des „Bussischen Alterthum^' vom Jahre 1886
ein, die Censur jedoch verbot den ganzen Band. Der Bedacteur
M. J. Ssemewskij wandte sich an den Minister des Innern,
Graf D. A« Tolstoj, Präsident der Akademie der Wissenschaften,
— 170 —
der darauf mit der UebersetzuDg sich bekannt machte, und
das E^cheinen des Bandes genehmigte, zugleich aber die Be-
daction verpflichtete, in jeden folgenden Band des Joumales
nur je einige Biographien aufzunehmen, und die Censur anwies,
die Uebersetzung streng zu überwachen. So ist es denn ge*
kommen, dass die Uebersetzung der ersten 62 Biographien
genau und vollständig ist, die der übrigen 48 aber — völlig
untauglich. Der Uebersetzer gestattete freilich keinerlei Ver-
änderungen des Textes, und noch viel weniger irgend welche
Zusätze, konnte aber nicht verhindern, dass die Censur ganze
Stellen strich, und dadurch den Text verunstaltete, und durfte
andererseits auch nicht den Bedacteur mit der Censur dadurch
in offenen Conflict bringen, dass von der Fortsetzung des
Druckes der Uebersetzung ganz Abstand genommen wurde.
895. Jacob Johann Graf Sievers. Eine Vorlesung am Geburtsfeste
Sr. Majestät des Kaisers, gehalten von Fr. Rambach, Dorpat,
1809.
Graf Jacob Jefimo witsch Sievers starb am 10. Juli 1808;
nach fünf Monaten, am 12. Dezember, hielt Friedrich Ram-
bach, Professor der Finanz- und Handelswissenschaften an der
Universität Dorpat, vor den zum allergrössten Theile aus dem
Ostseegebiete stammenden Studenten dieser Hochschule seine
Rede über den „berühmten Ostseeprovinzialen". Sehr viel
später bewies auch Blum (No. 1045), wie schwierig es ist,
von J. Sievers zu sprechen, ohne in einen panegyrischen Ton
zu verfallen, Rambach aber sprach am noch frischen Grabe
und widmete seine Rede der an K. Hinzel verheiratheten
Tochter des Grafen.
Der Verfasser berichtet, Graf Sievers habe „gegen 200
eigenhändige Briefe der unsterblichen Gatharina an ihn'^ ver-
brannt (15), und theilt folgende Einzelheiten hierzu mit: „Einige
Tage liess er sich durch seinen Kammerdiener eine Ghatouille
angefüllt mit Briefen der Kaiserin an sein Bett bringen, und
— 171 —
vor seinen Augen, bis auf wenige, die sich noch in den Händen
der Familie befinden, dem Feuer übergeben. Ein Gerücht
sagt, dass er schon früher einmal, bald nach dem Tode der
Monarchin, eine ähnliche Anzahl eigenhändiger Schreiben der-
selben auf gleiche Weise vertilgt habe" (62) wodurch auch
die bei Blum angegebene Zahl 400 ihre Erklärung findet (IV, 650),
Man kann dieser Angabe^Glauben schenken: Rambach schrieb,
als noch der Bediente des Grafen Sievers, der unfreiwillige
Theilnehmer an der Verbrennung der Briefe, am Leben war,
und die Verwandten des Grafen, sein Bruder Peter und Pro-
fessor HeiTmann, theilten ihm solche Familiennachrichten mit,
die sich noch frisch im Gedächtniss der Lebenden erhalten
hatten. Der vom Verfasser öfters erwähnte „Augenzeuge"
(39, 47, 48) war eben der genannte Professor Hermann (75),
Der biedere, rechtliche Sievers erfreute sich immer allgemeiner
Hochachtung: die Nowgoroder Bauern empfingen ihren ge-
liebten Gouverneur im Jahre 1799 mit Salz und Brod (39),
und sogar die Polen schützten und bewahrten zur Zeit der
Wirren sein Eigenthum (55). Katharina schätzte ihn hoch
und hatte Vertrauen zu ihm. Zum ersten Male sah sie Sievers
und sprach mit ihm in Biga, im Jahre 1764 (34); gemäss
seinen Rathschlägen und unter seiner Mitwirkung begründete
sie die Statthalterschaften (44), eröfinete die Assignationen-
Bank (50), hob die Folter auf (41, 43), dessen sie, mit Bezug-
nahme auf seine Worte, im § 123 der berühmten Instruction
Erwähnung that Etagen gegen Sievers überwies sie zur Ent-
scheidung an ihn selbst (45). Als Katharina später den Grafen
Sievers erneut zum Staatsdienst berief und ihn zum Gesandten
beim Könige vom Polen und bei der polnischen Republik er-
nannte, Hess sie sich dadurch leiten, dass Sievers, als er in
seiner Jugend in England gelebt, sich mit dem Grafen Ponia-
towski befreundet hatte, der später als Stanislaus-August pol-
nischer König wurde.
— 172
In der Beilage ist ein vom Grafen J. Sievers zusammen-
gestellter „Pr6cis sur la famille des Sievers de Bauenhof et
des comtes de ce nom" (64) abgedruckt.
896« Ryska KejsarmDan Catharina II'b historia af J. Castera, Öfver-
sftttning. Stockholm.
Eine üebersetzung von No. 794.
897« Histoire de Pugatschew, par Adelaide Horde, ^I^ve du Conser-
vatoire. 2 vis. Paris, 1809.
Es ist dies ein höchst ungenirtes Plagiat — ein Nachdruck
von No. 270. Die kurze ,,pr6face'' schliesst folgendermassen :
Cet ouvrage ^crit en russe, et fait pour les Busses, m'a sembl^
m6riter d'etre plus g6n6ralement connu, et je Tai traduit en
frangais" (VIII).
Wie das Vorwort verändert ist, so ist auch der Text
selbst bedeutend verkürzt, wobei auch „les notes historiques
et politiques^^ des Originals in Wegfall gekommen sind, und
die Erzählung selbst in 48 Kapitel getheilt ist, — 21 im
ersten Theile und 27 im zweiten.
898. M^moires et actes autentiques relatife aox n^gociations, qui ont
pr^c^d^s le partage de la Pologne, tir^s du portefeuille d*uii
ancien Ministre du 18-^me siöcle. [Ooertx.] S. 1., 1810.
Eine Sammlung von 34 Documenten, die auf den Friedens-
schluss zwischen Russland und der Türkei Bezug haben, da-
tirend aus der Zeit vom Januar 1771 bis zum Juni 1774'.
Von den 34 Documenten wird nur in 11 derselben die erste
Tlieilung Polens erwähnt, und in der Ueberschrifb der Samm-
lung wird Polen wahrscheinlich nur zu dem Zwecke genannt,
um Leser damit anzuziehen. Wer hätte sich im Jahre 1810
wohl für die Präliminarien des Friedens vonEutschuk-Kainardschi
interessirt? während die polnische Frage zu dieser Zeit von
Napoleon I. bereits auf die Tagesordnung gesetzt war.
Diese Documentensammlung ist sehr wichtig für die G-e-
schichte des ersten türkischen Krieges. Sie beginnt mit einem
— 173 —
Briefe N. J. Panins an den Fürsten Golizyn in Wien, in
welchem es heisst, dass ,,rimperatrice, ayant adopt^ pour
maxime constante de ne Youloir aucun agrandissement k ses
Etats'' Yor Anknüpfimg irgend welcher Friedensverhandlungen
als unerlässliche Bedingung die Forderung der Freilassung
Obrjeskows stellte (9). Im „Exqos6 confidentiel des intentions
de rimpöratrice sur sa pacification avec les turcs, communiqu6
au prince de Lobkowitz'^ sind nachstehende drei Friedensbe-
dingungen aufgestellt und eingehend erörtert: 1) ,,Diminuer
les facilit6s de la Porte ä attaquer l'Empire de toutes les
Russies^'; 2) ,,Un d^dommagement raisonnable ä la Bussie pour
les frais d'une guerre'^; 3) ,,Affiranchis de leur entrayes le
commerce et les liaisons imm^diates entre les sujets des deux
Empires^' (24). In dem Vorschlage des Fürsten Eaunitz sind
folgende Bedingungen aufgeführt: 1) „la possession de la yille
et du territoire d'Asow"; 2) „Celle de deux Cabarda"; 3) la
commerce et la libre navigation sur la Mer Noire"; 4) „Un
dödommagement sufßsant en argent comptant pour les fraix
de la guerre" (83). Diese zwei Vorschläge wurden seitens der
Vertreter Oesterreichs und Russlands (116, 157) und in dem
Schriftwechsel der Monarchen debattirt.
Folgende Briefe Katharinas sind bereits in der letzten
Zeit herausgegeben worden: a) der an Friedrich IE. vom De-
zember 1770 (107) — in der „Sammlung" XX, 284, wo der
Brief mit dem Datum des 9. Dezember versehen ist; b) „Re-
flexions de Sa M. le roi de Prusse, le 15 Janvier 1771 (129)
— Ibid., 291, wo dies Schriftstück als ein dem Briefe des
Königs beigelegtes „Memoire" bezeichnet ist; c) an Fried-
rich n. vom 15. Januar 1771 (136) — Ibid. 297, jedoch be-
zeichnet mit dem Datum des 19. Januar; d) an Friedrich II.
vom 26, Mai 1774 (242) — Ibid. 343, doch mit dem Datum
des 28. Mai; und e) an Joseph IL vom 26. Mai 1774 (253)
— Ameth (1). Im dritten Briefe (vom 15. Jan.) schreibt
- 174 -
Katharina an Friedrich II.: „Je joins ici une copie de la lettre
du comte Panin au prince Galitzine" („Sammlung", XX, 304),
die Coqie selbst aber findet sich nicht in der Ausgabe der
Russischen historischen Gesellschaft, während dieser wichtige-
Brief in der uns hier vorliegenden Documentensammlung voll-
ständig abgedruckt ist (153).
Am 18. Oktober 1771 sprach Fürst Kaunitz zum Fürsten
Golizyn: „Ma cour ne pourra pas prendre sur eile de coo-
p^rer le nouveau plan de pacification k moins que la cour de
P^tersbourg ne lui donne des assurances bien positives au
pröabable, comme quoi qu'elle ne d^sire point, ni ne d^sirera
jamais d'assujetir la Pologue k aucun d^membrement, ni pour
son propre avantage, ni pour celui de qui que ce soit" (85) —
eine kategorische Aeusserung gegen die Theilung Polens ; wozu
Fürst Kaunitz noch hinzufügte: „bien entendu neanmoins, que
L L. MM. II. comptent de revendiquer les 13 villes du comitat
de Zips" — eine directe Erklärung für eine Theilung, wie
Fürst Golizyn hierauf auch hinwies: „cette prise de possession
des villes de Zips aurait 6galement Tair d'un d^membre-
ment" (86). Auf Grund dieses Gespräches haben preussische
Historiker eine Zeitlang die Ansicht verfochten, die erste An-
regung zur Theilung Polens sei von Oesterreich ausgegangen.
Der Frage der Theilung Polens sind in dieser Sammlung
einige Documente gewidmet, jedoch nur selten vollständig,
sondern meist nur in beiläufiger Erwähnung (85, 99, 102, 160,
175, 186, 200, 205, 217), da die Hauptfrage stets der russisch-
türkische Frieden bleibt.
Im Titel des Werkes ist gesagt, dass diese Documente
,,sonttir6sduportefeuille d*un ancien ministre du XVIII. si6cle*\
Die Vermuthung erscheint berechtigt, dass dieser „ancien
ministre" für seine Veröffentlichung die Mitwirkung irgend
eines russischen Beamten herangezogen hat, und zwar deshalb,
weil alle Dokumente, mit Ausnahme nur der Briefe Katharinas,
- 175 -
richtig datirt sind — in der „Sammlung" sind sie abgedruckt
nach den im Berliner Archiv aufbewahrten Originalen, und
mit dem Tage der Unterschrift Katharinas datirt, während in
der uns hier beschäftigenden Publication diese Briefe um
einige Tage früher datirt sind, offenbar nach den Concepten,
da dem Beamten der Tag der Unterschrift nicht bekannt war.
Beer ist daher im Irrthum, wenn er äussert, dass diese Doku-
mente „aus dem preussischen Archive*^ herstammen (III, Vor-
rede). Gegenwärtig nimmt man an, der Herausgeber dieser
Sammlung sei der Graf Goertz gewesen, preussischer Gesandter
am russischen Hofe in den Jahren 1779 bis 1786 (Dohm,
I, 453; Smitt, Le partage de la Pologne, 80; F. v. S., die
Theilung Polens, 33).
Die Ausgabe ist äusserst nachlässig veranstaltet. Damit
die russisch-türkische Frage in den Vordergrund gestellt erscheint,
sind die Dokumente nicht chronologisch geordnet, — man
muss mit den Seiten 100 — 145 beginnen, und erst dann auf
S. 1 u. ff. übergehen (Dohm, I, 453).
Das Buch ist ins Polnischo übersetzt worden (No. 953).
8^. A Winter in Edinburgh, or the Bussian brothers. A novel, in
three volumes, by H. Scott, London, 1810.
Es ist hier das Schicksal eines der phantastischen Grafen
Ssoltykow, Alexej, der einen Winter in Edinburg verbracht
Latte, erzählt. Katharinas geschieht nur im Anfange des
Bomans Erwähnung (I, 8, 13, 63), beständig mit dem Epi-
theton „graceful^^ Der Roman hat für uns keine Bedeutung.
900. Reise von Buckarest, der Hauptstadt in der Wallachei, über
Giurgewo, Bustschuk, durch Oberbulgarien, bis gegen die
Gränzen von Bumelien, und dann durch Unterbulgarien über
Silistria wieder zurück, im Jahre 1789. Vom bairischen Major
von Qugomos. Landshut, 1812.
Fast sechs Jahre lang, mit Unterbrechungen, hatte Alexan-
der I. mit der Türkei Krieg gef&hrt, und im Mai 1812 war
— 176 —
der Bukarester Frieden bereits unterschrieben, als der bay-
rische Major und Eammerherr auf den Gredanken kam, seine
Beisebeschreibung herauszugeben ,,zur Eenntniss der Gegenden
des wirklichen Kriegsschauplatzes der Russen und Türken an
den beiden Ufern der unteren Donau, nebst Berichtigung der
verschiedenen Meinungen über Politik, die Sitten, den Earakter
und die militärische Organisation der Muselmänner und einem
durch Thaten des Krieges Tom Jahre 1789 auf den Ausgang
des wirklichen Krieges hindeutenden Anhange.^^
Vom Norember 1789 an feinden in Schumla, wo der Gross-
Tezir stand, Friedensverhandlungen statt; dort befeuiden sich
in diesem Anlass die russischen Bevollmächtigten „Oberst-
leutenant von Parozzi" und „Graf von Melissino", und die
österreichischen — Baron von Stürmer und Baron von Wallen-
burg. Der Verfasser brachte Depeschen aus Bukarest über
Ruschtschuk nach Schumla, und kehrte von da über Silistria
wieder zurück, welche Reise vom 19. Mai bis zum 12. Juli 1790
dauerte. Irgend etwas Wichtiges konnte der Verfasser auf
dieser Reise freilich weder sehen noch sonst in Erfahrung
bringen, doch hat er Alles sorgfältig aufgezeichnet, sogar das,
was ihm seine Führer erzählten (28), und was er sah (37),
wobei er auch mancherlei Ungereimtheiten registrirte (15, 19,
22, 83), indem er sich nicht selten auf die Angaben der Land-
polizisten verliess (56). „A vol d'oiseau" hat er Schurscha (10),
Ruschtschuk (16), Schumla (87) und Silistria (91) beschrieben;
nach Hörensagen sind von ihm der Sultan und der Grossvezir
charakterisirt, und, ohne dabei auf einer solideren Grundlage
zu fussen, die Janitscharen (163) und die türkische Artillerie (65)
beschrieben. Zur Charakteristik des Verfassers genügt es, die
lange Auseinandersetzung zur Vergleichung der Türken mit
den Römern zu lesen (38 — 41). Mit den Russen vergleicht er
die Türken in folgender Weise: „Unmöglich ist es also, dass
man die Türken als die tapferste Nation, und als jene, welche
— 177 —
die meisten militärischen Tugenden besitzt, halten kann —
Was ist denn der Kusse? Ist je der Türke tapferer gewesen,
als der Moskovite? Wer besitzt mehr militärische Tugend,
jener, der beym geringsten Widerstand staubaus macht, keine
Ordre mehr hört und selbst seinen Bruder umbringt, wenn
er ihn in der Flucht einhalten will, oder der, welcher wie ein
Busse, selbst bei dem augenscheinlichen Tode nicht weicht,
wenn ihm nicht sein kommandirender Offizier retiriren heisst^' (44).
Die Beilage bringt eine ausführliche Beschreibung der
Schlacht bei Fokschany, vom 21. Juli 1789 (Petrow, II, 34)
mit einem schön ausgefbhrten „Plann der am 1. August 1789
gegen die Türken gewonnenen Schlacht bey Foczan in der
Wallachey", und dazu: „Ordre de bataille".
901. Les Bosses en Pologne. Tablean historique depuis 1762jusqu*ä,
nos Jon». Par A. de Chaxet, PaiiS) 1812.
Im Juni 1812 überschritt Napoleon den Njemen auf dem
Marsche nach Moskau, und im September erschien das hier
angeführte Pamphlet. „Tant que Tempereur Alexandre a
consery^ des relations amicales a^ec la fVance, on devait
s'abstenir de retracer les torts, les fautes, j'ai presque dit les
crimes des Busses en Pologne; mais aujourd'hui'' ... ist es
gestattet, jeden beliebigen Unsinn über Bussland zu drucken
(„Avant-propos"). Der Zweck der Broschüre ist mit aus-
reichender Deutlichkeit bezeichnet: „Braves Polonaisl combi^d
votre sort est chang6 en un moment! Les Busses vous avaient
apport^ la desolation, la misfere, la famine et la mort —
Napol6on tous donne un rang politique et one existence du-
rable; tous 6tiez esclayes d'un peuple esclaye — tous §tes
les alli6s et presque les concitoyens de la grande nation.
Meritez de si grands bienfaits; Totre triomphe dopend de Totre
pers^vörance, NapolÄon vous Ta dit" (40)
Die Broschüre ist herausgegeben mit einer üebersetzung
ins Polnische, „texte en regard^^, indessen, da es in den
BilbasBoff, Katharina U. 12
-^ 178 —
Pariser Druckereien an polnischer Schrift fehlte, ohne Unter-
scheidung der Nasallaute und ohne die übrigen besonderen
Zeichen dieser Schrift. Und zu dieser Sonderbarkeit macht
der Herausgeber dann noch folgende Bemerkung: „Tlomacz
przymuszony iest niektore zrobie odmieny w ortografij polskiey
dla dopelnienia niektorych liter brakuioncych w drukarni fran-
cuskiey (Przedmowa)."
902. Wesentliche Betrachtungen oder Geschichte des Krieges zwischen
den Osmanen und Bussen in den Jahren 1768 bis 1774 von
Besmi Achmed Efendiy aus dem Türkischen übersetzt und durch
Anmerkungen erläutert von H. F. von Diex. Halle, 1813.
Achmed Efendi, der wegen seiner Kenntniss des Gewohn-
heitsrechtes den Beinamen Resmi erhalten, war Vertreter der
Türkei in Wien, im Jahr 1757, und darauf, im Jahre 1763,
in Berlin; später war er Hofmarschall am Hofe des Sultans,
Marineminister, und zuletzt Kiaga-Bey, d. h. erster Minister
nach dem Grossvezir. In dieser Eigenschaft begleitete er den
Grossvezir zum ersten türkischen Ejdege, verfasste seit 1769
die officielle Beschreibung der Kriegsereignisse, imd unter-
schrieb als BeToUmächtigter, den Friedensvertrag von Kutschuk-
Kainardschi. Seine „Wesentlichen Betrachtungen" verfasste
er im Jahre 1776 (33), also unter dem noch frischen Eindruck
des von ihm Gesehenen und Gehörten. Seine „Gesandschaft-
lichen Berichte" (BerUn 1809) aus Wien und Berlin lassen
Beobachtungsgabe, Bildung und Verstand erkennen; in seinen
J.Wesentlichen Betrachtungen" machen sich Ironie, scharfer
Spott und originelle Anschauungen bei aller Geradheit des
Charakters bemerkbar, was dann auch Anlass dazu gab, dass
er alle seine amtlichen Stellungen einbüsste. Die letzten
Jahre seines Lebens verbrachte er in der Einsamkeit, von
Allen vergessen. Er starb im Jahre 1787, erblindet. Für
die militärische Geschichte des ersten türkischen Krieges ist
sein Werk eine höchst werthvoUe Quelle. Der Name Diez
- 179 -
bürgt für die Genauigkeit der Uebersetzung; hinsichtlich der
Anmerkungen und Erläuterungen Diezs darf man nicht ausser
Acht lassen, dass ihm die russischen Quellen nicht zugänglich
waren.
Nach einem kurzen Vorwort „Einleitung erklärt die
Ursachen, welche die Entstehung des erwähnten Krieges ver-
anlasst haben'' (61); eine besondere Beilage hierzu ein „An-
hang meldet die Sachen, die in Beziehung auf die schlechten
Maasregeln zum Vorschein gekommen sind'' (79). Darnach
zerfällt das ganze Werk in sechs Kapitel: 1. Erstes Kapitel
erklärt des Muchsin Zadö's Absetzung, des Hamsa Pascha's
sonderbares Betragen während des Wezirats von einem Monat
und des Emin Pascha's Ernennung zum Gross wezirat und
seinen Ausmarsch zum Kriege mit der heiligen Fahne" (93);
an dies erste Kapitel schliesst sich eine Vollendung des
ersten Kapitels, erklärt die Handlungen des Bostantschi Aly
Pascha (120); 2. Zweytes Kapitel, erklärt die Begebenheiten
zur Zeit des Wezirats des Chalil Pascha und die Niederlage
zu Kartal (127), mit einer kleinen Einschaltung (147),
3. Drittes Kapitel, erklärt die Begebenheiten aus der Zeit des
Grosswezirats des Silichdar Muhammed Pascha (164); 4. Viertes
Kapitel erklärt die Vorfälle aus dem ersten Jahre des Wezi-
rats des Muchsin Zadö Muhammed Pascha (175) mit kleinem
Anhang (199); 5. Fünftes Kapitel, erklärt eie Begebenheiten
des Jahres 1773 aus der Zeit des Grosswezirats des Muchsin
Zad^ (218); 6. Sechstes Kapitel, erklärt die Begebenheiten des
Jahres 1774 unterm Grosswezirat des Muchsin Zadfe" (225),
gleichfalls mit einem kleinen „Anhang" (239). Sodann „Be-
schluss erklärt die ungeziemlichen Dinge, welche nach ge-
schlossenem Frieden und nach geschehener Auswechselung der
Gesandten durch die Widersetzlichkeit der Einwohner der
Krimm zum Vorschein gekommen sind" (250). Den Schluss
des Werkes bildet dann die ftlr uns in erster Linie interessante
12*
- 180 —
„Vollendimg^' (279), die ausdrücklich dem russischen Hofe ge*
widmet ist, zur Beleuchtung aller der Massregeln, durch welche
Russland „das Eriegsglück auf seine Seite lenkte'^ Der Ver-
fasser weist darauf hin, dass die Russen schon seit lange sich
zum Ejiege mit der Türkei vorbereitet hatten, nicht nur an
der Donau und in der Ejdm, sondern auch in G-rusien und
Morea (287), und betont femer die taktische Ueberlegen-
heit der Russen (302). Dazu kämmen dann noch zwei zu-
fällige Umstände, die den Russsen sehr zu statten kamen;
der Aufstand Ali-Beys von Egypten (294) und die Thatsache,
dass den russischen Thron inne hatte „eine listige und unter-
nehmende Kaiserin, die von der im vorigen Jahre verstorbenen
Maria Theresia die Kunst erlernt hatte, die Männer zu be-
zaubern, und der es beschieden war, die Orlows und Rum-
janzow auf ihrer Seite zu haben.^' (283).
Interessant ist folgende, vom Verfasser mitgetheilte neue
Nachricht: auf dem Gongresse zu Fokschany liessen die russi-
schen Bevollmächtigten, Orlow und Obrjeskow, die Vertreter
Oesterreichs und Preussens nicht zur Antheilnahme zu (179).
Auch in No. 876 wird dieser interessanten Thatsache erwähnt
(IV. 25).
90S. Anna Petrowna, fille d'Elisabeth, imp^ratrice de Bassie. Histoire
vöritable, publice par Mme. de R. [Barne], 2 vis. Paris» 1818.
Madame de Rome, n6e Mlle. Mam6 de Morville (Qu6rard,
VII, 135) ist sogar unsicher hinsichtlich der Namensbezeichnung
des Vaters der Heldin ihres Romans, und nennt sie im zweiten
Theile: „Anna Paulowna" (II, 44). Die Geschichte der Tara-
kanow hat hier eine ganz eigenartige Darstellung erfahren:
aus S.t. Petersburg wird sie zur Einkerkerung im Kreml nach
Moskau geschickt Durch die Tochter des Commandanten
jedoch befreit, lebt sie darauf in der Krim und in Ghersson,
wo Joseph der IL sie im Jahre 1787 der Kaiserin Katharina 11.
vorstellt, mit der Bitte, ihre Vergehungen ihr zu verzeihen.
— 181 —
„Un intercesseur tel que Votre Majest^ est hien oertain
d'obtenir gräce au justice pour ceux pn'il honore de sa pro-
tection imperiale' ^ (II, 257), spricht Katharina und schenkt
der Tarakanow 20.000 Rubel.
Peter HI. wollte den „priv6 de la raison" Iwan III. mit
der Tarakanow verheirathen (I, 205, 218, 215); bei der Be-
erdigung Elisabeth Petrownas „le clerg6 s'empare de Toffirande,
pos^e sur une table placöe assez pr6s du lit; cette offi-ande,
qn'on renouvelle chaque jour, consiste en un certain nombre
de plats ou bassins d'orfövrerie, remplis d'alimens cuits"
<I, 201>
Katharina hat hier eine sympathische Darstellung ge-
funden. In beiden Theilen wird sie dargestellt als „resclave
couronn^e de l'ambitieux Orlow" (I, 112), der ihr immer das
ßchreckbild einer Empörung vor Augen hält, und sie durch
diesen Betrug beherrscht. Alexej Orlow freilich handelte nach
ihren Befehlen, „mais il est certain aussi qu'il les a outre-
pass^'' (II, 128); sie sprach ihr Bedauern aus hinsichtlich
4er Tarakanow (II, 182) und verzieh ihr schliesslich.
904. Histoire de Catherine II, imp^ratrice de Bussie, et de Paul I,
son filB, par F. Attguü. Paris, 1813.
Es ist dies ein Nachdruck aus Levesque (No. ^27), was
auch im Titel angegeben ist: „extrait des tomes V et VI de
THistoire de de Eussie par M. Charles Levesque^'. Der Re-
gierung Katharinas sind die ersten 143 Seiten gewidmet. Die
Auswahl der Seiten ist nach der Ausgabe vom Jahre 1812
vorgenommen, und zwar äusserst nachlässig.
Das Buch kann als Zeugniss daf&r angef&hrt werden, dass
das französische Publicum in damaliger Zeit aus der ganzen
Oeschichte Russlands nur für Katharina 11. und Paul I. Inte-
resse hatte, weil diese einen gewissen Einfluss auf die Ge-
schicke Frankreichs geübt hatten; damit man nicht alle acht
Bände des Werkes von Levesque zu kaufen brauchte, wurde
— 182 —
durch irgend einen nicht weiter bekannten Auguis ein „extrait"
aus diesem Werke veranstaltet.
905. Denkwürdigkeiten meiner Zeit, oder Beiträge zur Geschichte
vom letzten Viertel des achtzehnten und vom Anfang des neun-
zehnten Jahrhunderts, 1788 bis 1806, von C. W. von Dohm^
5 Bde. Hannover, 1814.
Christian Wilhelm Dohm, 1751 — 1782, trat auf Andringen
des preussischen Ministers Hertzberg, den Katharina hasste
(„Sammlung", XXIII, 380; XXVII, 425; „Archiv des Füi-sten
Woronzow", XVI, 255, 258, 262; XXVIII, 77, 81, 82) und
als „tres grossier pom^ranien*' bezeichnete („Sammlung", 512)^
im Jahre 1779 in das Departement des Aeussem als Kriegs-
rath, geheimer Secretär und Archivarius; im Jahre 1783 war
er schon Geheimrath, und im Jahre 1786 bevollmächtigter
Minister am kurkölnischen Hofe; er war preussischer Gesandter
auf dem Friedenscongress von Rastatt, Administrator in Gos-
lar, und später, im Jahre 1804 wurde er Präsident der Do-
mänenverwaltung im vormaligen kurmainzischen Bezirke.
Während seiner dienstlichen Thätigkeit machte der Verfasser
beständig Aufzeichnungen: er führte zwar kein regelmässiges
Tagebuch, notirte jedoch alles Interessantere, und führte in
freierer Zeit einzelne Episoden auch vollständiger aus. Im
Jahre 1807, nach dem Tilsiter Frieden, war er zwar nicht
mehr preussischer Unterthan, doch verliess er den Dienst erst
1810, wegen zerrütteter Gesundheit, und beschäftigte sich dann
mit der Ordnung seiner „Denkwürdigkeiten meiner Zeit",
deren erster Band im Jahre 1814 erschien, während der
fünfte und letzte im Jahre 1819 herausgegeben wurde.
Der von uns wiedergegebene Haupttitel des Dohmschen
Werkes weist auf die Absicht des Verfassers hin, die Zeit
vom Jahre 1778 bis zum Jahre 1806 zu behandeln; thatsäch-
lich aber hat er in allen fünf Bänden nur die neunjährige
„Geschichte der letzten Periode Friedrich des Zweiten, Königs
— 183 —
von Preussen, 1778 — 1789", zur Darstellung gebracht, wobei
der Verfasser vorzugsweise die deutsch-preussischen Interessen
im Auge hatte: „Meine Erzählungen werden vorzüglich auf
die Angelegenheiten Deutschlands* und Preussens und deren
gegenseitiges Einwirken gerichtet sein" (Vorrede, XXIX). Auf
Bussland und Katharina nimmt der Verfasser daher nur inso-
weit Bezug, als sie zu dem Leben und der Thätigkeit Fried-
richs n. flir die bezeichneten neun Jahre in Verhältniss ge-
standen haben. Dennoch sind seine Denkwürdigkeiten für
uns von grossem Werth, da er viele persönliche Erinnerungen
und mündliche Ueberlieferungen aufbewahrt, mit den Staats-
männern seiner Zeit stets Beziehungen unterhalten und über
deren Anschauungen und Meinungen berichtet hat. So schreibt
der Verfasser das „griechische Project" dem Grafen Münnich
zu, und bemerkt: „Diese Umstände sind nur durch Dr. Büsch-
ings mündliche Erzählung bekannt, der sie vom Feldmarschall
Münnich, dessen Vertrauen er genoss, selbst erfahren hatte"
(II, 15). Wichtige Nachrichten hat der Verfasser auch von
dem Grafen Görtz erhalten, der lange Zeit hindurch preussischer
Gesandter in St. Petersburg gewesen war (II, XIV, 105), und
vieles hat er von dem preussiscben Minister Hertzberg gehört
(II, 125), und von Personen, die zu Hanois, dem englischen
Gesandten in St. Petersburg, in Beziehung gestanden hatten
(II, 106); der Verfasser hat selbst die Zeichnung für die
Medaille auf die Einnahme Konstantinopels gesehen (II, 16) u. s. w.
Dazu hatte der Verfasser, als Archivar des Departements des
Aeussem die Möglichkeit, mit den Documenten zur Geschichte
der ihn interessirenden Fragen sich bekannt zu machen (Vor-
rede, XIV).
Bei der Leetüre der fünf Bände der „Denkwürdigkeiten"
Dohms gewinnt man die Anschauung, dass der durch allerlei
kleinliche deutsche Angelegenheiten in Anspruch genommene
Verfasser sich durch eine überaus beschränkte Weltanschauung
- 184 —
kennzeichnet. Weit angelegte Pläne und im voraus bereits
ins Auge gefasste grosse politische Unternehmungen will er
nicht gelten lassen; sogar bei Friedrich II. erkannte er sie
nicht an, so sehr er ihn auch verehrte: .,Weit aussehende, in
die ferne Zukunft reichende und fUr verwickelte mögliche Um-
stände berechnete Pläne im Voraus zu machen, und sich viel
mit ihnen zu beschäftigen, scheint nach Allem, was wir von
Friedrich wissen, nicht in seinem Charakter gewesen zu
seyn" (I, 443). Zu solchen Plänen hat der Verfasser über-
haupt nicht Vertrauen, und sucht sie als zufallige Einfälle
oder aus irgend welchen persönlichen Regungen herzuleiten.
So erklärt der Verfasser die polnische Frage und die türkischen
Kriege aus dem Bestreben Katharinas, die Aufmerksamkeit
der russischen Gesellschaft abzulenken: „Sobald Katharina IL
den Thron bestiegen hatte, suchte sie die Art, wie dies ge-
schehen war, möglichst bald dadurch in Vergessenheit zu
bringen, dass sie ihr Volk in lebhafte Bewegung nach Aussen
setzte, ihm hohen Ruhm als würdiges Ziel seiner Thätigkeit
zeigend, imd ihrem Reiche einen Glanz verschaffte, der zuvor
nicht gesehen war" (IV, 261). Damit erklärt der Verfasser
auch das griechische Project Katharinas (II, 8).
Nicht beiläufig, sondern in sachlich gebotenem Anlass
erwähnt der Verfasser Katharinas nur zweimal: zur ersten
Theilung Polens und zum Friedensvertrage von ^Teschen. Der
Verfasser ist überzeugt, „dass die Idee der Theilung Polens
vom Wiener Kabinet ausgegangen sey" (I, 16) und widmet
der Entlastung Friedrichs 11. eine besondere Untersuchung:
„Ueber die erste Theilung Polens und Friedrichs Antheil an
derselben" (I, 433). Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet
er die Mittheüungen von Coxe (446), Wraxall (448), Görtz (453),
Dumouriez (461), und kommt zu dem Schluss, „dass Friedrich
zwar der thätigste Beförderer der Theilung Polens gewesen
sey, aber dass keineswegs er die erste Idee derselben gegeben
-- 185 —
habe^' (513). Eine weitere Stütze seiner Ansicht findet der
Verfasser in der Mittheilung des Grafen Görtz (Q, XLI).
Im Uebrigen sucht der Verfasser Friedrich II. nicht zu recht-
fertigen^ sondern ist nur bemüht^ seine polnische Politik zu
erklaren (IV, 266).
Dem Teschener Vertrage ist ein besonderes Kapitel ge-
widmet: ,, Unterhandlungen des Friedens und dessen Abschluss
zu Teschen^^ (I, 194), wobei der Verfasser die Bedeutung des
russischen Vertreters Fürsten Bepnin herabgesetzt („Sammlung^S
LXV), und den französischen Bevollmächtigten Baron Breteuil
die erste Rolle spielen lässt. Diesen ganz unbegründeten
Standpunkt hat der Verfasser selbst bei der Darstellung der
Verhandlungen des Herzogs Karl mit dem Grafen Bumjanzow
wieder aufgegeben (III, 41). Der Verfasser ist äusserst unzu-
frieden mit der Einmischung Katharinas in dis deutschen An-
gelegenheiten, und schreibt die Schuld hierfür Oesterreich zu:
„Der Wiener Hof war es, der Russlands Vermittelung zuerst
anrief (I, 246).
Sehr interessant sind die Einzelheiten über den von Fried-
rich II. geplanten russisch-preussisch-türkisch-polnischen Bund ;
yergl. auch Laveaux (in, 172) und Archenholtz (Minerva,
1797, III, 230). Friedrich II. war überzeugt, dass eine De-
fensiv-AUianz und gegenseitige Garantie des jetzigen Besitz-
standes zwischen Russland, ihm selbst, der Pforte und Polen
das zweckmässigste Mittel seyn dürfte, dem jetzt im östlichen
Europa bestehenden Zustande Dauer zu geben, und die Ruhe
gegen jede Unterbrechung auf lange Zeit zu sichern (I, 400).
Es ist dies eine sehr wichtige Stelle zur Klarlegung der Be-
ziehungen Friedrichs zu Katharina.
Der Verfasser hat Katharina niemals gesehen und urüieilt
über sie nach ihren Thaten und nach den Aeusserungen
dritter Personen. Er beschuldigt Katharina des Strebens nach
der Herrschaft über den Norden, und beweist dies damit,
186 —
dass, als der Grrossfiirst Paul Petrowitsch im Jahre 1782
Europa unter dem Namen eines „Grafen vom Norden*^, comte
de Nord bereiste^ und Einige diesen Titel für sehr anspruchs-
voll erklärten, Katharina bemerkt habe: „Warum sollte mein
Sohn nicht den Namen eines Landes ftihren, dessen bey
weitem grössten Theil er zu beherrschen bestimmt ist. Das
Wenige, was daran noch fehlt, kann er, wenn es ihm beliebt,
leicht noch hinzufügen" (IV, 262). Persönlich war der Ver-
fasser überzeugt, ,,da8s Catharina auf den ihr von schmeichel-
haften Zeitgenossen beigelegten Namen der Grossen bey der
Nachwelt nicht Anspruch machen dürfe" (I, 410). Ueber seine
persönliche Meinung von Katharina s. 11, 7, 8, 51, 104. Mit
Befriedigung und wiederholt erwähnt er der Abneigung Maria-
Theresias gegen Katharina (I, 196, 395), erklärt ihre Anhäng-
lichkeit an den Fürsten Potonkin durch ihre „Schamlosigkeit"
und Schwachheit (I, 408), und zählt die Favoriten auf, welche
diese Monarchin mehr oder weniger unumschränkt beherrschten"
(IV, 466). Besonders antipathisch ist dem Verfasser der Fürst
Potemkin, desser er oft Erwähnung thut (I, 406, 408, 589;
II, 5, 78, 108) und dem er eine besondere Untersuchung
widmet — „Ueber den Fürst Potemkin" (I, 585). Seiner Dar-
stellung nach war „dieser unwissende und keine Staatsver-
hältnisse kennende Potenkin" (II, 5) der Ansicht, dass „Russ-
land müsse durchaus ein asiatischer Staat seyn" (II, 78).
Der Verfasser lässt sich über das griechische Project aus
(II, 5, 16, 22, 108), das er dem Grafen Münnich zuschreibt,
diesem „Eugen des Nordens", wie ihn Friedrich 11. nannte
(II, 13), und für den namentlich Voltaire eintrat (11, 17).
Der Verfasser ist ungehalten über alle Anhänger dieses Pro-
jectes: „dass der russische Despotismus wahrscheinlich nicht
milder sein werde, als der türkische fiel Niemanden ein"
(II, 16). Der Verfasser bemüht sich, sogar die Idee der be-
waffneten Neutralität als auf Zufälligkeit beruhend darzustellen,
187 —
wobei er sie N. J. Panin zuschreibt, und Katharina für die
Verwirklichung dieses Gedankens lobt (100, 110, 115, 116).
Der Verfasser kannte weder Russland noch die Russen.
Ueber die Beziehungen Russlands zu Polen schreibt der Ver-
fasser: „Catharina behandelte Polen völlig wie eine russische
Provinz, ohne die Vortheile einer solchen zuzugestehen, welche
für den harten Druck, den das Land litt, einigermassen hätten
entschädigen können^' (IV, 263). Die Siege der Russen im
ersten türkischen Kriege erklärt der Verfasser, der bereits
nach dem zweiten Kriege schrieb, als nur auf Glück beruhend
(II, 4, 15, 39). Er hasst Russland sosehr, dass er sogar das
tatarische Regime in der Krim höher stellt als das russische
(U, 71), und über die Regierung Katharinas ein ausserordent-
lich hartes Urtheil fällt.
Sehr interessant ist des Grafen Görtz „Memoire, remis
k S. A. R. Msgr. le prince de Prusse ä Narva lors de son
voyage k la Cour de Russie" (II, XXI). Ueber die Anwesen-
heit Josephs II, in Russland (I, 422; II, XIV), und die des
preussischen Kronprinzen werden interessante Einzelheiten mit-
getheilt. Die Mittheilung über die Anwesenheit Johanna-
Elisabeths in Russland (II, 7) ist vollkommen unwahr. „Stechiof"
(I. 227) ist identisch mit Alexander Stachijew, bevollmächtigtem
Minister in Konstantinopel von 1775 bis 1781.
906. Katharinens der Grossen Verdienste um die vergleichende
Sprachenkunde^ von Fr. Adelung. St. Petersburg, 1815.
Eine Recension von No. 492. Adelung, der der Akademie
der Wissenschaften einen besonderen Bericht über die „Rapports
entre la langue sanscrit el la langue russe" eingereicht hatte,
ist für das Wesen der Frage ein vollkommen competenter
Richter. Er theilt u. a. mit, dass Katharina, noch als Oross-
fürstin, einen Pastor der britischen Colonie in St. Petersburg,
Dumaresque, dazu angeregt habe, ein solches vergleichendes
Wörterbuch zusammenzustellen (23). Diese Nachricht verdient
— 188
Glauben: als Dumaresque, Pastor der anglicanischcn Kirche,
Doctor der Theologie, Ehrenmitglied der Akademie der Wissen-
schaften (Pekarskij, 1, 388), aus St. Petersburg abreiste, schrieb
Katharina unter dem Datum des 17. Mai 1767 an N. J. Paain:
„Ordnen Sie an, dass man sich fbr Dumaresque interessirt,
damit ihm von der englischen Begierung eine möglichst gute
Stelle gegeben wird; wie, und wann dies zu geschehen hat,
das überlasse ich Ihrem Ermessen („Lesefrüchte'S 1868, II, 20;
„Sammlung'^ X, 191). Selbstverständlich konnte aber Katha-
rina für ein solches Wörterbuch nur sich interessiren, jedoch
keinen thätigen Antheil nehmen an seiner Zusammenstellung
(41, 42).
907. Ode to Her Imperial Majesty Catherine the Great, presented
bj the Chief national school at St Petersburgh, on the daj of
Her most gracious visit, January the 21, 1785. London, 1815.
Der Besuch Londons durch Alexander I. im Jahre 1814
rief dort Interesse wach an allem Bussischen; als Beweis
hierfür kann die vorstehend aufgeführte Uebersetzung einer
ganz unbedeutenden russischen Ode dienen. Die Uebersetzung
ist dem Priester an der russischen Gesandtschaft in London,
Smirnow, der bei der Arbeit Mithilfe geleistet, gewidmet.
Die Broschüre ist mit einem Bilde des Denkmals Peters
des Grossen geschmückt.
908. Historia öfver kriget emelian Sverige och Byssland ären 1788,
1789 och 1790. Författad af G. von SehanU, Stockholm, 1817.
Ein speciell militärisches Werk, besonders wichtig des-
halb, weil der Verfasser als Feld-Landmesser beim Ingenieur-
Corps (tillförordnad secreterare yid kongl. Ingen. Corpsens
Fältmätnings-Brigad) zum Eriegsarchiv, das von ihm auch
ausgiebig benutzt worden ist, Zutritt hatte. Er hat solche
Documente, ProtocoUe und Aufzeichnungen verwerthet, die
auch bis zur Gegenwart noch nicht veröffentlicht worden sind,
so z. B.: „Sämling af Manuscripter rörande särskilta Krigs-
— 189 —
förrättningar under alla Erigsären, Passage- Journal förd under
Gheneralen Grefve MeijerfeltSy General-Krigs-Bätts ProtocoUer'^
u. s. w. In der Beilage theilt der Verfasser ausführliche Ver-
zeichnisse der Land- und Seetruppen mit, von denen für uns
besonders interessant ist No. S: ^Förteckning pä Byska Flottan
och dess Ohefer är 1790'S welches Register offenbar of&ciell
ist, da die Namen der Schiffe und ihrer Commandeure voll-
komm€n richtig angegeben sind. Es versteht sich von selbst,
dass alle Eriegsereignisse hier ausschliesslich nach schwedischen
Quellen dargestellt sind.
Nach kurzer Erwähnung der Ureachen des Erieges und
der Stellung der dänischen Regierung zu ihm (58) macht Ver-
fasser vor Allem über die Vorbereitungen zum Eriege und
die Befestigung Sweaborgs (11) Mittheilungen, und erzählt
dann die Eriegsereignisse fortschreitend von Jahr zu Jahr
in einzelnen nur locker zusammenhängenden Notizen, indem
er manchen Episoden nur einige wenige Zeilen widmet (I, 157).
Im ersten Jahre sind die Campagnen der Jahre 1788 und 1789
erzählt, und zwar der „Felttoget är 1789^* (83) mit besonderer
Ausführlichkeit; der ganze zweite Band ist dem „1790 ärs
Felttog'^ (3) gewidmet; eine Beilage bringt den interessanten
,,Berättelse öfver Retraitten fr&n Wiborg" (II, 138). Ein be-
sonders grosses allgemeines Interesse nehmen fär sich in An-
spruch die „Anmärkningar rörande kriget mellan Sverige och
Rysslaad ären 1788, 1789 och 1790" (11, 146). üeber die
Maskerade der schwedischen Truppen für den Anfang des
Erieges (I, 17) und den Anjalabund (I, 37) macht der Ver-
fasser keine Mittheilungen, da er über Erscheinungen dieser
Art in den Papieren des Sjriegsarchivs keine Auskunft fand.
Ausserdem muss bemerkt werden, dass die Elreignisse des
Landkrieges bei Schantz eine ausführlidiere und eingehendere
Darstellung gefunden haben als die des Seekrieges, wie z. B.
das Treffen bei dem Flecken Eyro (I, 95), das bei Poro-
— 190 —
salmi (I, 101), beim Flusse Kymmene (I, 136) u. s. w.
Bei der Erzählung von dem plötzlichen üeberfall auf die
russische Truppe bei Pardakoski, am 4. April 1790, theilt der
Verfasser die nachstehende bekannte Einzelheit mit: ., Surprisen
af attacken vid Pardakoski var sä stör, att Bysska Befälhaf-
varen Öfterste Lieutenanten Petrovitz med dess Officerare, som
suto och Spelte kort, mäste lemna bordet med alla spel-
penningame pä, och knappt hunno taga sina värjor, f6r att
undkomma' vära Troupper, som voro mästare af stallet'' (II, 14).
Hinsichtlich des Ueberfalls des Herzogs von Südermann-
land auf Tschitschagow in Reval ist sehr wichtig das: „ünder-
dänigste Promemoria, pä de efterrättelser om Ryska Flottan, dem
jag tili underdänigste följe af en den 22 sistledne Januarii, mig
tillkommen nädig befallning, kunnat mig förskaffa^^ (11, 193).
909. Regni di Catcrina Seconda e Paolo Primo. Notizie racolte
per la storia dei regni di Caterina Seconda e Paolo Primo.
Illustrate da interessanti note. Milano, 1818.
Auf dem der kaiserl. Oeffentlichen Bibliothek in St. Peters-
burg gehörenden Exemplare befinden sich zwei, den Verfasser
dieser anonymen Broschüre betreffende handschriftliche Be-
merkungen. Die erste derselben, die, wie aus der Handschrift
hervorzugehen scheint, von dem Fürsten A. B. Lobanow-
Rostowskij herrührt, lautet (russisch): „Im Familienarchive der
Herzöge Serra Caprioli in Neapel befindet sich eine hand-
schriftliche Copie dieses Werkes, mit der Notiz auf dem Um-
schlage: Opera scritta dal Conte Locatelli, Veronese e vile
mercenario, confidente politico! Man vermuthet, dass diese
Notiz von dem Herzog Serra Caprioli, vormaligen Gesandten
Neapels in St. Petersburg gemacht ist. Im Tagebuche Rostop-
tschins ist unter dem 24. Dezember 1799 folgender mündlicher
Befehl des Kaisers Paul verzeichnet: „Donner de Targent k
Locatelli, et s'en servir d'un espion". Reichsarchiv, X, 498".
Die zweite Bemerkung, von der man nicht weiss, wer sie ge-
— 191 —
schrieben hat, lautet: „Äutore die queste notizie fu Giuseppe
Locatelli, d'origine bergamasca, gia impiegato presse la lega-
zione Veneta a Pietroburgo; e che come pratico della Russia
accompagnö il Corpo Italiano nella spedizione del 1812, d'onde
tomö non senza essere stato in grande pericolo di perdersi.
Appena publicato il presente libro, venne da Torino a Milano
il Ministro die Russia ivi residente, et attenne dal Governo
Austriaco di quel tempo che ne fasse proibita la vendita".
Beide Bemerkungen beziehen sich auf ein- und dieselbe
Persönlichkeit, Joseph Locatelli, gebürtig aus Verona, „berga-
masco" (die „bergamasci** sind die Hanswurste und Narren
der italienischen Lustspiele; doch sei dabei bemerkt, dass
in Bergamo der Name Locatelli im 17. Jahrhundert Be-
rühmtheit erlangte durch einen sehr angesehenen Arzt, Er-
finder eines besonderen Balsams). In Russland war ein anderer
Locatelli, GioTanni Battista, 1715 — 1785, Schauspieler, Sänger
und Entrepreneur, Inhaber eines Privattheaters in Moskau,
wo er auch starb, sehr bekannt. Katharina erwähnte seiner
in ihrer Correspondenz („Russisches Archiv", 1370, 1155;
1886, m, 38; Bytschkow, 103).
Die Broschüre setzt sich aus drei Theilen zusammen:
„Alcuni cenni soll' oriejine e progressive incivilimento de'
Russi," die als Einleitung dienen (III — VIII); worauf dann
„Caterina Seconda" folgt (1) und endlich „Paolo Primo" (19).
Die ganze Geschichte Katharinas ist auf 18 Seiten erzählt,
und enthält sehr zahlreiche Unrichtigkeiten. So sind die
Panins aus Italien hergeleitet: „I conti Panini, e non Panin
come abusivamente vengomo chiamati, discendono da una
nobile famiglia della Toscana" (12); die Finanzen Russlands
werden gerettet durch den Marquis Maruzzi in Venedig, dem
Katharina eigenhändig geschrieben habe: „Ce n'est pas seule-
ment k mon Empire, monsieur le marquis, que vous venez de
rendre le plus important service, mais k toute la Chretiennet6"
— 192 -
(79). Woher stammt dieser Brief? Bisher ist nur ein vom
29. Januar 1769 datirtes, von Katharina nur unterschriebenes,
an den bei der Bupublik Venedig accreditirten Marquis Maruzzi
gerichtetes Rescript bekannt geworden (^^Sammlung^S ^i l^)-
Die Broschüre enthält in grosser Zahl alle möglichen
unsinnigen Nachrichten. So stirbt der Fürst Potemkin durch
Gift, das von P. A. Subow gesandt war: ,,Potemkim avea
recevuto in dono dal principe Zoubow una elegante e magni-
fica casseta ripiena di preziosi Elizir e altre cose occorenti
aila circonstanza. Di questo, Potemkim se ne servi, lontano
de qualsivoglia sospetto, e mori'< (7), wobei erwähnt wird, dass
Subow dies gethan habe „non senza intelügenza di Caterina^^
Das Project der Elhe der OrossfÜrstin Alexandra Pawlowoa
mit dem Könige Gustav IV. habe sich zerschlagen infolge der
Forderung Katharinas: „La permanenza d'una guardia russa
in Stockholm per la securezza e maggior splendore di essa^'
(39). Polen ging zu Grunde durch die Intriguen Subows
(5) u. s. w. Der zweite über Paul I. handelnde Theil der
Broschüre ist interessanter als der erste; es finden sich in
ihm auch einige Nachrichten über Katharina.
Beigelegt sind zwei Porträts in Kupferstich: „Catterina 11.
Imperatrice di tutte le Bussie'^ in vollkommen phantastischer
Darstellung, und „Paolo I. Imperatore di tutte le Russie'^
910. Anekdoten und Charaktenäge des FeldmArachalLs Grafen
P. A. Rumftnzow Sadunaiskoi, nebst einem kurzen Abriase
seines Lebens und Schriftwechsel mit Katharina der Grossen,
so wie einigen andern Briefen. Ans dem Russischen übersetst
von Fr. ArM. Dorpat, ISIS.
„Die Thaten grosser Männer err^en allgemeines Interesse,
am lebhaftesten aber das des Vaterlandes. Jeder Zug aus
ihrem Leben ist ein Blick in ihren Charakter, jede ihrer
Aeusserungen verbreitet Licht über ihre Handlungen, enthüllt
die Vorzüge ihres Geistes, ihre Talente und Tugenden. Grosse
— 193 —
Muster entwickeln den Keim der Grösse" (Vorrede). Dies
waren die Anlässe dafür , dass Fr. Artzt die im Jahre 1803
in Moskau herausgegebene ^^Lebensbeschreibung des Grafen
Peter Alexandro witsch Sadunaiskij" aus dem Russischen über-
setzte.
Das Buch zerf&Ut in drei Theile: 1. „Kurze Schilderung
der Thaten und des Charakters des Grafen Rumänzow (1),
2. Anekdoten und einige Züge zur Beleuchtung des Lebens
und Charakters des Grafen Rumänzow" (17), wo wir 60 Nach-
richten zusammengestellt finden, und u. a. erzählt wird über
die Abscha£fung der „spanischen Reiter", bei welcher Gelegen-
heit Rumjanzew zu den Truppen sprach: „Nicht spanische
Reuter, sondern Feuer und Schwerdt ist euer wahrer Schutz"
(25) und 3. „Schriftwechsel des Grafen Rumänzow mit der
Kaiserin Katharina der Grossen, nebst einigen anderen
Briefen" (72), enthaltend 15 Documente, darunter sieben Briefe
und Rescripte Katharinas: sechs an den Grafen P. A. Rum-
janzew (76, 92, 102, 113, 130, 133) und einen an den Fürsten
M. N. Wolkonskij (118) gerichteten; alle diese Documente
waren schon ins Deutsche übersetzt in Heidekes „Russischer
Merkur", 6. Stück, 806. Die erwähnten Briefe Katharinas
sind auch schon in Russland herausgegeben (Smirdin, III, 255,
260, 265, 400; „Sammlung", XIII, 349, 365, 374; „Allgem.
Gesetzsammlung", No. 17,287; „Correspondenz", 68, 149).
911. Les raines oa s^jour de rimp^ratrice Catherine II ä. Tzarscoe-
C61o, par Mme. A. de Stoinine, Moscou, 1818.
Im Titel ist gesagt, dies Gedicht sei eine „imitation de
Dergeavin" — freilich nicht nach dem kunstvollen Bau der
Verse, sondern in Nachahmung seiner Schmeichelei, deren er
sich erst später zu enthalten begann, nachdem er die Ueber-
zeugung gewonnen, dass Katharina „das Reich verwaltete mehr
nur nach ihren eigenen Gesichtspunkten als nach den Grund-
sätzen der heiligen Wahrheit" („Dershawins Werke", Ausgabe
Bilbassoff, Katharina U. 13
— 194
vom Jahre 1871, VI, 654). Anna Pawlowna Swinin, Gattin
des Begründers der „Vaterländischen Memoiren", besang in
ihren Versen Zarskoje Sselo, wohin
les rois
Semblaient venir prendre lex loix.
Sie nannte ihr Gedicht „Ruinen", obgleich es deren in Zarskoje
Sselo gar nicht gab, um damit hinzuweisen auf das nach dem
Tode Katharinas geänderte staatliche Regime, das die Dichterin
offenbar nicht billigte:
Helafl! eile n'est plus aa monde
Les feux ne brillent plus dans Tonde
Tant retentit de tristes accens,
On n*entend que g^missemenB,
La terreur met tont aux alarmes.
912. Les trois dömembrements de la Pologne, poor faire suite aux
r^yolutions de Pologne de Rulhiöre, par Ferrand, 2 vis. Paris,
1820.
Das Ferrand'sche Werk bringt in der gesammten west-
europäischen Literatur zum ersten Male eine vollständige Dar-
stellung der drei Theilungen Polens, bei umfassender Aus-
nutzung der diplomatischen Depeschen der französischen
Agenten in St. Petersburg, Warschau, Wien und Eonstanti-
nopel. Dem Verfasser, der das Amt eines Ministers bekleidet
hatte, stand der Zutritt zum Pariser Archiv des Auswärtigen
offen, und er schöpfte seine Nachrichten aus derselben Quelle,
zu der auch wir noch unsere Zuflucht nehmen. Documente
aller Art, die in der „Gazette de Leyde" bereits waren ab-
gedruckt worden, dienten ihm als Leitfaden für die Benutzung
der bezeichneten Depeschen. Die Polen schätzen dies Werk
sehr hoch, wenigstens erschien im Jahre 1865, nach dem
„letzten" Aufstande, in Paris eine neue, von Ostrowski vor-
züglich besorgte Ausgabe desselben, die von uns hier auch
benutzt ist.
— 195 —
Das Werk ist auf breiter Grundlage entworfen, — es ist
dies nicht nur eine Geschichte der drei Theilungen Polens,
sondern ihrer gesammten Epoche, vorzugsweise fUr die Vor-
gänge in Russland, Preussen und Oesterreich, soweit die ge-
schichtliche Entwickelung dieser drei Staaten, nach Ansicht
des Yeifassers, Einfluss übte auf ihr Yerhältniss zu Polen.
Der Verfasser verl&sst sich dabei nicht auf den Leser, — weder
auf seine Bekanntschaft mit den Thatsachen, noch auch auf
sein politisches ürtheil, — sondern erzählt Alles ab ovo: nach-
dem er in völlig verfehlter Weise des Auftretens Pugatschews
im Jahre 1771 Erwähnung gethan (I, 284), beginnt der Ver-
fasser mit flüchtiger Erzählung der Geschichte der donischen
Kosaken seit dem Ende des 16. Jahrhunderts (I, 298) und bis
zur Hinrichtung Pugatschews. Das dreibändige Werk zerfällt
in 15 Theile (livres) und eine Einleitung, in der ausser den
,;principales ^poques de Thistoire de Pologne^' auch die ersten
Schritte der Oonföderation von Bar erzählt sind (I, 56). Die
ersten sechs Theile sind der ersten Theilung gewidmet; der
siebente — einem allgemeinen Ueberblick über das Jahrzehnt
1778—1788 (ü, 141); flinf Bücher, 8.— 12., dem vierjährigen
Reichstage und der zweiten Theilung; das 13. und das 14. Buch
— dem Aufstände und der dritten Theilung (III, 175); das
1 5. einem allgemeinen Bückblick auf das in den vorausgehen-
den 14 Büchern Dargestellte (III, 259).
Gegenwärtig hat das Werk Ferrands alle Bedeutung ver-
loren (Kostomaro w, I, IV; Beer, I, Vorrede, III), im Jahre
1820 aber stellte es eine hervorragende literarische Erscheinung
dar. Die Leser Westeuropas (in Russland war das Buch ver-
boten) wurden hier zum ersten Male bekannt gemacht mit
ausführlichen Auszügen aus den Depeschen der französischen
Diplomaten über den ersten türkischen Krieg, über die Be-
ziehungen Russlands zu Polen, über Katharina im Allgemeinen,
— und gerade für die hier in Betracht kommende Periode,
18*
— 196 —
1771 — 1794, verhielt sich die französische Diplomatie Buss-
land gegenüber mit grosser Feindseligkeit, in Folge dessen
die franzosischen Agenten allen möglichen Unsinn berichteten,
und zwar nicht nur Klatschereien, sondern directe Erfindungen,
um Bussland, die Bussen, und namentlich Katharina damit
anzuschwärzen. Inest man die Ferrand'sche „Campagne de
1771" (I, 305), so durchblättert man damit gleichsam die ent-
sprechenden Bände des Pariser Archivs. Leider beherrschte
der Verfasser gar nicht die historische Kritik, und glaubte
naiv an jeglichen Unsinn. In Anlass der Ernennung Saldems
für Warschau wird in Kürze dessen Biographie mitgetheilt,.
und, als Beispiel für dessen Einfluss auf N. J. Panin, Fol-
gendes erzählt: „Saldem se laissa aveugler par l'ambition au
point de möditer une rövolution en faveur du grand duc; il
avait d6jä compos6 V6cnt que le jeune prince devait publier
en montant sur le trone; il fit plus: il le montra k Panin,
tant il 6tait sür de son ascendant sur lui" (I, 154). Der Ver-
iasser legt an Alles den Massstab seiner Depeschen, und histo-
rische Tbatsachen ausserhalb des Bahmens dieser seiner
Quellen existiren für ihn gar nicht. Da er den Depeschen
der französischen Besidenten unbedingt Vertrauen schenkt,,
lässt sich der Verfasser durch ihre Dünkelhaftigkeit anstecken.
„La France, en envoyant k la conf6d6ration une vingtaine
d'officiers de choix, lui rendait sans doute un veritable Ser-
vice" (II, 2), und diese kindliche Naivetät wiederholt sich
mehrmals (III, 263). Auf Dünkel beruhen auch verschiedene
„reflexions" des Verfassers (I, 174, 217), die bisweilen recht
naiv sind (II, 220). Diesen seinen Beflexionen legt der Ver-
fasser nicht selten mehr Bedeutung bei als den Documenten^
durch die sie hervorgerufen worden (I, 217; 11, 206; III, 254).
Zur Beurtheilung des Werthes und der Bedeutung dieser Be-
flexionen mag das nachstehende Beispiel einer solchen dienen:
„8i les Turks eussent repris Tavantage, si Pulavski, Sawa,.
— 197 —
Dumourier et surtout Oginski, eussent r^ussi dans leurs entre-
prisesy il est certain que le d^membrement n'aurait pas eu lieu^'
(I, 125).
Für alle drei Theilungen macht der Verfasser in erster
Linie Preussen verantwortlich (I, 88; II, 29). „La Prussa
4tait la plus coupable aux yeux des Polonais, et sera toujours
regard^e comme teile par la justice de Fhistoire" (III, 252).
Der erste Gedanke der Theilung gehört dem Prinzen Heinrich
von Preussen (I, 90, 102). Ungeachtet dessen aber, dass der
Verfasser dem Beweise dieser Behauptung ein besonderes
Capitel widmet — L'id6e du dömembrement appartient au
prince Henri de Prasse (I, 89) — versichert er an einer an-
deren Stelle, Katharina habe dem Prinzen Heinrich darüber
folgende Mittheilung gemacht: „Le trait^ de 1764 conduisit
Catherine ; malgr^ eile, au d^membrement de la Pologne.
Lorsqu'elle fit au prince Henri les premi^res propositions, eile
ne songeait qu'ä, donner k Fr^d^ric un dMommagement qui
Tattachät encore plus ä eile" (III, 275). Solchen Wideraprüchen
begegnet man bei dem Verfasser häufig; sie erklären sich da-
durch, dass er seinen Stoff nicht beherrschte, und daher voll-
ständig abhängig war von seinem Materiale — nicht er be-
herrscht das Material, sondern dieses ist Herr über ihn. In
mancher fElr ihn wesentlichen Frage gelangt er bisweilen bis
ziemlich nahe an die Wahrheit, doch ist es ihm kein Mal
gelungen, wirklich „den Stier an den Hörnern zu fassen".
Nirgends spricht er es direct aus, dass die Polen selbst die
Grundursache der Theilung ihres Landes waren, doch kommt
er diesem Gedanken wohl ziemlich nahe: „Le premier dömem-
brement d^composa la Pologne; mais avant cette d^composition
topographique, la Pologne en ^prouvait, depuis longtemps, une
politique et morale. Elle avait fait un premier pas dans la
d6com Position politique, du moment que, par Jalousie contre
l'autoritö, eile avait affaibli son gouvernement; eile en fait un
198
de plus, quand eile tol6ra, ou meme d^sira que des princes
^trangers pretentissent k gtre les chefs de ce gouvernement
affaibli. Enfin, ce gouvernement poavait tronver des moyens
de restauration dans les diätes animöes d'un bon esprit; eile
ae priva encore de ce moyen, ou plutot eile se pr6munit 16ga-
lement contre lui, en donnant k un insens^ ou k un factieux
le droit de rompre ou de paralyser une di^te'< (III, 265).
Der Minister Ludwigs XYIII., der auf Befehl des Königs
zum yyAkademiker^' gewählte Ferrand, hat sich weder die
Rolle Russlands in der Geschichte der Theilungen Polens noch
die Bedeutung Katharinas 11. klar gemacht. Er erkennt an,
dass Katharina ,yUne grande place dans Thistoire par F^clat
de son regne , par les grandeurs de ses entreprises, par son
amour meme pour la c^l^brit^'^ einnahm (I, 86); hinsichtlich
der polnischen Theilungen ,4^ ^^^^ stabil dans l'opinion
g^n^rale que Tinter^t de la Russie lui d^fendait de con-
sentir au d^membrement, meme en j prenant sa part'^
(II, 50); er rechtfertigt Katharina, „qui ne formait ses röcla-
mations qu!k titre d'indemnit^s pour les d6penses de tout
genre qu'elle avait faites en Pologne depuis longtemps, et
notamment pour l'entretien des troupes russes presque tou-
jours stationn^es dans ce royaume pendant les deux demiers
r^gnes, et appel^es, sous le r^gne actuel, par le roi lue m§me;
comme les faits 6taient vrais et notoires, il faut convenir que
les demandes de la Russie paraissent n'etre pas fonciferement
aussi injustes que Celles des deux autres cours^' (11, 46); in
den von Polen erworbenen Landestheilen verfuhr Russland
„milder<< als Preussen und Oesterreich: .,Nous devons k la
verit6 de Thistoire d'observer ici, que la conduite de Catherine
dans les provinces qu'elle s'appropriait, fut beaucoup plus
douce que celle de ses deux copartageants^' (11, 31). Auch
die Zeitgenossen waren sich des Unterschiedes bewusst zwischen
dem Verhalten Russlands zu den Theilungen, und demjenigen
— 199 —
Preussens und Oesterreichs : „L'6v6que de Kamienieg 6tait
surtout ti;fe8 anim6 contre la Prusse et T Anstriche — il met-
tait quelque diff^rence entre alles et la Rassle, persuadö qua
celle-ci ne se pretarait pas volontairement au partage^' (II, 36).
Trotz aller dieser Hinweise ist das ganze Werk Ferrands
wesentlich gegen Russland gerichtet, sogar in denjenigen Fällen,
wo es sich um Oesterreich und Preussen handelt. Das erste
Capitel des ersten Buches führt den Titel: „Intrigues des trois
cours relatives au d6membrement'' [(I, 61), doch wird in ihm
von der Begegnung Friedrichs II. mit Joseph II. geredet;
Friedrich Wilhelm brach den mit Polen abgeschlossenen Ver-
trag, die Schuld daran aber wird Katharina zugeschrieben —
„Catherine entreprend d'armer la Prusse contre la Pologne"
(II, 52). Nur von den Misserfolgen und den Niederlagen
Russlands macht der Verfasser Mittheiluug: „Revers des
armöes russes (I, 147), Pimbarras de Catherine (II, 160), Faib-
lesse de moyens de Catherine, epuisement de l'empire russe,
Emigration de Ealmouks (I, 284, 287, 292), Embarras de
Catherina (11, 25), Mauvais Etat de la flotte et de l'armEe
russe (11,86), Agitation intErieure de la cour de Russie (II,
118), Conduite de Catherine en Sufede (II, 195), Tentatives de
Catherine pour faire rEvolter les Grecs non-unis (II, 249),
composition du parti russe (11, 260), Intrigues du parti russe
(II, 290), Catherine fait former le complot de Targowiga"
(III, 55) u. s. w. Die in den angegebenen Capiteln über den
Zustand Russlands und über Katharina gefällten Urtheila
widersprechen den thatsächlichen Verhältnissen — das „er*
schöpfte" Russland, bei schlechtem Zustande der Armee und
der Flotte, bei „bedrängter Lage'^ Katharinas erringt ein&
ganze Reihe von Siegen zu Wasser und zu Lande, schliesst
vortheilhafte BViedensverträge und erwirbt Länder und Rechte —
und stellte die russisch-polnischen Beziehungen in einem völlig
falschen Lichte dar, aber sie brachte Eindruck hervor, und
- 200 -
diente nicht selten noch in viel späteren Zeiten den Schrift-
stellern als Leitfaden, indem sie aus Ferrand nicht nur das
Nachrichtenmaterial entlehnten, sondern sich anch seiner Be-
urtheilnng der Verhältnisse anschlössen. Die Feindseligkeit
Ferrands gegen Katharina findet ihre Erklärung zum Theil in
seinem royalistischen Standpunkte, von welchem aus er der
russischen Kaiserin ihre „Theilnahmlosigkeit'' gegenüber der
französischen Bevolution nicht verzeihen konnte; der preusische
König Friedrich- Wilhelm, ,Je seul souverain qui signait la
coalition contre la France avec des intentions droites'^ (IH,
114), wird von diesem Gesichtspuncte aus daher auch stets
in einem sehr viel günstigeren Lichte dargestellt, ungeachtet
sogar des Baseler Vertrages. Sogar die recht unschuldigen
gegen Preussen und Oesterreich sich richtenden Sarkasmen
der Neujahrs-AImanache finden scharfen Tadel seitens des
Verfiissers (I, 147), während er doch das einer Depesche des
französischen Re^denten entnommene unschickliche ürthefl
Maria-Theresias über Katharina wiedeigiebt (I, 133).
Ferrand hat sein Werk über ,.die drei Theilungen Polais"
geschrieben ..pour £sure suite aus Revolutions de Pologne de
Rulhiore** ^Xo, ST6>, doch ist dies nur in rein äusserlicher Hin-
sicht zu verstehen: Ferrand beginnt von dem Zeitpunkte« bei
dem Ruihiere stehen geblieben« und benuut für einige Zeit
die v.a vliesem gesammelten, aber n».vh nicht beÄrbeiteten
Materialien. Die Aehr.i;chkeit zwischen beiden Schrittsteilem
besteht nur daria. liass Kide äb^r Polen geschrieben haben:
ab^r weder hinsichtlich der Er^ründurg des Gegenstandes,
r.x-i der leiteni-rn Gesiehtspancte, nxh auch scgar der Fcrm
der rjLT^tellung war Ferrand eia F.rtset-ier Ton Ruiniere* der
in Rns-sli-:; ireleb: LiS* in P:Ier» ^-*rsen ist :ini «üe Poles
^ksLrn: hit, wis Al^es aia von Femnd nicht s;igefli kann.
Inf:l^e der T:Il<:i-i>en UnSekÄnntschjÄ Färrin-is nl:
F:Ien n-i Kn<^>Iinl nrft nrin Sei in:s a;i.'h UnzeninizkeiiÄÄ
— 201 —
und üurichtigkeiten, die Zeugniss ablegen für seinen Mangel
an Verständniss hinsichtlich des Wesens der Sache. In seinen
ürtheilen über den König Stanislans-Augnst und dessen Be-
ziehungen zu Katharina (I, 89, 186) schreibt der Verfasser
dem Könige das zu, wessen die polnischen Magnaten seitens
der Polen selbst beschuldigt wurden (III, 173); ihm fehlt jedes
Verständniss sowohl für das Wesen der Deportation der Polen
nach Sibirien, obgleich er oft davon redet (II, 38, 53), als
für die Dissidentenfrage, namentlich für Victor von Sluzk (II,
250), für die Bedeutung Danzigs (11, 270; III, 45), und für die
Stellung der russischen Gesandten in Warschau , die Ferrand
stets nur nach Anleitung der Depeschen der französischen
Residenten charakterisirt, wie z. B. den Herrn von Stack el-
berg (11, 34). Die Depeschen haben zwar zur Belebung der
Erzählung beigetragen, aber von unkundiger Hand ohne alle
Kritik gewählt und ausgenutzt, haben sie in vielen Fällen der
historischen Wahrheit nur zum Schaden gereicht (I, 295, 298,
307, 318, 313; II, 24, 27, 40, 86, 115, 121). Die Mittheil-
ungen über Pugatschew schliessen z. B. mit folgendem Excerpt
aus einer Depesche: „Persoune ne paralt s'occuper du grand
duc. Si l'imp^ratrice n'est pas aim^e, il faut que son fils soit
peu estim^; car malgr^ l'indisposition g^n^rale que Ton remar-
que contre la märe, on ne vante point les qualit^s du fils.
II parait qu'on en esp^re peu; et c'est peut-etre une des causes
qui s'opposent k une r6volution, ou qui la retardent" (I, 305).
Der Verfasser versteht es nicht, diese Depeschen zu verwerthen
und richtig zu benutzen selbst wenn sie für ihn höchst werth-
volle Nachrichten enthalten, wie z. B. die über die Lage der
Polen in Krakau (II, 11), welche Mittheilungen der Depesche
durch den Verlauf der militärischen Operationen vollkommen
bestätigt werden.
Seinen eigenen Reflexionen legt der Verfasser einen höheren
Werth bei als den von ihm in ungeschickter Weise benutzten
— 202 —
Documenten. Den Protest Stanislaus-Augusts gegen die De-
claration der drei Mächte (II, 23) theilt er nicht im Wortlaut
mit, und in allen drei Bänden sind nur fiinf Documente in
den Text aufgenommen (HI, 91, 97, 99, 233, 234). Wo der
Verfasser aber die Documente anführt, da geschieht dies stets
wahrheitsgetreu und mit Genauigkeit. Man wird daher das
Ton ihm angegebene Datum des Briefes Katharinas 11. an den
Admiral Nolse (I, 312) mit Vertrauen als das richtige aner-
kennen können; dieser Brief ist bei uns ohne Datum yeröffent-
licht („Sammlung^S XDI, 250). Ganz unbekannt geblieben
ist dem Verfasser ein sehr wichtiges Document: der Brief
Katharinas 11. an Stanislaus August, vom 2. Dezember 1794,
welches Schreiben, das bereits in den „Denkwürdigkeiten^^
(No. 840) veröffentlicht war, ftlr die Reise des Königs nach
Grodno von grosser Wichtigkeit wurden (DI, 136, 139).
Kostomarow, der das Werk Ferrands streng verurtheilt,
hat doch die Bedeutung der „Beilagen^^ vollkommen anerkannt
(I, rV). Thatsächlich trifft man in den „Pifeces Justificatives"
auf Documente, die auch gegenwärtig noch von Werth sind.
Kaiinka (No. 1133) begründet seine Verurtheilung des Ferrand-
schen Werkes damit, dasselbe habe auf die Polen selbst, die
ihm vertrauten, einen sehr schlechten Einfluss geübt: „i jefli
kogo ksi^ka ta w bl^d wprowadzila to chyba samychze Pola-
köw, ktörzy ni^ dodö dlugo zaspakajali si^, niebaczac ze nikomu
tyle CO nam samym ne zalezj na poznaniu zupefai^j prawdy
o upadki Polski" (CCXXI).
913. M^moires du duc de Lauxun. Paris, 1821.
Armand-Louis de Gontaut-Biron, ducdeLauzun, 1 747 — 1 793,
der letzte Don-Juan des XVIII. Jahrhunderts, hat seine Me-
moiren bis zum Jahre 1783 fortgeführt. Es ist dies nur die
Erzählung einer langen Reihe von Liebesabenteuern eines vor-
nehmen und reichen, von Madame Pompadour erzogenen und
- 203
von Maria Antoinette ausgezeichneten Lebemannes. ^^Cette
s^rie de bonnes fortunes racont^es sur le mSme ton, et od
rinconstance essaie parfois k faux des notes de la sensibilit^,
finit par ennuyer, par d6gouter meme" (Sainte-Beuve, „Cau-
series du Lundr', IV, 218). Ein solches Liebesverhältniss
brachte den Verfasser in Beziehung zu russischen Persönlich-
keiten und sogar zu Katharina.
Die Fürstin Isabella Czartoryski, geborene Gräfin Flem-
ming, 1743 — 1835, die Gemahlin des Fürsten Adam-Kasimir,
1713 — 1723, spielte in Warschau, infolge der Schwacheit des
russischen Gesandten Fürsten Bepnin eine hervorragende Rolle.
Die Fürstin machte dem Verfasser der Memoiren hierüber
folgende Mittheilung: „Le prince Repnine fut amoureux de
moi, et mal rcQu. Les troubles qui d^chirärent mon infortunö
pays lui donnferent bientot occasion de me prouver k quel
point je lui 6tais ch^re. Mes parents et mon mari irritörent
fortement Pimp^ratrice en s'opposant toujours k ce qu'elle vou-
lait. Le prince Repnine regut contre eux les ordres les plus
s^yferes; les princes Czartoryski continu^rent k etre coupables,
et k n*etre jamais punis. L'imp^ratrice^ indign^ que ses
ordres n'eussent pas 6i6 ex6cut6s, ordonna au prince Repnine
de faire arreter les princes et de faire confisquer leurs biens.
Elle lui mandait que sa vie röpondait de son ob^issance. Les
princes ^taient perdus, si le prince Repnine n'eut pas eu le
g^n^reux courage de lui d^sob^ir ... Je fus bientot le seul
bien qui restät au prince Repnine: il perdit son ambassade,
ses pensions, la faveur de Tlmpöratrice" . . . (147). Während
der Auslandsreise des Fürsten Repnin mit der Fürstin Czar-
toryski, im Jahre 1773, hatte der Fürst Repnin mit dem Ver-
fasser eine Auseinandersetzung (164), die finedlich endete, wo-
bei Fürst Repnin ihm bekannte, dass er dem Willen Katha-
rinas gegenüber ungehorsam gewesen (166).
Im Jahre 1774 entwarf der Verfasser ein Memoire über
— 204 —
die polnischen Angelegenheiten, das von Stackeiberg an Katha-
rina übersandt wurde (182); in Warschau traf er darauf mit
Stackeiberg zusammen (193) und erhielt von Katharina einen
Brief: „L'imp6ratrice approuvait mes propositions, m'6crivait
une lettre pleine de bont^, et m^euYoyait des pouvoirs fort
6tendus" (201). Die Vorschläge hatten, wie es scheint, ein
Bündniss zwischen Russland und Frankreich zum Gegenstande
(193, 215), doch bemerkt der Verüetsser, dass Marie- Antoinette
die Wichtigkeit eines solchen nicht begreifen konnte (215, 219,
222), — sie verhielt sich zu ihm ganz ebenso wie zu dem
Plane „de mettre M. le comte d'Artois sur le tröme de Po-
logne" (218). Etwas später, im Jahre 1772, „l'imp^ratrice
me faisait les propositions les plus glorieuses pour entrer k
son Service'^ (223); im Jahre 1777 „la guerre paraissait in^-
vitable entre la Russie et la Turquie", und der Verfasser be-
absichtigte „d'aller servir comme volontaire dans Tarm^e
russe" (281). „J'^crivis k l'imp^ratrice: j'en regus, courrier
par courrier, la r^ponse la plus aimable. Elle me proposait
le t^ommandement d'un corps de troupes l^g^res ä cheval, que
j'acceptai" (282). Alle diese Absichten verwirklichten sich
nicht, und der Verfasser hat in Russland niemals gedient.
Die Mittheilungen des Verfassers hinsichtlich der polnischen
Angelegenheiten erweisen sich im Allgemeinen als ziemlich
zuverlässig (Leonard Chodzka, „La Pologne pittoresque et
illustr^e); in Betreff Russlands können wir hier nur bezeugen,
dass weder in den Papieren Katharinas, den herausgegebenen
sowohl als den noch nicht veröffentlichten, in den Archiven
befindlichen, noch auch im Pariser Archive wir irgend welche
Spuren einer Correspondenz des Verfassers mit der Kaiserin
haben auffinden können.
Die Memoiren unterliegen einer sehr eingehenden kritischen
Prüfung in dem Werke von Gaston Maugras: „Le Duc de
Lauzun et la cour intime de Louis XV", Paris 1893. Der
— 205 —
erste Band flihrt bis zum Jahre 1774; ein zweiter Band ist
noch nicht erschienen.
914. Paramythia, or mental paBtdmes, belog original auecdotes, col-
lected chiefly during a long resideuce at the coort of Rossia,
by the author [Withfort]. London, 1821.
Die griechische naQUfivd-ia bedeutet keineswegs ,,mental
pastimes^', sondern stellt, streng genommen, eine ^^demonstratio
argumentorum rei propositae" dar; der Verfasser ist sich dessen
sehr wohl bewusst, und daher dient bei ihm jede Anekdote
(scarp) nur zur Rechtfertigung und zum Beweise einer be-
stimmten Maxime (indroduction). Der grösste Theil der von
ihm gesammelten Anekdoten bezieht sich auf Paul I. uud Ale-
xander I., und nur eine Minderzahl derselben auf Katharina II.
Das Buch bringt zwar keine neue, damals noch unbekannte
Anekdoten, doch ist es sehr nützlich zur Controle solcher
Werke, wie: I. S., „Der Geist Katharinas der Grossen, der
weisen Mutter des Vaterlandes, oder Charakterzüge und Anek-
doten, die die grossen Tugenden dieser unsterblichen Monarchin
darstellen" (russisch) 2 Theile, St. Petersburg, 1814; P. Ssu-
marokow, „Gharakterzüge Katharinas der Grossen", (russisch)
St. Petersburg, 1819, u. s. w.
Nach der Form der Erzählung muss man annehmen, dass
der Verfasser dieser Anekdotensammlung kein Anderer ge-
wesen ist, als der englische Gesandte, sir Charles Withfort,
der im Jahre 1893 in St. Petersburg war, als die Nachricht
von der Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. anlangte (98).
Nicht Alles hat er selbst gesehen. Vieles hat man ihm mitge-
theilt; aber Alles, was er aufgezeichnet hat, findet sich auch
in russischen Publicationen, wenn auch in anderer Darstellung.
Seine Anekdote von der Greisin (55) findet sich z. B. auch
in dem vorerwähnten Buche „Der Geist Katharinas der
Grossen" (11, 16); ebenso seine Anekdoten vom Grafen Stro-
gonow (83), von Ssamoilow (95), und von Naryschkin (101).
— 206 —
Nur die Anekdote vom Sohne Elphinstones (65) trifiFt man in
keiner früher herausgegebenen Sammlung dieser Art.
915. Exil et captivit^ du comte de Benyowski, rMig^ et mis en
ordre par Mr. Paul de P , . , Paiifl, 1821.
In dem Werke: „Histoire des prisonniers cWebrs" ist
über die Verbannung und die Gefangenschaft des Grafen
Beniowski in den Hauptzügen nach No. 659 berichtet, freilich
mit einigen Abkürzungen, die ihre Erklärung finden durch
den Wunsch des Herausgebers, „les M^moires de Monsieur
de Benyowski" zu drucken: „purgÄs de placages qui les d6-
parent*' (in).
Ein schöner Kupferstich, das Porträt Beniowskis, ist dem
Buche beigelegt.
916. Bibliotheque Kusse, par M. Fursi-Laisne-MelanshOy conteuMit
les instructions de Catherine II pour r^ducation de ses petits-
fils Alexandre et Constantin, au mar^chal prince Nicolas de
SoltykofiP. Meulan, 1821.
Eine Uebersetzung des vom 13. März 1784 datirten, an
den Grafen N. J. Ssaltykow gerichtdten Dkases, und der ihm
angeschlossenen Anweisungen (Smirdin, I, 199; „Sammlung,^'
XXVII, 301. Als Motto sind die Worte Katharinas gewählt:
„Ein gesunder Leib und eine dem guten zugewandte Geistes-
richtung bilden den ganzen Inhalt der Erziehung'^ („Sammlung^'
ibid., 302), was folgendermassen übersetzt ist: „le but de toute
bonne 6ducation consiste k affermir la sant6 ou les forces
physiques, et k diriger le plus puissamment possible vers le
bien des penchans du coeur et les facultas de Täme'^ (19).
Die Beilagen enthalten: „Memoire du g6n6ral Laharpe"
(74), „Tableau des Ätudes de Grands-Ducs (108) vom Jahre
1790, „Esquisses sur la vie du pr. N. Soltykoff" 130, nach
Swinin, und „Lettres des monarques Kusses au pr. Soltykoff
(147), mit einer Uebersetzung von fünf Briefen Katharinas
an N. J. Ssaltykow.
— 207 —
917. Lettres de rimp^ratrice de Rassie et de Mr. de Voltaire. (Edition
Tonquel). Paris, 1821.
Nachdmck von No. 459, mit einigen Erläuterungen und
Anmerkungen.
918. Djmitr Samozwaniec, tragediia w V actacb, Dayznakomitsza z
dziek niesmiertelnego Soumorokof, Wilno, 1821.
S. No. 873. Diese Tragödie ^^okazana raz pierwszy na
teatrze wiledskim 30 Czerwca 1821 roka''.
919. Kysska Gunstlingar. £n tafla af Rysska Hofvete och Cabi-
nettets historia under odertonde seclet. Stockholm, 1821.
üebersetzung von No. 894.
920. Pr^cis historique de la guerre des Turcs contre les Kusses,
depuis rannte 1769 jasqu'4 Tann^e 1774, tir6 des annales de
rhistorien tarc Vassif-Efendi, par P. A. Cauasin de Pereeval.
Paris, 1822.
Eine ausserordentlich wichtige, aus dem türkischen Lager
stammende Quelle für die Geschichte des ersten türkischen
Krieges. „J'avais accompagnÄ l'armÄe", schreibt Vassif-Efendi,
„depuis le commencement de 1184 (1770), comme employ^
dans les bureaux . . . c'est moi-m^me, quie ai 6crit presque
tous les rapports secrets adress^s au Sultan par le grand-
vizir', (XI). Er hat unter den türkischen Truppen die Zu-
rückwerfung Kaplan-Qirejs vom Pruth mitgemacht (104); er war
femer Secretar des Rels-Efendi Abderasak bei den Friedens-
verhandlungen vom Jahre 1772 (224) u. s. w. Mit einem
Worte, er ist Augenzeuge der Ereignisse, und mitbetheiligt
an ihnen, dabei ein vollkommen wahrheitsgetreu schildernder
Schriftsteller. Bei Darstellung der Ereignisse des Jahres 1769,
auf Grund ihm vorliegender prahlerischer und unwahrer Be-
richte, giebt er z. B. der Meldung von der Vertreibung der
Russen von Chotin die folgende Form: „Abaza-Mohamed-Pacha
chargea les Russes et leur tua beaucoup de monde; mais jl
perdit lui-meme tous ses bagages et un grand nombre de ses
— 208 —
soldats'* (23). Leider hat er die Kriegsereignisse erst nach
Verlauf von 30 Jahren beschrieben, bereits zu der Zeit, da
„Bonaparte actuellement premier consul des Fran9ais" war (243),
und daher ist Vieles seinem Gedächtniss entfallen; überdem
sind ihm seine Notizen und Memoiren verloren gegangen;
,,Le proces verbal de mon entretien avec Romanzoff et Obres-
koff fut brül6 dans un incendu. C'est d'apr^s un Intervalle
de trente ans que je le r^dige de memoire aussi fid^lement
que je le puis. Dieu connolt ce qui peut m'etre ^chapp^ de
contraire k la v6rit6" (21ö). Doch selbst auch nach 30
Jahren erinnerte er sich, dass Bumjanzew ihm „une voiture
appel6e Kaliska" gab (211).
Am interessantesten f&r uus sind die Friedensverhand-
lungen mit dem Grafen Orlow in Fokschany (201), mit dem
Grafen Rumjanzew in Bukarest (211), und zuletzt in Kainardshi
(271). Wir stossen hier auf interessante neue Züge. So z. B.:
„La nidesse de caract^re d'Osman-Efendi 6tait la principale
cause de la rupture du congr^s pr&s de la ville de Fokchan.
. . . Son humeur bisarre rebata d^s le premier abord les
pl^nipotentiaires russes qui se demand^rent Tun k l'autre s'ils
avaient affaire k un fou" (209). Für die Kriegsgeschichte trifft
man hier auf interessante und vollständig neue Angaben.
So z. B. über die Belagerung von Chotin (49), über die Wunde
Hassan-Paschas (50), über den Verlust von Galatz (70), über
die Expedition nach dem Archipelagus (85), über die Pest (124),
über die Krim (165, 188) u. v. a. Als Hauptursache der
Niederlage der Türken wird der völlig ungeordnete Zustand
der Intendantur bezeichnet — sowohl die Mannschaften als
die Pferde mussten häufig Hunger leiden (34, 41, 57, 136).
Ueber die Expedition nach dem Archipelagus setzte man die
Türken warnend in Kenntniss, aber sie waren, aus Unwissenheit,
überzeugt, ,q,u'il 6tait impossible qu'une escadre russe püt
venir de P6tersbourg dans la M6diterran6e" (87). Der Ver-
— 209 —
fasser äussert sich ausführlich zur Verleihung des Titels „Sa-
dunaiskij^' an den Grafen Rumjanzew (175) und spricht sich
über den Frieden von Kutschuk-Kainardshi folgendermassen
aus: yyQuoique les conditions de cette paix fiissent toutes k
Tayantage de la Russie, la Porte se trouva n^anmoins heureuse
d'acheter k ce prix la traquillit^ dont eile ayait besoin'^ (273).
921. Pr^cis des ^v^nemens militaires de la premiSre guerre des
Busses contre les Turcs, sous le r^ne de rimp^ratrice Cathe-
rine. Par le colonel Boutourlin. P^tersbourg, 1822.
Eine militärische Publication, ohne Vorwort und Inhalts-
verzeichniss, mit scbai-fer Eüntheilung des Stoffes nach Jahren,
von Januar bis zum Januar, und beginnend mit den Worten
„Campagne de 1769'' (5), obgleich der Krieg schon im Jahre
1868 begann. So ist das Aeussere des Werkes beschaffen;
die innere Bedeutung desselben wird durch die ersten drei
Zeilen charakterisirt: ,,La gueiTe qui ^clata k la fin de Fannie
1768, entre la Russie et la Porte, fut preparöe par les intri-
gues de la France" (5). Nachdem der Verfasser seine Anti-
pathie gegen die Franzosen mit solcher Deutlichkeit zum Aus-
druck gebracht, giebt er fünf Zeilen weiter folgende Aufklär-
ung über den Anlass zum Eriege : „ün parti russe en pour-
suivant les Polonais coof^d^r^s, avait, par une fatale erreur,
p^n^tr^ sur le territoire ottoman et j avait brül6 le bourg de
Balta" (5). Hier beruht, nach dem Zeugniss eines anderen
militärischen Schriftstellers, eines Kapitäns, ein jedes Wort
auf Irrthum (Petrow, I, 68). ungeachtet dessen hat ein dritter
Militärschriftsteller, ein Oberst, sich folgendermassen über den
Verfasser geäussert: „D. P. Buturlin, 1790 — 1846, ist einer der
angesehensten Russischen Militärschriftsteller" (Leer, I, 546).
Die Broschüre ist nach den Jahren in fünf Kapitel ein-
getheilt: 1. „Campagne de 1769" (5); 2. „Campagne de 1770"
(37); 3. „Campagne de 1771" (63); 4. „Campagne de 1773"
(85) und 5. „Campagne de 1774" (109). Ein Jahr, 1772, ist
BilbaiBoff, KftttutriDft U. 14
— 210 —
ganz ausgefallen: „Fannie 1773 s'^tait pass6e en n^gotiations'^
(85). Ein anderer Oberst jedoch hat über die „Campagne des
Jahres 1772^' geschrieben^ welche Darstelliing die grössere
Hälfte eines ganzen Bandes Ällt (Petrow, IX, 1—234).
922. Anekdoter om Fürst Potemkin, Förra Delen. Stockholm, 1822.
Ein zweiter Band ist, wie es scheint, nicht erschienen.
Für die Zeit der Veröffentlichung ist dies die vollständigste
Sammlung von Nachrichten über den Fürsten Potemkin. Der
Verfasser hat weniger die Nummern 706 und 736, als viel-
mehr die No. 868, „interressanta boken" (Förord) benutzt;
ihm ist jedoch No. 668 unbekannt geblieben. Die Sammlung
enthält 82 Nachrichten über den Fürsten Potemkin, wobei im
Anfange ziemlich vollständige Nachrichten über sein Geschlecht
mitgetheilt werden (7); über Katharina werden nur allgemein
bekannte Thatsachen erzählt (15, 21, 30 ff.), und nur bei Dar-
legung der Anlässe zu dem schwedisch-russischen Kriege (293),
äussert sich der Verfasser mit besonderer Strenge über die
Kaiserin.
923. Graf Rasomowsky, oder: Nicht alles ist falsch, was glänzt
Russisches Sittengemälde in vier Abtheilungen. Von Dr. Oeorg
ReinJbeek, Coblenz, 1822.
In Nekrologe des Grafen Cyrill Grigorjewitsch Rasumows-
kij, 1728 — 1803, fielen dem Verfasser besonders zwei Züge
aus seinem Leben auf: der Graf hielt offene Tafel, und zahlte
die Kartenschulden seines Secretärs. In der Biographie dieses
Mannes, der 19 Jahre lang Präsident der Akademie der
Wissenschaften, und 22 Jahre General-Feldmarschall und
kleinrussischer Hetmann gewesen, ungeachtet dessen, dass
ihm jegliche Wissenschaft fremd war, und er auf militärischem
Gebiete gar nichts geleistet, war es freilich schwierig, inter-
essantere Züge zu verzeichnen. Da Graf Rasumowskij sowohl
sein rapides Ayancement als seinen colossalen Eeichthum
„seinem älteren Bruder verdankte", dem Favoriten Ellisabeth
— 211 —
Fetrownas, fiel es ihm eben leicht, Gelder auszugeben, die ihm
ohne Anstrengung zugefallen. Anstatt einer Parodie auf solche
zwei Züge eines russischen Grosswürdenträgers hat der Ver-
fasser auf sie ein Drama geschrieben, da er diese Züge aus
dem Leben eines General-Feldmarschalls, Hetmanns und Präsi-
denten der Akademie der Wissenschaften für des ewigen Ge-
dächtnisses würdig erachtete: „An diesen Zügen eines gross-
müthigen ächtfürstlichen Charakters bildete sich nur das Ge-
mälde des Lebens in einem ächtrussischen grossen Hause,
und es dünkte mir, dass ein solches Gemälde in lebendiger
dramatischer Darstellung besonders für Deutschland nicht ohne
Interesse seyn dürfte'^ (^37). Das Drama kam in Berlin zur
Aufiiihrung, hatte jedoch, sehr zur Verwunderung des Ver-
fassers (141), keinen Erfolg; auch zu St. Petersburg wurde
m in Scene gesetzt, darauf jedoch verboten, „weil die Züge
aus einer bekannten, noch fortlebenden russischen Familie,
nämlich der Grafen Basumowsky, entlehnt seyen'^ (1^^)* Hier-
über äussert der Verfasser mit Recht sein Befremden: „was es
doch nicht für Gründe zu Verboten geben kann!"
924« Pr^cis des ^v^nements militaires de la 2« guerre contre les
Turcs, 80U8 le rögne de rimp^ratrice Catherine. Par le colonel
Boutourlin, Petersburg, 1822.
Eine Fortsetzung der Broschüre No. 921, zussmmenge-
stellt nach demselben Plane und in derselben Form der Dar-
stellung. Das Schriftchen zerf&Ut, nach den Jahren, in fol-
gende fünf Kapitel: 1. „Campagne de 1787" (5); 2. „Campagne
de 1788" (13); 3. „Campagne de 1789" (31); 4. „Campagne
de 1790" (55) und 5. „Campagne de 1791" (77).
925. Kazanie na pogrzebie xi^cia Adama Ozartoryskiego, miane przez
J. P. Worantexa. Krokow, 1828.
Am 22. April 1823 fand in der Warschauer katholischen
Kirche zum heil. Kreuze die Leichenfeier statt am Sarge des
89jährigen Fürsten Adam Kasimir Czartoryski; die Grabrede
14*
— 212 —
hielt der Bischof von Krakau, Woronitsch. Fürst Adam Ka-
simir, 1733 — 1823, hatte als junger Mann St Petershurg be-
sucht, und sich dort mit dem Grossfursten Paul Petrowitsch
befreundet^ der ihm versprochen hatte, seine Kanditatur für
den polnischen Thron zu unterstützen, und ihm am Tage
seiner Thronbesteigung den Andreas-Orden verliehen hatte.
Katharina, von dem Wunsche beseelt, dem Grafen Stanislaus
Poniatowski zum polnischen Throne zu verhelfen, musste auf
die Ansicht des Fürsten Adam Rücksicht nehmen („Archiv
des Fürsten Woronzow", XXV, 424 ; „Sammlung", XLVm, 300 ;
„Lesefrüchte", 1893, ü, 92); N. J. Panin legte der „persön-
lichen Bitte des Fürsten Adam" grossen Werth bei („Samm-
lung", LI, 403), N. W. Repnin jedoch argwöhnte in ihm einen
Kandidaten auf den polnischen Thron — ,je lui crois quel-
qu'idöe de royaut^ en tete" (Ibid., 419). Bei der Wahl eines
Kanditaten zum Kron-Hetmann („Sammlung", LVII, 265), bei
der Einberufung des Reichstags („Russisches Alterthum",
in, 478) hatte Katharins stets Anlass, den Fürsten Adam im
Auge zu behalten* In den letzten Jahren ihrer Regierung
hatte Katharina wiederum mit dem Fürsten Adam zu schaffen
in Anlass der Sequestration seiner Güter („Russisches Archiv",
1873, 2262), der Ausweisung seines Agenten („Sammlung",
XLII, 252), und auch wegen seiner Kinder („Sammlung",
XVI, 143), denen sie 43, 566, früher sequestrirte Leibeigene
wieder zurückgab („Russ. Archiv, 1873, 2315). Einer seiner
Söhne, Fürst Adam Georg, war „Freund" des Grossfiirsten
Alexander Pawlowitsch und russischer Minister des Aeussem
zur Zeit der Regierung Alexanders I. Der Kaiser schätzte
seinen Vater sehr hoch, und besuchte den alten Fürsten Adam-
Kasimir im Jahre 1805 in Pulawy und 1818 in Sjenjawy.
Fürt Adam -Kasimir ist der hervorragendste Pole der
zweiten Hälfte des XYIU. Jahrhunderts. Er hat das Cadetten-
corps begründet, in welchem Kosciuszko, Makronowski und
— 213 —
Njemzewitsch erzogen worden, er arbeitete in der ünterrichts-
commission, hat für die Reform des Gerichtswesens gewirkt,
hat theilgenommen an dem vierjährigen Reichstage, der von
Vielen auch der „constituirende^^ genannt wird, hat die Con-
stitution vom 3. Mai 1791 ausgearbeitet, alle seine Güter ver-
loren, und seine Söhne Russland als Geissein ausgeliefert . . .
Der Redner zu seiner Leichenfeier zeichnete das innere Bild
des verstorbenen Fürsten Adam Czartoryski. „M^ obszern^y
nauki i wiadomoäci, wymowny znawca tylu i^zykow, upragniony
wszystkich wspoleczeiistw ozywca, tylu obcych kraiöw i ludöw
przenikly badacz, nashichal si^ piewnie i napatrzy) owych
chwalcöw i udawcöw cnoty, poiyczana iey szat^ dumnie
potrz^saiacych" (5). Er war ein Mann geraden Charakters:
„CO w sercu, to w uäciech" (8); durch seine Arbeiten für die
Volksbildung: „niemych mowiö, agluchych slyszeß nauczyl" (11).
926« Deox nouvelles. Eliza Tarrakanoff, nouvelle russe. Par M. Hyp-
poliU Bonneüier. Paris, 1828.
Die Legende von der Tarakanow, verziert mit romanhaften
Details, erschien dem Verfssser zur Schaffung einer „nonvelle
russe' ' nicht genügend, und er schob in seine Erzählung noch
die Darstellung des Schicksals Peter Romanows hinein, „d'un fils
illegitime de Charles Ulric de Holstein et de la plus laide de
toutes les femmes de la cour (20). Der Verfasser selbst erkennt
diese Einschiebung als ganz unpassend an: „Le personnage de
Romanoff n'est pashistorique; une infirmit^, dont Pierre m 6tait
affligö, le rendait inhabile k la reproduction" (Ibid.). Dennoch
spielt Peter Romanow in der ganzen Erzählung eine erste Rolle
und drängt durch seine Person die Elisabeth Tarakanow ganz
in den Hintergrund. Bei einer solchen Disposition der Erzäh-
lung schwanden die letzten Spuren eines thatsächlichen Bildes
der Tarakanow, und es ergab sich als Resultat ein ganz phan-
tastisches Märchen.
Der Verfasser unterbricht mehrmals seine Erzählung, um
— 214 —
eine Charakteristik Katharinas zu geben. Wir lassen hier,
als Beispiel, eine dieser Einschiebungen folgen: ^^Catherine II*
sur le tröne invoquait k son aide le d^mon destmcteur de la
politique; et le g^nie malfaisant, sensible k ses priores, lui
communiquait sa sinistre inteUigence: Tinjustice, Tambition^
ringratitude, la trahison et le meurte en sont les facultas pre-
miferes; Catherine les exer^ait toutes. Le sang de Pierre m
et du prince Iwan teignait encore les marches de son tröne;
c'6tait trop peu, il fallait exterminer un peuple assez audacieux
pour refuser d'etre esclave: les Polonais devaient etre ^cras^s
sous leurs chalnes'^ (48). Solcher Charakteristilcen finden sich
hier mehrere (7, 10, 49, 107).
927. M^moires ou Souvenirs et anecdotes, par Mr. le comte de Segur,
8 vis. Paris, 1825.
Louis Philippe, comte de Sfegur, 1753 — 1830, verlebte in
Russland mehr als vier Jahre, vom März 1785 bis zum Sep-
tember 1798; als französischer bevollmächtigter Minister in
St. Petersburg, als „ministre de poche'* Katharinas, verkehrte
er viel mif ihr, begleitete sie auf ihren Reisen, nahm an den
Eremitagen- Versammlungen theil, hatte Gelegenheit, sie nicht
nur als Kaiserin genau kennen zu lernen, sondern auch von
ihrer rein menschlichen Seite, und hat, lange Jahre nach dem
Tode Katharinas, sie in seinen Memoiren gerecht und wahr-
heitsgetreu gezeichnet. Diese seine Schilderung erschien im
Jahre 1825, und war die erste in Europa veröffentlichte Schrift^
in der Katharina in anziehendem Lichte dargestellt war, als
weise Monarchin, und als bezaubernde, aufgeklärte und kluge
Frau. Die Memoiren S^gurs sind eine sehr wesentliche und wich-
tige Quelle, die bis zur Gegenwart im Westen nicht nach
Gebühr geschätzt worden und in Russland vollkommen unbe-
kannt geblieben ist. Bruchstücke aus diesen Memoiren, die
im „Sohn des Vaterlandes^' (russische Zeitung) und in den
.»Vaterländischen Memoiren" (russische Monatsschrift) im Jahre
— 215 —
1827 abgedruckt worden, und gar die als besonderes Buch
(russisch) veröffentlichten „Memoiren des Grafen S6gur über
seinen Aufenthalt in Russland während der Regierung Katha-
rinas n." (St. Petersburg, 1865) geben eine vollständige falsche
Anschauung von S^gur und seinen Memoiren; die allervdch-
tigsten Stellen sind hier ausgelassen, Vieles ist gemildert,
Anderes wieder verstümlnelt, so dass diese russischen Ueber-
setzungen nicht dasjenige Bild von Katharina wiedergeben,
das S6gur entworfen hat. Diese üebersetzungen haben in
solcher Weise sowohl dem Grafen S6gur, als der Kaiserin
Katharina nur zum Schaden gereicht.
Nachdem Katharina soeben erst von der Ernennung des
Grafen S6gur erfahren, schrieb sie unter dem 3. Februar 1785
an Joseph 11.: „M. de S^gur court jour et nuit pour se häter
de venir ici; ä en juger par la c6Uni6 de son voyage, il doit
porter avec lui plus de contrebande en politique, qu'en mar-
chandises" (Ameth, 247). Scharfsinnig zwar, aber inhaltlich
unrichtig — S^gur beeilte sich keineswegs: er reiste zunächst
nach Berlin, wo Friedrich II. ihm gegenüber sein ürtheil über
die Revolution von 1762 aussprach (II, 136), sodann begab
er sich nach Warschau, wo er mit Stanislaus- August (III, 161)
und mit dem russischen Gesandten Stackeiberg (11, 171, 174)
Bekanntschaft machte. Er erschien in St Petersburg, wohl
verti-aut bereits mit der Rolle, die Katharina im Jahre 1762
gespielt hatte (11, 75, 206), und mit der polnischen Frage
(n, 140, 148, 171, 176). Bald nach der Ankunft S6gurs
äusserte sich Katharina über ihn, als den besten der Fran-
zosen — „assurement s'est ce qui'l y a eu de mieux jusqu'ici
dans ce pays de chez vous („Sammlung*', XXTTI, 337); il est
difficile d'etre plus aimable et d'avoir un meilleur esprit; au
m6rite, k Tesprit, aux talents, aux connaissances, il Joint la
noblesse du sentiment et l'amabilit^ (Ibid., 342); sie verglich
ihn, als Dichter, mit Voltaire: „depuis que Voltaire est mort,.
— 216 —
le Premier pofete de la France, sans contredit, c'est le comte
de S6gur<' (Ibid., 342). Aus den Memoiren S^gors selbst, noch
mehr aber aus den eigenen Briefen Katharinas (Bytschkow,
142, 149; Blum, ü, 478; „Russ. Archiv", 1866, 71; 1872,
2068, 2085; Chrapowizkij, 459; „Sammlung", XXTTT, XLII,
XLYII, nach dem Register) ist zu ersehen, wie hoch sie ihn
schätzte und wie sehr sie sich flir ihn interessirte; am
3. April 1787 ratifizirte sie den Handelsvertrag mit Frankreich
(„AUg. Gesetzsammlung", No. 16,489). Sogar als S^gur, als
Patriot, im Jahre 1790 nach Frankreich abreiste, schrieb
Katharina noch über ihn: ,je suis persuad^e, que ses intentions
sont bonnes; il a Täme noble, il est instruit et 6clair^, mais
je doute qu'il rÄussisse" („Sammlung", XXTTT, 485), und erst
später, als S6gur die „verhasste" Republik anerkannte, mochte
sie von ihm gar nicht mehr hören: „pour de Philippe S^gur
il ne faut plus en parier" (Ibid., 568).
In den Memoiren S6gurs stossen wir auf eine Masse der
interessantesten Details über Katharina, den Hof, die russische
Gesellschaft, das russische Volk, die productiven Kräfte des
Landes, den Handel, Krieg und Kriegswesen, die Städte u. s. w.
Seine Schreibweise charakterisirt sich beispielsweise aus seinem
hier folgenden Urtheil über das russische Volk: „Le peuple
russe, v^g6tant dans Tesclavags, ne connalt pas le bonhenr
moral; mais il jouit d'une sorte de bonheur mat6riel: car ces
pauvres serfs, certains d'etre toujours nourris, log^s, chauflF6s
par le produit de leur travail ou par leurs seigneurs, et 6tant
k Fabri de tous besoins, n'6prouvent jamais le tourment de
la misere ou Tefiroi d'y tomber; funeste plaie des peuples po-
lic^s, mille fois plus heureux cependant, parce qu'ils sont
libres" (II, 283).
Die Uebersetzer der „Memoiren des Grafen S6gur" äussern
die Meinung, er verfuge über eine nur „recht oberflächliche
Bildung" (5), und sei ein Mensch „nicht ganz ohne Verstand" (8),
— 217 —
welches ürtheil freilich nur aus Furcht vor der Censur so ge-
flJlt wurde.
928« Levensgeschiedenissen van gevallene vorstengunstelingen, Staats-
dienaren en yeldheeren. Door C. J. WagenseiL Leeuwarden,
1825.
Eine Sammlung von 18 kurzen Biographien, in welchen
der Verfasser nach seinem Bekenntniss im „Vorberigt", „suum
cuique" wollte zu Theil werden lassen. Von russischen Staats-
männern finden wir hier nur „Alexis Petrowitz, Graav van
Bestuschef-Riumin" (130), der denjenigen Personen zuge-
rechnet wird: „en wel deels door trotschheid, listige treken,
hebzucht, aanmatigingen, eerzucht, despotisme, volksverdruk-
king, wreedheid en wraakgierigheid/' Als Quelle hat dieser
Skizze ausschliesslich das Werk No. 894 gedient.
929« M^moires de Michel Oginahi snr la Pologne et les Polonais,
depuis 1788 jusqu'ji la fin de 1815. 4 vis. Paris, 1826.
Graf Michael Oginski, 1765 — 1833, der nach einander
ünterschatzmeister flir Lithauen, polnischer Minister und
russischer Senateur gewesen, hat umfangreiche Memoiren für
die ersten 27 Jahre seiner politischen Bethätigung hinter-
lassen. Er hat sie im Jahre 1815 (I, 17) verfasst auf Grund
von Aufzeichnungen, die er seit dem Jahre 1788 gemacht,
und nach Copien aller derjenigen Documente, die durch seine
Hände gegangen waren. Diese Memoiren sind höchst inter-
essant und wichtig. Man stösst in ihnen auf Fehler, doch
sind es grösstentheils nur ganz geringfügige, im Wesentlichen
jedoch werden die Hauptereignisse wahrheitsgetreu dargestellt.
Manche verhalten sich zu diesen Memoiren wie es scheint nur
deshalb mit Misstrauen, weil ihr Verfasser vollständig auf-
richtig war. Ek selbst erzählt ausführlich, dass er, da er
weder der Conföderation von Targowicz beitreten, noch auch
die Constitution vom 3. Mai 1791 verfechten wollte, im Sommer
des Jahres 1792 nach Altwasser in Schlesien sich entfernte
— 218 —
(I, 191); nach einem Jahre, 1798, zog er sich, da er nicht
auf dem Reichstage von Grodno Sievers' Partei halten wollte,
aus Grodno auf sein Gut zurück (I, 266). Die Polen werfen
ihm vor, dass er sich den „Märtyrer-Heldenthaten für das
Vaterland" entzogen habe (Lelewel, „Trzy konstitucije", 21);
die Russen sehen darin nur seinen Wunsch, die beiden Rollen
eines „polnischen Patrioten und eines Dieners der russischen
Regierung" mit einander in Einklang zu setzen (Üowajskij,
„der Reichstag zu Grodno", 89). Es ist dies freiUch ftir die
Charakteristik des Verfassers sehr wichtig, und es muss dieser
Gesichtspunkt auch als zuverlässiger Wegweiser dienen bei
Benutzung der Memoiren^ in denen zahlreiche wichtige That-
sachen mitgetheilt werden, neben den Urtheilen und Reflexio-
nen des Verfassers, die für den Historiker ja nicht die ge-
ringste verbindliche Kraft haben. Für die Epoche Eatha-
rinas sind diese Memoiren besonders wichtig hinsichtlich zweier
geschichtlicher Episoden: des Reichstages zu Grodno und der
Wilnaer Revolution vom Jahre 1794.
Ein Spezialist, der Verfasser des grundlegenden Werkes:
„der Reichstag zu Grodno im Jahre 1793", D. Ilowajskij,
fällt ein sehr strenges Urtheil über Graf Oginski, indem er
ihn des „Mangels an Gewissenhaftigkeit" beschuldigt, dennoch
aber nutzt er seine Memoiren aus (115), mitunter sogar ohne
Nennung der Quelle (111, 173, 207). Nur vier Beispiele für
die „ünzuverlässigkeit" des Verfassers der Memoiren werden
von ihm angeführt: Oginski habe sein Project nicht am 17.
sondern am 24. Juli eingebracht (89) — eine Ungenauigkeit,
die ohne Schwierigkeit sich daraus erklärt, dass die Memoiren
erst nach 22 Jahren verfasst worden sind; die übrigen drei
UnZuverlässigkeiten (25, 47, 90) sollen darin begründet sein,
dass der von Oginski mitgetheilten Thatsachen in den Be-
richten von Sievers nicht Erwähnung geschieht, eine sehr
leichtsinnige Schlussfolgerung, die von Ilowajskij selbst wieder-
— 219 —
legt wird: auf Grund der zufälligen Aufzeichnungen Ochozkis
glaubt er an die Intriguen der französischen Marquise Lully
(17), obgleich ihrer weder in den Berichten von Sievers, noch
in den Memoiren von Oginski erwähnt wird. Unbegründet er-
scheint uns auch der Vorzug, den Herr Ilowajskij den Be-
richten an die Kaiserin vor dessen Noten an den Reichstag
ertheilt: Oginski bringt die Note vollständig (I, 273), Herr
Ilowajskij nur im Auszuge (107), und überdem in ungenauer
üebersetzung: „les 6conomies royales" — „Tafelgüter" (108);
Oginski druckt den sehr wichtigen Brief von Sievers an
Tyschkewitsch vollständig ab (298), Ilowajskij nur in kurzer
Umschrift (173). Und dabei ist Ilowajskij selbst ungehalten
über Sievers, dads er „den zum Reichstag versammelten Polen
fast jede patriotische Regung abspricht", wobei er diesem
seinem Unwillen in folgender Form Ausdruck verleiht: „Die
Geschichte kann nicht vollständig eine solche Meinung thei-
len" (119).
Für die Geschichte der Wilnaer Revolution sind die
Memoiren von Oginski gleichfalls eine unschätzbare Quelle
(I, 416). Uns ist diese, durch die sehr viel lauteren Vor-
gänge in Warschau ganz in den Schatten gerückte Episode
vollständig unbekannt geblieben. Wir vermerken hier nur
dies eine folgende Zeugniss Oginskis: „Ce fut le 12 du mois
d'aoüt que les Russes entr^rent ä Wilna, et on leur doit
rendre la justice qu'ils n'y ont pas commis les exces dont on
les a accus^s" (I, 495).
Der Verfasser theilt ausserordentlich interessante Details
mit über seine Begegnungen mit Russen. In Amsterdam,
wo der Verfasser eine Anleihe für Polen abschloss, wurde
auch wegen einer russischen Anleihe verhandelt, „je fus ac-
cus6 d'avoir cherchö k retarder ou meme a faire manquer la
n6gociation d'emprunt pour la Russie" (I, 81). In Mohilew, bei
Passek, machte er Bekanntschaft mit dem auf der Durchreise
— 220 —
nach Jassy jene Stadt passirenden Fürsten Potemkin, „qui
^mbitionnait d^etre roi de Pologne^^ (^^8). Nach seinem Ur-
theile ist der Fürst — „favori de la fortune, dont T^ducation.
iivait 6i6 n6gligöe et qui avait peu d'instruction , mais dont
le coup d'oeil 6tait tres juste et dont le tact et le g6nie
^tonnaient tout ceux qui l'approchaient" (T, 148). In
St- Petersburg bemerkte er sehr bald „quelle diflFörence Ton
faisait entre les d^lögu^s de la conföd^ration de Targowica,
qu'on semblait ^viter, et les Polonais que des affaires parti-
culi^res avaient forcös de venir dans la capitale et auxquels
on faisait un recueil T^ritablement amical et distingu^^' (206).
Fürst Subow wollte nicht einmal den Gedanken an eine zweite
Theilung Polens gelten lassen: y^Otez yous bien cette id^e de
la tete, dit le prince Zouboff avec humeur; il n'y a que les
ennemis de la Russie qui puissent d^biter des contes de cette
nature" (208). In Grodno traf er häufig mit Sievers zu-
sammen, ,,qui ötait brusque, empörte, violent et fid^le obser-
Yateur des ordres qu'il recevait, mais qui dans le fond avait
le coeur bon, et aurait d^sir6 faire le bien, si cela avait 6t6
€n son pouvoir" (309, 337). In Warschau wurde er mit dem
Baron Igelström bekannt, den er sehr viel geringer schätzte,
als Sievers — „Igelström me fit bien voir que nous n'avions
pas gagn6 au change'^ (337).
Die Memoiren schliessen viele wichtige Mittheilungen in
sich, deren Bewahrung wir ausschliesslich dem Grafen Oginski
verdanken. Nur bei ihm erfährt man etwas über eine solche
Perfidie, wie die „communication confidentielle" von Lucchesini,
„que la Russie avait propos^ au roi de Prusse de le mettre
en possession de la Grande- Pologne, s'il voulait rester neutre
dans la guerre contre les Turcs^' (I, 62). Katharina hat nur
zwei auf Oginski bezügliche Briefe geschrieben, die ihrem In-
halte nach ganz entgegengesetzt sind: einen an Passek ge-
richteten, vom Jahre 1793, über die Aufhebung der Beschlag-
— 221 —
nähme der Oginskischen Güter, welcher Brief noch immer
nicht veröfifentlicht worden, und der nur nach seinen Memoiren
(I, 214) bekannt ist, und einen zweiten an Repnin, vom
Jahre 1796, über den Verkauf seiner sequestrirten Güter, zur
Bezahlung der Schulden („Sammlung" XVI, 532). Nur bei
ihm liest man eine gewissenhafte Schätzung des Bankrotts
der Warschauer Banquiers vom Jahre 1792 (I, 237), einen
Bückblick auf die Politik Gustavs III. unmittelbar nach dem
Frieden von Werelä (83), eine Aeusserung Igelströms über
die zweite Theilung (262) u. a.
In den Memoiren sind wir nur auf zwei, die Epoche
Katharinas betreffende Naivetäten gestossen, nicht etwa von
ihm gemeldete Thatsachen, sondern politische Ansichten des
Verfassers, die er freilich mit vielen seiner Zeitgenossen ge-
theilt hat So war er überzeugt, dass — „si on avait presse
les Operations de la diöte et proclam6 la Constitution du
3 mai 1791 dixhuit mois plus tot, la Pologne 6tait sauv^e'^
(I, 51). Die zweite Naivetät trägt ganz denselben Charakter:
der Tod Leopolds habe es Katharina möglich gemacht,
Preussen von Polen abzuziehen — „si le rfegne de Leopold
avait 6t6 prolongö, l'Europe aurait evit^ de grandes calami-
t6s" (I, 170), aber auch in diesem Falle war er nur das Echo
der öffentlichen Meinung, wie er denn beifügt: „Fopinion
g6n6rale porte k croire". Der Verfasser sucht im Uebrigen
stets nach Möglichkeit den preussischen König zu entschuldi-
gen, sogar hinsichtlich der ersten Theilung (I, 30); sogar das
Verhalten des preussischen Königs im Jahre 1792 hat in
dieser Hinsicht die Stellung des Verfassers nicht zu beein-
flussen vermocht (I, 176).
Es muss hier hervorgehoben werden, dass wir uns bei
der Besprechung der Memoiren Oginskis ausschliecslich auf
die im ersten Bande behandelte Epoche Katharinas IL be-
schränkt haben. In den übrigen Bänden sind noch viele
— 222 —
Documente abgedruckt (III, 315, 372; III, 47, 77, 82, 87, S.)
und eine grosse ZaM Mittheilangen über die Beziehungen des
Verfassers zu Alexander I., betreffend die Organisation Polens
(II, 369; m, 39, 70, 73 sqq.). „Je tenais un Journal, dans
lequel je notais exactement et avec tous les d6tails ueces-
saires, tout ce que j'avais dit ou que j'avais entendu dire k
Fempereur r6lativement k la Pologne et aux Polonais^' (III, 81),
was diesen Mittheilungen einen besonderen Werth verleiht. In
der Beilage zum lY. Bande sind abgedruckt: „Charte con-
stitutionelle du royaume de Pologne'^ und sechs Documente,
die auf Polen, bis zum Anfange des Jahres 1826, Bezug
haben.
930. M^moires de M. de Falekenskiold, officier g^n^nü au service de
S. M. le roi de Danemark, k r^poque du miniBtöre et de la
catastrophe du comte de Straen«6e. Paris, 1826.
Der reiche Däne Falckensciold hatte sich dem Eriegs-
berufe gewidmet, während des Siebenjährigen Krieges in den
Reihen der französischen Armee gefochten, wo er bei KQoster-
kamp schwer war verwundet worden, — und im ersten tür-
kischen Kriege, in russischen Diensten, wo er fQr Larga das
Georgenkreuz erhalten. Unmittelbar nach dieser Auszeich-
nung wurde er nach Kopenhagen abberufen, fiel dort in Un-
gnade, und unterlag, infolge einer Hofintrigue, einer fünigäh-
rigen Festungshaft. Vom Jahre 1780 an, war er aus Däne-
mark ausgewiesen, und lebte darauf vorzugsweise in Lausanne.
Im Jahre 1787 erhielt er seitens der russischan Regierung
eine Aufforderung zum Eintritt in ihre Dienste, der dänische
Hof widersetzte sich jedoch seinem Wunsche, nochmals für
Russland gegen die TtLrken zu kämpfen. In Lausanne ordnete
er seine Memoiren, in denen er auch viel über Russland
spricht.
Vorzugsweise über den ersten türkischen Krieg berichtet
er in seinem „Consid^rations sur les campagnes des Russes
— 223 —
contre les Furcs durant les annÄes 1769 et 1770". Seine
Kenntnisse wurden in der russischen Armee sehr geschätzt.
„J'avais la commission particulifere de faire lever les positions
de rannte; les cartes de campagne de 1770, qui furent en-
Yoy^es k Timpöratrice et rendues publiques, sont mon ou-
yrage" (3). Militärische Spezialisten werden mit Interesse die Be-
merkungen des Ausländers über diesen Krieg, an dem er theil-
genommen, lesen, und die Yon ihm mitgetheilten Details über
den Kriegsplan (42), über Ghotin (61), über Larga (77) und
den Kagul (82) verwerthen, sowie seine Aeusserungen über die
Mängel der russischen Truppen (41, 59, 64, 70, 81, 92).
üeber die russischen Soldaten schreibt der Verfasser: „Le soldat
russe ne m'a point paru fort robuste; j'ai les trouv6s fort
Sujets aux rhumes, k Töpuisement et aux dyssent^ries; mais
on trouve en lui de bonnes qualit^s: il ne döserte pas, il est
patient dans la misöre, ferme dans le poste od il est plac6;
il suit bien TofQcier qui le guide" (26). Er charakterisirt die
Personen, mit denen er zusammengetroffen ist; die Gebrüder
Panin (29, 35), die Gebrüder Tschemyschow (31), Potemkin
und den Fürsten Golizyn (33), Kamenskij und den Fürsten
Repnin (34), Bauer (35), Rennenkampf (36), Fabriziano (36,
67), Soritsch (74), den Prinzen von Braunschweig (87) u. A.
über den Grafen Rumjanzew äussert er sich folgendermassen:
„C'ötait un homme de beaucoup d'esprit naturel, mais de peu
d'instruction; entet^ de ses opinions, fort portö ä la Jalousie,
incertain et ind^termin^ dans les ordres qu'il donnait, par la
crainte de se compromettre'' (34), doch erzählt er selbst die
Potsdamer Scene Yom Jahre 1776 (69). Seine Bemerkungen
über die Ukraine (6, 11, 17), über das Resultat des Kampfes
bei Tschesme (41), über die Pest (71), sind sehr interessant.
Aufmerksamkeit erregt die Erzählung des Verfassers über die
Verwendung eines fremden Kopfes: die Türken hatten dem
gefallenen Oberst des St. Petersburger Regiments den Kopf
— 224 —
abgeschlagen, und mit sich genommen: y,on porta le corps dans
le camp poxir lui rendre les demiers devoirs et Ton y ajnsta
une tete ötrangfere pour sauver Thonneur du r6giment: le
colonel 6tait brun, la tete adaptöe 6tait blonde" (57) — es ist
jedoch diese Erzählung wohl mehr nur interressant, als glaub-
würdig. In dem Kapitel „De la n^gociation entre le Dane-
mark et la Bussie concemant le Holstein" ist die vortheil-
hafte Lage Holsteins gut erörtert (104), und die Arbeiten
Asseburgs (105), Banzaus (108) und Ostens (112) werden
kritisch gewürdigt Interessant ist die Satire auf Orlow (122),
und die Mittheilung über die Gonferenzen der Feinde Buss-
lands bei Banzau (113).
Die „Guere de 1788 entre la Sufede et la Bussie" (301)
bietet nichts Interessantes, und sogar auch die Aeusserung
über den Prinzen von Nassau kann nicht dafür gelten.
Wie aUe Verfasser von Memoiren spricht auch Herr von
Falckensciold viel von sich selbst, überall sein Ich in den
Vordergrund schiebend (41, 43, 51, 68, 73, 87, 91, 122, 309);
seine Beobachtungen aber entsprechen meist der Wirklichkeit,
und seine ürtheile sind gerecht. „La plupart des accl6siasti-
ques en Bussie ne savent ni lire, ni 6crire" (9). „Ce que
les moeurs russes ont de vicieux est le rösultat du despotisme
sans bornes du gouvernement, de Tesclavage du cultivateur
et surtout de la servitude domestique" (14). „Les diverses
opinions qu'on s^est formöes de la Bussie sont fort exag6r6es.
On exag^re, quand on soutient que la Bussie m^nace l'Europe
enti^re d^un joug prochain — les forces de cet empire sont
bien moins formidables que ne le croient ceux qui avancent
cette opinion; on exagfere aussi en afiirmant que les Busses
ne sauraient s' Clever k un grand degr6 de prosperit^, de civili-
sation et de puissance" (15), und noch viele^ndere scharf-
sinnige und treffende Bemerkungen finden sich in diesen Denk-
wi^rdigkeiten.
— 225 —
Alle Bemerkungen des Verfassers speciell über das russische
Heer finden sich übersetzt bei Herrmann, V, 600.
93L 0 tempsl o meurs! Com^die en trois actes, composde en 1772,
par rimp^ratrice Catherine II, et traduite de russe en fran^ais
par M. Leclerc Paris, 1826.
Eineüebersetzung aus dem Russischen von ,,0 Zeit ! Komödie
in 3 Acten, verfasst in Jarosslawl im Jahre 1772", St Peters-
burg (Ssopikow, 5525). Die Broschüre, „imprim^e pour la
soci^t^ des bibliophiles frangais, en 25 exemplaires", hat den
Schein der Mystification durch Weglassung der Notiz „verfasst
in Jarosslawl" vermieden. Katharina ist nur im Jahre 1767
in Jarosslawl gewesen, und zwar nur während der Dauer von
vier Tagen, vom 9. bis zum 13. Mai (Sammlung, X, 189 ff.),
wobei sie auch die Bemerkung machte, dass „die Jarosslawe-
rinnen zwar von Gesicht hübsch, nach ihrer Taille und ihrer
Kleidung aber einer »mappamonde« ähnlich seien" (ibid., 190);
im Jahre 1772 hat Katharina sich gar nicht von St. Peters-
burg entfernt („Kammerfourier-Journal", 1772). Im Jahre 1773,
28. Januar, wurde „0 Zeit!" im „Kleinen Theater" des Winter-
palais in Gegenwart von Katharina und 257 Personen des Hofes
(ibid., 1773) zum ersten Male von „Kavalieren und Fräulein"
aufgeführt. Die Komödie gefiel damals dem Publikum; später
aber, im Jahre 1791, vnirde sie „trocken aufgenommen"
(Chrapowizkij , 355). Nowikow war in BegeisteruDg über die
Komödie, und widmete der Verfasserin bekanntlich das Jour-
nal „Der Maler". I^i der vom 12. April 1772 datirten
Widmung ist gesagt, die dreimalige Aufführung habe allemal
einen starken Eindruck gemacht; das Stück ist also, bevor
es auf der Hofbühne gespielt wurde, im Jahre vorher be-
reits auf einer Privatbühne aufgeftihrt worden. Es muss
hierbei erwähnt werden, dass dies Stück auch jetzt noch
auf der Bühne des Alexandra-Theaters in St. Petersburg auf-
geführt wird.
Bllbassoff, EaUiarina U. 15
— 226 —
932» Die Einnahme von Chozjm. Erzählung von Ernst Wodomerma,
Coburg, 1826.
Es ist dies nicht eine „Erzählung", sondern ein „Roman**,
aber nicht einmal ein „historischer"; die Belagerung und
Capitulation von Chotin dienen hier nur dazu, den Titel effect-
Yoll zu machen. Ein grosser Theil des Romans ist der tau-
rischen Reise und namentlich der Begegnung Katharina' s mit
Joseph n. gewidmet, wobei der Verfasser ausführlich die
Bilder der nicht existirenden Städte und Dörfer (74, 88) er-
klärt, für welche Potjemkin den Titel „Tawritscheskij" („Der
Taurier") erhielt: „Potemkin hatte für seinen monarchischen
Betrug den Ehrennamen Tauritschefsky erhalten" (232). Bei
der ersten Begegnung Katharina's mit dem Grafen Falcken-
stein (131) war auch Ssuworow anwesend (120). Dort ist auch
die höchst phantastische Geschichte Pugatschew's erzählt (99).
Die Reise nach der Krim fand im Jahre 1787 statt (2), und
in demselben Jahre, im Sommer, begann auch der zweite
türkische Krieg (236). Nach Chersson kommt, zum Empfange
Katharina's, die Zarin von Imeretien (12) mit zwei Töchtern;
der Vater der älteren ist der Chan der Krim, Girej (189), und
sonstiger weiterer Unsinn.
Die Intrigue des Romans ist auf Liebe aufgebaut, in
Chotin aber führt ein Sohn des Prinzen von Koburg in Un-
freiheit ein gequältes Dasein, und der Pascha von Chotin er-
kauft um das Leben dieses Sclaven die Unthätigkeit der öster-
reichischen Armee.
933. L*ombre Immortelle de Catherine 11 au tombeau d* Alexandre I.
Par Mlle. M. A. Le Normand. Paris, 1826.
Die zu ihrer Zeit vielberufene Wahrsagerin Lenormand,
1772—1843, hatte einige Werke veröflFentlicht, in denen die
politische Zukunft einzelner Nationen und der ganzen Welt
vorausgesagt war. Diese Bücher bilden eine wahre Blumenlese
thörichter Phrasen, reich verbrämt mit zahllosen Punkten
— 227 —
und Ausrofungszeichen. So beschaffen ist auch die uns hier
vorliegende Broschüre.
Der Name Eatharina's dient hier nur zur Verzierung des
Titels. Der Broschüre ist eine Zeichnung beigelegt, Katha-
rina am Sarge Alexander's darstellend; beide Personen er-
scheinen hier in ganz phantastischer Gestalt.
934. Elatharina 11., Esserin von Rassland. Gotha, 1827.
In Deutschland wurde ein „Deutscher EJhrentempel" heraus-
gegeben, in dessen achten Band auch Katharina II. als „die
Tochter eines edlen deutschen Fürstenstammes'' aufgenommen
worden. Als die Tochter eines kleinen deutschen Prinzen
unterschied sie sich in nichts Yon Hunderten von Prinzessinnen
in ähnlicher Lage, aber „in den Hallen eines Tempels der
Ehre" finden nur hervorragende Persönlichkeiten ihren Platz,
und darum ist die kurze Biographie Katharina's in panegy-
rischem Tone abgefasst. Wir würden hier vergeblich nach
neuen Thatsachen suchen oder gar nach neuen Gesichts-
punkten; aber sogar auch an den wesentlichen biographischen
Angaben fehlt es. „Sie wollte Grosses, sie wollte Gutes, und
das was sie wollte, hat sie auf eine ruhmwürdige, und für ihr
Volk unvergessliche Weise erreicht (5). Es war der volle Auf-
gang einer strahlenden Morgenröthe, welche einen noch herr-
licheren Tag verkündigt. Europa wandte mit Neugierde seine
Blicke hin, aber zugleich auch mit Erstaunen, wie von dorther,
wo es nur noch Unwissenheit vermuthet hatte, Licht und Auf-
klärung erscheinen könne (8); Katharina zeichnete sich durch
eigene Thätigkeit in Staatsgeschäften, neben dem grossen
Friedrich, auf das Vortheilhafteste vor allen andern damaligen
Grossen Europa's aus" (13) u. s. w. Mit solchen allgemeinen
Lobeserhebungen ist die ganze Biographie angefüllt. Wenn
hin und wieder auch irgend welche Thatsachen angeführt
werden, um den Lobeserhebungen als Unterlage zu dienen,
15»
— 228 —
wie z. B. die Absendung eines Handelsschiffes in die Häfen
des Mittelländischen Meeres (11), so stammen diese vorzugs-
weise aus Büsching's „Magazin f&r die neue Historie und
Geographie" (IX, 165). Besondere Unrichtigkeiten oder auch
nur kleinere Versehen stossen uns hier nicht auf.
935. Delia, nouyelle rnsse, Par Mme. L. de Saint- Ouen. Paris, 1827.
Fürst Daschkow, als Kurier mit der Nachricht von einem
über die Türken erfochtenen Siege unterwegs, hatte auf einer
der Stationen, während der Zeit des Umspannens der Pferde,
eine 16jährige Bäuerin, die schöne Julia, geheirathet, war
aber dann, seine junge Frau zurücklassend, nach St. Peters-
burg weitergeeilt. Der Fürst hatte seine Stationen-Heirath
ganz vergessen, und die stolze Fürstin E. B. Daschkow will
von dieser „m6salliance" nichts hören. Als Beschützerin der
Verlassenen erscheint Katharina: nach ihrer Entscheidung darf
die Ehe nicht geschieden werden; aber, in Berücksichtigung
der Ungleichheit der gesellschaftlichen Stellung gestattete
Katharina dem Besten, mit seiner bäuerlichen Frau nicht zu
leben, verpflichtete ihn aber, ihr auf einem der fürstlichen
Güter Unterhalt zu gewähren als einer „Fürstin Daschkow".
Hier bildet Julia ihren Geist und ihr Herz mit Hilfe einer
Mme. Belmont aus; Fürst Daschkow verliebt sich nach Jahres-
frist in eine schöne junge Wittwe, „la comtesse Obalinska",
über die ganz Moskau von Sinnen ist; er ist bereit sie zu
heirathen, Katharina aber ist unbeugsam (66, 143, 151), und
verbietet die neue Ehe, da die erste Frau am Leben. Zum
Glück für den Fürsten Daschkow ist „la comtesse Obalinska"
identisch mit Julia, Fürstin Daschkow.
936. II poema tartaro di Oio-BaHsta CosH con in fine le annota-
zloni per gli occorenti Btiariinenti. 2 v. Bmsselles, 1829.
Siehe No. 765.
229
937. Histoire philosophique et politique de BuBsie, depuis les temps
les plus recul^s jasqu'^ nos joors. Pax Esneaux et Chenneehot,
5 vis. Paris, 1830.
Von den fünf Bänden dieser Geschichte ßusslands, von
Rnrik bis zum Jahre 1829, ist ein ganzer Band (IV, 245 — 503;
V, 1 — 186) Katharina II. gewidmet. Die ersten zwei Bände
sind von Esneanx allein herausgegeben, und erst vom dritten
Bande an tritt Chenneehot als Mitarbeiter ein; so ist es denn
nicht bekannt, wem die der Begierungszeit Eatharina's II. ge-
widmeten Kapitel angehören, um diese Kapitel richtig be-
greifen und die ürtheile der beiden Verfasser würdigen zu
können, ist es nothwendig im Äuge zu behalten, dass sie in
der ganzen russischen Geschichte bis zu Katharina einschliess-
lich nur „une s^rie de trames perfides, de violences atroces,
de meurtres sous tous les prötextes et sous toutes les formes^'
erblicken (IV, 291), aber nach ihrer Ansicht „ceci n'est pas
particulier k la Bussie. Ce n'est pas une seule dynastie, ce
ne sont pas toutes les dynasties d'une seule nation qui ont
donn6 le scandale de ces forfaits dans la personne de ceux
que Tadulation salue du titre d' Augustes. Quoi qu'on ait dit
du dösordre des r^publiques, on n'y voit point le sang ni le
poison couler ä Toccasion de Fölection d'im consul ou d'un
archonte. Je ne sais pas de plus fort argument k Tappuis de
Topinion que les formes constitutionelles favorisent la stabilit^
des trones autant que la f61icit6 des peuples" (IV, 292, 293).
Bei der Darstellung der Regierungszeit Katharina's 11.
sind die Verfasser an ihre Aufgabe ausserordentlich naiv her-
angetreten: auf Grund der Berichte von Cast^ra (IV, 298,
331, 370, 386 flf.), Eulhifere (IV, 305, 337, 377; V, 39 flf.),
Massen (IV, 318, 410; V, 21 flf.) u. Anderen spinnen sie
ihre Erzählung ohne jegliche Kritik fort und gerathen dabei
zuweilen sogar in Widersprüche; und da es sich hier um
eine „histoire philosophique et politique^' handelt, so über-
— 230 -
schütten sie die Erzählung stellenweise mit moralischen Sen-
tenzen und politischen Betrachtungen sui generis. So erzählen
sie z. B., dass der zweite Türkenkrieg vom Fürsten Potjemkin
nur deshalb hervorgerufen worden sei, damit er den Orden des
hl. Wladimir erhielte, und sprechen sich bei dieser Gelegen-
heit gleich über den Krieg im Allgemeinen aus: ,,Et Topinion,
lächement compiice des 6carts les plus r^pr^hensibles de la
puissance, ne ränge pas encore cela parmi les crimes! Pleine
d'horreur pour le sc6l6rat qui ne tue qu'un homme, eile re-
specte, eile admire meme celui qui en tue cent mille" (V, 63).
Von allen Fragen der Epoche Eatharina's, hat die polnische
Frage die meiste Aufmerksamkeit der beiden Verfasser erregt
(IV, 340, 344, 354, 392, 419, 485; V, 17, 82, 92, 101, 103),
wobei sie natürlich auch die Dissidenten-Frage nicht über-
gangen haben (IV, 398, 424). Die Hauptschuldige an dem
Untergange Polens ist natürlich Katharina — : Alle sind
schuld, mit alleiniger Ausnahme der Polen, „mais la princi-
pale part de crime et de honte revient, sans contredit, k
Catherine. Ce fut eile qui congut toutes les perfidies, ex6cuta
toutes les violences: les polonais eussent peut-etre lass^ ou
fl^chi Tempereur et le roi de Prusse; mais ils ne purent tenir
contre une persistance de femme ambitieuse et despote par
caractere autant que par position" (V, 103). Nachdem die
Verfasser verschiedene Nachrichten über den Grafen Stanislaus
Ponjatowskij, den Orlow „un mauvais comödien" (IV, 393) ge-
nannt habe, und darunter auch Unrichtiges (IV, 375) mitge-
theilt, fällen sie endlich auch ihr eigenes Urtheil über ihn
(V, 102), das jedoch aus Gemeinplätzen besteht.
Am wenigsten ernst ist die Elriegsgeschichte behandelt.
Die Verfasser sprechen von den russischen Siegen mit Miss-
vergnügen, fast mit Aerger (IV, 470), erblicken in jedem Siege
ein „oeuvre de la fortune** (IV, 473), schreiben dem Grafen
Rumjanzow „une r6putation fort öquivoque" zu (IV, 472), er-
— 231 —
zählen jeden Unsinn über Ssnworow nach (V, 99), sind über
die Einnahme Otschakows nnznfrieden (Y, 74), erweisen sich
in der Geschichte des schwedischen Krieges als völlig un-
wissend (V, 72) und erlauben sich schliesslich, über die
russische Kriegsmacht eine wissentliche Lüge auszusprechen:
„Les 6tats-majors russes, dit ä ce sujet le cölöbre g^n6ral
anglais Wilson, sont les plus mal organis^s de toute la
chrötient6, et Forganisation du d6partement militaire est
vicieuse en proportion" (V, 166). Wer ist dieser Wilson, und
worüber hat er geschrieben? Wilson war zur Zeit Katha-
rina's nicht in Bussland, und die russische Armee jener Zeit
hat er weder gesehen noch gekannt. Er war während des
Feldzuges von 1812 in Eussland, nahm an dem Brückzuge der
französischen Armee Theil, wohnte sogar der Einnahme von
Paris bei, und gab im Jahre 1817 in London ein „Sketch of
the military and political power of Bussia in the year 1817"
heraus, von dem noch in demselben Jahre eine französische
Uebersetzung erschien: „Puissance politique et militaire de la
Eussie en 1817". Somit haben die Verfasser ein Urtheil aus
dem Jahre 1817 — ob es gerecht ist oder imgerecht, das
bleibt sich gleich — auf die Armee Katharina' s angewandt und
dabei dem Leser das Werk verheimlicht, dem sie dieses Ur-
theil entnommen haben.
Die Charakterbilder der „Katharina'schen Adler" — der
Fürstin Daschkow (IV, 258, 270, 332), des Grafen G. G. Orlow
(IV, 269, 297, 391), des Grafen N. J. Panin (IV, 271, 280,
299, 322, 389), des Fürsten Potjemkin (V, 22, 69, 74) —
sind vollkommen schablonenhaft. Aufmerksamkeit verdient nur
das „Projet de Constitution aristocratique redigö pas Panin"
(IV, 322) — besonders deshalb, weil es M. A. von Wisin Ver-
anlassung gab, in seinen „Memoiren" das Schicksal des Projects
ausführlich zu erzählen (Buss. Bibliothek, Bd. IX, Leipzig 1859).
Ueber diese Frage sind in den letzten Jahren zwei verschiedene
— 232 —
Ansichten ausgesprochen worden (Bilbassow im II. Bande der
„Gesch. Katharinas", und Tschemulin, „Das Reichsraths-Pro-
ject", im Journal d. Min. der Volksaufklärung, 1894, März).
Die Verfasser nennen Katharina gar nicht anders als
„astucieuse" (IV, 357; V, 87). „Catherine conserva jusque
dans sa veillesse des traits d'une v^ntable beaut6" (V, 135);
,Jamais couronne ne coiffa mieux une tete que la sienne"
(V, 136); , Jamals femme n'aurait 6t6 plus aflfable, plus douce,
plus affectueuse" (V, 137). Das bezieht sich auf das Aeussere
der Kaiserin; über ihre inneren Eigenschaften heisst es:
„Projetant beaucoup, eile ex^cuta peu, acheya moins encore,
et Tavenir sembla prouver qu'except6 dans ce qui int^ressait
son amour-propre, satisfaite de l'honneur de l'entreprise, eile
d^daignait celui du succfes, ou manquait de la persistance
d'esprit nöcessaire pour le m6riter" (IV, 312); „Catherine fat
humaine, comme eile fat philosophe, comme eile fut liberale;
eile affecta toutes les vertus nobles, mais eile n'en eut
röellement aucune, quoique la grandeur de ses id^es ait
d6guis6 k des yeux peu p^n^trants la petitesse de son äme
et la söcheresse de son coeur" (V, 140); „Catherine eut moins
le göut des lettres que l'ambition de la c616brit6 qu'elles
procurent. C'est une chose 6tonnante que les rapports de
caract^re et de göuts qu'elle eut avec Fr6d6ric, k qui cepen-
dant eile fut inferieure sous tous les rapports" (V, 152).
In Folge des Mangels jeglicher Kritik finden sich in dem
vorliegenden Werke wichtige üngenauigkeiten, die vermerkt
werden müssen: über den Eid Bressant's (IV, 282), über loann
Antonowitsch (328), über Ponjatowskij in Riga (375), über
Wissotskij (388), über Paul Petrowitsch (437), über die Mittel
der Bank (442), über Sawadowskij (V, 26), über Mansur (68),
über die russische Geschichte en allemand (153), über das
verloren gegangene Regiment (165). Es giebt deren noch
mehr; wir haben nur die wichtigsten angeführt. So sind z. B.
— 233 —
die Angriffe auf die taurische Beise (V, 64, 144) doch allzu
allgemein und verbraucht, als dass es sich lohnt, bei ihnen
zu verweilen. Wir vermögen nicht anzugeben, woher die
folgende Nachricht stammt: „Timpöratrice semblait vouloir
s'arroger le monopole de la gloire litt^raire dans tout son
empire; du moins la vit-on rappeler de Turin, oü il 6tait son
ministre, et disgracier le russe Beloselskol, dont tout le crime
6tait de cultiver avec succ^s la poösie*' (V, 155). Fürst
Alexander Michailowitsch Bjelosseljskij bat im Mai 1792 um
eine Erhöhung seines Qehalts als Gesandten in Turin; Katha-
rina schrieb in diesem Anlasse: „Ich bitte Seiner Durchlaucht
zu schreiben, dass er die Füsse nach der Decke strecken und
weiter an eine Zulage zu seinem Gehalte nicht denken solle,
über welche Bericht zu erstatten das Collegium nicht mal zu
denken wagt" (Russ. Alterthum, XIV, 453). Zwei Jahre
später, im März 1794, schrieb Graf F. W. Eostoptschin aus
Petersburg: „le pauvre B61oselsky perdit sa place sans le
douter le moins et au moment oü il voulait y retoumer"
(Kuss. Archiv, 1878, I, 293). Die litterarischen Arbeiten des
Fürsten konnten in keiner Weise als Vorwand für seine Ab-
berufung dienen. Sein Stück „Olinjka oder die erste Liebe'^
wurde auf der Bühne dargestellt und im Jahre 1791 gedruckt,
und seine „Dianologie" wurde noch früher, im Jahre 1790,
in Dresden herausgegeben (Bantysch-Kamenskij, I, 70). Wahr-
scheinlich war Katharina mit seiner Dienstleistung, vielleicht
mit seinen Berichten unzufrieden (Russ. Archiv, 1877, VI, 369).
Eine Kritik des vorliegenden Werkes ist in der „Revue
Encyclop^dique", XL, 473, abgedruckt.
988. M^moires du baron Orimm, agent secret k Paris de Timp^ra-
trice de Russie. 2 vis. Paris, 1830.
Melchior Grimm, 1723 — 1807, hat niemals seine Memoiren
geschrieben. Ein Jahr nach seinem Tode wurde eine Skizze:
„Le baron de Grimm, par J. N. Meister" verfasst (Toumeux,
— 234 —
I, 4), die überhaupt die einzige Quelle für die Lebensgeschichte
Grimm' s bildet. Was seine Beziehungen zu Russland anbe-
langt, so sind sie in dem von Grimm verfassten ,,M6moire
historique sur l'origine et les suites de mon attachement pour
l'impöratrice Catherine II, jusqu'au döces de Sa Majestö Im-
periale" (Sammlung, 11, 325) dargelegt.
Die Unechtheit der vorliegenden Memoiren wird am besten
durch die Beziehungen Grimm' s zu Katharina erwiesen. Diese
Beziehungen haben wir in dem Aufsatze „Katharina II. und
Grimm" eingehend untersucht (Buss. Alterthum, LXXVII, 257).
In den vorliegenden zwei Bänden nehmen diese Beziehungen
gerade 12 Seiten ein (11, 231 — 244), von denen zehn dem Nach-
drucke eines Briefes Grimm's an Mme. Geoflfrin, vom 10. No-
vember 1773, aus St. Petersburg, gewidmet sind (11, 233—243).
In der Darstellung aber findet sich folgender Unsinn: „une
d^putation des grecs des familles les plus distingu^es s'^tait
rendue k St.-P6tersbourg et avait salu6 du nom d'empereur
d'Orient le plus jeune des grands-ducs" (EL, 244) — also eine
Deputation soll im Jahre 1773 den Grossfürsten Konstantin
Pawlo witsch begrüsst haben, der erst 1779 geboren wurde!
Ausserdem wird Russland nur drei Male erwähnt: 1. in An-
lass des Briefes Katharina's an Ssumarokow vom 15. Februar
1776 (Sammlung, XTTI, 17), wobei die Scene des Zomausbruches
folgendermassenerzählt wird: „la salle est ouverte et le rideau
lev6; Belmontia paralt: Tirascible Sumarokoff s'6lance sur le
th^ätre, se pr^cipite sur Tactrice, et la jette dans la coulisse"
(n, 53) — : Hier haben die Fälscher den Entrepreneur Bel-
monti in eine Schauspielerin Belmontia verwandelt I — 2. Bei
der Besprechung der Unterhandlungen, die mit Bezug auf die
„Geschichte" Rulhifere's (No. 775) geführt worden sind (11, 95,
146), und 3. bei Erwähnung des Ankaufs der Bibliothek Vol-
taire's (11, 368), wobei ein Brief Katharina's an Mme. Denis
angeführt wird (Sammlung, XXVII, 156).
— 235 —
Dem ist entgegenzuhalten, dass von allen Ausländem
Grimm am meisten und am längsten sich der Aufmerksamkeit
Eatharina's erfreute, und dass er sie natürlich besser als alle
Anderen kennen musste; rühmt er sich doch selbst, dass er
sogar das Geheimniss der Begierungsthätigkeit Eatharina's
kannte! Er schrieb an Mme. Necker: „H n'y a peut-etre que
moi au monde qui sache distinctement le secret du rägne de
Catherine, employ^ tout entier ä miner les bases du despotisme
et k donner avec le temps ä ses peuples le sentiment de la
libert^" (Eevue d. d. Mondes, XXXVIII, 86). Grimm Utt in
der That keinen Mangel an Material für seine Memoiren,
aber dieses Material war den unwissenden Herausgebern des
Torliegenden Werkes nicht bekannt.
Die Unwissenheit der Herausgeber überschreitet jedes
Mass. Nehmen wir z. B. die polnische Frage, so heisst es
bei ihnen: der letzte polnische König Stanislaus August,
1732 — 1798, „avait servi honorablement sous Charles Xu, roi
de Su6de" ; sogar die erste Theilung Polens ist den Fälschern
unbekannt — : „Stanislaus- Auguste abdiqua en 1793, epoque
fatale du premier partage de la Pologne" (11, 243)!!
Diese Fälschung hatte keinen Erfolg, und im Jahre 1834
erschienen deshalb die „Nouveaux m^moires" (No. 960), bei
denen jedoch nur das Titelblatt neu ist (Titelausgabe).
939* Pamigtniki Jana Küinskiego, szewca, a razem pulkownika 20 re-
gimenta. Warszawa, 1830.
Diese Broschüre erschien nicht einfach „in Warschau",
sondern „w oswobodzoney Warszawie", und ist mit dem Motto:
Czytajcie dzieje wlasne i uczice si§ milowaö Ojczyzn^" versehen.
Der Schuhmacher Jan Kilinskij, aus Posen gebürtig, kam
im Jahre 1780 nach Warschau; er war ein wohlhabender
Mann und hatte in Warschau zwei steinerne Häuser auf der
Donau-Strasse ; im Jahre 1790 wurde er zum Rathmann er-
wählt (radnym w magistracie) und genoss allgemeine Achtung
— 236 —
(130). Im Jahre 1794 nahm er thätigen Antheil an dem Auf-
. stände, besonders an der Verfuhrung der Bürger und Hand-
werker (46). Nach der Gefangennahme Eostjuschko's (Eo-
sciuszko's) sandte Wawshezkij den Jan Eilinskij nach Posen in
seine Heimathstadt: ^^abym si^ podi^ zrobiö rewolucy^ w
samym Poznaniu'^ (75). Als er diesen Auftrag ausführte, wurde
er von den Preussen verhaftet und etwa einen Monat in
Preussen im Gefängniss gehalten (114). Aus der preussischen
Gefangenschaft gerieth er in die russische und wurde gemein-
sam mit Ignatij Potozkij, Sakrewskij und Anderen nach Peters-
burg übergeführt (117), wo er in der Festung gefangen ge-
halten wurde (121). Wann und durch wen er befreit wurde,
wird nicht gesagt.
Die Memoiren Kilinskij 's bestehen aus vier Theilen: „Nay-
perwszy Polz^tek zamyslu mego do rewolucyi Warszawskiey
w roku 1794" (7); hier werden die kleinsten Einzelheiten der
Vorbereitung zum Aufstande erzählt, wobei natürlich der Ver-
fasser als die Hauptperson erscheint: er übertölpelt Igel-
ström (13), reizt das Volk durch die Erzählung von Schreckens-
thaten auf (30) — kurz ist überall dabei, so dass am Ende
ohne ihn die Revolution gar nicht stattgefunden hätte; 2. „Nie-
sszcz^sliwy i smutny dla mnie przypadek dostania sie w niewol^
prusk^ roku 1794" (74); hier wird nur enthüUt, dass er „Pul-
kownik regimentu dwudziestego" gewesen sei (86); 3. „Pow-
töma niewola w ten sam tydzieü i transport do Petersburga"
(115); hier wird ein geschmackloses Verhör erzählt, das der
Fürst Repnin mit ihm angestellt haben soll (123); 4. „In-
kwizycye z Jana Kiliüskiego z rewolucyi Warszawskiöy roku
1795 dnia 12 miesi^ca Lutego w Peterburgu miane, w nay-
sciäleyszöm i nayniewygodnieyszem wi§zieniu odprawione" (130).
Dies ist der interessanteste Theil der Broschüre, indem auch
noch dazu erklärt wird, auf welche Weise Kilinskij Oberst
geworden war (170). Hier sind noch zwei Skizzen hinzugefügt,
— 237 —
die sich nicht auf Eilinskij beziehen: 1. Tlömaczenie si^
1. W. Zakrzewskiego b. prezydenta M. S. Warszawy w Peter-
burgu" (177) — eine Anzeige die am 19. Januar 1795 an
den Generalgouvemeur Grafen Ssamoilow geschickt wurde, und
2. y^Bozmowa Imperatora Pawla I-go z Tadeuszem Eoäciuszko
w wi^zieniu w Peterburgu" (195).
Es ist zweifellos, dass diese Memoiren von Eilinskij selbst
geschrieben sind — , dies sieht man aus dem durchaus nicht
schriftgewandten Stile und aus der Behandlung der Sprache,
in der die Partikel wi§c bis zur Unmöglichkeit vorherrscht, —
und dass sie für die Topographie des Aufstandes sehr wichtig
sind. Er hat einige unscheinbare Details aufgezeichnet, die
indess helfen, den Weg des Rückzuges der Russen aus War-
schau aufzuhellen. Eostomarow hat den Memoiren Eilinskij 's
einige Scenen und thatsächliche Angaben entnommen (II, 454)
und nennt ihn „einen der Urheber (winownik) des Aufstandes vom
Jahre 1794" (VI), worin man ihm unmöglich beistimmen kann.
Njemzewitsch (No. 987), der Balinskij gut kannte, sagt von
ihm, dass er nicht wie ein Obrist, sondern wie ein Schuster
geschrieben habe: „H a 6crit Thistoire de sa vie, trhs curieuse
par sa nalvit^ et peignant bien les moeurs de notre peuple.
Le style n'en 6tait pas d'un colonel, mais bien d'un cordon-
nier" (135). In der polnischen Ausgabe der Memoiren Njem-
zewitsch's (No. 1008) ist dies ausgelassen, aber die Nachricht bei-
behalten worden, dass Eilinskij sich auch wie ein Schuster zu
betrinken pflegte: „Szkoda, ie Eiliiisky juz b§d^c pulkownikiem
zachowal natogi dawnego stanu swego upijal si§, i raz powad-
ziszy si§ z pulkownikiem Granowskim, wskoczil na w6z, kazal
stanze pod broni^ puikowi swemu i uderzyc na pulk przeciw-
nika swego, sam z dobyta szabl^ zach^caj^c do boju. Z trud-
no§ci^ przyszJo nam upami^tac go" (277). Als ungebildeter
und zügelloser Mensch hat er „na sessyach Bady najwy^szej
ktörej byi czlonkiem, czeäci6j szkodzil jak pomagal" (275)
— 238 —
Diese Broschüre wurde 1860 in den y,Pamiftnik&ch z
osmnastego wieku" (I, 173) nachgedruckt, wobei in der Vor-
rede eine Charakteristik des Verfassers gegeben ward, die voll-
kommen unrichtig ist. Die Memoiren Eilinskij's wurden auch
insBussische übersetzt in dem ,,Russ. Alterthum^', LXXXIH, 92,
wobei indess der Uebersetzer sich als ebenso unwissend er-
wiesen hat, wie der Schuhmacher Kilinskij.
940. Der Sturm von Ismail. AIb Probe und Ankündigung einer
neuen Lebensgeschichte des Feldmarschalls Suworow. Von
Fr, V, Smitt. Wilna, 1830.
Zuerst ist dieser „Sturm von Ismail" im „Sohne des
Vaterlands", 1825, September, abgedruckt worden. Hier ist
derselbe bedeutend yeryoUständigt, hauptsächlich aus einem
Artikel, der in der „Oesterreichischen Militär- Zeitschrift",
1828, Heft 8, erschienen ist.
941. Danilowna, opera-comique en trois actes. Paroles de MM. Viai
et Paul Duport Paris, 1880.
Dies ist ein französischer Protest gegen die russische Leib-
eigenschaft, wobei „raction a lieu sous le rögne de Catherine IE".
In der Zahl der handelnden Personen ist Katharina nicht zu
finden^ aber in allen drei Acten wird Ton ihr gesprochen, und
im dritten Acte wird ein Brief von ihr verlesen, durch den
die Kaiserin die berühmte Schauspielerin Danilowa, die Leib-
eigene eines russischen Grafen, der natürlich in sie verliebt
ist, in die Zahl der Staatsdamen auftiimmt (67). Die Libret-
tisten versichern, dass die Danilowa eine historische Persön-
lichkeit sei: „il y eut k S. P6tersbourg, au commencement de
si6cle, une jeune artiste, nomm^e Danilowa, que plusieurs
Frangais, qui ont voyag6 en Russie k cette öpoque, se sou-
viennent d'y avoir connue; eile ötait esclave de la couronne" (2).
Li dem „Biographischen Lexicon" ist eine Marja Danilowa,
1798—1810, angeführt, welche Tänzerin und Schülerin des
Balletmeisters Didlot gewesen ist (Sammlung, LX, 188).
— 239 —
942* Den rassiske Prindsesse Katinka Tarrakanof, eller: Keiserinde
EliBabeths natnrlige Dotters Skjaebne, en paa historiske Rilder
gmndet Fortaelling af Carlo Minona, Ejebenhavn, 1830.
„Efter det Tydske", wird auf dem Titel bemerkt, wir
vermögen indess das Original nicht anzugeben.
943« De onde Lifkoetsier van Peter den Derden, toonelspel. Naar
het Hoogdnitsch van A. van Kotxebue. Amsterdam, 1830.
Eine Uebersetzung von No. 830.
944. Polens Schicksale seit 1763 bis zu dem Augenblicke, wo es
sich für unabhängig erklärte. Paris, 1831.
Der Verfasser dieser Broschüre sah voraus, „dass das ge-
wagte Unternehmen der Polen, am Ende des vorigen Jahres,
eine Menge Schriften erzeugen v^ürde" (Vorwort), die gleich
den schon erschienenen Broschüren „alle zu Polens Gunsten
sprechen" würden (ibid.). Da an dem „Elende" Polens ausser
Eussland auch Oesterreich und Preussen „schuldig" seien, so
habe man begonnen, viele deutsche Broschüren in Prankreich
zu drucken — „mehrere kleinere Schriften, welche an dem
Orte, wo der Verfasser lebt, wider Recht, Billigkeit und Klug-
heit confiscirt werden soUten".
Broschüren über Polen sind in jenem Jahre in der That
viele erschienen, z. B. „Resultate des "Wiener Congresses in
Bezug auf Polen*', „Ueber die polnische Frage", „Polen wie
es war und ist", u. a. m., und alle sind sie nach ein und
derselben Schablone verfasst worden: mit sichtbarer Theilnahme
für die Polen wird die Geschichte des Falles Polens flüchtig
nach den bekannten Werken erzählt; von einer Kritik oder
von neuen Daten ist in diesen Broschüren natürlich nichts zu
finden. Der Verfasser der vorliegenden Broschüre renommirt
gewissermassen mit dem Mangel der Kritik; so schreibt er
z* B. bei der Charakteristik Igelström's: „Igelström war hart,
wie sein Vorgänger, aber auch noch stolz und übermüthig;
er begleitete jedes Wort mit wildem Blick und Ton. So
— 240 —
schildert ihn Oginski, anders jedoch Seume" (51). Der Ver-
fasser konnte also nicht entscheiden, wer Igelström richtiger ge-
schildert habe, Oginskij (No. 929) oder Seume (No. 785). Obgleich
er ein Anhänger Polens ist, kennt er häufig nicht einmal die
Namen der polnischen Parteiführer, und Bshewusski nennt er
z. B. „Rzuoski" (43).
In der vorliegenden Broschüre ist, zum Unterschiede von
der Masse ähnlicher Druckschriften, Katharina in ein besseres
Licht gestellt, natürlich nur relativ, als ihre Verbündeten.
Das ganze Uebel der Dissidenten-Frage wird den Jesuiten zur
Last gelegt (10), und Katharina wird als Vertheidigerin der
Glaubensduldsamkeit dargestellt; mit Bezug auf die Constitution
vom 3. Mai 1791 wird ihr im Vergleich zu der Hinterlist
Friedrich Wilhelm's, der sich von seinen Worten losgesagt habe,
ihre Geradheit als Verdienst angerechnet (44) u. s. w. Bei
der Schilderung des Sturmes auf Praga führt der Verfasser zu
Gunsten Ssuworow's mildernde Umstände an : „Indessen er ist
weniger anzuklagen, als das Verhängniss. Unter seinen Truppen
gab es einige Bataillone, die in der Charwoche aus Warschau
getrieben worden waren und hier Verrath und Meuchelmord
rächen wollten, den man an ihren Kameraden geübt hatte.
Ihre Stimmung hatte sich dem ganzen Heere mitgetheilt. Der
Kampf war im Angesichte der Stadt, aus der sie verjagt
worden waren. So fand sich bei vielen eine Erbitterung, die
im gewöhnlichen Kriege kaum glaublich ist^' (62).
Die Broschüre besteht aus 19 Capiteln; auf die Epoche
Katharina's beziehen sich jedoch nur die ersten neun. In
allen Broschüren jener Zeit werden die Theilungen Polens er-
wähnt, und es findet sich deshalb in ihnen stets auch
der Name Katharina's II., aber nur beiläufig, in aller Kürze
angeführt; nichtsdestoweniger hat die Masse dieser Broschüren
zu einem und demselben Zwecke, „zu Polens Gunsten", das
Bild Katharina's in der bekannten Beleuchtung dargestellt,
— 241 —
indem sie sie bald als Hauptschuldige, bald nur als Mitschid-
dige, immer aber als Schuldige am Untergänge Polens gezeichnet
haben. Nur in dieser Hinsicht haben diese Broschüre denn auch
für uns ein gewisses Interesse.
Nicht so für die Zeitgenossen: die erste Auflage der Tor-
liegenden Broschüre, die in 2000 Exemplaren gedruckt worden
ist, wurde in einigen Wochen ausverkauft, und die Zeitungen
urtheilten lobend über sie. „Das »Morgenblatt», der »Eremit«,
die »Mitternacht-Zeitung«, die »Abendzeitung« u. s. f. rühmten
alle den Zweck wie die Ausführung" — so verkündet wenig-
stens der Verfasser in dem Vorworte zu einer anderen Schrift,
die er in demselben Jahre 1831 herausgab: „Der Freiheits-
kampf der Polen gegen die Russen, Altenburg, 3 TL"
945« Pr6cis historiqne du partage de la Pologne, par M.Brougham,
tradnit de TAnglaiB par A. Glapier. Marseille, 1836.
Henry Brougham and Vaut, 1778 — 1866, ist der bekannte
Redner und Publizist, einer der Begründer des Journals
„Edinburgh Review", Mitglied des Parlaments und seit 1830
Lord-Kanzler. Als gebildeter Jurist, talentvoller Schriftsteller
und fleissiger, ehrlicher Mann stand er lange Zeit an der Spitze
der liberalen Partei, und England verdankt ihm viele Bills.
In den letzten zwanzig Jahren seines Lebens änderte er seine
Politik vollkommen, und sowohl die Whigs als auch die Tones
sagten sich von ihm los. Im Jahre 1823 sprach er sich gegen
die Heilige Alliance als eine unnütze Vertheidigerin des Christen-
thums aus, das von Niemandem angegriffen werde; dabei donnerte
er gegen die Russen, als die geschworenen Feinde der Freiheit
Aber im Jahre 1850 begrüsste er Nikolai L als den Retter
der Civilisation! Sein ganzes Leben hindurch hat er gegen
den Sclavenhandel geeifert, gegen die Ausbeutung der
Neger, und doch sprach er sich im Kriege der Nordamerika-
nischen Vereinigten Staaten um die Unabhängigkeit derselben
f&r die Südstaaten aus.
BilbasBoff. Katharina H. 16
— 242 —
Im Jahre 1829 erschien in der „Edinburgh Review" ein
Aufsatz über die Theilung Polens ohne Unterschrift des Ver-
fassers. „Quoique Tarticle ne soit pas sign^, les renseigne-
ments que j'ai recueillis sur son auteur m'ont paru assez cer-
tains pour pouvoir Fattribuer au cöl^bre M. Brougham" (2).
Zwei Jahre darauf, im Jahre 1831, kam in Marseille die Tor-
liegende üebersetzung dieses Aufsatzes heraus, also noch zu
Lebzeiten Brougham's, und er hat nicht dagegen protestirt,
dass ihm die Verfasserschaft zugeschrieben wurde, obgleich
dieser Artikel über Polen in der Gesammtausgabe seiner Werke :
„Critical, historical and miscellaneous works, 10 v., London,
1857," nicht enthalten ist; letzteres mag sich daraus erklären,
dass Brougham in seinen letzten Lebensjahren seine Ansichten
über die russische Politik radical geändert hatte.
Der Aufsatz Brougham's ist eine rein pubHcistische Lei-
stung. Seine Kenntnisse Polens beschränken sich auf das, was
er den Werken Rulhiöre's (No. 876) undFerrand's (No. 912) ent-
nommen hat; seine Urtheile sind grösstentheils Gemeinplätze,
aber seine Verdicte sind immer scharf und seine Charakterzeich-
nungen unbarmherzig. Die erste Theilung Polens wird von
ihm als „le comble de Tinjustice et de Tefironterie humaine"
(79) gekennzeichnet, wobei natürlich Katharina als „le premier
autheur" (89), „la plus criminelle" hingestellt ist (88); um seine
Verachtung gegen Katharina auszudrücken, nennt er sie „cette
femme" (55). In seinen Charakteristiken verfährt er ^schab-
lonenmässig, aber er drückt sich dabei kurz und rücksichtslos
aus, meist mit zwei drei Worten, z. B.: Drewitz heisst „tete
f6roce" (47), Fürst Potjemkin „chef de bandits" (102), Rshewus-
skij und Potozkij nennt er „les infames apostats" (122), Stanis-
laus August „aussi lache que vil" (126), Paul Petrowitsch „un
fou brutal** (143) u. s. w. Als Publicist erzählt er keine
Thatsachen, sondern würdigt sie nur, wobei er von dem Grund-
satze ausgeht, dass „le gouvemement de la plupart des nations
— 243 —
est incontestablement mauvais" (97). Die Thatsachen sind
unter seiner Feder nicht mehr zu erkennen. So lautet z. B.
der Bericht über das Warschauer Blutbad vom 6. April 1 794
folgendermassen; „Le 17 avril Farm^e de Eosciusko marcha
contre la gamison russe de Varsovie, et forga Igelstrom, son
commandant/d'evacuerla place; apr6s une r^sistance obstin^e
de trente-six heures, le g6n6ral russe se retira avec deux
miUe blessös" (139). Der endgiltige Untergang Polens ent-
lockt dem Verfasser folgende Tirade. „Sa chute accusera
^temellement la sc616ratesse de la Eussie, la perfidie de la
Prusse, la vile accession de TAutriche, et la stupide inertie de
toute FEurope" (146). Als Publicist konnte er, als er von
Polen sprach, nicht umhin Irlands zu gedenken, aber ihm,
dem Engländer, gereicht es zur grossen Ehre, dass er die Ver-
gewaltigungen der Irländer durch die Regierung von Gross-
britanien ehrlich verurtheilt (92).
Der Uebersetzer hat seine Uebersetzung gerade im Jahre
1831 herausgegeben, um „röveiller Tindignation publique contre
un acte qui a port^ au plus haut degr^ la violation de tous
les principes de morale et de justice" (3). In einem besonderen
„Appendice" führt der Uebersetzer die Geschichte der pol-
nischen Wirren bis zum Jahre 1830 fort und theilt sogar das
Manifest Nikolai's I. vom 26. December 1830 mit (268).
Ausserdem hat der Uebersetzer den Text des Originals mit
Anmerkungen versehen, die übrigens nicht besonders gewich-
tig sind.
Dem Buche sind zwei „Notices, par Mr. Toulouzan" bei-
gelegt, und zwar über die beiden Tschartoryshskij : „sur le
prince Adam-Casimir Czartoryski" (273), den bekannten „Möcöne
Polonais", und seinen Sohn, „sur le prince Adam-George
Czartoryski" (295), den Freund Alexanders I. und Minister
der Auswärtigen Angelegenheiten in Bussland.
16*
— 244 —
946. Polen, wie es war und ist Zur Verbreitung näherer Kunde
der Beschaffenheit und Verfassung Polens und zur Bestimmung
und Berichtigung der Urtheile über die politische Lage des-
selben. Hamburg, 1831.
Siehe No. 944. Der Verfasser erkennt an, dass die Con-
föderation von Bar und die ersten Wirren znr Zeit Katha-
rina's durch die pobiischen Bischöfe heraufbeschworen worden
seien: ,,Der Fanatismus der Bischöfe zu Erakau und Wilna
war die Hauptveranlassung des Bürgerkrieges" (7). Die Haupt-
ursache aller Uebel in Polen seien die inneren Zwistigkeiten:
„Das Reich war durch inneren Zwiespalt zerrüttet" (8) — ,
die auf das unglückselige Recht des „liberum veto" zurück-
zuftLhren seien; dieses liberum veto habe schon Jan Kasimir
die Möglichkeit gegeben, im Jahre 1661 vorauszusagen, „warum,
von wem und wie einst Polen getheilt werden würde" (17).
Dieser Gesichtspunkt ist selten in den Broschüren jener Zeit
zu finden.
947. Die Schicksale Polens seit der ersten Theilung 1772 bis zur
russischen Oberherrschaft. Altenburg, 1831.
Siehe No. 944. Der Verfasser dieser Broschüre sagt:
„Nur im Zusammenhange mit der früheren Geschichte dieses
Landes lässt sich manche neuere Elrscheinung erklären,
manches harte Urtheil mildem und dem gedrückten Volke eine
günstige Meinung bei den Freunden der Menschheit er-
wecken" (6). Diese dankbare Aufgabe hat dem Verfasser den
Blick nicht getrübt, und er hat ein ziemlich richtiges Bild der
Ursachen des Verfalles Polens gezeichnet: „Wenig war zur
Fortbildung der Staatsverfassung gethan, der Bürgerstand lag
darnieder, in den Händen der Juden befanden sich Handel
und Künste, der Adel waltete stolz und herrisch über leib-
eigene Knechte, und so war es natürlich, dass Polen hinter
den anderen europäischen Staaten zurückbleiben musste. Zu
politischen Parteikämpfen gesellten sich bald religiöse, und die
— 245 —
Dissidenten fanden an Katharina 11. einen mächtigen Schutz
gegen den harten Druck, der seit 1717 auf ihnen lastete'^ (7).
Der Verfasser ist überzeugt, dass die Polen im Jahre 1772
fdr ihre Fehler die gerechte Strafe erlitten haben — : ,,die
erste Theilung strafte sie für ihr unglückliches Beginnen".
Zwanzig Jahre später, als die Polen, gestützt auf das Bündniss
mit Pf eussen, . die Entfernung der russischen Truppen aus den
polnischen Gebieten gefordert hätten, „beugte Katharina ihren
Stolz und gab nach" (7). Die Rolle Preussens wird dagegen
Tom Verfasser in anderem Lichte geschildert: „Preussen hatte
Truppen ohne Grund und Elriegserklärung in Grosspolen ein-
rücken, ja selbst Danzig besetzen lassen" (12).
948. Mjdli Polaka patryoty o Bzadzie z Boku 1790. Warszawa,
1831.
Siehe No. 611.
949. Le &vori, ou la cour de Catherine U, com6die en trois actee.
Par M. Änceht Paris, 1831.
Zwei Acte dieser Komödie spielen in der Eremitage,
einer im Taurischen Palais bei Potjemkin; in allen drei
Acten kommt Katharina nicht Ton der Scene. Sie erklärt
Allen: „Je regois k Tinstant meme une lettre de monsieur de
Voltaire: croiriez-vous que mon Instruction pour le Code est
mise ä Tindex et d6fendue en Frange? L'Imp6ratrice de
Russie est trop philosophe pour la cour de Louis XV" (7).
Den Fürsten Potjemkin charakterisirt die Kaiserin folgender-
maassen: „confident de toutes mes pens6es, ex6cuteur habile
et d^vou^ de tous mes projets, il est le bras de cet empire,
dont je suis l'ame" (13). Dem Fürsten de Ligne erklärt sie
den Umstand, dass Frankreich die Theilung Polens nicht
hindern könne, folgendermassen : „Quel est aujourd'hui le
ministre qui dirige la poHtique de Versailles? un g6n6t§l
perp^tuellement battu, un diplomate de boudoir, us6 dans de
— 246 —
miserables intrigaes; enfin un dnc d'Aignillon! . . . il laissera
faire'' (20). und sich den Gepflogenheiten der Eremitage unter-
werfend, singt sie:
A la Yoiz da plaisir
Mon ame est ranim^e:
An diable la Grimme,
Et Grand Türe et Viair (32).
Fürst Potjemkin spricht in seiner Eigenschaft als ,,faYori
entitre'' zu Katharina folgendes: ^^il est des hommes auxquels
on snccede, mais qu'on ne remplace pas^' (11), und zu sich
selbst: ,,8ans que Catherine s'en doute üäut que mon choix
seul conduise son imagination ardente; madame de Pompa-
dour r6gna jusqu'ä sa mort — ne Toublions pas" (32).
Die folgende, beste Scene ist nach der Natur ge-
schrieben :
„Catherine. Continuerez-vous, le prince De-Ligne, vos
mauvaises plaisanteries sur le canal que je fais creuser, et oü,
dites-vous, il ne manque que de l'eau?
De-Ligne. Mais jusqu'ä ce que Teau y soit venue . . .
Catherine. Apprenez, monsieur, qu'hier un malheureux
ouvrier s'y est noyö.
De-Ligne. H s'est noyö? . . Oh, le flatteur!"
Da diese Komödie während des polnischen Aufstandes
aufgeführt wurde, so ist die Liebesintrigue der politischen
untergeordnet, und zwar der Liebe eines Polen für sein
Vaterland.
Arsöne Frangois Ancelot, 1794 — 1854, war Mitglied der
französischen Academie und Dramaturg und erwarb sich
einen Namen durch Tragödien, sowie ein Vermögen durch
Komödien und VaudeviUes. Die französische Kritik urtheilt
über seine Erzeugnisse folgendermaassen: „ses piöces sont
^^tes d'un style 6l6gant, harmonieux, et men^es avec art,
mais elles manquent parfoit de mouvement^^
— 247 —
950. Catherine TL, ou rimp^ratrice et le cosaqne, piöce en deux
actes, k spectacle, mS16e de Couplets , par MM. Iheodore N, et
Simonnin. Paris, 1831.
Das Sujet dieser Komödie bildet die Liebe des Günstlings
Grafen A. M. Dmitrijew-Mamonow und des Hoffräuleins
Prinzessin Schtscherbatow (Chrapowizkij , 291). Die franzö-
sischen Dramatiker haben die Prinzessin Schtscherbatow durch
die Comtesse Bruce ersetzt, ohne natürlich zu ahnen, dass sie
in diesem Falle in ihren Ansichten mit Katharina überein-
stimmten, die am 23. Juni 1789 zu Chrapowizkij sagte: „il
m'est venue l'id^e du mariage avec la fiUe du comte de
Bruce", sie zähle zwar nur dreizehn Jahre, „mais eile est
döjä formte, je sais celä" (ibid. , 293). Mamonow's Stelle ver-
tritt „le cosaque d'Astracan, MouravieflP*.
951. Catherine n, com6die en trois actes et en prose, par MM. jIt-
notäd et Lockroy, Paris, 1831.
In dieser Komödie ist Katharina im Sinne der Höflinge
auf die Bühne gebracht, die von ihr sagen: „quand les
femmes sont sur le trone, les hommes gouvernent^' (32). Sie
selbst spricht von ihrer Thätigkeit also: „parmi les soixante-
dix viUes que j'ai döjä. bäties, plusieurs ne sont encore qu'un
poteau oü on a 6crit leur nom et marquö leur emplacement*-'
(27). Ein wenig an Katharina erinnern nur ihre Reden über
Polen: „Si, par le fait, mes troupes 6tablissent en Pologne ma
religion par la force des armes, leur unique but est d'y combattre
rintol^rance" (38). Katharina selbst wird das folgende Ur-
theil über ihre Gesetzgebungs-Commission in den Mund ge-
legt: „Grande pens^e, en effet, que j'ai laiss^e sans r^sultat,
qui s'est r^duite k conserver le despotisme en ßussie, mais
dont TEurope a 6t6 la dupe, et qui est restÄe pour moi seule
un ouvrage de faste et d'ambition" (33). Neben der willkürlich
erdachten Gestalt Katharina's ist auch ein phantastischer
Potjemkin auf die Bretter gebracht, die einzigen beiden Per-
— 248 —
sonen mit historischen Namen. Die ganze Komödie ist unge-
schickt und talentlos zusammengestapelt.
952. Ueber die polnische Frage. Paris, 1831.
Siehe No. 944.
9&3. Zbior oorreBpondencTi diplomatycznjch i akt antentycznych
dworöw PeterBbarskiego, Berliüskiego i WideJi8ki^;o, tjczacjch
si^ negocyacTi i nkladow wzgl^em podziahi Polski w roka 1772.
[Goertx.] Warazawa, 1831.
Dies ist eine wörtliche Uebersetzung von No. 898. Der pol-
nische Uebersetzer hat auf Grund dieser Documente eine
eigene Einleitung, „Wstep^^, verfasst, in der er seinen Stand-
punkt dargelegt hat; derselbe wird Yollkommen durch das Er-
scheinungsjahr des Buches erklärt. „Z wszystkich tych
pism okazuje sie, ie pierwiastkowy do podziahi Polski plan
wyszedt od Imperatorow^j Katarzyny II-^j" (3), was man in-
dess in keiner Weise aus diesen Documenten ersehen kann.
Aber wie die Einleitung, so muss auch die Uebersetzung der
Documente ins Polnische lediglich als eine Klage der Polen
an alle Welt über ihr unglückliches Schicksal aufgefasst
werden, obgleich diese Klage natürlich in französischer Sprache
eine grössere Yerbreitunn gefunden hätte: „Niechie wiec teraz
cata Europa, niech caly swiat wie o t6m, co sie z nami
dziato; i niech bezstronnie os^dzi, czyli po tylu cierpieniach,
po tylu nieslychanych gwaHach i tyranskich uciskach, uzalenie
si§ Polaköw nie jest shisznym i usprawiedliwionym, i czyli
dzisiejsza nasza sprawa za kt6r^ walczemy, nie jest spraw%
wszystkich cywilizowanych narodöw?"
954. Das Königreich Polen seit 1815 nebst Ursachen der jetzigen
Eevolation. Paris, 1881.
Eine wörtliche Uebersetzung von No. 945.
955* Polens Untergang. Von Fr. v. Baumer. Leipzig, 1832.
Dies ist ein sehr interessantes Werk — nicht etwa wegen
neuer Thatsachen, die es nicht enthält, noch wegen einer
— 249 —
etwaigen originellen Beleuchtung der Ereignisse, durch die es
sich nicht auszeichnet, sondern weil es die Ansicht über die
„Schuldigen" an dem Untergange Polens aufgestellt hat, die
seit dem Erscheinen dieses Werkes in der westeuropäischen
Litteratur vorherrschend geworden ist.
Im Jahre 1832 hatte der gelehrte und litterarische Ruhm
Raumer's seinen Höhepunkt erreicht: er war Professor der
Geschichte an der Berliner Universität und Secretär der
Academie der Wissenschaften, ganz Deutschland las mit Be-
geisterung sein bestes Werk, die „Geschichte der Hohen-
staufen und ihrer Zeit", und man hatte noch nicht aufgehört,
von seiner bürgerlichen Heldenthat, seinem Ausscheiden aus
dem Dienste im Censuramte, zu reden. Er hatte damals eben
begonnen, seine „Geschichte Europas seit dem Ende des
15. Jahrhunderts" erscheinen zu lassen. Im Jahre 1830 hatte
er mit der Herausgabe seines „historischen Taschenbuches"
angefangen, und in dem Bande desselben für das Jahr 1832
druckte er „eine freimüthige Abhandlung" unter dem Titel
„Polens Untergang" ab, von der noch in demselben Jahre
zwei Sonderausgaben erforderlich wurden, und die bald in alle
Sprachen, mit Ausnahme der russischen, übersetzt wurde.
Die erste Entgegnung auf diese Broschüre „von einem ebenso
geistreichen als gewissenhaften Staatsmanne" wurde nichts-
destoweniger von einem Russen verfasst, „von einem russischen
Staatsmanne", aber sie wurde nicht gedruckt, weil sie angeb-
lich „Nichts als eine Reihe von Ausdrücken, ganz geeignet,
einen Namen von gutem Klange herabzuwürdigen" enthielt
(Binder, Der Untergang des Polnischen Nationalstaates, 11,
93, IVj.
Die wenig umfangreiche, aber lebendig, stellenweise sogar
feurig geschriebene Broschüre Raumer's gründet sich haupt-
sächlich auf die Arbeiten von Ferrand (No. 912), Oginskij (No. 929)
und Sajonczek(No. 801), wobei die von diesen mitgetheilten That-
— 250 —
Sachen einer weiteren Kritik nicht unterzogen worden sind.
Die Hauptereignisse sind richtig erzählt und hingestellt;
kleinere Einzelheiten sind nur zur Ausschmückung der Dar-
stellung, zur Kennzeichnung der Lage der Dinge oder zur
Charakteristik der Persönlichkeiten angeführt. Als Novum,
und zwar für die damalige Zeit als ein Novum in jeder Be-
ziehung, erscheint bei Eaumer die Behauptung, dass ßussland
hauptsächlich an der ersten Theilung Polens die Schuld trage.
Vor dem Erscheinen der Broschüre Raumer's vertheidigte die
Pariser Academie Russland gegen die leidenschaftlichen An-
griffe Eulhifere's (No. 876), und sogar Ferrand (No. 912) gab bei
der Frage von den Theilungen Polens Russland den Vorzug vor
Preussen. Raumer ist, soweit uns bekannt ist, der erste an-
gesehene Gelehrte und fachmännische Historiker, der in einer
Arbeit, die alle Kennzeichen einer gelehrten Untersuchung an
sich trägt, die Hauptschuld an den Theilungen Polens auf
Russland gewälzt und Preussen erst in die zweite Reihe
gestellt hat. Dabei ist es ihm trotzdem nicht gelungen, jede
Handlung Preussens zu rechtfertigen, oder wenigstens durch
Scheingründe zu erklären. Wie dem nun sein mag, seit
dem Erscheinen der Broschüre „Polens Untergang" hat in
Europa der litterarische Feldzug für Polen gegen Russland
begonnen.
Ferrand (No. 912), von dem Raumer eine Masse factischer
Einzelheiten entnommen hat, beschuldigt hauptsächlich Preussen
als den Urheber der Theilung Polens (I, 88; 11, 29; III, 252)
und hat eines seiner Capitel sogar mit der Ueberschrift:
„L'idöe du dömembrement appartient au prince Henri de
Prusse" versehen. Raumer hat aus Ferrand die von Rulhi^re
(IV, 210) mitgetheilte Erzählung genommen, dass Katharina,
als sie von der Annexion der Starostei von Zips durch Oester-
reich gehört hatte, zum Prinzen Heinrich von Preussen
gesagt habe: „II semble que dans cette Pologne, il n'y ait qu'ä,
— 251 —
se baisser pour en 'prendre".*) Zu diesen Worten Eaiharina^s
macht Kaamer die folgende Anmerkung: y,Es ist so gleich-
gültig wer zu allererst das Wort Theilung ausgesprochen,
als wer in einem Kriege die erste Flinte losgeschossen hat.
Gewiss haben alle drei Mächte Antheil an der Schuld, Russ-
land aber bei weitem den grössten, weil Polen durch seine Ein-
wirkung in der Anarchie verharrte, jede Besserung unmöglich,
die Theilung hingegen wesentlich herbeigeführt ward" (57). So
heisst es über Russland; über Preussen lautet dasUrtheil anders:
„So unbestimmt alle diese Aeusserungen auch waren, erschrak
Friedrich TL. doch sehr, als ihm sein Bruder Heinrich zuerst
jenen Gedanken einer Theilung Polens tiberbrachte; denn er
fühlte richtig wie viel an Recht, Treu und Glauben auf dem
Spiele stand*^ (58). Und nun folgt eine ganze Reihe von Ent-
stellungen, wobei Friedrich 11. einzig und allein mit dem
Wunsche, „seinem zerstückten Reiche einen engeren Zusammen-
hang zu verschaflfen", und aus Furcht, dass „Russland die
Beute sonst ganz allein davon tragen werde" (58), die polni-
schen Gebiete annectirt haben soU. Durch ein derartiges gie-
riges Verlangen und durch eine solche gewissenlose Furcht
kann man schliesslich alles rechtfertigen; aber die Deutschen
lasen und wiederholten mit Begeisterung derartige Ungereimt-
heiten ihres berühmten Historikers. Gegenüber den „gewissen-
losen" Handlungen Friedrichs 11. verhält Raumer sich ungläu-
big oder weist sie einfach zurück: die Nachricht von der Er-
greifung der Polen und ihre Ansiedelung in Preussen „muss
ich", sagt Raumer, „nach genaueren Untersuchungen für irrig
*) ;,£s scheint, man braucht sich nur zu bücken, um in diesem
Polen etwas zu nehmen. Wenn Oesterreich die Bepublik zu theilen ge-
denkt, haben die übrigen Mächte dazu wohl ein gleiches Recht." Der
bis zur Kleinlichkeit genaue Raumer giebt in dem hier gegebenen Falle
seine Quelle nicht an ; bei Rulhiöre findet sich nur der erste Satz dieser
Phrase, den wir im Texte in französischer Sprache mitgetheüt haben.
— 252 —
erklären" (50), während dies doch durch? die Depeschen von
Essen bestätigt wird (Herrmann, V, 497).
Räumer kannte seine Leser — : er brauchte nur eine
Phrase mit einem Ausfalle gegen ßussland hinzustellen, und
er war überzeugt, dass die Deutschen Preussen und Oester-
reich Alles verziehen, wenn sie nur die Möglichkeit hätten,
Eussland zu beschuldigen. In Wahrheit hat Preussen bei
der ersten Theilung Polens völlig gewissenlos und Oesterreich
völlig treulos gehandelt, so dass Katharina schliesslich als
Vertheidigerin der Polen erschien, Raumer aber schildert dies
folgendermassen : „Preussen, dessen Gränze der Netze entlang
ging, verlangte auch das Land, was dieser Fluss auf der pol-
nischen Seite überschwemme. Dem Könige, sagte Friedrichs
Gesandter in Warschau, gehört das Element des Wassers,
w«nn die Netze austritt, und eben so das gewässerte Land,
wenn sie wieder in ihr Bett zurücktritt — wobei man annahm,
dass die Ueberschwemmung sich an einer Stelle zwölf Meilen
weit über Berge erstrecken könne ! Aehnlicherweise verfuhren
die Oesterreicher. Joseph IL. und Friedrich verboten alle
Auswanderungen aus den gewonnenen Landschaften, ja sogar
das Reisen ohne besondere Erlaubniss; worauf endlich Katha-
rine erklärte: man müsse es in der That billig finden, dass
die Polen klagten" (75). Selbst in dieser Form wäre diese
Mittheilung nicht gewissenhaft, denn der Verfasser ver-
schweigt die Thatsache, dass gerade Katharina ihren neuen
Unterthanen eine dreimonatliche Frist zur Auswanderung ge-
stattete; aber Raumer, der nicht im Stande war, Friedrich 11.
weisszuwaschen, entschloss sich, Katharina noch mehr an-
zuschwärzen, und fügte nach dem Worte „Katharina" noch
als seine ureigene Behauptung den Satz ein: „die nach
wie vor von Petersburg aus das übriggeblie-
bene Polen beherrschen wollte und beherrschte";
er wusste eben sehr gut, dass er durch diese Phrase die
— 253 —
Erbitterung des deutschen Lesers von Friedrich auf Katharina
ablenkte.
Der preussische König „Friedrich Wilhelm, dem russi-
schen Siegeswagen folgend" (118), begeht eine Reihe von Ver-
brechen, aber immer gemeinsam mit Eussland. „Ohne alle
Schuld, ohne seine Nachbarn gereizt oder beleidigt zu haben,
fiel Polen im Augenblicke der fröhlichsten Wiedergeburt, ein
Opfer der Wortbrtichigkeit und Habgier Preussens und Russ-
lands" (129). „Es giebt keine Art von Falschheit, Treulosig-
keit und Verrath, dessen sich Preussen und Russland nicht
zu Schulden kommen Hessen, um ihre Rachsucht und Hab-
sucht zu befriedigen" (133) u. s. w.. Friedrich Wilhelm hatte
mit Polen ein Bündniss geschlossen und dieses Bündniss ver-
letzt; hier durfte also unmöglich Russland hineinbezogen wer-
den, dagegen ist Preussen in dem folgenden Satze wiederum
nicht direct erwähnt: „Man suchte ihre (der Polen) Freundschaft,
um sie zu verläugnen, machte sich ein Vergnügen daraus,
feierlich mit ihnen geschlossene Verträge zu brechen, trieb sie
zu Schritten, die man nachmals verdammte" (119). Wo es
unmöglich ist, Preussen zu umgehen, da wird statt ganz Polens
nur von dem an Preussen gefallenen Theil desselben gesprochen:
„Südpreussen musste die Preussen und den König hassen, aus
dessen Wortbrüchigkeit man alles Unglück ableitete" (139).
Und da, wo es ganz und gar nicht geht, die unmenschlichen
Befehle des Königs von Preussen zu verschweigen, mildert
Raumer sie durcli folgende Bemerkung: „Gerechter und mensch-
licher, und eine glückliche Zukunft ankündigend, zeigte sich
schon damals der Kronprinz von Preussen" (140).
Gegen Katharina ist Raumer dagegen ungeschminkt und
scharf im Ausdruck. Im Jahre 1771 war in der russischen
Declaration u. A. über Polen gesagt worden: „Die Anarchie
erhebt ihr Haupt aus dem Abgrunde des öffentlichen Uebels
und bezeichnet ihre Herrschaft mit Mord und Raub"; Raumer
— 254 —
fügt hinzu: „Eine Beschreibung, der zur vollen Wahrheit nur
die zweite Hälfte fehlte: dass nämlich die Kaiserin aus des-
potischer Habsucht diesen Zustand durch alle ihr zu Gebote
stehenden Mittel herbeigeflihrt und verschlimmert hatte" (97).
Dieselbe Beschuldigung führt Raumer natürlich auch gegen
Frankreich (19) und gegen Preussen (33) ins Feld, aber nur
vereinzelt; die absprechenden Aeussenmgen über Russland da-
gegen finden sich fast auf jeder Seite (17, 20, 27, 29, 32,
39, 42, 52, 71, 99, 121, 131, 135). „Im Jahre 1791 sagte
Katharina, sie wirke für die polnische Freiheit, während
sie aus Habsucht die Anarchie beförderte: im Jahre 1791
nahm sie Glückwünsche der Targo witscher dafür an, dass sie
die ultramontanischen Neuerungen gehemmt habe, und im
Jahre 1792 hiessen ihr diese selben Neuerungen jakobinisch
und demokratisch" (118)!
Raumer schwärmt für die Constitution vom 3. Mai 1791,
(91, 95): „Ein solches in seiner Art bewundemswerthes Werk
verdiente die grösste Dauer, das höchste äusserlich begünsti-
gende Glück; weshalb doppelt verantwortlich sind die schmut-
zigen Hände, welche die reine That befleckten, die Verläum-
der, welche sie anklagten, und die Frevler, welche sie zer-
störten" (97). Und das schreibt derselbe Raumer, der die
Nothwendigkeit einer Constitution für Preussen bestritten hatte
(Hist. Taschenbuch, 1830, S. 426)!
Da Raum er seine Broschüre im Jahre 1832, also bald
nach dem Aufstande herausgab, als die polnischen Emigranten
Deutschland überschwemmten, geizte er auch nicht mit der
Verherrlichung Polens und der Polen (132, 135, 142). Inter-
essant sind seiue Aeussenmgen zur Dissidenten-Frage (38, 41),
originell seine Charakteristiken Stanislaus August's (25, 52, 103)
und Saldern's (36, 61, 71), und sehr treffend ist die Kenn-
zeichnung der politischen Lage vor der ersten Theilung (53).
Leider hat er bei der Darstellung der zweiten und dritten
— 255 —
Theilung die besondere Lage der Grossmächte angesichts der
französischen Eevolution ganz ausser Acht gelassen.
Das Buch ist in schöner, litterarisch werthvoller Sprache
geschrieben, und die Darstellung stellenweise künstlerisch voll-
endet. Es ist sehr schade, dass dieses Buch bisher noch
nicht ins Russische übersetzt worden ist — : es verdient schon
deshalb eine ausführlichere Würdigung, weil es im Laufe eines
Jahrzehnts Allen als Handbuch und Leitfaden gedient hat, die
über die polnische Frage geschrieben haben.
Die ganze Broschüre ist in zwei Theile getheilt: im ersten
ist die Geschichte Polens bis zur ersten Theilung einschliess-
lich behandelt, wobei der Verfasser sein Elrstaunen darüber
ausspricht, dass diese Theilung gar keinen Eindruck in Europa
gemacht habe (76), während Potjemkin überzeugt war, dass
auch eine gänzliche Auftheilung Polens keinerlei Geschrei in
Europa hervorgerufen haben würde (79); der zweite Theil (77)
ist dem endgültigen Untergange Polens gewidmet.
956. Auch ein Wort über Friedrich's 11 und Friedrich Wilhelm's II
Politik in Polens Unfällen, oder Bemerkungen über »Polens
Untergang« von Hern. v. Baumer. Vom Obersten v, Sehepeler,
Aachen, 1833.
Dieser lange Titel ist nach einem kurzen „Vorwort" durch
den genaueren: „Bemerkungen zu dem Buche: »Polens Unter-
gänge", ersetzt worden. Gleich der Arbeit Baumer's (No. 955)
sind auch diese „Bemerkungen" in zwei Theile getheilt: die
„Erste Abtheilung" (1) folgt der Erzählung Raumer's bis zur
ersten Theilung Polens inclusive und schliesst mit einem kurz-
gefassten „Beschluss" (66); die „Zweite Abtheilung" (74) führt
die Bemerkungen bis zu den letzten Zeilen Raumer's fort.
Der Obrist von Sehepeler theilt nichts Neues mit, obgleich
die Thätigkeit Kostjuschko's ihm gut bekannt sein konnte:
„1795 kam ein Adjutant Eosciusko's nach Göttingen^ wo er
sich lange Zeit, und auch bei mir mehrere Tage heimlich auf-
— 256 —
hielt Oft sprachen wir über Polens Schicksal" (103). Der
Verfasser beschränkt sich ausschliesslich auf Bemerkungen zum
Buche Eaumer's und befindet sich hierbei als Kritiker Yöllig
unter den Einflüssen Baumert; alle seine ^^Bemerkungen"
laufen auf das Eine hinaus — : Raumer musste die ganze
Schuld am Untergange Polens auf Eussland und Katharina 11.
wälzen und als ehrlicher Deutscher die Könige Friedrich 11.
und Friedrich Wilhelm II. vollständig weisswaschen. Aus
den „Bemerkungen" Schepeler's ist bereits zu ersehen, welchen
starken Eindruck das Buch Raumer's im Sinne der Aufwerfung
der Ansichten in der westeuropäischen Litteratur über die Be-
ziehungen Busslands zum Falle Polens hervorgebracht hatte.
Gleich Baumer sieht Schepeler in Allem den Wunsch
Russlands, ganz Polen zn annectiren, und hierdurch rechfertigt
er die preussische Annexion: „Wer die Zeitepoche der ersten
Theilung Polens unparteiisch betrachtet, muss erkennen: es
war ein Glück, dass Preussen kräftig dastand, damit Polen nicht
gänzlich von Russland verschluckt wurde" (77). „Wir können
euch Polen, so gern wir es wünschten, gegen Russland nicht
unabhängig erhalten; deshalb nehmen wir Theil an eurer Ver-
kleinerung, damit Russland nicht Alles für sich behalte" (99).
Es giebt nichts, worin Friedrich II. nicht Katharina 11.
übertreffe : „Friedrich's ganzes Leben beweist Religions-Toleranz,
womit er nicht prahlte; Catharina 11. hingegen schob diese
vor, um Willkühr und grenzenlose Ehrsucht mit Etwas zu
decken, und um die Federn der Voltaires erkaufen zu können"
(45). Friedrich IL. habe Polen durch die Theilung beglückt (77),
während Katharina „Polen als ihren alleinigen Tummelplatz
betrachtend (57), sehr ungern so viel von Polen abtrat, das
sie für sich seit ihrer Thronbesteigung bearbeitet hatte"
(99) u. s. w.
Uns interessirt natürlich die Vertheidigung Friedrichs II.
gegen die vermeintlichen Angriffe Raumers durch den Verfasser
— 257 —
nicht, aber zur Charakteristik der deutschen Geschichtsschrei-
bung halten wir es für nöthig hinzuzufügen, dass Baumer
15 Jahre später, im Jahre 1847, gezwungen wurde, wegen
seiner Rede zu Ehren Friedrich's 11. aus der Berliner Academie
auszuscheiden.
957* Catherine 11, par Madame la duchesse cPAhranths, Paris, 1884.
Laure de St. Martin -Permont, duchesse d'Abrantes,
1784 — 1838, nach dem Manne Mme. Junot, hatte die Möglich-
keit, sich mit der französischen Gesellschaft des ersten Kaiser-
reichs, in der sie eine gewisse Rolle spielte, gut bekannt zu
machen. Ihre Mutter war bei der Geburt Napoleon Bonaparte's
zugegen gewesen, der, nachdem er der Kaiser Napoleon I. ge-
worden war, die Familien der Leute protegirte, die ihm auf
Corsica nahe gestanden hatten. Als die Herzogin verwittwet
und verarmt war, nahm sie ihre Zuflucht zu litterarischen
Arbeiten, schrieb Novellen und Romane und liess in den
Jahren 1831 — 1834 ihre umfangreichen „Mömoires de madame
la duchesse d'Abrant^a'' in 18 Bänden im Druck erscheinen.
Diese Memoiren haben ihre Bedeutung auch ftlr die Gegen-
wart noch nicht eingebüsst; sie wurden vielmehr erst im
Jahre 1 893 als interessante „Souvenirs historiques sur Napolöon,
la r^volution, le directoire, le consulat, Tempire et la restau-
ration" aufs Neue in 10 Bänden herausgegeben. Die uns
hier vorliegende Broschüre erlebte sogar vier Auflagen, und
zwar zwei in Paris und zwei in Brüssel. Zuerst war sie als
Artikel in der „Encyclop^die des gens du monde" erschienen
und dann erst in Gestalt einer Broschüre als Sonderausgabe
dieses Artikels.
Bald nach dem Tode Paul's I. überschwemmten die Russen
Paris; sie erzählten mit Begeisterung von der „grossen Katha-
rina", und die Herzogin zeichnete nach ihren Mittheilungen
und Schilderungen ihre „Catherine" (1, 3, 7). Ausser dieser
Quelle giebt die Verfasserin in ihren „M^moires" noch eine
BlIbasBoff, Kstharlna n. 17
— 258 —
andere, zuverlässigere Quelle an: „M. Tabbö Perrin, aujourd'hui
grand yicaire de T^veque de Versailles, a 6t6 pendant plusi-
eurs ann6es dans la maison du comte Panin, dont il a 61ey^
les enfants. H a vu tous les 6v6nements de cette cour bar-
bare et m'en a racont^ des choses qui paraitraient incroyables
sortant d^une autre bouche ... II m'a racontö sur la Eussie,
la mort de Paul, celle de Pierre, des choses du plus haut
int^ret, et lorsqu'on songe qu'il 6tait dans la maison de Panin,
de cet homme qui a ordonnä de la destin^e de quatre sou-
verains, et qu'on se dit que le narrateur, m6rite toute con-
fiance, on frissonne" (I, 14). Einen solchen Panin, „qui aurait
ordonnö de la destinöe de quatre souverains", hat es in Russ-
land niemals gegeben. Graf Nikita Panin starb im Jahre 1783
als Hagestolz; Perrin konnte also nur beim Grafen Peter
Panin, der im Jahre 1789 gestorben ist, als sein einziger
Sohn, Graf Nikita Petro witsch, 18 Jahre zählte, im Dienste
gewesen sein. Im Jahre 1795 war auch dieser Graf Nikita
bereits verheirathet. Wessen Kinder soll also der Abb6 Perrin
beim Tode Katharinas II. und Paul I. erzogen haben? Durch
den Hinweis auf derartige Quellen wünschte die Herzogin nur
ihre Entlehnungen aus Cast^ra, Laveaux, Massen und Anderen
zu maskiren. In dem ganzen Buche findet man weder neue That-
sachen, noch eine originelle Beleuchtung der bereits bekannten,
die Ereignisse und Jahre sind durcheinander gemengt, die
Pinge entstellt und die Personen verzeichnet. Man muss an-
i^ehmen, dass die Verfasserin ausschliesslich die Absicht ge-
habt habe, auf den Büchermarkt eine gangbare Waare zu
werfen, die geeignet gewesen sei, ihr einen grösseren Verdienst
^ifi gewähren.
.; Im Jahre 1835 erschien übrigens auch in Paris eine ano-
i^yme Broschüre (No. 962), deren Verfasser, J. N. Tolstoi, in
]^zug auf die russische Geschichte eine noch grössere Un-
^ssenheit zeigte, als die Herzogin von Abrantes.
— 259 —
958. Aus dem Leben des Freiherm H. L. von Nicolay. Von P. von
0er schau, Hamburg, 1884.
Andrei Ljwowitsch Nicolay, 1737 — 1820, kam im Jahre
1769 nach St. Petersburg und gehörte hier zum Hofstaate
Paul Petrowitsch's, nicht Katharina's, die er deshalb auch nicht
kennen konnte, obgleich er ihr zu Ehren Verse schrieb (26).
Die hier vorliegende kurze Biographie desselben ist sehr inter-
essant zusammengestellt, ungeachtet aller Parteilichkeit des
Verfassers für seinen Helden (35). In der Broschüre finden
sich interessante Züge zur Charakteristik Falconet's (28, 34),
mit dem Katharina in directen Beziehungen stand. Graf
N! J. Panin war nach dem Verfasser „ein Mann in jeder Hin-
sicht ausgezeichnet, nicht nur als Staatsmann und Diplomat,
sondern auch als Mensch" (28) — natürlich nur deshalb, weil
gerade diesem Grafen Panin „Nicolay seine Anstellung bei dem
Grossfürsten zunächst verdankte" (ibid.). üeber Katharina
theilt der Verfasser nichts mit, das Beachtung verdiente. In
der russischen historischen Litteratur hat Kobeko, 55, die vor-
liegende Broschüre benutzt.
959. Peter Pawlowitsch Semennows merkwürdige Begebenheiten
während der Begienmg Katharina der Zweiten und der Revo-
lutionszeit in Paris. Historische Erzählung von G. F. W. Borck,
2 Bde. Berlin, 1834.
Der Verfasser dieses Werkes, „ehemaliger Kaiserlicher
Russischer Hof-Schauspieler", erzählt das Schicksal des P. P.
Semjenow, eines Pathenkindes des Fürsten Potjemkin, bald in
Versen, bald in Prosa. Thatsachen mit Erdichtetem ver-
mengend, erzählt er fliessend und interessant, aber er liebt
es leider, den Leser in das Winterpalais, zu Katharina, in die
Paläste der russischen Grossen u. s. w. zu führen, wo er, der
Verfasser, offenbar selbst — niemals gewesen ist. Er zeichnet
die Bilder des russischen Alltagslebens richtig, aber bei der
Schilderung des Lebens der höchsten Gesellschaft reisst ihn
17*
— 260 —
seine Phantasie ganz ftLrchterlich auf Abwege, von seinen Mit-
theilungen über Katharina gar nicht zu reden. Seine Be-
merkung über das russische Schimpfwort ist ganz richtig: ,,6ei
allen russischen National-Flüchen müssen die Mütter — sogar
im B'ruderstreit — den grössten Theil der Fluchlast tragen'^
(I, 53), bald darauf aber folgt folgender Unsinn: „Der Fürst
Potemkin verlor eins seiner Augen im Pistolen -Duell mit
seinem Nebenbuhler, dem Fürsten Alexa Gregowitsch Orlow,
Admiral der Kaiserlich Russischen Flotte" {I, 61). Die rein
äusserliche Beschreibung Katharina' s bei der Enthüllung des
Denkmals Peter's des Grossen ist ein unmöglicher Unsinn (1, 81),
gleichzeitig aber macht der Verfasser eine vollkommen rich-
tige Bemerkung über die Schwelgereien bei der Todtenfeier
(I, 28) u. s. w.
960. Nouveaux m^moires secrets et inMits, historiques^ politiques,
anecdotiques et litt^raires, du baron de Grimm, agent k Paris
de la coor de Russie et de Pologne, ou Chronique curieuse des
persounages c^l^bres qui ont illustre le siScle demier, suivie
de la relation de ses voyages. 2 vis. Paris, 1834.
Siehe No. 938.
961. Soavenirs de Madame Vigee Le Brun. 2 vis. Paris, 1835.
Mme. Vigöe, die Tochter eines bekannten Künstlers, die
den Bilderhändler Lebrun geheirathet, aber auch ihren Mädchen-
namen beibehalten hatte, weshalb sie sich Vig^e Le Brun nannte,
1775—1842, war eine bedeutende Porträtmalerin, von der mehr
als 600 Bildnisse berühmter Zeitgenossen, darunter 54 Porträts
russischer hervorragender Leute, herrühren. Sie brachte in
Eussland genau sechs Jahre*) zu, vom Juli 1795 bis zum Juli
1801, wurde in den besten Häusern Petersburgs \ind Moskaus
*) Sie irrt sich, wenn sie in ihren ,,Souvenir8*^ sagt: „dorant les sept
ann^es et plus qae j'ai pass^es en Russie'^ (I, 318); denn sie langte in
Petersburg am 14. Juli 1795 an (I, 307), und im Juli 1801 war sie schon
wieder in Berlin (II, 89).
— 261 —
empfangen, kannte alle Glieder der Kaiserlichen Familie, unter-
hielt sich wiederholt mit Katharina und sah und sprach mit
der Kaiserin noch fünf Tage vor dem Tode derselben. Mme.
Vig6e Le Brun war besonders befreundet mit der Gräfin Na-
talja Iwanowna Kurakin, geb. Golowin, auf deren Bitte sie
auch ihre Erinnerungen auf Grund „des notes que j'ai prises
ä diff(6rentes ^poques de ma vie" (I, 2) niedergsschrieben hat.
Diese „Notizen" haben indess ihre „Erinnerungen", die später
geschrieben wurden, nicht immer vor bedeutenden Schnitzern
bewahren können; z. B. heisst es in ihnen: „le parc de Czar-
skoiesiolo, bordö par la mer" (I, 317); der deutsche Dieb, der
ihr in Petersburg ihre Kostbarkeiten gestohlen hatte, „allait
6tre pendu, selon la loi du pays" (I, 326); in Petersburg und
Moskau „on ne rencontre jamais un homme ivre, quoique la
boisson habituelle soit de l'eau-de-vie de grain" (I, 344); „ä
la fin du mois de mai, au jardin d'^t^, les feuilles d'arbustes
qui n'^taint encore qu'en bourgeons, apr^s que nous ftmes un
grand tour d*all6e, devenaient entierement ^tendues" (I, 351);
„on enterra le roi de Pologne dans le citadelle, prfes de Cathe-
rine" (IE, 43) u. s. w.
Von einer berühmten Künstlerin, dem Mitgliede allermög-
licher Academien in Europa, darunter aller Academien Italiens
(I, 229), — von einer Dame, die noch dazu sehr schön war
(I, 12, 17, 24), und die nach Russland gekommen war, um
die Porträts der Kaiserin, der Glieder der Kaiserlichen Familie
und der russischen Grossen zu malen, die in Folge dessen
beständig in der höchsten Gesellschaft lebte, kann man natür-
lich Kenntnisse über die Lage des Volkes, über den Stand
von Handel und Gewerbe, über die Gerichtspflege und über
Heer und Flotte gar nicht verlangen. Dagegen sind in ihren
„Erinnerungen" eine Menge von Gerüchten und Klatschereien,
von Erzählungen und Urtheilen, die die höhere Gesellschaft
während des Aufenthaltes der Verfasserin in Russland be-
— 262 —
schäftigten, erhalten. Als gute „Physiognomikerin" (11, 43)
und als Porträtmalerin erfasste sie die Charakterzüge ihrer
Umgebung sicher und treffend und gab sie nicht nur mit dem
Pinsel auf der Leinwand, sondern auch mit der Feder auf dem
Papiere richtig wieder. Sie sah Katharina in dem letzten
Lebensjahre der Kaiserin und hat ihr Aeusseres sehr lebendig
geschildert (I, 311, 337); ihre Zeilen über Elisabeth Alexejewna
zeichnen deren Aeusseres richtiger als die Berichte vieler
Diplomaten (I, 310, 333, 336; ü, 60); ihre Aeusserungen über
die russischen Persönlichkeiten, deren Bilder sie malte, sind
immer ein wenig schönfärberisch, aber nicht selten äusserst
zutreffend (I, 193, 262, 275, 281, 313, 328, 331, 356). Alexei
Orlow — „un homme colossal" — (I, 15) und Mme. Witt mit
ihrem »j'ai mal k mes beaux yeuxa (I, 325), die Gestalt Marja
Feodorowna's neben Paul I. (IL, 36) und Konstantin Pawlo-
witsch an seinem Hochzeitstage (I, 335) — alle diese Kleinig-
keiten veryoUständigen das allgemeine Bild mit solchen Zügen,
für deren Ueberlieferung wir der Verfasserin dankbar sein
müssen. In den „EJrinnerungen" finden sich noch dazu cha-
rakteristische Nachrichten über Persönlichkeiten, die Katharina
kannte und mit denen sie in Beziehungen stand, z. B. über
d'Alembert (I, 32) und Fürst de Ligne (I, 13, 55, 288, 292),
über Todi (I, 61) und Olivarez (I, 116), über Angelika Kauf-
mann (I, 156, 170) und Pius VL (I, 178), über Langeron
(I, 277) und den Prinzen von Nassau (1, 277, 287), über Mengs
(I, 298), über den Ex-König Ponjatowskij (II, 39) u. s. w.
Man kann natürlich den Aeusserungen der Verfasserin
über das russische Volk (T, 344 — 347) keinen Werth bei-
messen, denn sie hat es weder gekannt, noch sogar gesehen.
Aber an der Wahrheit der von ihr wiedergegebenen Gerüchte
darf man nicht zweiieln: „On raconte que la comtesse de
Bruce lui disait un jour: »Je remarque que les favoris de
Votre Majeste sont bien jeunesa. — Je les veux ainsi.
— 263 —
r^pondit-elle: s'ils ^taient d'nn äge raisonnable, on dirait
qn'ils me gouvernent^' (11, 14). Diese Geschichte ist natürlich
nicht von der Verfasserin erfanden worden. Sie hat auch die
folgende genau wiedergegeben: ^^Entre differents traits bizarres
que Ton racontait du grand duc Constantin, on disait que le
soir de ses nöces, au moment de monter chez sa femme, 11
entra dans une fureur horrible contre un soldat de garde k
la porte, qui n'ex6cutait pas assez strictement sa consigne'^
(11, 335). Die Eifersucht Konstantins gegen seinen Bruder,
und wie unglücklich „la duchesse Anna, indign^e de ses
soupQons'^ war, — das sind allgemein bekannte Dinge. Die
Verfasserin hat genau niedergeschrieben, was sie gehört hatte;
es ist jedoch nothwendig, die Zuverlässigkeit dessen zu prüfen,
was man ihr erzählt hatte.
Heute sind wir im Stande, gerade die Seiten ihrer „Er-
innerungen^' zu controliren, die sich hauptsächlich mit Katha-
rina beschäftigen. Die Verfasserin sagt von den Porträts der
Grossfürstinnen Alexandra und Helene: „Je les avait group6es
ensemble, tenant et regardant le portrait de Timp^ratrice; le
costume 6tait un peu grec, mais tr6s-simple et tr^s modeste"
(I, 330). Fürst Subow theilte ihr jedoch mit, dass gerade das
Kostüm der Kaiserin nicht gefalle, und sie vertauschte sofort
die Tunikas mit gewöhnlichen langärmeligen Kleidern, wie die
Grossfürstinnen sie zu tragen pflegten. „La v6rit6 est que
rimp6ratrice n' avait rien dit; car eile eut la bont6, de m'en
assurer la premi^re fois que je la revis^^ Als Paul, als er
bereits Kaiser war, hörte, warum das Kostüm verändert
worden war, „leva les öpaules en disant: »c'est un tour que
Ton vous a jou^a. Au reste, ce ne fut point le seul, car
Zouboff ne m'aimait pas'* (I, 331). Die entscheidende Stimme
hat im gegebenen Falle natürlich Katharina selbst, und sie
hat am 8. November 1795, als die Porträts noch nicht ganz
beendet waren, an Grimm geschrieben: „Madame Le Brun
— 264 —
commence k peindre les grandes duchesse Alexandrine et
H61fene . . . eile vous accroupit ces deux figures-lä sur un
canap^, tord le cou k la cadette, leur donue l'air de deux
moax*) se chauffant au soleil, ou, si vous voulez, de deux
yilaines petites savoyardes coiff^es eu bacchantes, avec des
grappes de raisin, et les habilles de tunique gros rouge et
violette; en un mot, non seulement la ressemblance est
manqu^e, mais encore les deux soeurs sont tellement d^ügur^es
qu'il 7 a des gens qui demandent laquelle est l'aln^e, laquelle
est cadette" (Sammlung, XXIII, 671). Es ist klar, dass
Subow die Unzufriedenheit der Kaiserin vollkommen richtig
zum Ausdruck gebracht hat, als er gerade das Kostüm rügte;
wenn er von der Unähnlichkeit schwieg, so that er dies viel-
leicht aus Höflichkeit. Als die Porträts völlig fertig waren,
anderthalb Monate später, schrieb Katharina am 18. December:
„ßien de plus vilain que le prötendu portrait d' Alexandrine
et H^löne par Mad. Le Brun: se sont deux siuges accroupis
qui grimacent k cöt6 Tun de l'autre: il n'y a ni noblesse, ni
gout, ni finesse, ni l'innocence de leur äge dans ce portrait,
ni leur beaut^, ni rien, en v6rit6, d'elles; elles ont l'air de deux
filles, et puis c'est tout" (ibid., 665). Das ist begreiflich:
Katharina war von der Schönheit ihrer Enkelinnen so sehr
eingenommen, dass das Porträt ihr um so weniger gefiel, je
ähnlicher es war.
Im Hinblick auf die Seltenheit der ersten Ausgabe der
„Souvenirs de Madame Vig6e Le Brun** haben wir die Hin-
weise nach der allgemein erreichbaren Ausgabe der „Biblio-
th^que Charpentier" gemacht, die einen wörtlichen Nachdruck
der ersten Ausgabe mit Hinzufügung einiger Anmerkungen
bildet.
*) Katharina wollte hier wahrscheinlich mit französischen Buch-
staben ein „Miau** wiedergeben, d. h. das Miau zweier Kätzchen, die
sich in der Sonne sonnten.
— 265 —
962. Lettre d'un Busse k un Russe. Simple r^ponse au pamphlet
de Mme. la duchesse d^Abrant^s intitul^: Catherine 11. [J.Tolstoy.]
Paris, 1835.
Dies ist eine Entgegnung auf No. 957. Die „Antwort" ist
bedeutend unwissender als das „Pamphlet". Die Fehler und
Unrichtigkeiten, die sich im Buche der Herzogin von Abrantes
finden, einer Französin, die Eussland gar nicht kannte und
nach den Mittheilungen Anderer schrieb, sind vollkommen be-
greiflich; die Unkenntniss der russischen Geschichte dagegen
beim „ russischen ^< Ejritiker der Herzogin ist unverzeihlich.
Die vorliegende Broschüre zeigt klar, dass das System des
Verbotes, nicht nur die Fragen der russischen Geschichte zu
Studiren, sondern auch sich für sie zu interessiren, bereits da-
mals angefangen hatte, seine Früchte zu tragen: der Verfasser
der Broschüre, Jakob Nikolajewitsch Tolstoi, ein Zögling des
Pagen-Corps, in dem nichts ernstlich gelernt wurde, und darauf
Stabskapitän der Garde, sowie später russischer Agent in
Paris, verbeugt sich zwar vor „notre magnanime empereur"
(1), ist aber so unfähig, dass er sogar gegenüber einer Herzogin
von Albrantes den Kürzeren zieht. Er ist bis zu dem Grade un-
wissend, dass er von der Existenz Stepan's des Kleinen keine
blasse Ahnung hat (156) und bei der Erwähnung desselben im
Buche der Herzogin ausruft: „notre historien confond Pou-
gatcheff avec je ne sais quel moine Stephane" (14), und die
Erzählung der Herzogin über die Tarakanow (224) nennt er
„une des inventions les plus läches et les plus odieuses" (79).
Tolstoi weist mit Entsetzen „une union secrete de Timp^ra-
trice Elisabeth" zurück (80), über die heute sogar in officiellen
Werken, die ftlr Lieutenants der Armee bestimmt sind (Leer,
VI, 370), gesprochen wird. Tolstoi nennt das Werk der
Herzogin von Abrantes „une m6chante action et un mauvais
livre" (5), „un r6cit fantastique" (7), „un pamphlet les plus
obscur" (68) und hält ihr selbst nur sinnlose Phraspn entgegen, als
— 266 —
ob zu seiner Zeit ,,la ßussie, ä. la voix du maltre intelligent
et Änergique qui la gouveme, entre dans la v6ritable civili-
sation des peuples" (1).
963. Die Bolle der Diplomatie bei dem Falle Polens. Von einem
ausgewanderten Polen. Leipzig, 1835.
Die Polen suchten natürlich die Gründe für den Unter-
gang überall, ausser in Polen und bei den Polen selbst. Der
polnische Verfasser der vorliegenden Broschüre erklärt, dass
die Diplomatie an Allem schuld sei. Das ganze Werk soll als
„Ein belehrendes Beispiel für alle Völker" dienen und ist
„Den Freiheitsfreunden aller Völker" gewidmet. Es zerfällt
in drei Theile: 1. „Von der ersten Einmischung der Fremden
in innere Angelegenheiten der polnischen BepubUk bis zu
ihrem Untergange" (3). Dieser Theil umfasst die ganze Zeit
der Regierung Katharina's 11.; 2. „Von dem Untergange der
polnischen Republik bis zur Befreiungs-Schlacht von Grochow"
(34), und 3. „Von der Befreiungs-Schlacht bei Grochow bis
zur Umwälzung am 15. August" (85). Dazu kommt noch ein
besonderer Artikel: „Ueberblick der Ereignisse des 15. August"
(138). Als Beilage sind fünf Documente aus dem „Coup
d'oeil sur Tötat politique du royaume de Pologne sous la
domination russe pendänt 1815—1830. Paris, 1832" (195)
abgedruckt.
Uns können nur die ersten dreissig Seiten interessiren.
Sie sind sehr nichtssagend und langweilig. Ohne die Auf-
gaben oder die Ziele der Diplomatie zu begreifen, bemüht sich
der Verfasser, zu beweisen, dass Stanislaus August ein guter
Mensch gewesen sei (4), dass ihn jedoch seine Leidenschaft für
die Diplomatie ins Verderben gestürzt habe. Der Verfasser
ist überdies ein richtiger Nichtswisser — : für ihn als Polen
ist es eine Schande, das Werk Eulhiöre's nicht zu kennen (16)
und allzu naiv zu glauben, dass Polen durch einen Tausch
Warschaus gegen Erakau hätte gerettet werden können (18).
^
— 267 —
Für die erste Theilung Polens macht er natürlich Katharina
verantwortlich: „Nachdem die freundnachbarliche Beschützerin,
die grosse Kaiserin Katharina, das unglückliche Polen
durch alle Künste der Diplomatie hatte zu Grunde richten
lassen, verbindet sie sich nun insgeheim mit den übrigen
Nachbarn und bietet ihnen einen Theil der Beute an, um mit
ihnen über dem Genuss derselben in keinen Streit zu gerathen^'
(16); für die zweite dagegen Preussen: „Das preussische Cabinet
mit seinem Verfechter, dem preussischen Gesandten Lucchesini,
mit dem der König, die Regierung und die Vaterlandsfreunde
stets ohne Hehl zu Werke gingen, haben die Hauptrolle in dem
weltgeschichtlichen Schauspiele, wodurch Polen zu Grunde ge-
richtet wurde, gespielt" (24).
Der Verfasser ist in der Politik das reine Kind. Er
kann es ganz und gar nicht begreifen, dass, wenn schon die
„Diplomatie" Polen zu Grunde gerichtet habe, die Polen
selbst hierbei am meisten mitgeholfen haben, und er erinnert
die „Theilungsmächte" hypernaiv an die Verdienste Polens:
im Jahre 1525 habe Sigismund I. das Fürstenthum Branden-
burg der preussischen Dynastie verliehen, im Jahre 1683 habe
Jan Sobieskij das Haus Habsburg gerettet, und im Jahre 1700
habe August 11. durch das Bündniss mit Peter I. das Haus
Eomanow vor Karl Xu. gerettet (20). Dies ist ebenso naiv,
wie es naiv ist, in der Theilung Polens eine Bache Katha-
rina'sH. für die Anwesenheit der Polen in Moskau im Jahre
1607 und für Wladislaw Wasa zu erblicken (Schepeler, 7).
Es versteht sich von selbst, dass der Verfasser die vom
Reichstage von 1791 „votirten" 100,000 Mann polnischer
Truppen als wirklich vorhanden gewesen annimmt (24), und
dass nicht nur Kostjuschko, sondern auch Kasimir Pulawskij
(18), bis zum Schuhmacher Kilinskij inclusive (30) für ihn
Helden sind.
— 268 —
964. La figlia del generale Omolff, drama storico in quattro atti,
del pittore Luigi Marto, Napoli, 1885.
Dieses Stück ist „alla nobil donna contessa SamoyloflF,
nata contessa de Phalen" (Pahlen) gewidmet und behandelt
ausschliesslich die Liebesabenteuer Hda's, der Tochter eines
Generals, und ihrer Gouvernante Arriotte, einer Französin
(9). Der Verfasser versichert, dass „questo avvenimento
ebbe luogo a Pietroburgo sotto il regno di Catterina Seconda**,
aber es konnte sich auch nicht in der Epoche Katharina's er-
eignet haben und hat in jedem Ealle keine Beziehung zu
Russland. Alle handelnden Personen sind keine Russen. Der
grösste Effect des Dramas ist in einem Ukase Katharina's ent-
halten (65).
Dieses Drama wurde im Jahre 1833 in Gegenwart des
Königs aufgeführt und hatte Erfolg. Der Verfasser hat später
noch ein zweites Drama geschrieben (No. 980) — mit denselben
unrussischen Sitten und mit demselben Ukase Katharina's als
Lösung des Conflicts.
965. Katharina 11 und ihr Hof. Lustspiel in drei Akten. Nach
dem Französischen von J. R. Lenx-Kühne, Mainz, 1835.
Eine wörtliche Uebersetzung von No. 951, wobei nur der
Titel ein wenig verändert ist.
966« Elisabeth Tarakanow, oder die Kaisertochter. Ein historischer
Boman aus der neueren Zeit, von W. Lorenx. Leipzig, 1835.
Ein schriftstellerisch sehr gut geschriebener Roman. Die
Tarakanow wird schon während ihrer üeberfahrt von Palermo
nach Kronstadt wahnsinnig (177), wo sie im Jahre 1777
während einer Ueberschwemmung umkommt (195). Als man
ihren Körper aus der Kasematte trägt, fährt Katharina gerade
vorüber und sieht die Leiche der Elisabeth Tarakanow (196).
Die letzten Capitel behandeln das Schicksal des Grafen A. G.
Orlow, der von Allen verlassen wird, ausser von Gr. N. Teplow,
„der mit Orlow mordete und durch Orlow stieg" (209).
— 269 —
967. Pokka odradzaj^ca sig, czjli dzieje Polski od roku 1795.
Potocznie opowiedziane przez J. Lelewela, Brnzella, 1886.
Dies ist ein politisches Pamphlet, dass in 106 kurze
Üapitel getheilt ist und hauptsächlich das XIX. Jahrhundert
behandelt. Die Ansicht des Verfassers über Katharina ist
folgendermaassen ausgesprochen: „Bz^d rossijski w pierwszych
momentach rozbioru Polski, za iycia jeszcze Katarzyny 11,
byl tyranski i barbarzynski, wywracal wszystko, konfiskowal,
szkoly zamykal, ludzi na Sibir wysyla^, knutowal, unjatow do
disunji gwaltem nawracal, katolikom biskupstwa przemienial:,
fiindusze i koscioly zabi^ral, na iadne prawa polskie nie
zwaial" (17).
Der Broschüre sind zwei Karten beigelegt: eine Karte der
5 Theilungen von 1772, 1793, 1795, 1810 und 1815, und
„Euchy wojenne w powstaniu narodowym polski 1831".
968. Der Courier von Simbirsk. Novelle von Q-. von Heertngen,
Frankfurt a./M., 1836.
Der Courier von Ssimbirsk ist ein junger, hübscher Offi-
zier Namens Fedor Wissonskij, der die Nachricht von der
Niederlage Pugatschew's bei Zarizyno und von der Ergreifung
Pugatschew's selbst, den seine Anhänger den russischen Macht-
habem ausgeliefert hätten, der Kaiserin überbringt. Bei der
Abreise des Couriers aus Ssimbirsk hat er ein Mädchen, Dunja,
mit sich genommen, das ihm, als er bei den Pugatschewzen
gefangen war, das Leben gerettet hatte, und das er jetzt
bei der Ergreifung Pugatschew's, auf der Strasse, wehrlos in
der Gewalt russischer Soldaten wiedergefiinden. Nachdem der
Courier in Petersburg angelangt, übergiebt er die Depeschen
Katharina, Dunja aber bringt er im Kloster von Smolna unter.
Während dreier Tage ändert sich Alles: Katharina verliebt
sich in den schönen Courier, und Dunja erweist sich als die
Tochter Pugatschew's, der zum Tode durch den Strang ver-
urtheilt worden. Der Courier jedoch liebt Katharina nicht,
— 270 —
sondern bleibt Dunja treu; diese aber, die in Smolna nicht
erzogen zu werden wünscht, entflieht aus dem Kloster. Schliess-
lich wird der Günstling, der die Kaiserin verschmäht hat, nach
Kasanj als Commandeur eines Kegiments mit einer Hol^ension
von 20,000 Rubeln und mit dem Wunsche fortgeschickt, dass
er mit Dunja glücklich werden möge.
Hier ist eine Uebersetzung (266) des Manifestes über die
Verbrechen Pugatschew's abgedruckt (Archiv des Senats, Bd.l36,
Bl. 350; Mg. Ges.-Sammlg., No. 14230; Puschkin, VI, 187;
Sammlung, XXVII, 8), auch ist hier die Vermuthung ausge-
sprochen, dass Pugatschew ein Product der Unzufriedenheit
des Volkes und besonders der „Popen" sei, denen Katharina
die Kirchengüter und Einnahmen weggenommen habe: „Von
ihnen ging das Gerücht aus, Peter der Dritte, Katharinas
unglücklicher Gemahl, welcher bei ihrer Thronbesteigung einen
so schnellen und räthselhaften Tod fand, sei noch am Leben" (75).
Das Porträt Katharina's ist mit begeisterten Farben gemalt (55).
Besser als andere ist der Obrist Kischenskij geschildert (87,
212). Graf N. J. Panin prophezeit seinem Neffen N. P.
Panin: „Du wirst keine grosse Carrifere machen und weder
General noch Minister werden" (199). VonPotjemkin heisst es:
„Potemkin, dieser brutale Hitzkopf, mit seiner versteckten
Herrschgier, der uns bald alle unter seine Füsse treten würde,
wenn er hier festen Boden gewönne" (201). Der Verfasser
liebt es, mit der Kenntniss der russischen Sprache zu renom-
miren : „pmobraschenskische, sumanowkische Grenadiere" (54),
„Dnuschick", für Denjschtschik (82); sowie mit der Topographie
Petersburgs — : „am Ligaw'sche Kanal", in der „Slobode
Ochta" (6) u. s. w.
969. Le d^membrement de la Pologne, par Fr. Raumer. Traduit de
rAllemand par Ch. Forster. Paris, 1836.
Eine uebersetzung von No. 955, die zuerst im Werke
Forster's „La vieille Pologne, Paris, 1835," abgedruckt wor^
— 271 —
den ist. Unter demselben Titel ist diese üebersetzung noch
zwei Male erschienen, im Jahre 1837 und im Jahre 1877.
Derselbe Forster gab auch eine polnische üebersetzung heraus:
„Upadek Polski, opisany przez Dr. Fr. von Raumer. Ttomac-
zenie z Niemieckiego z przedmow^ K. Forstera. Berlin, 1871'^
Diese polnischö Üebersetzung bildet den ersten Band des von
Forster in Berlin herausgegebenen Werkes „Teka Narodowa";
im zweiten Bande, der den Titel „Sprawa Polska" fuhrt, sind
aus derselben üebersetzung einige Seiten unter der üeber-
schrift „Politiczna dojrzatosc Polakow" (186) nachgedruckt.
970. Elisabeth Tarakonow eller Keiserdattern. Ein historik Roman
fra den nyere Tid af W. Lorenx. Kjöbenhavn, 1836.
Eine üebersetzung von No. 966.
971. Ausgang des Joan'schen Zweiges der Romanow und seiner
Freunde. Dargestellt durch F. W. Barthold, Leipzig, 1837.
Der Professor an der Universität Greifswald Barthold
widmete zwei Aufsätze der Nachkommenschaft des Zaren Iwan
Alexejewitsch; der erste dieser Artikel hatte den Titel; „Anna
loannowna. Cabinet, Hof, Sitte und gesellschaftliche Bildung
in Moskau und St.-Petersburg" (Histor. Taschenbuch, 1836,
175), und der zweite, der als Fortsetzung des ersten Artikels
erscheint, den oben angeführten Titel (ibid., 1837, 1). Der
Verfasser erzählt in künstlerischem Stile und einfach und klar
die geschichtlichen Ereignisse', die er bis in die kleinsten
Einzelheiten nach allen damals vorhandenen Materialien studirt
hat. Er theilt nichts Neues mit, aber er sichtet das publi-
cirte Material streng kritisch, und da er eine ernsthafte hi-
storische Fachbildung besitzt, so widerlegt er, oder richtiger
verwirft er die unsinnigen Gerüchte, unwahrscheinlichen Mit-
theilungen und unwahren Nachrichten und reinigt auf diese
Weise bedeutend den Weg zu einer möglichst zuverlässigen
Vorstellung von den thatsächlichen historischen Geschehnissen.
Hierin besteht sein Verdienst auch in dem vorliegenden Aufsatze.
— 272 —
Die ganze Arbeit besteht au^ sechs Capitebi, und erst
im letzten: „Rückrufung der Verbannten durch Peter III.
Münnich und Biron. Ermordung Joans III. und Ausgang seines
Geschlechts" (128), wird Katharina II. erwähnt. Der Ver-
fasser behandelt ihre Beziehungen zum greisen Münnich (145)
und zu Biron (147), den „beiden Anhängern des Iwan'schen
Zweiges des Hauses Romanow", und erzählt ausführlich die
Ermordung Iwan's HI. und das Schicksal seiner Verwandten.
Bei der Darstellung der „Abgeschmacktheit von Schlüssel-
burg" (Historischer Bote, XXXII, 265) führt der Verfasser
entschuldigend aus: „Gross ist der Verdacht, dass der Hof,
durch Pseudopeter bereits beunruhigt (?), auf eine grauenvoll
listige Weise sich dieses lebenden Prätendenten entledigt habe;
wir finden aber keine Gründe der üeberzeugung und die Ge-
schichte hat genug verbürgte Thatsachen, um Katharina die
Grosse zu entgöttem" (149). Nachdem der Verfasser hierauf
die Untersuchung, die Verurtheilung und die Hinrichtung
Mirowitsch's ziemlich richtig erzählt, erwähnt er, nach Heibig,
die Thatsache, dass Mirowitsch von seiner Begnadigung über-
zeugt gewesen sei, und schliesst dann folgendermassen: „Den
räthselhaften Zusammenhang weiss der Allmächtige allein; vor
seinem Throne steht Gregor] Teplow, ein Russe gemeiner
Herkunft, talentvoll und gelehrt, einst Hofineister der Kinder
Kyrilla Rasumowskis, dann Zeuge des Todes Peter III., zu-
letzt Lehrer des Grossförsten Paul in Staatsgeschäften, der
von einer leise flüsternden Stimme als Derjenige bezeichnet
wird, welcher den kurzsichtigen, ehrgeizigen Ukrainer zu dem
wohlberechneten Spiele angestiftet habe" (156). Dass dies ein
Märchen sei, haben wir in unserer „Geschichte Katharinas
der Zweiten" nachgewiesen.
Der Verfasser erzählt die Beförderung der Braunschweig-
schen Familie aus Cholmogory nach Dänemark ziemlich aus-
führlich (159): „Glaublich ist, dass die braunschweigische
— 273 -
Familie vor ihrer Entlassung aus Kolmogori Verzicht auf
die Krone geleistet und die Kaiserin sich zu einer ansehnlichen
Pension verbindlich gemacht hatte, unter der Verbindung:
»dass Joans Nachkommen ohne Gutheissen des russischen
Hofes ihren Aufenthalt nicht verändern und keine fremden
Dienste nähmen«" (162). Diese Nachricht hat der Verfasser
Büsching, XXII, 162, entnommen. Brückner meint, dass
„diese Annahme durch keinerlei positive Angaben bestätigt"
werde („Kaiser Joann Antonowitsch und seine Verwandten", 54).
Dieser Unsinn wird leicht durch die Beziehungen Katharina's
zur Braunschweigischen Familie widerlegt.
972. Un jour de massacre, par un temoin oculaire [Ostrowski], Paris,
1888.
Dieses Poem, das der Zerstörung Pragas durch Ssuworow
am 4. November 1794 gewidmet ist, trägt das Motto „Co
prawda to nie grzech", aber es sündigt gerade gegen die Wahr-
heit. Dieser „temoin oculaire" der Zerstörung Pragas sowohl,
als auch die „Documente" über jene Zeit haben sich mehr
als vierzig Jahre still verhalten, um erst nach der Katastrophe
von 1831 als Thema für ein dichterisches Erzeugniss benutzt
zu werden, dessen beste Strophe die folgende ist:
Pologne, 6 mon pajs! teile ^tait la sentence
Qui devait terminer diz si^cles d'existence,
Dix si^cles d'heroisme et d'hospitalit^,
De combats pour le Christ et pour la Liberty (19).
Es ist ein inhaltsleeres Gedicht, und auch die Anmerk-
ungen, mit denen es versehen ist, sind nicht interessanter.
Nur die 5. Anmerkung verdient Beachtung. Ein im Jahre 1831
sterbender Freund sagt dem Dichter:
Tiens, ouvre cet ^crit, que j*ai pris au paasage:
Catherine k Bepnin — vois combien ce message
Benferme de blasph^me et de mots insultants.
Je le garde sur moi depuis trente-sept ans (9).
BilbftBsoff, Katharina IL 18
- 274 —
In der Anmerkung zu dieser Stelle wird ein Auszug aus
einem angeblich eigenhändigen Briefe Katharina's an den
Fürsten N. W. Bepnin angeführt, in dem es u. A. heisst:
„II vous recommande que les arm6es se trouvant en Pologne
sous Yos ordres agissent, abstraction faite de toutes les
illusions d'humanitö, avec l'önergie n6cessaire pour leur
oter Tavenir tout moyen et tout espoir de revolte" (26).
Katharina hat nicht selten ziemlich offenherzige Briefe
geschrieben, aber nur an Personen, die ihr nahe standen. Zu
diesen zählte Fürst Repnin im Jahre 1794 nicht. Die Kaiserin
verhielt sich zu ihm schon lange wegen der Nowikow'schen
Angelegenheit misstrauisch (Longinow, die Martinisten, 148).
Am 22. April benachrichtigte sie ihn von seiner Ernennung
zum Oberbefehlshaber in Polen durch ein sehr trockenes Re-
script (Sammlung, XVI, 1). Zu derselben Zeit wurde Rep-
nin, wie bekannt ist, nach den Worten Katharina's „mit
Unseren Anweisungen zur Vernichtung des in der Nähe Unserer
Truppen ausgebrochenen Aufstandes und dann zur weiteren
Verwendung Unserer Kriegsmacht zur völligen Niederwerfung
der Unruhen in dem erwähnten Lande" versehen (Archiv, 1873,
II, 2290). Diese Anweisung ist noch nicht publicirt worden,
und es ist deshalb unmöglich festzustellen, in welchen Aus-
drücken die entsprechende Stelle in derselben abgefasst ist.
In Bezug auf den Beitritt Stanislaus August's zu der Con-
foderation von Targowitz wird in der 13. Anmerkung erzählt,
dass der französische Resident in Warschau Descorches „a
dit: »Votre roi, en signant l'acte de la Conf6d6ration de Tar-
gowicza, a sign6 Tarret de mort contre mon pauvre roi«" (28).
In der 14. Anmerkung wird mitgetheilt: „Catherine se
pr6parait ä d6jeüner avec ses affidös lorsqu'on vint lui annoncer
que ses ordres avaient 6t6 si bien remplis par Souwarow.
»Messieurs, je d^sire, dit-elle, que mon d^jeüner vous soit aussi
agröable que celui donn6 par Souwarow le 4 noverabre« (29).
- 275 —
In den späteren Ausgaben dieser Dichtung (No. 1123)
wird als Verfitsser „Christien Ostrowski" genannt. Nach dem
Aufstande Yon 1831 liess er sich in Paris nieder, wo er
mehrere politische Broschüren herausgab — : y,Ecrits et dis-
cours politiques", „Lettres slaves'*, „La Pologne r^tablie'*,
sowie einigiB Poeme — : „Semaine d'exil", „Lärmes d'exil".
973. Powstanie Kosciuszki. Pary^, 188S.
Dies ist ein Sonderabzug aus der „Kroniki Emigracii
Polskiej" und nichts Anderes, als eine Analyse des deutschen
Buches „Der Feldzug der Preussen im Jahre 1794. Beitrag
zur Geschichte des Polnischen Kevolutions-Krieges, von A. v.
Treskow-Berlin, 1837". In dem kurzen Vorworte zu der Bro-
schüre führt der Verfasser ein langes Verzeichniss der Werke
und der Handschriften an, die er benutzt hat. In dieser
Broschüre ist natürlich auch von ßussland die Eede, aber
nur beiläufig. Für uns hat sie nicht das geringste Interesse
und schwerlich ein grösseres für die Kriegsgeschichte jener Zeit.
974. II favorito o la corte di Oatherina II, commedia del signor
Äncelot, versione di Gaetano Barbieri. Milano, 1S88.
Eine Uebersetzung von No. 949. Ancelot erfreute sich in
Italien grosser Erfolge, und alle seine dramatischen Erzeug-
nisse sind ins Italienische übersetzt worden, und zwar in einer
besonderen Ausgabe: „Teatro del signor Ancelot", wo die vor-
liegende Komödie den 5. Band bildet.
975. Beitrage zur neneren Geschichte aus dem britischen und fran-
zösischen Beichsarchive, von Fr. v. Baumert Leipzig, 1889.
Die ersten zwei Bände dieses Werkes erschienen 1836
und haben die besonderen Titel: „Die Königinnen Elisabeth
und Maria Stuart^' und „König Friedrich 11 und seine Zeit,
1740—1769"; die folgenden drei Bände sind betitelt: „Europa
vom Ende des siebenjährigen bis zum Ende des amerikanischen
Krieges, 1763—1783". Der gemeinsame Titel „Beiträge" für
18*
— 276 —
alle 5 Bände bezeugt, dass der Verfasser selbst sein Werk
als „Material für die neuere Geschichte" betrachtete. Das
Material war in der That neu und ausserordentlich wichtig,
und dieses Werk Kaumer's brachte eine Umwälzung in der
historischen Wissenschaft hervor.
Dem Verfasser wurde als Erstem der Zutritt in die eng-
lischen Archive in London und in die französischen in Paris
gestattet: „Und diese Eröffnung war nicht verbunden mit
hundert argwöhnisch beschränkenden, Zeit kostenden und Ver-
druss erweckenden Vorsichtsmassregeln, sondern sie war un-
beschränkt*' (II, Vorrede). Im Londoner Archiv las der Ver-
fasser 324 Bände durch „und in Paris nicht viel weniger'*
(in, Vorrede), und zwar enthielten diese Bände die Berichte
der englischen und französischen Gesandten bei den verschie-
denen Höfen. In London allein las er u. A. 75 Bände Berichte
aus Bussland. Das Material, das Baumer benutzt hat, warf
ein ganz neues Licht auf die historischen Ereignisse und war
80 umfangreich, dass der Verfasser seine Aufgabe einschränken
musste; er wählte deshalb die Epoche Friedrich's II. aus.
Ueberdies war dieses Material so wichtig, dass es eine ernst-
hafte kritische Bearbeitung, die lange Zeit andauerte und
mühsam war, erforderte. Im Hinblick auf diese mehr als
600 Bände Berichte und Relationen konnte der Verfasser nach
seinem eigenen Geständnisse „kein vielseitiges, kritisch ver-
gleichendes Werk zu Stande bringen, sondern musste sich
darauf beschränken, aus obigen Folianten das Wichtigste und
Lehrreichste auszuziehen und in übersichtliche Verbindung zu
bringen" (II, Vorrede). Von diesem Gesichtspunkte aus kann also
diese Arbeit Raumers nicht als historisches Werk, sondern nur
als Sammlung von Materialien zur Geschichte betrachtet werden.
Diplomatische Berichte sind ein ausserordentlich wichtiges,
aber auch ein ausserordentlich eigenartiges Material. In
einem solchen Berichte wird jede Thatsache, jedes Ereigniss
— 277 —
nach dem Eindrucke erzählt, den es auf den Diplomaten her-
vorgebracht hat, und dieser Eindruck hängt immer ebensosehr
von der politischen Beziehung der beiden Mächte zu einander,
wie von der Persönlichkeit des Diplomaten ab. Die gegen-
seitige Stellung der Mächte in dem Äugenblicke der Abfassung
einer Depesche, der Grad, bis zu welchem das Ziel der Ge-
sandtschaft erreicht ist, die Aufgaben, die der Diplomat zu
erfüllen hat, seine persönliche Stellung an dem accreditirten
Hofe, seine Beziehung zu der von ihm mitgetheilten That-
sache und seine persönlichen Fähigkeiten, nicht nur zu sehen
und zu begreifen, sondern auch das Gesehene wiederzugeben,
— alles das sind die Ausgangspunkte für die Kritik einer
Depesche. Raumer wendet eine besondere Aufmerksamkeit der
Persönlichkeit des Diplomaten zu: „Mit dem Wechsel der
Botschafter scheint oft das ganze Reich und der Hof, wo sie
auftreten, ebenfalls verändert zu seyn. Während der Eine
nichts sieht, nichts bemerkt, nichts begreift, nichts durchsetzt,
und sich und Andere langweilt; giebt der Zweite die an-
ziehendsten Aufschlüsse, gewinnt Vertrauen, beherrscht die
Gemüther, stellt das Verwickelte ins klarste Licht und er-
reicht das, was Anderen unmöglich erschien" III, 423). Den
Charakter eines Diplomaten kann man nur nach seinen
Thaten studiren, soweit sie sich in seinen Depeschen ausge-
drückt finden; um also zu einer historischen Kritik zu ge-
gelangen, ist es ungenügend, nur ,, Auszüge" aus den Depeschen
zu haben, es ist vielmehr nothwendig, die Depeschen, in denen
nicht nur Thatsachen mitgetheilt werden, sondern sich auch
die Persönlichkeit des Mittheilenden wiederspiegelt, vollinhaltlich
zu besitzen. An diese kritische Arbeit ist Raumer nicht ein-
mal herangetreten, er hat lediglich Auszüge aus Depeschen
veröffentlicht, um darauf hinzuweisen, welch' ein reicher Quell
historischer Nachrichten in den diplomatischen Berichten ent-
halten ist.
— 278 -
Das Werk ist ohne Hintergedanken und nach Möglichkeit
chronologisch abgefasst: ,, Einen anderen auf diese Gegenstände
bezüglichen Bericht werde ich später mittheilen, wie es die
Zeitfolge verlangt" (IV, 96); bisweilen wird die Mittheilung
über das Eine abgebrochen, um zu dem Anderen überzu-
gehen: „Es sey erlaubt diese Nachrichten über Hofgeschichten
zu unterbrechen, um einige Berichte über die politischen
Verhältnisse einzuschalten" (V, 22); „ich lasse diesen Auszügen,
welche Schweden betreflfen, einige andere folgen, welche sich
auf Polen beziehen" (V, 52); „ich muss diese Berichte unter-
brechen, um ein paar andere Auszüge einzuschieben" (V, 362)
u. s. w.; dann wird wieder auf Früheres zurückgegriffen: „ich
kehre jedoch zurück" (IV, 429) u. s. w. Raumer theilt nicht
einmal die noth wendigen Ergänzungen, Erläuterungen und
Correcturen mit: „Diplomatische Berichte bedürfen und er-
lauben nicht selten Zusätze, Erläuterungen und Berichtigungen,
welche aus verschiedenen und mannigfaltigen Quellen hier zu
geben über meine Aufgabe und meine Kräfte hinaus geht"
(V, 7); selbst allgemeine Bemerkungen, die er so sehr liebt,
„will ich doch aus mehreren Gründen dem Leser über-
lassen" (V, 413). Wenn sich Depeschen finden, die sich ein-
ander widersprechen, druckt Baumer sie der Eeihe nach, die
eine nach der anderen ab, und bemerkt nur: „dies läugnet"
der und der (V, 444), oder: „um zu entnehmen, ob dieser
englische Bericht keine Uebertreibungen enthalte, lasse ich
folgenden Auszug aus dem französischen folgen" (V, 523),
wobei dem Leser selbst tiberlassen bleibt, den Schluss zu
ziehen, und sogar die einfache Möglichkeit zugelassen wird,
dass beide Berichte mit der thatsächlichen Lage der Dinge
nicht in Uebereinstimmung sind. Da der Verfasser verschiedene
Depeschen ausschreibt, theilt er eine Menge sich widersprechen-
der Nachrichten mit, ohne sich auch nur Mühe zu geben, sie
in uebereinstimmung zu bringen. In Anlass der Wirren in
— 279 -
Polen schreibt der englische Agent in Warschau, dass Russ-
land gar nicht wünsche, diese Wirren beizulegen; „es ist über
allen Zweifel hinaus gewiss, dass der russische Hof nicht
daran denkt irgend einen Schritt für diesen Zweck zu thun"
(IV, 259), und zu derselben Zeit schreibt der englische Agent
aus Petersburg; „ich versichere Ihnen, der russische Hof
wünscht aufrichtig die Beruhigung Polens" (IV, 262). Aehn-
liche Widersprüche finden sich nicht nur hinsichtlich Buss-
lands, sondern auch hinsichtlich Preussens und sogar Fried-
rich's n., „der den Mittelpunkt des Ganzen bildet" (II, Vor-
rede). So schreibt der englische Agent aus Petersburg unter
dem 3. September 1779: „Der König von Preussen hat, um
den Bemühungen des oesterreichischen Botschafters, des Grafen
Cobentzel entgegen zu arbeiten, an dem Grafen Görtz einen
sehr geschickten und kunstvollen Mann hierher gesandt. Er
verbindet mit vieler Gewandtheit ein gutes Aeussere und an-
genehme Sitten" (V, 403), und nach einem Monate unter dem
2. October; „Die Natur und der Genius des Grafen Görtz
passt nicht zur Gesellschaft und dem Zeitvertreib der Eussen.
Es ist nicht wahrscheinlich dass er bald wird beliebt werden"
(ibid.). Wie wenig leicht solche Widersprüche aufzuklären
und in Einklang zu bringen sind, hat Eaumer selbst am
besten bewiesen, indem er seine Schlussfolgerungen aus den
verschiedenen Nachrichten über den Grossfürsten Paul Petro-
witsch (V, 389) und über Katharina (V, 390) zieht. Raumer
gesteht ein, dass er selbst „nicht bewandert genug in der
russischen Hofgeschichte" ist (V, 10), und verwendet lange
Erläuterungen auf Preussen (IV, 431, 457; V, 429, 431, 460,
504), bisweilen sogar auf ein Wort (V, 502), wobei derartige
Erläuterungen zuweilen gegen sieben Seiten einnehmen (V,
312). Wenn der Verfasser diese Erläuterungen zur Geschichte
Friedrich's 11. als nothwendig anerkannte, obgleich er über-
zeugt ist, „dass jeder Freund der Geschichte hierüber ge-
__ 280 —
nagend onterrichtet sej^^ (11, Vorrede), wie kann man dann es
dem Leser selbst überlassen, sich in der Masse unrichtiger
und widersprachsToller Nachrichten zur Geschichte Rnsslands,
Polens, Schwedens oder der Türkei selbst zurechtzufinden?
ümsomehr, als der Leser nur Auszüge aus den Depeschen
Tor sich hat und deshalb der Möglichkeit beraubt ist, sich
kritisch mit einer Nachricht zu befassen, welche in einer
Depesche, die er nicht kennt, mitgetheilt ist; in allen fünf
Bänden Baumerts ist nur eine Depesche ToUinhaltlich abge-
druckt (IV, 573—581).
Die Wichtigkeit der diplomatischen Depeschen als einer
geschichtlichen Quelle unterliegt keinem Zweifel; sie sind in
Tielen Beziehungen wichtiger, als die Memoiren und Ebrinne-
rungen der Zeitgenossen. Aber ebensowenig unterliegt es
einem Zweifel, dass gerade diese Quelle eine ernsthafte
kritische Säuberung erfordert, ohne welche es unmöglich ist,
sie zu benutzen. Das hat Raumer an sich selbst erfahren:
nach dem Erscheinen des zweiten Bandes: 7,König Friedrich 11.
und seine Zeit'', in dem eine Beihe you Auszügen aus
Depeschen abgedruckt waren, erklärten die Einen den Ver-
fasser für einen „schändlichen Verläumder'' und yerboten den
Abdruck ron Anzeigen über das Erscheinen des Baches in den
Zeitungen; die Anderen dagegen nannten ihn einen „niedrigen
Schmeichler** — : „ich sey ein schändlicher Schmeichler und
verdiene, gleichwie Friedrich, gehangen zu werden" (HE, Vor-
rede). Dies erklärt sich dadurch, dass Raumer bei der Ver-
öffentlichung der Depeschen Jedem überliess, aus ihnen das
herauszulesen, was er herauszulesen befähigt war. Nur die
historische Kritik stellt die Bedeutung jeder Nachricht in einer
Depesche genau fest Aber diese Kritik ist, wir wiederholen
es, nach „Auszügen" undenkbar; Raumer selbst sagt: „am
Besten und Richtigsten schliesst man aus dem Inhalte auf
den Werth der gesandtschaftlichen Berichte" (DI, Vorrede).
— 281
Die Depeschen sind zwar eine wichtige Quelle, aber die
einzige dürfen sie nicht bleiben; eine Geschichte, die aus-
schliesslich auf Grund diplomatischer Depeschen geschrieben
wäre, ist undenkbar. Der Kreis der Beobachtungen f&r den
Vertreter einer auswärtigen Macht ist auf den Hof und die
Eesidenz beschränkt; die Specialmission, die ihm obliegt, und
die ganze Stellung eines fremden Diplomaten beengen seine
Wirksamkeit und geben seinen Ansichten eine gewisse, mehr
oder weniger einseitige Richtung. Die Hauptquelle seiner
Nachrichten ist immer verdächtig: es sind dies im besten
Falle Gerlichte, die in der Residenz oder bei Hofe umgehen,
grösstentheils aber Klatschereien, diese oder jene nicht selten
mit einer speciellen Färbung: „Ich erhalte geheime Nach-
richt, weiss aber nicht, in wie weit sie Glauben verdient"
(IV, 319). In den Gesandtschaftsberichten finden sich nicht
selten auch zutreffende Mittheilungen, aber auch solche,
„welche schwerlich die volle Wahrheit in sich schliessen"
(IV, 535). Bisweilen erfahren die Diplomaten die Thatsachen
später als alle Anderen: „der französische Geschäftsträger in
Petersburg Herr Sabatier erhielt Gewissheit über den Polen-
theilungsplan erst den 21.ten August 1772" (IV, 526). Katha-
rina wusste durch Perlustration sehr gut, wie wenig Wahrheit
in den Berichten der diplomatischen Agenten stecke (Samm-
lung, XVII, 51, 59; XXm, 651, 673). Aber jeder Agent
ist bemüht, die Waare von der guten Seite zu zeigen und
seine Bedeutung in den Vordergrund zu stellen. Ein englischer
Diplomat schreibt: „Ich gab an Markoff, der von Petersburg
über Potsdam nach dem Haag geht, solche Belehrung über den
Charakter und die Gemüthsart des Königs von Preussen, dass
er auf der Hut seyn wird gegen dessen einnehmendes Wesen
und seine fast unwiderstehliche Beredtsamkeit*' (V, 540). Als
ob Markow in der Audienz bei Friedrich 11. sich nicht nach
den Instructionen des Ministers, sondern nach den Anweisungen
-^ 282 ^ -
des englischen Agenten gerichtet haben würde! Raamer misst
den speciell höfischen Nachrichten der Depeschen eine beson-
dere Bedeutung zu: „Für viele Aeusserungen und Urtheile
grosser Herrscher oder Staatsmänner sind die gesandtschaft-
lichen Berichte oft die einzigen und ohne Zweifel glaubwürdigen
Quellen" (in, Vorrede). Damit kann man nicht übereinstimmen:
die einzigen Quellen sind sie sehr oft, die glaubwürdigen je-
doch sehr selten. Es ist sehr wichtig, alle diese Besonderheiten
der Depeschen in Bezug auf die russische Geschichte des vorigen
Jahrhunderts, besonders aber desZeitaltersKatharina's vor Augen
zu haben.
Als Baumer die Depeschen in „Auszügen", „in so mangel-
hafter Form" (in, Vorrede), herausgab, begleitete er sie nicht
mit Anmerkungen, deren allzuviel erforderlich gewesen wären
und die er dem Leser zu machen anheimstellte, sondern mit
allgemeinen Betrachtungen. Ihrer giebt es ziemlich viele (IV,
115, 379, 426, 443, 552, 586; V, 454); manches Mal er-
scheinen sie uns ein wenig kindlich, aber sie hatten damals
sogar in Deutschland Bedeutung (IV, 454). Einige dieser Be-
trachtungen beziehen sich speciell auf Russland (IV, 55, 303);
V, 38) und eine auf Katharina: „Die Schattenseiten, die
Schwächen Katharinas sind in den mitgetheilten Berichten so
oft zur Sprache gekommen, dass es Pflicht ist, auf ihre grossen
Herrschergaben hier nochmals aufmerksam zu machen. Was
man damals unsittlich, romanhaft, thöricht, unmöglich nannte
(die Vereinigung der meisten slavischen Völker unter Einem
Zepter und die Errichtung eines orientalischen Kaiserthums),
es waren grosse Gedanken, in welchen die Zukunft ergriffen
und vorgebildet war. Mit einer seltenen, anzuerkennenden,
zugleich aber furchtbaren Consequenz ist Bussland auf dieser
Bahn vorgeschritten und hat viele europäische Völker über-
flügelt" (V, 578).
Die hervorstechende Bedeutung Russlands für die Zeit
283 —
von 1763 bis 1783 tritt gegen den Wunsch des Verfassers in
den Vordergrund: statt Friedrich's 11. erwies sich als im Mittel-
punkte stehende Gestalt filr diese 20 Jahre Katharina 11., und
von 41 Capiteln sind ihr 22, Friedrich II. im Ganzen aber
nur 17 Capitel gewidmet. An Nadirichten über Katharina
finden sich in den letzten drei Bänden sehr viele, aber was
sind das für Nachrichten?! Raumer selbst sagt: „Meine Auf-
gabe war weder ein Halbroman, noch die vollständige Ge-
schichte jener Zeit aus verschiedenen Quellen zu schreiben,
sondern reine, ächte Denkwürdigkeiten aus wichtigen, zeither
unbekannten Quellen zusammenzutragen" (III, Vorrede). Dabei
hatten natürlich sowohl die Nationalität des Verfassers^ als
auch seine politischen Ansichten eine grosse Bedeutung. Er
theilt aus den Depeschen nur das mit, was ihm als interessant
erscheint: „es ist anziehend" (V, 386) — diese Wendung dient
nicht selten als einzigen Grund für den Auszug. Der Ver-
fasser von „Polens Untergang" (No. 955) schrieb vorzugsweise
nur diejenigen Nachrichten über Polen aus, welche seine
Arbeit berührten (III, 315); er liess alles das unbeachtet, was
sich nicht auf die politischen und höfischen Angelegenheiten
bezog; er bemerkt zu den Depeschen: „es folgt hierauf die
umständliche Prüfung des Kriegs- und Handelssystems, der
Gesetzgebung und inneren Verwaltung, der Schulen und Aka-
demien" (V, 406; vgl. II[, 303), aber dies Alles schrieb er
nicht aus. Nichtsdestoweniger waren die Nachrichten, die in
den angeführten Auszügen aus den Depeschen enthalten waren,
so neu und so interessant, sie beleuchteten die Fragen so sehr
von der Seite her, die sich hinter den -Coulissen des höfischen
Lebens befindet, dass das Werk gegen den Wunsch seines
Verfassers wie ein Roman gelesen wurde.
In dem vorliegenden Werke giebt es eine Menge von
neuen Nachrichten über die Epoche Katharina's II. und über
Katharina selbst; diese Nachrichten sind nicht immer richtig,
— 284 —
aber sie sind grösstentheils neu. Das sind nicht etwa Meinungen
und Ansichten Kaumer's, sondern der diplomatischen Agenten,
deren Depeschen er als Erster durchgelesen und in Auszügen
der Welt bekannt gegeben hat. Wir führen vor Allem zwei
Briefe Katharina's n. an (II, 408, 451), die vollinhaltlich mit-
getheilt sind, und viele Hinweise auf Briefe, die von Katharina
geschrieben sind (HI, 380; IV, 105; V, 53, 402, 508, 553).
Nach Arneth: „Joseph 11 und Katharina von Bussland^^ (1, 134),
dürften die Hinweise auf die Briefe Katharina's vollkommen
richtig sein; aber der Inhalt der Briefe Joseph's IL ist
nicht genau wiedergegeben (Arneth, 136, 188) — : der be-
treffende Diplomat wollte sich damit brüsten, dass er Briefe,
die er von Katharina erhalten haben wollte, gelesen habe
(V, 553, 574).
Baumer hat vollkommen Becht, wenn er sagt: „Es ist
eine sehr schwere Aufgabe, aus so ungeheuer grossen Massen
das Denkwürdigste aufzufinden, das Zerstreute anzuordnen
und Alles auf das unerlässliche Maass weniger lesbarer Bände
zusammenzudrängen'' (lU, Vorrede). Das ist ihm denn auch
nicht völlig gelungen, so dass es, ungeachtet der ziemlich aus-
führlichen Inhaltsübersicht, äusserst schwierig ist, sich in dieser
Masse von Auszügen zu orientiren, in denen ein und dasselbe Er-
eigniss oder eine und dieselbe Person an verschiedenen Stellen
und sogar in verschiedenen Bänden erwähnt sind. So wird
z. B. über Katharina's Thronbesteigung in drei Bänden ge-
sprochen (H, 510, 543; III, 305; IV, 183). Und doch wird
die völlige üntauglichkeit der Veröffentlichung derartiger Aus-
züge, ohne jede kritische Würdigung derselben, nur bei der
Gegenüberstellung der verschiedenartigen und sich wider-
sprechenden Urtheile über ein und dasselbe erst vollkommen
offenbar. Zum Beweise dessen geben wir hier eine Zusammen-
stellung der Nachrichten in den hauptsächlichsten Fragen; es
werden behandelt:
— 285 —
Katharina: U, 204, 295, 320, 347, 401, 419, 453, 545;
m, 301; IV, 183; V, 4, 6, 9, 12, 363, 378, 399, 405, 506.
Die Ansicht Banmer's ist in einer Gegenaberstellnng Eatharina's
and Maria Staart's (11, 520; III, 381) ausgesprochen.
Peter III: II, 296, 468.
Panl Petrowitsch: H, 544; IH, 303, 384; IV, 185; V, 2,
6, 11, 16, 20, 35, 304, 351, 373, 381, 408.
Iwan m.: H, 403, 452, 509, 544, 551; HI, 303, 381.
N. J. Panin: H, 548, m, 388, 414; IV, 228, 299, 462,
522; V, 2, 6, 13, 328, 371, 401, 407.
die Brüder Orlow: H, 542; IH, 310, 379, 384; IV, 228;
V, 5, 8, 9, 16, 395.
Potjemkin: V, 40, 347, 353, 390, 393, 397, 400, 401,
411, 440, 564, 572.
Polen: H, 545; HI, 315, 366, 378, 401; IV, 57, 100,
123, 180, 187, 207, 257, 280, 431, 435, 489, 521; V, 56.
Vgl. Karejew, Der Fall Polens, 103.
die Dissidenten: H, 549; m, 409; IV, 50, 101, 193.
der Türkenkrieg: IV, 178, 197, 283, 404; V, 24, 33.
die Gesetzgebung: IV, 91, 93, 182.
der Besuch des Prinzen Heinrich von Preussen in Peters-
burg: IV, 291; V, 301; Gustav's m.: V, 50, 362; des
preussischen Thronfolgers: V, 456, 463.
die bewaffnete Neutralität: V, 413, 431, 440.
das griechische Project: V, 401, 555, 569.
die Grossfürstinnen : Natalja Alexejewna V, 304, 366, 383,
409; Maija Feodorowna V, 364, 399, 410.
Pugatschew: V, 47, 350.
die Günstlinge: Sawadowskij V, 356, 359; Soritsch V,361,
366, 373, 376; Korssakow V, 375, 377.
der Petersburger Hof: IV, 225, 301; V, 390.
Saldem: IV, 387, 455, 519; V, 35; Rumjanzow: V, 8,
305; Tschemyschew: V, 15, 348; Teplow: V, 408.
— 286 —
Aus dieser Zusammenstellung ist zu ersehen, ei'stens, dass
in den Depeschen von Personen ebensoviel, wenn nicht mehr
die Bede ist, als von Sachen, und zweitens, dass die Auswahl aus
den Depeschen von einem Preussen getroflfen ist — : die Zu-
sammenkunft in Mohilew vom Jahre 1 780 wird gar nicht erwähnt,
und über die inneren russischen Fragen wird sehr wenig ge-
sprochen, von der beständigen Yertheidigung Preussens gegen-
über Eussland schon gar nicht zu reden (lY, 431, 457; V,
312, 429, 431, 460, 502, 504). lieber die Personen führt der
Verfasser nur die Urtheile der Diplomaten an, von den „Sachen"
wird am meisten über Polen gesprochen. Um die Ansichten,
die Raumer in „Polens Untergang" (No. 955) ausgesprochen
hatte, zu bekräftigen, leistet er sich folgenden Sophismus:
„Weniger kömmt darauf an, wer den Gedanken einer Theil-
ung Polens zuerst hatte, oder ihn aussprach, als wer die Mög-
lichkeit einer solchen Theilung herbeif&hrte" (IV, 544); dieser
Sophismus war nöthig, um zu dem Schlüsse zu gelangen:
„Diese Schuld trifft vorzugsweise Russland" (ibid.). Zur voll-
ständigen Charakteristik des Verfassers nach dieser Richtung
hin führen wir aus demselben Bande noch seine folgenden
Auslassungen an : „Wenn der König von Preussen sich allerlei
Willkür an den polnischen Gränzen erlaubte, so gewährt das
Benehmen der Polen während des siebenjährigen Krieges
manche Entschuldigung . . . auch ist es nicht ungewöhnlich
dass ein Nachbar von der sich darbietenden Schwäche des
anderen Vortheil zieht^^ (66). Raumer wusste es sehr gut,
dass Polen ganze Jahrhunderte hindurch gegen Russland ge-
kämpft und sogar einen Polen auf den russischen Thron ge-
setzt hatte. Dieselbe Leichtfertigkeit ist beim Vergleiche
der Hofintriguen in den Zeiten Ludwig's XV. mit denen zur
Zeit Katharina' s 11. durch den Verfasser wahrzunehmen (V, 58)*
Da Raumer, angelockt durch die reiche Quelle historischer
Nachrichten, die ihm zuerst sich öffiiete, aus ihr unbedingt
— 287 —
Alles geschöpft hat, was er fand, so ist es ganz unmöglich,
allen den Unsinn zu widerlegen, der in den Depeschen der
Gesandten über Bussland mitgetheilt ist — : man müsste da-
rüber fünf neue Bände schreiben. Wir wollen deshalb als Bei-
spiel nur eine dieser unsinnigen Mittheilungen hier wider-
legen:
Am 30. August 1771 schrieb der englische Agent aus
Petersburg: „Das niedere Volk bezweckte nichts Geringeres
als die Kaiserinn (weil sie die Krone nur för ihren Sohn
trage) vom Throne zu stürzen, und den Grossfürsten an ihre
Stelle zu setzen. Sobald man hörte, dieser sey krank und
schwebe in Gefahr, ward das Volk unruhig, argwöhnte er sey
vergiftet und beschuldigte (wie man sagt) sehr hoch gestellte
Personen. In diesem Augenblicke fühlte die Kaiserinn ausser
den Besorgnissen der Mutter, auch die Gefahren, welche aus
dem Tode des Thronerben hervorgehen dürften. Das Volk
würde wüthend gewesen seyn. Da die Krankheit, ohne Ge-
fahr, länger dauerte, so gab man vor der Grossfärst sey ein
Staatsgefangener, und mehrere Officiere und ünterofficiere der
Leibwache klagten, dass sie jedes Tages Aufforderungen er-
warteten, sich aber nicht entschliessen könnten, wem sie ge-
horchen sollten" (IV, 402). Eaumer fährt hier offenbar mit
eigenen Worten, unter Abkürzung der Depesche, fort: „Diese
Gefahr ging glücklich vorüber; doch wurden einige Wagen
voll verdächtiger Personen nach Sibirien geschickt" (IV, 403).
Nur ein Engländer oder überhaupt ein Westeuropäer, der mit
dem russischen Leben vollkommen unbekannt war, konnte „das
niedere Volk" als Hauptfactor einer revolutionären Bewegung
in Bussland hinstellen. Der Engländer wusste nicht, dass alle
Umwälzungen, die sich im vorigen Jahrhunderte in Bussland
vollzogen haben, nicht von dem einfachen Volke, sondern von
dem Adel, und gerade von dem Theile desselben, der bei
Hofe Fuss gefasst hatte, geplant und ausgeführt worden sind :
— 288
in den Jahren 1730, 1740, 1741 und 1762 war das „niedere
Volk" an allen Vorgängen unschuldig geblieben. Auch im
Jahre 1771 wusste das Volk, ebenso wie früher und später,
durchaus nichts von dem Plane, Katharina die Krone lediglich
als Begentin bis zur Volljährigkeit des Grossfiirsten Paul
Petrowitsch zu belassen; das „niedere Volk" des englischen
Gesandten, d. h. der Petersburger Pöbel, hat an irgend der-
artiges überhaupt nicht gedacht. Das Volk Tergötterte gerade
damals, im August 1771, Katharina mehr, denn je zuvor: am
5. August 1771 wurde der ükas an den Senat publicirt, der
den Auctionatoren verbot, Leute ohne Land unter dem Hammer
zu verkaufen (Archiv d. Senats, Bd. 131, Bl. 431; Allg. Ges.-
Sammlung, No. 13634; Sammlung, XHI, 143). In der gan-
zen Nachricht der englischen Depesche ist nur Eines richtig:
die Mittheilung von der Krankheit des Grossfursten (Kobeko,
172); aber gerade im August 1771 war er schon wieder-
hergestellt, wovon Katharina iViedrich 11. in einem Briefe
vom 21. August benachrichtigte (Sammlung, XX, 310). Der
Uebergang vom „niederen Volk" zu den „Officieren der Leib-
wache" beweist die Unwissenheit des Verfassers der Depesche,
ebenso wie die Verschickung von „Personen nach Sibirien".
Der Gesandte beruhigte sich indess nicht und schrieb nach
einem Jahi-e, am 8. August 1772, aufs Neue: „Das Ergebniss
meiner Nachforschungen lässt mich nicht zweifeln, dass ver-
schiedene Verschwörungen im Gange gewesen sind, und ob-
gleich keine Personen von Stande oder Einfluss als Theil-
nehmer zum Vorscheine kamen, glaube ich doch, die Kaiserinn
weiss, dass Einige solcher Art dazu gehörten, wenn sie auch,
aus wichtigen Gründen, alle Aufklärungen darüber ablehnt.
Indessen sind keine Vorsichtsmassregeln zur Sicherung gegen
plötzliche Angriffe vernachlässigt; es giebt keinen Winkel in
den Gärten und Umgebungen von Peterhof (\^o sie Gefahren
am Meisten ausgesetzt ist) der nicht zur Zeit ihres Aufent-
— 289 —
haltes mit Schild wachen yersehen wäre'' (V, 2). Zur Zeit
Eatharina's existirte eine Leibwache überhaupt nicht; nach
dem Jonmal der Eammerfonriere Terbrachte Katharina im
Jahre 1772 den Sommer in Zarskoje Sselo; und endlich —
Katharina hasste nach ihrem eigenen Geständnisse Peterhof:
,,mon arersion d6cid6e pour Peterhof^' schrieb sie an MmCr
Bjelke am 9. August 1772 (Sammlung, XTTT, 261).
Derartiger Abgeschmacktheiten giebt es in den englischen
und französischen Depeschen sehr viele; man kann sie alle
gar nicht aufzählen. Man findet sie ununterbrochen, z. B. die
Nachricht von der geheimen Ehe (V, 5), die Worte Jelagin'»
und die Thaten Wassiltschikow's (V, 10) — drei sinnlose Ge-
schichten auf sechs Seiten. Kaumer konrte sich natürlich ihrem
Einflüsse nicht entziehen. In Bezug auf die geplante Reise
Joseph's n. nach Petersburg sagt er: ,,Katharina antwortete
erst beifällig, nachdem sie den König von Preussen höflicher-
weise befragt und dieser eingewilligt hatte" (V, 442). Kaumer,
der von der Entrevue in Mohilew nichts wusste, schenkte der
französischen Nachricht über eine solche Abhängigkeit Katha-
rina's von Friedrich II. Glauben und wurde bestraft: er selbst
erklärt bereits die Beise der Grafen Ssjewemy durch Europa
durch die Fahrt „nach Wien" (V, 519). Das ist indess nicht
verwunderlich bei einem Autor, der sich grösstentheils auf
folgende kritische Methode beschränkt: „Die Wahrheit der
hier mitgetheilten Nachricht möchte ich kaum bezweifeln"
(IV, 312).
976. Notizie pie regni di Caterina 11 e Paolo Primo, accompagnate
da interessanti note. Velletri, 1839.
Ein Nachdruck von No. 909, wobei im Texte nur solche
Aenderungen vorgenommen sind, die durch den Tod Alexan-
der's I., zu dessen Zeit die Broschüre erschienen war und der
damals noch als der „glücklich herrschende^' benannt war,
bedingt wurden. Jetzt heisst es von ihm: „non mai abbastanza
Bilbassoff, Katharina IL 19
— 290 —
deplorato" (5). Wegen desselben Umstandes ist auch der
letzte Satz des Originals weggelassen worden. Dieser Aus-
gabe sind Porträts nicht beigelegt.
977. De corier van Simbirsk. £en verhaal van G. v. Heeringen.
Uit het HoogdoitBch. AmBterdam, 1889.
Eine Uebersetzung von No. 938.
978* Memoirs of the princess Daahkoto, vnitten by herself, compri-
sing letters of the Empress and otfaers correspondence. Edited
by Mas. W. Bradford. 2 vIb. London, 1840.
Die treue Freundin Katharina's und thätige Theilnehmerin
an der Umwälzung von 1762, die kluge und energische Fürstin
Katharina Romanowna Daschkow, 1744 — 1810, schrieb „four
years before her death" (Russ. Archiv, 1881, I, 875) ihre
Memoiren, die ein werthvolles Material für die Geschichte des
Endes des XVIII. Jahrhunderts bilden. Sie waren in fran-
zösischer Sprache verfasst und wurden in einer englischen
Uebersetzung herausgegeben, aber sie spiegeln nichtsdesto-
weniger in jeder Zeile die russische Frau mit allen ihren
Vorzügen und Schwächen wieder.
Die Fürstin Daschkow hat kein Tagebuch geführt und
sich keine Notizen gemacht, auch hatte sie nicht die Absicht,
ihre Memoiren zu verfassen, sie hat schliesslich nur den Bitten
der Engländerin „miss Wilmot" (Russ. Archiv, 1880, III, 196),
nachgegeben, „she wrote from memory, without reference to
any previous notes" (Introduction , XXTT). „My friends and
relations have for many years urged me to the task which
you now require. I have resisted all their solicitations; but I
find myself incapable of refusing yours" (ibid., XXXV). Miss
Wilmot, die sich mit Sir Bradford verheirathete, verlebte fünf
Jahre gemeinsam mit der Fürstin Daschkow, vorzugsweise auf
deren Gute Troizkoje, und hielt sie für eine Frau von ausser-
gewöhnlichen Eigenschaften, „which distinguishes her from
every creature I ever knew or heard of" (11, 341). Die
— 291 —
Memoiren der Fürstin Daschkow, die sie ftir Mistress Brad-
ford geschrieben hat, mussten diese Meinung der letzteren von
der ersteren rechtfertigen und bestätigen.
Diese Memoiren, die in zwei ungleiche Theile zerfallen^
enthalten ausser persönlichen und Familien-Erinnerungen viele
Nachrichten von Wichtigkeit für die Gesellschafts- und Reichs-
Oeschichte. In dem ersten Theile concentriren sich diese Nach-
richten auf die Umwälzung vom Jahre 1762 (I, 32), im zweiten
Theile*) auf die Leitung der Academie der Wissenschaften
(I, 291). Die Memoiren sind mehr als 40 Jahre nach der
Umwälzung von 1762 geschrieben; in ihnen ist die Frische
des unmittelbaren Eindrucks verloren gegangen, und die Klar-
heit der Farben ist geschwunden; das Hinreissende des Augen-
blicks hat der in diesen 40 Jahren gesammelten Erfahrung
und der in dieser Zeit gewonnenen kühlen Ueberlegung und
rein weltlichen Berechnung Platz gemacht. In dem Maasse als
die lebendigen Eindrücke der Thatsachen verwischt sind, ist
an ihre Stelle eine überlegende Erklärung der Vorgänge ge-
treten, die mit den Jahren die ganze Umwälzung bereits in
anderem Lichte erscheinen liess. Die Fürstin Daschkow hat
deshalb diese Vorgänge zwar vollkommen aufrichtig und ohne
den Wunsch, die Thatsachen zu entstellen, aber dennoch nicht so
dargestellt, wie sie sich im Jahre 1762 ereignet haben, sondern
so, wie sie ihr im Jahre 1804 erschienen. Indess, in den
Memoiren werden trotzdem viele interessante Einzelheiten mit-
getheilt, die mitunter sehr wichtig für das Gesammtbild der
Umwälzung sind. — Für die Zeit der Leitung der Academie
der Wissenschaften durch die Fürstin Daschkow theilen die
Memoiren vieles Interessante mit, aber noch lange nicht Alles,
was sie gethan hat und was von Pekarskij (I, 398, 560) auf-
*) Die Herausgeberin Mrs. Bradford hat die Memoiren anders ein-
getheilt, indem sie die erste Hftlfte des zweiten Theiles dem ersten Theile
hinzugefügt hat (Siehe Archiv d. Fürsten Woronzow, XXT, 229.)
19*
— 292 —
gezeichnet worden ist. Katharina war mit der Yerwaltong
der Academie durch die Fürstin Daschkow sehr znfrieden
(Archiv d. Senats, Bd. 177, Bl. 202). Zur Charakteristik der
Ansichten der Fürstin Daschkow über den Staat und das Ge-
meinwesen können aus ihren Memoiren ziemlich bestimmte
Urtheile citirt werden: ,,It will appear, that to sink in public
estimation is no less fatal to the power of kings than the
exercise of the most capricious tyranny; and hence it is, that
I have always concidered a limited monarchy, where the so-
vereign is subordinate to the laws, and in some degree amenable
to public opinion, to be amongst the wisest of human insti-
tutions'' (I, 53). Zur Vertheidigung der Leibeigenschaft sagte
sie Diderod: „U the soTereign in breaking some links of the
chain which binds the peasantry to the nobles, were likewise
to snap some of those which render the nobles subservient to
their despotic will, I would joyfuUy sign a contract such as
this with my blood" (I, 165).
Katharina hielt die Fürstin Daschkow für ihre beste
Freundin, glaubte, dass sie in ganz Eussland keine ergebenere
Anhängerin hätte (11, 64), und hat sich, nach den Ausführungen
in den Memoiren zu urtheilen (I, 14, 111, 344, 373, 384;
n, 41, 50), hierin auch nicht getauscht (vgl. No. 1090). Die
Fürstin Daschkow zeichnet Katharina als Herrscherin folgender-
massen: „I really believe there never was any one in the
World, and certainly never any sovereign, who equalled her
in the magic versality of her mind, the exhaustless variety of
her resources, and above all, the enchantment of her manner,
that in itself could give a lustre to the commonest words and
most triefling matters" (I, 111). Die Fürstin Daschkow kannte
auch Peter UI. gut, „whom fortune had unhappily placed on
a throne" (I, 88), aber sie urtheilt mit Unwillen über die Kata-
strophe von Ropscha (I, 107), indem sie auch hier immer
wieder die Interessen Katbarina's im Auge hat. Und auch da,
— 298 —
wo sie von der ,,Abge8chmacktheit von Schlüsselburg^^ spricht,
hat sie Katharina im Auge; ,,1 has been said and afiFected to
be believed in several countries of Europe, that this whole
affair was neither more nor less than a horrible intrigue on
the part of the empress, who had gained over MiroTitch to
act the part he did, and had afterwards sacrificed him'^ (I, 189).
In diesem Sinne, mit der Absicht, Katharina zu rühmen, sprach
sie auch im Jahre 1808 einst an der Tafel bei ihrem Bruder,
dem Grafen A. ß. Woronzow (II, 47). Mit einem Worte,
man findet die bekannten Züge ziir Charakteristik Eatharina's
überall in den Memoiren verstreut.
In den Memoiren begegnet man femer interessanten
Einzelheiten: über Odar (I, 62), die durch die Briefe Kata-
rina's vollkommen bestätigt werden (IE, 72, 76); über Michail
Puschkin (I, 115), der wegen Fälschung von Creditbilleten ver-
schickt wurde (Achtzehntes Jahrhundert, I, 69; Sammlung,
XTTT, 229); über die Zusammenkunft mit Gustav m. in Fried-
richshamm (I, 331); über Radischtschew (I, 359); über„Wadim"
(I, 361). Zur Kennzeichnung der Fürstin Daschkow ist ihr
Urtheil über Diderot wichtig: „The sincerity and truth of his
character, the brillancy of his genius attached me to him as
long as he lived, and makes his memory very dear to me
even at present moment. The world has not sufficiently known
this extraordinary man. Virtue and simplicity reigned in every
action; and to be accessory to the good of his fellow-creatures
was his ruling passion and pursuit^^ (I, 67). Man kann dem
Urtheile der Fürstin über den (3-rafen Wladimir Orlow (I, 186)
und über den polnischen König Stanislaus August (I, 201)
vollkommen vertrauen, ebenso ihren Anstrengungen, den Sohn
vor der verächtlichen Bolle eines Günstlings zu bewahren
(I, 218, 228, 341). Aber man muss doch die Memoiren ver-
ständig benutzen: die Verfasserin analysirt z. B. den Inhalt
eines Briefes Katharina's (I, 252), und diese Analyse stimmt
— 294 —
mit dem Originalbriefe (11, 82) nicht überein, obgleich sie der
dienstlichen Stellung des Sohnes nach der Rückkehr desselben
nach Bassland vollkommen entspricht.
Die Fürstin Daschkow erwähnt in ihren Memoiren wieder-
holt Briefe Eatharina's (I, 128, 252, 296, 381), und in der
vorliegenden Ausgabe sind 72 Briefe Eatharina's in englischer
Uebersetzung abgedruckt (11, 63). In einer ausführlichen Be-
schreibung des Manuscripts, nach dem die Uebersetzung ange-
fertigt ist, werden indess nur 29 Briefe erwähnt (Buss. Ar-
chiv, 1881, I, 368).
Die vorliegende englische Ausgabe der Memoiren der
Fürstin Daschkow ist in dem Artikel von Schugurow: „Miss
Wilmot imd die Fürstin Daschkow* ausflihrlich besprochen
worden (Russ. Archiv, 1880, m, 160). Das Original, nach
dem die Uebersetzung gemacht ist, hat Fürst Lobanow-
Rostowskij in dem Aufsatze: „Noch etwas über die Memoiren
der Fürstin Daschkow** umständlich beschrieben (Russ. Ar-
chiv, 1881, I, 366). Aus den Angaben, die vom Fürsten
Lobanow-Rostowskij aufgestellt worden sind, hat Schugurow
seine Schlüsse in dem Artikel: „Bemerkungen über die eng-
lische Uebersetzung der Memoiren der Fürstin Daschkow" ge-
zogen (Russ. Archiv, 1881, 11, 132). Aus allen diesen
Untersuchungen geht folgendes hervor: die engtische Ueber-
setzung ist nach einer französischen Copie angefertigt worden,
die Miss Wilmot in Troizkoje abgeschrieben hat und die von
der Fürstin Daschkow selbst verbessert worden ist; das Ori-
ginal-Manuscript, das ganz von der Hand der Fürstin Dasch-
kow geschrieben war, ist in Kronstadt bei einer Zolldurch-
suchung verbrannt worden (IE, 286). Als die Fürstin Daschkow
sowohl das Manuscript, als auch die Copie der Miss Wihnot
nach England schickte, behielt sie eine zweite Copie für sich,
die wer weiss von wem abgeschrieben und in Moskau im
Jahre 1881 herausgegeben worden ist (No. 1199). Schugurow, der
— 295 —
die englische Uebersetzung nicht mit der Copie der Miss Wil-
mot, nach der sie angefertigt ist, sondern mit der Moskauer
Copie vergleicht, findet ernste „Entstellungen" — es ist nicht
nur mancherlei weggelassen, sondern sogar mancherlei auch
hinzugefügt — und legt sie der englischen Herausgeberin
Mrs. Bradford zur Last. Indess, diese verschiedenen Lesarten,
Auslassungen und Zusätze erklären sich aus den Veränderungen,
die von der Fürstin Daschkow selbst im Texte vorgenommen
worden sind; sie hat auch die zweite Copie gelesen und hat
sie corrigirt und vielleicht Ergänzungen oder Verkürzungen
gemacht.
Als Beilage zur englischen Uebersetzung sind 72 Briefe
Katharina's an die Fürstin Daschkow erschienen: Die ersten
26 Briefe sind nummerirt und beziehen sich auf die Zeit vor
der Umwälzung von 1762 (11, 63); ein Brief ist vom
22. December 1781 datirt (ü, 82)) und nach Italien als Ant-
wort auf einen Brief der Fürstin Daschkow aus Livorno ge-
sandt worden (I, 252), und 45 Briefe und Billets stammen aus
der Zeit, als die Fürstin Daschkow der Academie der Wissen-
schaften vorstand; von ihnen sind nur 11 datirt, während die
übrigen 84 keinerlei Datum tragen. Diese Briefe sind in der
„Internationalen Bibliothek", XIX, Leipzig, 1876, ins Bussische
übersetzt worden und, weil sowohl die Ausgabe der Mrs. Brad-
ford, als auch die hier erwähnte Uebersetzung verboten wurden,
Niemandem in Bussland unbekannt. Der Fürst Lobanow-
Bostowskij hat sie im Original gelesen, aber nicht alle, sondern
nur 29.
Die erste russische Nachricht über diese englische Aus-
gabe der Memoiren der Fürstin Daschkow erschien im „Polar-
stern", im Jahre 1857, wo nach einer kurzen Einleitung über
„Die Fürstin K. B. Daschkow" (207) eine talentvolle Nach-
erzählung der gesammten „Memoiren der Daschkow" abge-
druckt wurde (216). In London aber erschien im Jahre 1859
— 296 —
eine vollständige üebersetzung der ,,£rinnerungen der Fürstin
E. B. Daschkow, geschrieben von ihr selbst^' (rassisch), die
äusserst nachlässig angefertigt ist; eine zweite Ausgabe dieser
Uebersetzung wurde in Leipzig, s. a., im XIV. Bande der
,,Intemationalen Bibliothek^^ abgedruckt. Die der englischen
Uebersetzung beigelegten „Letters trom Bussia in the years
1805, 1806 and 1807" (ü, 308) sind mit Verkürzungen im
i,Bussischen Archiv", 1873, 1828, ins Bussische übersetzt
worden.
In der vorliegenden Ausgabe sind beigelegt: erstens, ein
„autograph letter of Empress Catherine to the princess
Dashkow" (11, 63), und zweitens, drei Portraits in Kupfer-
stich — : der Fürstin Daschkow, als „lady of honour to Cathe-
rine n." (I), der Fürstin Daschkow „in banishment" (II) und
der Kaiserin Elisabeth, „Empress of Bussia*^ (11, 201).
Auf diese Ausgabe stützt sich der Aufsatz D. J. Bowaiskij's:
„Die Fürstin K. B. Daschkow", der in den „Vaterl. Annalen",
1859, V, 1, abgedruckt ist.
979. Geschichte des Pugatschew'schen Aufruhrs. Ans dem Bassischen
des A. Puschkin von H. Brandeis. Stuttgart, 1840.
Im December 1834 erschien „mit Bewilligung der Begie-
rung" die „Geschichte des Pugatschew'schen Aufstandes", die
A. S. Puschkin, nach den Worten seines Uebersetzers, „grossen
Theils aus trüben Quellen geschöpft hat: bedenkt man, dass
der vom Verfasser verarbeitete Stoff aus Manifesten, XJkasen,
Befehlen und Berichten hergenommen ist, so kann der Aus-
druck trübe Quellen nicht zu hart, und meine Kritik nicht un-
gerecht scheinen, weil der unschuldigste Leser schon weiss, was
bei solchen Gelegenheiten von der Wahrheitsliebe der Begie-
rungen zu halten sei" (Vorrede). Der Uebersetzer hat im
russischen Original kein Wort über die Gründe des „uner-
warteten Erfolges" Pugatschew's gefunden und diesem Mangel
im Vorworte selbst abgeholfen: „Das russische Volk befand
— 297 —
sich Yon jeher unter dem Einflüsse zweier, sein ganzes Wesen
durchdringender G-efÜhle, dem nämlich einer unerschütterlichen,
religiösen Treue gegen seine Monarchen und dem eines unver-
söhnlichen, bitteren Hasses gegen seine adeligen Herren^' (V).
Die Möglichkeit, dass ein Otrepjew auftauchte, wird aus dem
ersten Gefühle, das Auftreten Pugatschew's aus dem zweiten
erklärt: „es war der Hass des Leibeigenen gegen seinen adeligen
Bedrücker, es war die krampihaft;e Zuckung eines kräftigen,
Yon Wenigen niedergetretenen Volkes, das in Pugatschew's Er-
scheinen nur die Gelegenheit wahrnahm, seine schweren Fesseln
abzustreifen und seinen Durst nach Bache zu stillen^' (IX).
Die erste Ausgabe des „historischen Abrisses^^ Puschkin's
kam in zwei Bänden heraus, wobei der ganze zweite Theil den
Documenten gewidmet war. Der Uebersetzer hat nur den
ersten Band benutzt, nur die Erzählung des Aufstandes, über
den zweiten aber urtheilte er folgendermaassen: „Man kann
keinem Sterblichen die Geduld zumuthen Letzteren zu lesen, ge-
schweige zuübersetzen'<(XI). Auch die Anmerkungen Puschkin's
zu allen acht Gapiteln hat der uebersetzer nicht übertragen,
„weil sie nichts weniger als erläuternd und überdies entsetzlich
langweilig sind" (XI). Der Uebersetzer hat sie durch für
deutsche Leser nothwendigere geographisch-statistische Erläute-
rungen ersetzt, die er u. A. aus der „Topographisch-statistischen
Beschreibung des Gouvernements Orenburg", I, Debüt, ge-
nommen hat.
Der Uebersetzer, ein Arzt von Beruf, hat lange in Buss-
land gelebt, beherrschte die russische Sprache vollkommen und
hat den deutschen Lesern das Werk Puschkin' s in einer
genauen und gut geschriebenen Uebersetzung vermittelt.
9$0. H postiglione di fondi, dramma in quattro atti del pittore
Ludgi Maria, Milano, 1840.
Bussisch ist in diesem Drama nur die Zeit der Hand-
lung — „l'epoca di Caterina 11", sowie der Ort der Hand-
— 298 —
lung — ,,la scena ä nelle vicinanze di Pietroburgo e propria-
mente nel palazzo di delizia dell' imperatrice denominato lo
Czar-Soeselo^' (6, 51); alles Uebrige ist rein itaUenisch, sogar
der Okas Katharina's (69) in'Anlass des gerichtlichen Er-
kenntnisses. Katharina ist als Personification der Gerechtig-
keit dargestellt (56).
981. Die neuesten Zustände der Katholischen Kirche heider Ritus
in Polen und Bussland bis auf unsere Tage. Von einem Priester
[Ätigtutin Theiner], Augsburg, 1841.
Dies ist ein sehr wichtiges Werk. Wie das Werk
Baamer's (No. 955) auf lange Zeit ein bestimmtes ürtheil über die
polnische Frage in der westeuropäischen Litteratur zum herr-
schenden gemacht hat, so hat die yorliegende Arbeit dies
ebenso in Bezug auf die katholische Frage gethan. Der Ein-
druck, den dieses Werk erzielt hat, war ein so entscheidender
und nachhaltiger, dass Graf D. Tolstoi sogar noch nach
zwanzig Jahren, als er dieselbe Frage, aber von anderen
Gesichtspunkten aus behandelte (No. 1102), es nicht wagte, das-
selbe zu erwähnen; in Bussland aber war es verboten, von
dem Verfasser sogar in encyklopädischen Wörterbüchern zu
sprechen (Beresin, XIV, 492).
Augustin Theiner, 1804 — 1873, war Theologe an der
Breslauer Universität und hatte in Halle den Grad eines
Doctors der juristischen Wissenschaften erlangt. Er hat Wien,
London und Paris zu gelehrten Zwecken besucht. Im Jahre
1833 arbeitete er in Bom im Jesuiten-Seminar und wurde
seitdem ein eifriger, aber gelehrter Verfechter der päpstlichen
Tendenzen. Nachdem er im Jahre 1859 Präfect des Vatica-
nischen Archivs geworden war, gab er mehrere wissenschaft-
liche Werke heraus, die ein neues Licht auf die von ihm be-
handelten Fragen warfen, und darunter auch seine bekannten
„Monuments historiques relati& aux rfegnes d' Alexis Micha^lo-
witsch, Theodor m et Pierre le Grand de Bussie, Bome, 1859^',
— 299 —
sowie „Vetera monumenta Poloniae et Lithuaniae gentiumque
finitimarum historiam illustrantia, 4 vi., Bomae, 1864'% die
bis zum Jahre 1775 geführt sind. Sein älterer Bruder Johann
Anton, 1799 — 1860, gleichfalls ein gelehrter katholischer
Theologe, wurde im Jahre 1845 excommunicirt.
Augustin Theiner erfreute sich lange des Bufes einer
Autorität in katholischen Fragen; erst im Jahre 1869, bei der
Frage der Concor date*). wurde anerkannt, dass Theiner ein
Fanatiker sei, der bei seinen gelehrten Arbeiten das unbe-
dingte Vertrauen nicht verdiene, das er früher genossen hatte.
Als solch' ein Fanatiker erscheint er auch in dem uns vor-
Uegenden Werke.
Als Einleitung dient ein ziemlich umfangreicher „Bück-
blick auf die Bussische Kirche, und ihre Stellung zum heiligen
Stuhl seit ihrer Geburt bis auf die Kaiserin Katharina ü^' (1).
Das Werk selbst zerfällt in drei Theile: 1. „Schicksale der
Unirten seit Katharina 11. bis auf unsere Zeit'' (131); 2. „Die
Bömisch- Katholische Kirche in Bussland und in Polen seit
Katharina IE. bis auf unsere Tage" (431) und 3. „Erziehung
und Unterricht des Bömisch-Katholischen Klerus in Polen und
in den Polnisch -Bussischen Provinzen" (531). Wie in allen
Werken Theiner's, so bilden auch hier den interessantesten
Theil die Documente, die als Beilage abgedruckt sind — :
1 37 Bullen, Breves, Promemorias, Erlasse und andere Papiere
jeglicher Art, die zum grössten Theile vom Verfasser hier zum
*) Die umfangreiche Arbeit: »^L'eglise romaine et le premier empire,
par M. le comte d'Haassonville" hatte die Lüge der Napoleonischen Legende
vernichtet, nach der Napoleon I. als ,3estaurator Ecclesiae'* erschien.
Von dem Wunsche erfiillt, das Prestige seines Oheims wiederherzustellen,
„erkauf te^' Napoleon III. Theiner, und dieser gab seine „Histoire des
deuz concordats en ISOl et en 180S, par A. Theiner'' heraus, in welcher
er dem französischen Imperator Weihrauch spendete und den Grafen
d*Haussonville verleumdete, was schon damals aufgedeckt wurde (Histo-
rische Zeitschrift, XXV, 414).
— 300 —
ersten Male veröffentlicht worden sind. Als rother Faden
zieht sich durch das ganze Werk ein blinder Hass gegen
Eussland wegen seiner Bechtgläubigkeit; der fanatische Katholik
verzeiht den Türken ihren Muhamedanismus, aber er verbrennt
die Bussen, weil sie den Papst nicht als irdischen Gott aner-
kennen. Der katholische Fanatismus verblendet den gelehrten
Theologen und Juristen derart, dass er schon nicht mehr im
Stande ist, originale Actenstücke von gefälschten zu unter-
scheiden, und dass er statt einer Geschichte der katholischen
Kirche in Bussland ein politisches Pamphlet auf die russischen
Herrscher schreibt, das, um die Sprache der Zeitgenossen
Kaiharina's zu gebrauchen, „mit allem Stolze und mit voll-
endeter Bosheit und Grobheit*' verfasst ist („Leben Grimms",
Moskau, 1871, S. 20). Er nennt Katharina ein „ruchloses
Weib" (161) und findet „dass keine Herrscherin so sehr die
böse Kunst zu lügen und zu heucheln verstand, als Katharina"
(301); ihre Manifeste sind „Jacobinermanifeste (181), die allen
Bechten der Vernunft und Billigkeit Hohn sprechen" (212)
u. s. w. Der fanatische Verfasser hat keine Ahnung davon,
wie hoch er Katharina z. B. durch solche Urtheile stellt, wie
die folgenden: „Es hat vielleicht keinen Herrscher gegeben,
der, wie Katharina, ohne irgend einen positiven Kirchenglauben
zu haben, gleichwohl die religiösen Interessen mit einer solchen
kaltblütig durchdachten Strenge und Meisterschaft zur Seele
seiner Handlungen gemacht hat" (147); „es liegt eine ausser-
ordentliche Klugheit in dem Verfahren dieser Herrscherin; die
Beligion war ihr Mittel, um politische Zwecke zu erreichen,
und sie wusste solches ganz nach Beschaffenheit der Umstände
zu handhaben" (158) u. s. w. Theiner giebt ihr als Herrscherin
sogar den Vorzug vor dem Papste (301).
Der Fanatiker erdrückt den Gelehrten: Theiner spricht
den Werken Bulhiere's (No. 876) und Eaumer's (No. 955) gleichen
Werth zu, lobt die „Storia" (No. 157), ohne zu ahnen (140), dass
— 801 —
dies eine gefälschte üebersetzung aus dem Deutschen ist, und
stellt das „Journal historique et litt6raire de Luxembourg^'
als zuverlässige Quelle in eine Reihe mit den päpstlichen
Bullen (256, 265, 269). Eine derartige unwissenschaftliche
Behandlung der Frage ist dem Verfasser jedoch nicht unge-
straft hingegangen: Er fährt eine lange Rede des Bischofs
von Nowgorod Dmitrij Ssjetschenow, „Lieblings der Kaiserin,
durch dessen und des Giftmischers Orloff Einfluss sie vor-
züglich den Thron bestiegen hatte'* (141), an, weiss, dass
„diese Rede eine ausserordentliche Wirkung in allen Ge-
müthem hervorgebracht hatte** (147), beklagt, dass „der
Redner sich von seinem Enthusiasmus ftlr's Vaterland bis-
weilen zu weit hinreissen lässt, und nicht selten vom hohen
Kothurn ins Triviale herabsteigt** (141), und belehrt die
Bibliophilen: „Diese Rede gehört zu den grössten Seltenheiten
selbst in Russland und man kennt sie heute gar nicht mehr,
da Katharina alle Exemplare später auffangen liess** (140).
Indess, Dmitrij Ssjetschenow hat etwas Derartiges überhaupt
nicht gesprochen, und diese ganze Rede ist nichts weiter als
eine italienische Improvisation. Nur ein Fanatiker konnte die
freche Fälschung, die direct ins Auge springt, nicht merken.
Derselben italienischen „Storia** (IV, 38) entnimmt der Ver-
fjBisser (226) das gefälschte Manifest vom 9. Juni 1768, durch
welches die Saporoger zur Ermordung der polnischen Schljachta,
der katholischen Priester (Ksendsen) und der Juden aufgerufen
worden sein sollten (Angeberg, 61).
Nach Theiner sind die Polen und Türken Helden, vor
denen die russischen Feiglinge dahinschwinden. „Der uner-
schrockene Pulawski, der Leonidas der Helden von Bar* (222)
hält eine gefälschte Rede (Rulhi^re, III, 30), auf welche der
Verfasser seine Schl^ssfolgerungen gründet; nach „dem glän-
zenden Sieg bei Balta und Kochzin (235), erhielt der Sultan
den Titel Hazi, ganz Russland gerieth in Schrecken und
— 302 —
Katharina war nahe die Gunst der Rassen zu verlieren^^ (236).
Und dieser ganze Unsinn ist von einer völligen Niederlage der
Türken und Polen begleitet, die selbst „der grosse, tapfere
und besonnene Achmet-Selim-Aga, Befehlshaber der türkischen
Truppen'^ (244) nicht retten kann. Es versteht sich von selbst,
dass nach dem Verfasser „das Verbrechen der Theilung Polens
allein auf Russland lastet^' (254); dass Eopisskij „ein be-
rüchtigter griechisch-russischer Bischof von Weissrussland ist,
der sich nur auf Schimpfen und Saufen verstand^' (2^^); <1<^^
Ssestrenzewitsch, „ein wahres Ungeheuer von Stolz und Hab-
sucht und vom filzigsten Geize, alle, auch die heiligsten Rechte
der Kirche aufopferte, wenn er nur seinen Ehrgeiz und seine
Habsucht befriedigen konnte" (304) u. s. w.
Man kann nicht umhin zu bedauern, dass in einen solchen
,,phantastischen" Rahmen eine Menge sehr werthvoller Docu-
mente gestellt ist, ftir deren Veröffentlichung die Zeitgenossen
dem Verfasser Dank schuldig waren.
982. M^moireB d*ane polonaise poor servir k lliiBtoire de la Pologne
depuis 1764 jxaq'k 1830, par Mme. Fran^aise Trembicka. 2 vis.
PariB, 1841.
Die begabte und fleissige Polin Franziska Trembizkaja ist
niemals durch die politischen Geschicke ihres Vaterlandes in
Mitleidenschaft gezogen worden. Nach dem Aufstande von
1831 verliess sie Polen und lebte in Deutschland und Eng-
land zu der Zeit, als die polnische Emigration das Interesse
für die polnische Nation überall wachrief. Als Augenzeugin
und Betheiligte erzählte sie von dem Leben in einem polnischen
Dorfe (n, 85, 113), gab einige Einzelheiten über die polnischen
„Helden^^ des Aufstandes wieder (11, 64, 83) und benutzte ver-
schiedene Werke zur Geschichte Polens, um zwei Bände
herauszugeben, die jedoch weder „Memoiren", noch eigene
Aufzeichnungen, wie im Titel angegeben ist, sondern nur eine
historische Compilation über Polen im Zeiträume von 75 Jahren
— 308 —
enthalten, üeber die Zeit Eatharina's 11. finden sich nur vier
Mittheilungen nach den Worten der Väter und G-rossväter, die
damals gelebt (I, 58, 92, 119, 189), aber diese Mittheilungen
haben keine historische Bedeutung. Die Compilation ist, schon
dem Aeusseren nach, ohne Hintergedanken verfasst: ganze
Seiten, ganze Capitel sind aus S6gur (I, 9, 71), aus Lelewel
(I, 53, 60, 79, 81, 96, 99, 197), aus Bentkowskij (I, 32), aus
Tschaikowskij (I, 57), aus Lacretelle (I, 65), aus Sajontschek
(I, 94), aus Oginskij (I, 100), aus Falkenstein (93, 175, 204)
und aus Anderen ausgeschrieben. Das ganze Capitel „Insur-
rection du Varsovie en 1794" (I, 120 — 163) ist den „M6moires
de Eilinski*^ entnommen, und das Capitel „Eosciuszko" (I, 203
bis 234) stammt aus dem Werke Falkenstein's. Durch seine
Tendenz hat das Werk der Franziska Trembizkaja nicht wenig
bei der Erweckung der Sympathie für das Schicksal der pol-
nischen Nation in der westeuropäischen Gesellschaft und bei
der Aufetellung jener „polnischen Legende" mitgewirkt, die die
Ansichten Westeuropas über ßussland im Laufe yieler Jahr-
zehnte regulirt hat.
In dem ganzen Werke geschieht keine Erwähnung der
Küssen oder Busslands, die nicht von feindseligen und bos-
haften Erklärungen begleitet wäre: „on tolere les Kusses en
Pologne, mais on ne sympathise nuUement avec eux" (23);
„la Russie, plus hal que Türe et Tartare ne le furent jamais"
(109); „les Busses contribu^rent k repandre k plaines mains
la licence, inhärente aux moeurs d'un peuple sauvage dont la
culture n'est qu'un peu de clinquant" (197) u. s. w, Ueber
den russischen Gesandten Stackeiberg heisst es: „un de ces
proconsuls que les czars ont coutume d'envoyer pour domi-
ner etc." (69). Der Verfasser ist sogar gegen die Polen un-
gerecht, aber nicht gegen die Katholiken, sondern z. B. gegen
die Dissidenten: „Leurs plaintes 6taient d'autant moins fond6es
qu'aucun pays de l'Europe n'a manifeste envers les sectaires
— 304 —
une tol6rance si compläte'^ (53). Es versteht sich von selbst,
dass das katholische Polen von Helden wimmelt — : Ignatius
Potozkij (77), EoUontai (80), Eostjuschko (92), ,,le cordonnier
Eilinski, le Minine de la Pologne" (118) u. s. w. Indess, an-
geachtet aller Bemühungen ist es der Verfasserin doch nicht
gelangen, die Veruriheilang Stanislaas Aagast's, des polnischen
Königs, za mildem (60, 65, 90, 100, 193, 195); selbst die Er-
zählung von der Gefangennahme des Königs (61) erweckt keine
Sympathie für denselben.
Das Unglück Polens, das durch die Theilungen herauf-
beschworen wurde, wird zum Theil durch die inneren Zwistig-
keiten erklärt (45, 52), wobei der erste Gedanke der Theilung
dem Prinzen Heinrich von Preussen zugeschrieben wird (63),
und über Preussen äussert die Verfasserin sich stets unsym-
pathisch (97). Da, wo die Verfasserin von dem, Bussland er-
gebenen Triumvirate Branizkij, Felix Potozkij und Ssewerin
Bschewusskij spricht, fügt sie hinzu: „Catherine fit briller aux
yeux de Felix Potocki l'espoir d'ime couronne"; um diese Be-
hauptung zu belegen, wird in einer Anmerkung mitgetheilt:
„Le g6n6ral comte de Witt, son beau-fils, a entre ses mains
toutes les lettres de l'imp^ratrice k ce sujet^^ (88). Katharina
schätzte Felix Potozkij, „weil er ein ehrlicher Mann war^<
(Sammlung, XX VU, 479), sie war auch bereit, ihm das
Commando eines Corps polnischer Truppen zu übertragen
(Buss. Archiv, 1874, ü, 277), aber die Frage von der Ver-
leihung der polnischen Krone an ihn wird nicht einmal in dem
intimen Briefv^echsel der Kaiserin mit dem Fürsten Potjemkin
erwähnt, und es liegen ausserdem keinerlei Angaben vor, dass
Katharina überhaupt mit Felix Potozkij in Correspondenz ge-
standen hat.
Die Trembizkaja spricht viel von den polnischen Damen.
Bei der Erzählung, dass die Damen im Jahre 1792 den König
nicht in den Krieg liessen, fügt sie hinzu: „Ellles se sont
— 305 —
montr^es bien diff^rentes Tann^e 1830, tant la moralit^ avait
hauss^; mais en 1792 leurs larmes etleurs clameurs insens^es
yinrent se placer entre le roi et im devoir qu'il remplissait
avec röpugnance" (91). Der Wunsch, das Polen des Xviil.
Jahrhunderts zu erniedrigen, um die Tapferkeit und den Ruhm
Polens im XIX. Jahrhundert desto heller erglänzen zu lassen,
zieht sich durch das ganze Werk hin: das charakteristische
„Polska nierz^em stoi'S ^' b* jM Pologne existe par le des-
ordre" (43), „les nobles ligu6s en faveur de Tanarchie si fa-
vorable k leur despotisme partiel" (45) u. s. w. — das alles
wird nur erwähnt, um es den Helden der Epopöe von 1830
gegenüberzustellen.
„La yigilance de l'envoy^ russe^^ (I, 2) wird ausschliesslich
deshalb von der VerfeÄserin erwähnt, damit sie sich ein
grösseres Ansehen beilegen konnte. Die Trembizkaja war ein
kleines Mädchen, als Kostjuschko im Jahre 1817 starb (I, 204),
und den Aufstand von 1830 erlebte sie in der Blüthe ihrer
Jahre.
983. Jeniska j Yalmore 6 la huerfana Kusa, anecdota historica.
Por Mr..,, official de artUleria. Barcelona, 1841.
Der Verfasser dieser Broschüre giebt über seine Quelle
den folgenden Aufschluss: „estractada de im manuscritto que
se encontrö en un convento de Smolensk'^ Das ist nichts
weiter, als ein Herausgeberkniff, und die „historische Anecdote'^
selbst ist die Geschichte der Tarakanow: „Jeniska, la hija de
la augusta Isabel' (46) ist „Elisabeth Tarakanow, Tochter der
Kaiserin Elisabeth Petrowna", und „Valmore, marino y cor-
sario" (64) ist der ihr vom Fürsten Radziwill bestellte Wächter.
Die ganze Erzählung besteht aus einer „Introduccion a la
historia de Jeniska" (3) und zwei Theilen (18, 119). Im ersten
Theile concentrirt das Interesse der Bezahlung sich auf den
Fürsten Badziwill, im zweiten auf den englischen Consul Deak;
in beiden Theilen erscheint Graf A. G. Orlow, „gran maestre
BilbasBOff, KaftuurlnAlL 20
— 806 —
de ceremoma's y primer chambelan'^ (50), als ,,traidor'^ (89),
yytartarö feroz^^ (128) und ,,p6ri£ido Ealmuk'' (166). Die ganze
Erzählung ist erdichtet, eine Ausgeburt der Phantasie; die Eede
der Tarakanow (87), das Gespräch Orlow's mit Deak (100) und
der Brief Deak's (140) etc. sind vom Verfasser erfunden. Die
Erzählung reicht bis zur Abfahrt des Schiffes aus Livomo.
Der Broschüre ist ein Holzschnitt beigelegt: Orlow trägt
die Tarakanow auf den Annen fort, um sie in ein Boot zu
bringen.
984. Denkwürdigkeiten des Freiherm Achatx Ferdinand von der
Asseburg. Berlin, 1842.
Der Baron Achatz von Asseburg, 1721 — 1797, begann die
diplomatische Laufbahn in Diensten des Landgrafen von Hessen-
Kassel; im Jahre 1753 trat er in dänische Dienste und im
Jahre 1771 in russische. Als Vertreter Dänemarks hatte er in
Stockholm, Berlin, Stuttgart und von 1765 bis 1768 in Peters-
burg gelebt; als Vertreter Russlands wurde er 1773 nach
Begensburg gesandt, wo er auch bis zu seinem Tode im Jahre
1797 verblieb, Der Titel des Buches entspricht nicht dem
Inhalte. Asseburg hat nicht seine „Memoiren'' hinterlassen,
sondern nur eine Menge Briefe und Depeschen, aus denen
dann später eine zusammenhängende Erzählung verfasst worden
ist: „aus den in dessen Nachlass gefundenen handschriftlichen
Papieren bearbeitet von einem ehemals in diplomatischen An-
stellungen verwendeten Staatsmanne.'' Für uns ist diese „zu-
sammenhängende Erzählung" nicht von Wichtigkeit, welche
von irgend einem unbekannten „Staatsmannes' verfasst worden
ist, wohl aber sind es die Documente, die ihr zu Grunde ge-
legt sind, soweit sie sich als Bruchstücke im Texte und voll-
inhaltlich in den Beilagen vorfinden.
Asseburg hat gegen drei Jahre am russischen Hofe zu-
gebracht, er hat Katharina auf ihrer Beise nach Jaroslawl
und Kostroma begleitet (140) und nicht nur ihre Briefe (274 £F.),
— 307 —
sondern auch ihre Worte aufbewahrt (123, 130, 175); er
stand zu den zeitgenössischen Herrschern in Beziehungen, so-
wie zu den, Katharina am nächsten stehenden grossen Männern
ihrer Zeit, und betheiligte sich an der Erledigung der hol-
steinischen Angelegenheit (71, 118, 124, 132), von der Aus-
wahl der ersten Braut des Grossflirsten Paul Petrowitsch (244)
gar nicht zu reden; endlich hat er im Laufe von mehr als
20 Jahren die Interessen Russlands in Regensburg vertreten.
Es ist also ein reiches Material, das in seinen Papieren ent-
halten ist. Er folgt nicht dem Beispiele Anderer und theilt
keinerlei Anecdoten vom russischen Hofe mit, auch behandelt
er nicht die persönlichen Beziehungen der Hofleute zu ein-
ander und erwähnt das Privatleben Eatharina's nicht mit einem
Worte. Er giebt nur ein einziges Charakterbild, dasjenige
Paul Petrowitsch's (174), jedoch es ist ausserordentlich miss-
lungen. Aber die sachlichen Mittheilungen Asseburg's sind
im höchsten Grade wichtig. Als Augenzeuge berichtet er
über die Berufung von Deputirten flir die Abfassung des
Projects eines neuen Gesetzbuches (168), er spricht von der
Dissidenten-Frage (158), von der Braunschweigischen Familie
(170) und theilt ein „Memoire sur le d6tr6nement de Pierre III"
mit (315), das nach den Worten des Grafen N. J. Panin
niedergeschrieben ist und ein sehr wichtiges Document bildet.
Asseburg befreundete sich mit Panin schon in Stockholm,
wo sie zu gleicher Zeit als diplomatische Agenten thätig
waren und ein und dasselbe Ziel, die Beseitigung der französi-
schen Partei am schwedischen Hofe, verfolgten. In den Jahren
1765 — 1768 begegneten sie sich häufig in Petersburg und in
Moskau. Bei der Abreise Asseburg's aus Moskau im Januar
1768 schrieb Panin an ihn: „Soyez persuadÄ, mon digne et
vrai ami, qu'on ne saurait sentir plus que je ne le sens notre
Separation. Mon coeur p6n6tr6 de vos sentiments pour moi,
vous suivra partout, et l'esp^rance qu'un heureux avenir me
20*
— 308 —
präsente y fait ma consolation. Conservez moi, je vous en con-
jure, Yotre amitid, et ne doutez point de la mienne^' (278).
Später hat Asseburg wiederholt Gelegenheit gehabt, sich von
der Aufrichtigkeit dieser Worte Panin's zu überzeugen. Ihm,
als seinem Freunde, hat Panin und wie es scheint, wiederholt,
die Einzelheiten der Umwälzung vom 28. Juni 1762 er-
zählt, und er hat dies drei, vier Jahre nach dem Elreignisse
gethan, als diese Einzelheiten ihm noch frisch im Gedächt-
nisse waren. Bei diesen Erzählungen sind die Hauptsachen
frkst wörtlich wiederholt worden, während die unbedeutenden
Vorgänge manchmal bis zum Widerspruche varürten, z. B.:
„Mr. de Panin fait passer un carosse ä 6 chevaux de voitu-
riers ä PeterhoP' (318), und einige Zeilen weiter unten:
„rimp^ratrice partit de Peterhof dans le carosse que Mme.
Ichudin lul avait envoj^'^; der ganze Zug Eatharina's nach
Peterhof ist auf den 29. Juni verlegt (321), und es finden
sich auch sonst noch andere üngenauigkeiten. Derartige
Widersprüche und üngenauigkeiten Asseburg, als dem Ver-
fasser der Darstellung nach einem Berichte, auf die Rechnung
zu setzen, ist nicht möglich: er hat gewissenhaft nachgeschrieben,
was er hörte, wobei er die eigenen Ergänzimgen als Anmerk-
ungen unten hinzufügte, ohne sie in den Text der Erzählung
aufzunehmen. Es ist schwer, ohne das Manuscript in Händen
zu haben, zu entscheiden, wann gerade Assebui^ diese Erzäh-
lung Panin's niedergeschrieben hat: die Rede geht [über das
Elreigniss von 1762, Panin erzählte es in den Jahren 1765 —
1767, in den „Denkwürdigkeiten^^ wird es unter dem Jahre
1779 behandelt, und in der Aufzeichnung selbst findet man
eine Erwähnung des Jahres 1796. Bei einer Erwähnung
Panin's bemerkt Assebui^ in einer Anmerkung: „alors grand-
maltre du jeune Grand- Duc, plus tard Empereur Paul I"
(316), und in Bezug auf Passek sagt er in einer Note: „cor-
don bleu par l'impöratrice Catherine 11 la demiöre ann^ de
— 309 —
8on rftgne'^ (318. Heute, wo nnr die gedruckte Ausgabe vor-
liegty ist es unmöglich, zu entscheiden, ob diese Bemerkungen
später in der Form von Zusätzen, gemacht worden sind, oder ob
sie gleichzeitig mit dem Texte geschrieben wurden. In letzterem
Falle müsste man die Abfassung dieses „Memoire sur le d6t-
rönement de Pierre HI'' auf das Ende des Jahres 1796 oder auf
den Anfang des Jahres 1797 verlegen, als Asseburg, der seit
1792 verabschiedet war, den Winter in Braunschweig zubrachte
(445). Hier starb er auch am 17. März 1797. Das „Memoire''
ist im „Russ. Archiv", 1879, I, 363, in's Russische übersetzt.
Die Frage Tom Austausche des Herzogthums Holstein-
Gottorp gegen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst
(101), bei deren Lösung Assebui^ unmittelbar betheiligt war,
wird durch seine „Denkwürdigkeiten", d. h. durch die in ihnen
mitgetheilten Documente (178), bedeutend aufgeklärt. Die
„Vermählungs-Angelegenheit des Grossfilrsten Paul von Buss-
land mit der Prinzessin Wilhelmine von Darmstadt" (d. h. mit
Natalja Alexejewna) ist sehr ausführlich dargestellt (244). Das
Capitel über die „Gesandschaft am Reichstage", die 25 Jahre
währte, von 1773 bis 1797, ist wichtig für die Aufklärung der
Frage von dem Eünflusse Russlands auf die deutschen Angelegen-
heiten (287).
Als Asseburg die Nachricht von dem Tode Katharina' s
erhalten hatte, schrieb er an den „Staatsmann", der seine
„Denkwürdigkeiten" herausgegeben hat: „eile 6tait depuis
trente ans ma protectrice et ma bienfaitrice, nannte sie »cette
grande Souveraine« und qualificirte siefolgendermassen: „rome-
ment de son sifecle et Tobjet de Tadmiration des suivans" (306).
985« La dragonne, com6die en denx actes, m^l^e de chant par
MM. Dumanoir et H. Le-Boux. Paris, 1842.
Dies ist keine Ecmödie, sondern ein Vaudeville über das
Sujet: „Die Potjemkin'sche Degenquaste" am Tage der Thron-
besteigung, deren Geschichte den Verfassern aus den
— 310 —
y^^moires de S^gur^' (II, 252) bekannt war. Am besten ist
das Thema der yermeintlichen Verschwörangen and Gefahren
ausgearbeitet, durch welehe G« 0. Orlow Katharina in Fureht
erhielt. Potjemkin enthüllte „qu' Orloffe continue k jouer ses
com6dies de complots, qui n'aboutissent Jamals, et il a tou-
jours la gloire du d6nouement, puisqu'il est Tauteur de la
piäce" (22). Potjemkin löste Orlow ab, der sich mit folgender
Sentenz aus der höfischen Philosophie tröstete: „AUons:
J'aurais dur6 deux ans! C'est fort honngte pour un amant . . .
c'est Enorme pour un ministre'' (25). Auf dem Pariser
Theater des Palais -Royal erschien Katharina in folgendem
Kostüme: „Habit- veste militaire avec brandenbourgs d'or et
revers ouverts sur la poitrine, un crachat et un grand cordon
en sautoir; jupe de satin blanc, fagon amazone; chapeau k la
Louis XIV, noir, avec liserö d'or, cocarde et plumes blanches
flottantes et rabattues; 6p^e au (M6 avec dragonne en or
melöe d'un peu de lain verte" (27). Zu Anfang und zum
Schluss der Komödie singt der Chor:
Gloire k Catherine!
Hommage ä, sa beaut^!
Que chacun slncline
Devant sa majest^,
De g^nie et de graces,
Modöle tonr-&-tour.
Enchalnez sur vos traces
Et la gloire et ramoor.
986. Les deux impöratrices, ou une petite gnerre, comödie en troie
actes, par M. Aneelot Paris, 1842.
Die zwei Kaiserinnen sind Katharina U. und Maria
Theresia, als zwei entgegengesetzte Frauencharaktere: die eine
ist lebenslustig und überreich an Liebe, die andere dagegen
eine herzlose Frömmlerin und trockene Egoistin. Maria
Theresia gesteht Katharina zu, dass sie „belle et brillante^^
sei (8), und macht sich selbst Vorwürfe darüber, dass sie stets
— 311 —
,,cett6 joie, ces plaisirs'' vermieden habe (14); Katharina be-
kennt spöttisch, dass ihr G-atte ,ydans nos henres de tdte k
tSte m'apprenait k faire rexerciee^' (9), nnd ruft ans: ,,Comme
fl 7 a des moments oü Ton donnerait tons les plaisirs ponr
le cakne d'nne vie sans reproche^' (17)1 Das Thema ist sehr
schwach verarbeitet und von den „zwei Kaiserinnen" tritt in
der Komödie nicht eine als Siegerin hervor.
987« Notes sur ma captivit^ k St P^tersbourg, an 1794, 1795 et
1796. Ouvrage in^dit de J. H. Nicfncewiex, publik d'aprös le
manoscrit autographe de Taateur, par Tordre du comit^ histo-
rique polonais k Paris. Paris, 1843.
Der Dramatiker und Dichter, Publicist und Bedner, der
Freund Kostjuschko's und Feind Kusslands und besonders
Katharina's, Njemzewitsch, wurde bei Maciejowizy gefangen
genommen, womit auch seine „Notes sur ma captivitö" be-
ginnen (11). Sie sind in sechs Theile eingetheilt: „Bataille
de Macieiowice" (1), „ItinÄraire de captifs" (33), „Interro-
gatoire" (85), „Compagnons de captivitö" (117), „Vie de prison"
(141), „Elargissement" (ie5>
Njemzewitsoh hasste und verachtete die Bussen (35), und
alle seine Aeusserungen über Bussland, „etaient^', nach seinen
eigenen Worten, „d'une sanglante Ironie et ne manquaient pas
de seV^ (31). Er war in Bussland im Jahre 1786 und be-
suchte Kijew und das Höhlenkloster (59); er interpretirt die
russischen Worte und Ausdrücke stets richtig (40, 62, 63, 127,
162), da er russisch verstand (56); auch lässt er der musika-
lischen Begabung der Bussen Gerechtigkeit widerfahren: „II
n'y a peut-etre pas de peuple qui ait plus de dispositions
pour la musique et qui Taime autant que les Busses. Bien
de plus m61ancolique, de plus touchant que leurs airs et l'ez-
pression avec laquelle ils les chantent: il semblait que leur
esclavage, le malheur de leur condition s'exhalaient dans leurs
sons plaintifs^' (77). Er lobt die russische Manier des Häuser-
— 312 —
baues: ,,les russes excellent dans la constniction en bois —
nulle pari je n'ai yu des maisons aussi bien bäties^^ (64).
Mit Ausnahme der Musik, und hier auch nicht einmal der
Hommusik (46), und der Holzhäuser aber ist es in Bussland
mit Allem schlimm bestellt, besonders mit den Menschen (12,
19, 35).
In den „ Bemerkungen^' Njemzewitsch's sind nur die
culturgeschichtlichen Mittheilungen über Alles, was er ge-
sehen und selbst erlebt hat, wichtig. Sowohl vor der Ge-
fangenschaft (2), als auch vor der Befireiung (200), begegnet
er tiberall Polen, die das Vaterland verrathen und sich Buss-
land hingegeben hatten. Schon auf dem Wege nach Peters-
burg benutzt er die Gelegenheit, um von der Bekanntschaft
Basumowskij's mit der GrossftLrstin Natalja Alexejewna (45),
von Soritsch (70) und Korssakow (66), von Gatschino (77) und
von den Franzosen in der Provinz und in den Besidenzen zu
erzählen: „La Bussie fourmille de perruquiers et autres gens
de cette expfece venus de France, qui se fönt gouvemeurs,
m^decins, secr6taires, des premiers maisons de P^tersbourg et
de Moscou" (60). Er hörte von dem Diebstahle der Potjem-
kin'schen Brillanten durch die Gräfin Branizkij (136), von
einem Bankdiebstahle (138) u. dgl. m., selbst aber sah er die
Paläste, die für die taurische Beise Eatharina's gebaut worden
seien (69); er lebte in einer Kasematte der Peter Pauls-
Festung (86, 128) und sah im Palais die Chevaliergardisten
(191), über die er mehr boshaft, als witzig urtheilt; er war in
Petersburg, als Katharina starb (178, 192), und sah sie auf
der Todtenbahre (196). Man findet bei ihm wichtige und
interessante Bemerkungen. So schreibt er, als er durch
Weissrussland reiste, das Polen bei der ersten Theilung ent-
rissen wurde, folgendes*): ,Je dois ici ce triste aveu ä la
*) Im polnischen Original (No. 1008) ist diese Stelle fort^lassen.
— 313 —
verit^, que ce pays m'a paru avoir infinement gagnä depuis le
partage'' (71).
Njemzewitsch schrieb seine y,B^^^^^^S®^'' ^^^ Jahre
nach seiner Befreiung aus der Gefangenschaft, im Jahre 1800,
als er sich bereits in Amerika befand und der Kummer über
das Unglück, das ihn betroffen hatte, sich bereits sichtlich
gemildert hatte. Er schildert z. B., nachdem er die Kasematte
fast vergessen hatte, sein Mittagsessen folgendermaassen :
„notre diner se composait d'une soupe, d'un bouilli, d'une
entr^e, d'un röti, de pätisseries, et d'une bouteille de vin ou de
porter" (153). Die Nachrichten, die er über Deboli (109),
Bonneau (124) und Kilinskij (134) mittheilt, sind sehr inter-
essant, diejenigen über die Gefangenschaft Kostjuschko's
vollkommen richtig (158). Nur „Catherine impudique" kann
er auch in Amerika nicht leiden, selbst nach ihrem Tode
nicht: „J'en demande bien pardon auz pröneurs de l'immor-
teile Catherine; mais dans les petites cruaut6s qu'elle exer^ait
envers nous, je ne vois rien de grand, ni d'immortel: c'^tait
tout simplement le d6pit d'une vieille femme aussi vaine que
vindicative" (138, 158). Persönliche Beleidigungen werden
am meisten empfunden — : als man sich für den „Arrestanten
Njemzewitsch" verwandte, „on avait r^pondu que ma haine
personnelle contre Timpdratrice, les discours outrageants que
j'avais prononc^s contre eile ä la difete, mes propos satiriques
sur le pnnce Potemkin et le favori d'aujourd'hui, m^ritaient
des rigueurs bien plus grandes encore que celles que j'^prou-
vais" (143).
Die Beschreibung der Schlacht bei Maciejowizy (11) muss
man der Beschreibung des Generals Sajontschek in No. 801
gegenüberstellen. Hierüber siehe auch No. 1008. Sehr treffend
ist das Urtheil über Stanislaus August; „II n'avait ni carac-
tfere, ni courage; plus vain qu'ambitieux, il pr6f6rait d'etre
lou6 par les voyageurs et les joumalistes que de laisser un
— 314 —
nom dans Thistoire" (100). Die Beschreibung des Jagd-
schlosses dieses Königs, ^^timide et indolent'^, in Koziennice
ist sehr interessant (36). Die Einzelheiten über General Fersen
(20), über General Chmschtschew (35) und über Major Titow
(68) sind vielleicht richtig.
Ueber den Verfassersiehe: „Vie de Julien ürsin Niemcewicz,
par le prince Adam Czartoriski. Paris, 1861^'.
988. Memoirs of Pdiä Jones, late rear-admiral in the Bussian Service.
2 vis. London, 1848.
Ganz zu Anfang des zweiten Türkenkrieges, am 13. Fe-
bruar 1788, schrieb Katharina an den Fürsten Potjemkin,
dass sie Paul Jones, der „sehr geeignet ist, beim Feinde
Furcht und Zittern zu vermehren'^ für ihren Dienst gewonnen
hätte und ihm befehlen würde, „direct zu Ihnen zu fahren^'
Hierbei fügte die Kaiserin hinzu: „Ich beeile mich, Dir dies
mitzutheilen , weil ich weiss, dass es Dir nicht unangenehm
sein wird, einen Bullenbeisser mehr auf dem Schwarzen Meere
zu haben" (Sammlung, XXVII, 474). Eine Woche darauf,
am 22. Februar, schrieb sie: „Paul Jones gilt selbst bei
den Engländern als zweiter Seeheld, — Admiral Hood ist der
erste, dieser aber der zweite; er hat, als er bei den Ameri-
kanern war, die Engländer viermal geschlagen^' (ibid., 475).
In dem Bescripte an den Fürsten Potjemkin vom 4. April 1788
heisst es: „Den Kapitän unserer Flotte mit dem Range eines
Generalmajors Paul Jones befehlen Wir AUergnädigst zum
Contre- Admiral zu ernennen, sobald er bei Ihnen eintreffen
wird" (Ibid., 484). Kaum war Jones in Petersburg angelangt,
so entzückte er Katharina durch seine Lust, nach dem
Schwarzen Meere zu fahren; auch machte er ihr sofort den
Vorschlag, Sinope zu annectiren „um eine Zuflucht vor den
mächtigen Stürmen zu haben" (ibid., 487). Er entzückte auch
den Fürsten Potjemkin (ibid., 491), besonders durch den Sieg
im Liman, über den Katharina am 21. Juni 1788 schrieb:
— 315 —
yj'ai re^u la nouvelle qne le prince de Nassau et Paul Joneb
86 sont battus dans le Limaa avec soixante vaisseaux turcs,
qu'ils en ont fait sanier trois et qa'ils ont chass6 les autres^'
(ibid., XXTn, 451). Aber die Seeleute, unter denen sich auch
Engländer befanden, lehnten sich gegen Jones auf; Katharina
schrieb hierüber an den Fürsten Potjemkin am 25. Juni 1788:
„Dass die Seeleute alle über Paul Jones wüthend sind, be-
klage ich; Gebe G-ott, dass sie aufhörten, zu rasen; er ist uns
nöthig^' (ibid., XXVII, 501). Es begannen Intriguen und
Verleumdungen, und die Unzufriedenheit wuchs (ibid., 529):
Jones musste den Dienst in der Armee des Fürsten Potjemkin
quittiren*) und erschien wieder in Petersburg, aber auch dort
verfolgten ihn die Ehi^länder nicht weniger als die Bussen, so
dass Katharina in einem Briefe vom 15. August 1792 bereits
schreibt: „Ce Paul Jones 6tait une bien mauvaise tSte'^ (ibid.,
XXm, 575).
Der Schottlander Paul Jones, 1747—1792, der Begründer
der nordamerikanischen Flotte, der Schrecken der englischen
Seeleute, der „Schaumfahrer der Meere'S ^^ ^eli der Bomane
yon Gooper und Dumas, bleibt bis heute eine rärthselhafte
Persönlichkeit für Bussland, dem er wesentlichere Dienste ge-
leistet hat, als Viele der Ausländer, die von Katharina in
russische Dienste aufgenommen worden sind. Noch bei seinen
Lebzeiten erschienen in Paris im Jahre 1789 „M^moires de
Paul Jones^S und ungeachtet dessen, dass ihre Unechtheit bald
nachgewiesen wurde, sind sie doch im Jahre 1830 in Edin-
burgh ins Englische übersetzt worden. Im Jahi*e 1826 kam
in Washington das Werk von Sherbume: „Life of Paul Jones"
heraus, das sich auf die Nachrichten stützte, die sich im Archiv
des See-Departements in New-York befanden. Endlich, im
*) Siehe „Der Prinz von Nassau -Siegen in Enssland*' im „Neuen
Worf S 1894, MSn, 208, Anmerkung 1.
— 316 —
Jahre 1843, erschien aach das Torliegende Werk, das nach
den Originalpapieren Jones' yerfasst ist (Pre£Efcce, IX).
Im September 1787, als die Nachricht Ton dem Storme
anf dem Schwarzen Meere, der unsere Flotte hinw^gefegt
hatte (Sammig., XXIII, 433), nach Paris gelangte, machte
der Nachfolger Franklin's am VersaUler Hofe, Jefferson, I. M.
Simolin auf Jones aufinerksam, ab anf einen Admiral, der
fähig wäre, Rnssland grosse Dienste im Schwarzen Meere zu
erweisen (I, 307). In Folge dessen schrieb Simolin an Katharina
„that with the chief command of the fleet and carte blanche
he would undertake that in a year Paul Jones would make
Constantinople tremble^^ (I, 308). Im März 1788 war Jones
bereits in Kopenhagen, wo er vom Baron Kiiidener, dem Ver-
treter Russlands, den officiellen Antrag erhielt, in russische
Dienste überzugehen (I, 319). Am Abend des 23. April langte
Jones in Petersburg an (11, 10) und wurde am 25. April der
Kaiserin vorgestellt (I, 327). Fin Jahr später, unter dem
7. März 1789, findet sich bei Chrapowizkij notirt: „Sie (die
Kaiserin) sagte mir, dass ich das Journal Paul Jones' auf-
suchen sollte, welches denn auch an ihn geschickt wurde'' (260);
unter dem 16. October ist notirt: ,;Sie befahlen das Journal
Paul Jonas' zu drucken, damit die Anderen keinen Aerger
hätten'^ (313). Dieses Journal hat Mr. Fton gelesen, der
Secretär der englischen Gesandtschaft (No. 826). Dieses Jour-
nal wird auch in den Memoiren G-amowskij's erwähnt (Buss.
Alterthum, XVI, 414), aber es ist vollständig erst in dem vor-
liegenden Werke erschienen: „Journal of the Campaign of
the Liman in 1789, drawn up by Bear- Admiral Paul Jones,
for the perusal of her Imperial Majesty of all the Russias^'
(11, 15). Am Schlüsse des Journals steht das Datum „St.-
Petersburgh, 29th July 1789" (11, 117); zu Anfang, vor dem
Journal, ist abgedruckt: , Jntroducüon to the Journal of Rear-
Admiral Paul Jones" (11, 4). Die Herausgeber sagen ganz
— 817 —
richtig : „To the historian this Jonmal is of considerable value.
It places in an entirely new aspect one of the most memo-
rable of the campaigns between Enssia and the Porte, and
affords a clue, were that any longer needet, to the crooked
and debasing spirit of intrigue bj which the domestic policj
of Eussia was condncted, even under the anspices of the great
Catherine" (11, 4).
Als Katharina den Fürsten Potjemkin von der Abreise
Jones' ans Petersburg benachrichtigte, schrieb sie ihm, in
einem Briefe vom 27. Mai 1788, folgendes: „Um seine gute
Stimmung zu befestigen, habe ich ihm einen Originalbrief
Simolin's nachgesandt, den ich damals erhalten habe und in
dem geschrieben stand, wie Du trachtetest, Paul Jones zu ge-
winnen, was ihm als Beweis dafiir dienen kann, wie Du für
ihn geneigt bist und über ihn denkst" (Sammig., 401). Der
Brief £atharina's an Jones, sowie der ihm beigelegte Brief J.
M. Simolin's an den G-rafen Besborodko sind zuerst in dem
vorliegenden Werke veröffentlicht worden (I, 329).
Im August 1789 verliess Jones Eussland und „twentj
months after" (H, 2), d. h. im März 1791, schrieb er an
Jefferson, dass er dem Baron Orimm ein Packet zur Ueber-
lieferung an Katharina übergeben habe, wobei er hinzufügte:
„but, though the baron de Grimm has undertaken to transmit
to her Imperial Majesty's own hands mj last packet, I shall
not be surprised if I should find myself obliged to withdraw
from the Service of Eussia, and to publish my Journal of the
Campaign I commanded" (11, 8). Die Herausgeber [meinten,
dass sich in dem Packet das Journal Jones' über die Schlacht
im Liman befunden habe, und sind überzeugt, dass Grimm
das Packet an die Kai8erin''nicht gesandt habe: „the G^rman
had too much tact to be the means of transmitting any thing
disagreeable" (ibid.). Das Eüne wie das Andere ist falsch:
aus einem Briefe Grimm's an Katharina vom 15. März 1791
— 818 —
geht unzweifelhaft hervor, dass Grimm der Kaiserin ein Packet
von Jones übersandt hat, und dass in diesem Packete sich
durchaus nicht das Journal über die Schlacht im Liman be-
funden hat: .,le paquet renferme un projet ou un plan, qu'il
croit d'une grande importance au cas que la guerre düt con-
tinuer, importance qui angmenterait si la cour de Londres
s'abandonnait au point d!j prendre une part active^' (Sammig.,
XXXIII, 328).
Aus der Correspondenz Jones', die in dem vorliegenden
Werke abgedruckt ist, führen wir hier an: zwei Briefe an die
Kaiserin Katharina, vom 17. Mai 1789 (11, 163) und vom
25. Februar 1791 (11, 231), einen Brief an den Fürsten Po-
tjemkin, vom 13. April 1789 (U, 150), einige Briefe an den
Grafen Besborodko (11, 172, 174, 176) und einen Brief an
Baron Krüdener (11, 213).
Die uns hier vorliegende Ausgabe des Werkes ist sehr
ungenügend. Man kann den Herausgebern das Fehlen eines
Inhaltsverzeichnisses nachsehen, aber das System, Documente
nicht vollinhaltlich und gesondert herauszugeben, sondern als
Einschiebsel in ihre eigene Erzählung, beraubt den Leser der
Möglichkeit, den Verfasser kritisch zu behandeln und sich eine
richtige Vorstellung von seiner Persönlichkeit zu machen. In
russischer Sprache ist uns zur Sache nur der Aufsatz von
N. Bojew, „Paul Jones. Eine Erzählung aus der Geschichte
des XVin. Jahrhunderts", bekannt (Russ. Bote, CXXXVI, 5).
989. Histoire de Joseph n, Empereur d'Allemagne. Par M. ÖamiUe
Paganel. Paris, 1848.
Der Verfasser dieser Schrift hatte als „D6put6 et con-
seiUer d'6tat" die Möglichkeit, die Archive zu benutzen, und
seine Arbeit hat einen besonderen Werth dadurch erhalten,
dass ihr „25 piäces justificatives'' beigelegt sind. Gerade des-
halb wird in der historischen Litteratur jener Zeit das vor-
— 319 —
liegende Werk oft erwähnt; heute hat es jegliche Bedeutung
verloren.
Als Anstifter und Schuldige der ersten Theilung Polens
bezeichnet der Verfasser Joseph IL und Friedrich II.. Nach
seiner Meinung wurde der Gedanke der Theilung in Neustadt,
bei der Entrevue, ausgesprochen: „hk, devant une carte de la
Pologne, on arreta les bases de Todieux partage. D6jä., sous
pr^texte d'organiser un cordon sanitaire^ grande ressource
pour de pareilles iniquit^s, des troupes autrichiennes et prussi-
ennes s'^taient 6tablies sur cette terre condamn^e. Les spo-
liateurs 6taient pr§ts k fondre sur leur proie^' (281). In dem-
selben Anlasse finden sich hinsichtlich Eatharina's zwei Unge-
nauigkeiten auf einer Seite: in Folge der Annexion der
Starostei Zips durch die Oesterreicher „Catherine s'ötait ein-
parke d'une autre partie de la Pologne" (283) und „le prince
Henri conclut, k P^tersbourg, un projet de partage" (ibid.).
Der Verfasser spricht von der Zusammenkunft in Mohilew im
Jahre 1780 (315), von der taurischen Reise (383) und vom
zweiten Türkenkriege (399). „Jamais TAutriche n'eüt consenti
k la destruction de F Empire Ottoman. Ce qui a pu tromper,
c'est la condescendance de Joseph pour la Russie, mais en ne
s'opposant point k la conquete de la Crim^e, Joseph ne son-
geait qu'ä. enlever au roi de Prusse l'alliance des Russes, qui
avaient fait öchouer ses projets sur la Bavi^re" (317). In
Fragen, die sich nicht auf die Thätigkeit Joseph's II. beziehen,
begegnet man Nachrichten, die rein erdacht sind. In Bezug
auf den schwedischen Krieg heisst es z. B.: ,, Saint P6ters-
bourg trembla; les jeunes princes de la famille imp^rale furent
envoy6s k Moscou" (411). Ungeachtet dessen, dass der Ver-
fiasser ein Anhänger Preussens ist (378), wird das Verhalten
Preussens gegenüber Polen im Jahre 1791 richtig gekenn-
zeichnet (425); es wird sogar der Ausspruch Hertzberg's vom
Jahre 1794 angeführt.
— 320 — . \
Aus den „pi^ces justificatives" hatten fftr uns die „In-
structions de M. de Vergennes ä M. de S6gur^^ früher eine
grosse Bedeutung; heute ist nachgewiesen worden, dass diese
Instructionen weder vollständig noch genau angef&hrt gewesen
sind (Bambaud, 11, 389).
990. Diaries and Correspondence of James Harris , first earl o£
Malmesburj. Edited hy bis grandson. 4 yIb. London, 1844.
Jakob Harris, 1746—1820, der seit 1770 Mitglied des
Parlaments war und 1784 Baron Malmesbury und Viscount
Fitzharris wurde, hat sein ganzes Leben dem diplomatischen
Dienste gewidmet. Er war Vertreter Englands in Madrid,
Berlin, Petersburg, im Haag und in Paris. Am russischen
Hofe hat er f&nf Jahre, vom Januar 1778 bis zum Septem-
ber 1783, verlebt. Seine Gattin, eine Tochter des Sir Georges
Gornwales, zählte 16 Jahre, als er nach Petersburg kam
(Sanunlung, XXIII, 81). Katharina war sehr leutselig gegen
ihn, spielte mit ihm Karten (ibid., 123), nahm ihn auf ihren
Reisen mit (ibid., 170), unterhielt sich oft mit ihm und
urtheilte über ihn nach seiner Abreise folgendermassen: „le
Chevalier Harris avait plus d'esprit que le marquis de Y^rac,
qui n'en a point du tout; mais Harris est un brouillon et un
intrigant, et puis c'est tout" (ibid., 431). Die Kaiserin erwähnt
Harris in ihren Briefen an Potjemkin (Sammlung, XXVII, 185)
und an S. R. Woronzow (Arch. des Fürsten Woronzow, XTV,
262; XXVin, 82). Die Briefe und Berichte Harris' aus
Russland sind im 1. Bande seiner „Diaries and correspondence"
herausgegeben, aber nicht vollständig: Grimblot ftLhrt in seinem
Werke: „La cour de la Russie il y a cent ans" Briefe von
Harris an, z. B. vom 19. März und 5. April 1782 (375),
die in der englischen Ausgabe nicht enthalten sind. Eüne
russische üebersetzimg seiner Berichte und Briefe ist im
„Russ. Archiv", 1866, S. 584; 1874, I, 1465; H, 143 iff., ab-
gedruckt.
— 321 —
Die Berichte Harris' aas Petersburg sind voller Interesse.
Ein gebildeter Mann und ernster Beobachter, kam er schon
als erfahrener Staatsmann nach Kussland mit der Absicht,
ein genau vorgestecktes Ziel zu erreichen — den Abschluss
eines englisch-russischen Bündnisses (185, 144, 166, 234, 242 ff.);
schon unterwegs sieht er Alles, bemerkt Alles und berichtet
über alles Gesehene in den Briefen an seine Freunde und in
den Relationen an das Ministerium. Der erste Eindruck, den
der Hof und die Kaiserin auf ihn machten, war sehr günstig:
„Prepared even as I was for the magnificence and parade of
this court, yet it exceeds in everything my ideas — so this
is joined the most perfect order and decorum. The Empress
herseif unites, in the most wonderful manner, the talents of
putting those she honours with her conversation at their ease
and of keeping up her own dignity. Her character extends
throughout her whole administration; and although she is
rigidly obeyed, yet she has introduced a lenity in the mode
of govemment to which, tili her reign, this country was a
stranger^' (139). Katharina als Kaiserin hat er folgender-
maassen gezeichnet: „In an absolute monarchy everything
depends on the disposition and character of the sovereign.
Her Majesty has a masculine force of mind, obstinacy in ad-
hering to a plan, and intrepidity in the execution of it; but
she wants the more manly virtues of deliberation, forbearance
in prosperity, and accuracy of judgment, while she possesses,
in a high degree, the weaknesses vulgarly attributed to her
sex — love of flattery, and its inseparable companion, vanity;
an inattention to unpleasant but salutary advice; and a pro-
pensity to voluptuousness , which leads her to excesses that
would debase a female character in any sphere of life" (176).
Eine Unterredung, die er mit Katharina am Dienstag, den
8. December 1780 hatte und die von ihm mit stenographischer
Genauigkeit wiedergegeben ist, charakterisirt Katharina aus-
BilbasBoff, Katharina n. 21
— 322 —
gezeichnet — sie nocli mehr, ak ihn (304). Die Bemerkungen
des Engländers über die „bewaffnete Neutralität" sind äusserst
interessant (245, 257, 266, 352, 420); die Einzelheiten über die
Abreise der Grafen Ssjewemy (393, 400) und speciell über
Paul Petrowitsch (181, 196, 202), über das griechische Pro-
ject (203, 204), über die Gräfin Bruce (195), über die
Entrevue von Mohilew (270, 280) und über die Influenza
(419) sind ausserordentlich interessant und lehrreich. Harris
war mit N. J. Panin, den Orlow's, Besborodko, besonders
aber mit Potjemkin gut bekannt (184, 214, 237, 282, 381,
408); er sah und kannte Soritsch (149, 170) und Korssakow
(173). Er theilt über diese Persönlichkeiten interessante
Einzelheiten mit, die ihre Bedeutung haben, aber es kann doch
nicht alles von ihm hierüber Mitgetheilte als unbedingt richtig
anerkannt werden. So ist z. B. das Gespräch Eatharina's mit
A. G. Orlow in Bezug auf Potjemkin (184) offenbar nach Ge-
rüchten wiedergegeben und verdient deshalb nicht das ge-
ringste Vertrauen, obgleich es so interessant ist, dass Grimblot
(332) und das „ßuss. Archiv" es wiederholen, letzteres sogar
zwei Male, in einer Uebersetzung (1866, S. 597) und als
Referat (1874, I, 1505).
In den Depeschen Harris' werden die amerikanischen
Angelegenheiten oft erwähnt, weil er gerade in der Zeit nach
ßussland kam, als die Unabhängigkeit der Kolonien anerkannt
wurde (157). Er giebt Nachrichten über die Amerikaner (137),
besonders über Sayre (283) und Dana (506), wodurch u. A.
gleichfalls die Un Vollständigkeit der Ausgabe bewiesen wird:
da, wo er nämlich von Dana spricht, ftlgt er hinzu: „whom
I have frequentley mentioned in my letters", während derselbe
in der vorliegenden englischen Ausgabe der Depeschen nur im
Ganzen ein Mal erwähnt wird.
Was die Depeschen anbelangt, die von Harris nicht aus
Petersburg abgesandt sind (183 — 528), so finden sich viele für
323 -
uns interessante Nachrichten in seinen Berichten aus Warschau
und Berlin, die gleichfalls im ersten Bande abgedruckt sind.
Als der Engländer aus Preussen in polnisches Gebiet ge-
laugte, notirte er in seinem Tagebuche: „I confess that I
found the air of a republic refreshing, after having passed so
long a time in such a despotic country" (9). Er theilt für
uns interessante Einzelheiten über die polnischen Bauern (10),
und über den Reichstag von 1767 — 68 mit (10, 18), wobei er
das gerechte Vorgehen der russischen Regierung in der
Dissidenten-Frage anerkennt (11); ferner führt er Beispiele an,
die beweisen, dass Repnin in Warschau mächtiger war, als
der König, aber Harris fligt hinzu: „The prince Repnin is a
worthj mau, Tcry feeling and humane, of great natural parts
and very agreable. The power that of a sudden feil into bis
hands was capable of turning the head of a much greater man.
He has, in all these transaction, behaved with great desinterested-
ness, and has even avoided many occassions of enriching
himself" (16). Harris theilt weiter interessante Züge vom
Könige Stanislaus August mit (17), sowie vom Fürsten
Radziwill, „l'äme damn6e" Katharina's (21), von Branizkij
(25) und von Tschartoryshskij (27). Auf die Declaration über
die erste Theilung Polens antwortete Lord SuflFoIk: „Le Roi
veut bien supposer que les trois Cours sont convaincues de
la justice de leurs pr^tentions respectives, quoique Sa Majest^
n'est pas inform6e des motifs de leur conduite" (78), und
dies, obgleich sowohl der König, als auch der Lord gegen
diesen Act waren.
Aus Berlin theilt Harris u. A. die Ansicht Friedrich's II.
über die Lage Katharina's zu Anfang des Jdhres 1775, bald
nach dem Frieden von Kutschuk-Kainardshi, mit: „He con-
siders the Situation of the Czarina as very precarious, as well
from the character of her subjects, as from the restless,
authoritative temper of the present dictator (prince Orlow) of
21*
324
that Oourt*^ (103). Ferner berichtet er über den Empiang
Orlow's in Berlin und Potsdam (108). Aber es ist schwer,
daran zu glauben, dass Orlow in Petersburg Harris die Reden
gehalten hat, die dieser in der Depesche vom 11. Mai 1778
mittheilt (166).
Harris sah den Grossfllrsten Paul Petrowitsch zum ersten
Male in Berlin, wohin derselbe im Jahre 1776 reiste, um mit
seiner Braut, der Prinzessin von Württemberg, zusammenzu-
treffen. „The Grand Duke's conduct here has by no means
reconciled to him the good-will either of the people or nobi-
lity. He received all the acts of homage they did him as of
they wore bis due, and, at bis levee, took not the smallest
pains to be affable" (131)- Bei Gelegenheit der Festlich-
koiton zu Ehren dos russischen Thronerben erzählt Harris
eine amüsante Anecdote: „Paul Petrowitz were names, written
on every triumphal arch. «That must be wrong», says a
mayor of a bourg in Pomerania, «the Grand Duke is cer-
t^inly a genileman; put Paul von Petrofdt^» (132). Aus den
Borliner Depeschen Harris' sind ftir uns auch die Bemerkungen
über Finnland (76), über Danzig (88) und über die Juden
in den polnischen l*>werbungen Preussens (91) von Interesse.
Zur Zeit der Anwesenheit Harris' in Petersburg wurde
die IWlaration über die ^»bewaffnete Neutralität-' publicirt,
abor ^e wird in seinen Depeschen und in seinem Tagebuche
soUower erwähnt, als man hätte erwarten können J- 298, 351,
409: lY, 50V Es giebt auch noch andere Anzeichen, ausser
dt^r oWu Äiigt^filhrten Ausl^issung von Depeschen in den ame-
rikanischen Angelegenheiten, die den Verdachl rechtfertigen,
d:is$ die e:'^.oieI> Oorresp^nidenx Harns' nicht vollständig
hemusje^reVeu wv^rvlen ist* Wir müssen iudess bezeugen, dass
seine Acusserutt^^n uher KAth:irina vorig genAu verv&ndicht
wv^Tvieu s::uu w;r h.^Ku sie alle im Lo::v:v !ier ArvrhiT controlirt.
l\ese Aeu^j^ruii^a siuvl ^er^ii.Ur.uh L 101, 2^.:^ 4Ä 43SV
— 825 —
aber das lässt sich leicht aus dem Eindrucke des Augenblicks
und aus dem Grade des Erfolges seiner Mission erklären.
In den übrigen drei Bänden der „Diaries and Corre-
spondence^^ stösst man nur selten auf Nachrichten über
russische Angelegenheiten. Diese Nachrichten sind leicht an
der Hand des Anzeigers aufzusuchen, der dem vierten Bande
beigelegt ist und in dem nur ein russischer Name — „Mouschin-
Pouschkin" (I, 136) — ausgelassen ist; und diese Auslassung
kann dem Anzeiger zum Lobe angerechnet werden.
Das vorliegende Werk erfreut sich grosser Beachtung in
West-Europa, und bis heute ist nicht ein Werk, das das
Ende des XVIII. Jahrhunderts behandelt, erschienen, ohne
dass sich in ihm nicht Citate aus den Briefen und Depeschen
des Diplomaten Harris vorgefunden hätten. Bedauerlicher-
weise ist dieses Werk noch nicht einer ernsthaften Kritik
unterzogen worden. Artikel in der Art, wie „Correspondance
diplomatique du comte de Malmesbury, par John Lemoine*^
(Revue des deux Mondes, 1846, III, 243) oder „Souvenir d'un
diplomate anglais, par Casimir Perrier" (ibid., 1863, XL VII,
844) theilen aus dem Werke Harris' nur die Nachrichten mit,
die für die französischen Leser Interesse haben. Ebenso ist
der Aufsatz „Lord Malmesbury über Russland zur Zeit der
Regierung Eatharina's 11.^^ (russisch) nichts weiter, als eine
Uebersetzung der flir russische Leser interessanten Mitthei-
lungen Harris', wobei noch dazu Bakunin sich als „Geschäfts-
agent" (Prikaschtschik) des Grafen Panin erweist (Russ.
Archiv, 1874, I, 1512).
991. M^moires posthumes du feld-mar^cbal comte de Siedingk, re-
dig^s suT des lettres, d^p^ches et antres pi^ces autbentiques
laiss^es k sa famille, par le g^n^ral comte de BjÖrnsljema.
2 vis. Paris, 1844.
Der Baron und spätere Graf Kurt Stedingk, 1746—1839,
hat gar keine Memoiren hinterlassen, sondern ein ziemlich
— 326 —
umfangreiches Privatarchiv, das nicht nur aus den Briefen,
Berichten und Depeschen, die er im Laufe seiner vieljährigen
und verschiedenartigen Thätigkeit abgesandt hat, sondern
auch aus den Kescripten, Briefen und ofBciellen Papieren be-
steht, die er erhalten hat. Der Gatte der zweiten Tochter
Stedingk's, General Bjömstjerna, der schwedischer Gesandter
in London war, entschloss sich, dieses Archiv seines Schwieger-
vaters herauszugeben, aber er hat diese Aufgabe ausser-
ordentlich ungeschickt ausgeführt: anstatt das Archiv in
seinem vollen Bestände herauszugeben und die Papiere, wo
dies erforderlich war, mit Anmerkungen zu versehen, schrieb
General Bjömstjerna selbst die „M^moires posthumes^' seines
Schwiegervaters und stellte die Briefe Stedingk's, sowie seine
Depeschen und andere Papiere, die er aus irgend einem
Grunde für interessant hielt, als Einschiebsel in diese Memoiren
hinein. In Folge dieses Systems der Herausgabe sind bei
weitem nicht alle Papiere erschienen. So schreibt z. B.
Gustav IIL an Stedingk aus Gothenburg am 19. December 1788:
„Je regois k Tinstant vötre lettre du 28 octobre" (I, 139),
dieser Brief aber ist nicht abgedruckt. Stedingk war schwe-
discher Gesandter in Petersburg vom September 1790 bis
zum Tode Eatharina's, aus der ganzen Zeit dieses sechs-
jährigen Aufenthaltes aber sind von General Bjömstjerna nur
drei Depeschen Stedingk's aus Petersburg, vom 22. und
23. September und vom 6. December 1790, herausgegeben
worden (1, 289, 308, 312). Zur Zeit Stedingk's wurde das russisch-
schwedische Bündniss abgeschlossen (No. 1121), Gustav III.
wurde ermordet, sein Sohn kam nach Petersburg, es erfolgte
die Brautwerbung Gustav's IV. um die Grossfürstin Alexandra
Pawlowna, Katharina IL starb — und über alle diese Ereignisse
findet sich weder in den Briefen, noch in den Depeschen
Stedingk's auch nur ein Wort! Es ist klar, dass der General
und Herausgeber die Mittheilungen Stedingk's bezüglich dieser
— 327 —
Eireignisse nicht f&r interessant gehalten hat! Doch damit
noch nicht genug: bei der Herausgabe der Briefe Gustav's III.
an den Orafen Stedingk, mehr als 50 Jahre später, nachdem
sie geschrieben waren, verbarg der Herausgeber die Eigen-
namen unter Puncten, besonders wenn der König sich über
irgend einen General absprechend äussert (I, 117, 125, 200)!
Ein derartiges System der Herausgabe von Archiven ist längst
von Allen als völlig unbrauchbar erklärt und einzig und allein
unlängst in der russischen Litteratur von Brückner bei der
Herausgabe des Archivs des Grafen N. J. Panin wiederholt
worden (Historischer Bote, XXXV, 645). Dank dieser sinn-
losen Methode der Herausgabe ist es nothwendig, in dem
vorliegenden Werke die Ansichten und Aeusserungen Gustav'sIII.
und des Grafen Stedingk, die ein grosses Interesse besitzen,
von den Meinungen des Herausgebers, die gar keine Bedeutung
haben und wer weiss worauf begründet sind, zu unterscheiden -
(Joum. d. Min. d. Volksaufklärung, 1869, Februar, 320). und
Dank dem Umstände, dass der Herausgeber ein General war,
bieten die vorliegenden Memoiren für die ganze Epoche
Katharina's nur Material in Bezug auf den russisch-schwedischen
Krieg von 1788 bis 1790.
Bei der Leetüre des Briefwechsels Stedingk's mit Gustav III.
während des schwedisch-russischen Krieges springt ein ziemlich
unsympathischer Zug ins Auge — : sie täuschen ersichtlich
einer den anderen. Der König benachrichtigt Stedingk von
der Niederlage der Schweden bei Swensksund am 13. (24.)
August 1789 wie von einer flir die Schweden glücklich ver-
laufenen Angelegenheit (I, 213), und erst zwei Monate später
erwähnt er „cette malheureuse bataille du 24 Aoüt" (I, 223);
und Stedingk meldet dem Könige, dass er am 30. September
1789 die Heeresabtheilung ßimskij-Korssakow's geschlagen
habe (I, 221) in Ausdrücken, die direct durch die erfolgreiche
Bewegung des Generals Lewaschow, zu dessen Corps die Ab-
— 328 —
theilung Bimskij-Korssakow's gehörte, übeHohrt werden.
Solcher täuschenden Nachrichten giebt es vide (I, 225, 226,
249, 265, 266, 269), und die Specialisten werden ihrer wahr-
scheinlich noch mehr bemerken, als wir. Der zweite Zog, der
Beiden gemeinsam ist, ist die sentimentale Eb-wahnnng der
französischen Angelegenheiten, inmitten der kriegerischen
Operationen, die bekanntlich nicht immer glücklich verliefen:
Stedingk seufzt in Savolax über Paris (I, 134) und Gustav lU.
schliesst seine Mittheilung über die Niederlage der Schweden
bei Svensksund mit der Frage: „Que dites vous des troubles
affireux de la France?'^ (I, 214) u. s. w.
Stedingk hasste als Schwede die Bussen. Schon lange
vor dem Kriege schrieb er Gustav lU. aus Paris, am 6.
Oktober 1788, mit ersichtlichem Vergnügen, dass auf den fran-
zösischen Manövern „on nous ä montr^ une grande pr6f(6rence
sur M. le prince Dolgorucki et un autre officier russe*), qui
^taient aussi au camp'' (I, 24). Während des Krieges heisst
es natürlich schon „les maudits Moscovites'' (I, 243), und der
Schwede opfert sogar seine geliebten Franzosen: „qu'on anglise
les fran^ais, j'y consens, pourvu qu'on ne noos russifie point''
(I, 153). Bei einer solchen Stellungnahme des Verfassers gegen
Bussland hat das Lob, das er dem russischen Heere spendet,
gewiss seinen Werth: „Finfanterie russe est süperbe" (I, 84);
„aucun Soldat de l'univers, si ce n'est le soldat russe, n'en-
durerait tant de maux avec patience" (I, 67). Dem Verfasser
kann man vollkommen glauben, wenn er mittheilt, dass „le
peuple en Finlande est plus Busse que Suedois*' (I, 93), dass
„les r^giments finlandais ne sont pas bien disposös pour la
guerre" (I, 109, 112, 156). Im schwedischen Kriege fehlte es
an Offizieren (I, 100, 169, 170, 175, 176), und es wurde
*) Brückner hat diese Stelle unrichtig übersetzt und ein falsches
Citat gemacht (Journal d. Min. d. Volksauf klrg., 1869, Februar, 301).
329 -
grosser Mangel an Eavallerie empfunden (I, 184, 197). Das
hat der Verfasser selbst gesehen und erfahren. Aber als er
sich in Savolax, umringt von russischen Heeresabtheilungen,
befand, konnte er nicht wissen was in Bussland geschah; des-
halb phantasirt er in seinen Briefen an den König, wenn er
demselben schreibt: „J'ai envoy6 un espion jusqu'ä cinq lieues
de P^tersbourg, qui est revenu avant hier (14. März 1789).
Beaucoup de recrues qu'on a fait venir du fond de la Bussie
en Finlande, ont p6ri de froid et de misere, d'autres qu'on a
enrol^s de gr6 et de force en Finlande ont ou d^sert^, ou
remplissent les hopitaux de P^tersbourg ou de Wiborg" (I, 160).
Ebenso wenig richtige Nachrichten theilt auch der König
Stedingk mit (I. 173, 235), obgleich er selbst ihm misstraut:
,je crois vos nouvelles de Bussie un peu exag^r^es (I, 136),
was Stedingk natürlich dem Könige nicht zu schreiben wagte,
obgleich er dazu volles Becht gehabt hätte. Der König durfte
sich mehr Lüge und Täuschung erlauben^ als der Unterthan.
So musste z. B. der in der Bucht von Wyborg eingeschlossene
König sogar den Grafen Ssaltykow um die üebersendung seiner
Briefe bitten, aber als er hiervon Stedingk Mittheilung machte,
fügte er gleichzeitig hinzu: „Finqui^tude terrible que je
donne aux ennemis sur les cötes, les obligera ä se retirer
vers la capitale" (I, 269).
Der gekrönte „Aufschneider'^ hat auch den Krieg selbst
mit einer Täuschung*) begonnen, als er vor der Kriegserklär-
ung den Masken-Uelterfall bei Pumala inscenirte (I, 101, 114,
146, 149). Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Fin-
länder gegen einen solchen Krieg protestirten und den Bund
von Anjala schlössen (I, 112, 118, 125, 127, 129, 133, 142,
150, 201, 261, 308). Genau so prahlte der König auch mit
*) Brückner fährt die Bemerkang des Herausgebers (I, 101) an,
aber druckt eine sinnlose französische Phrase ab, eine ganze Zeile aas-
lassend (Journal d. Min. d. Volksaafkhrg., 1869, März, 114).
— 380 —
dem ,,Siege'' bei Hogland am 29. Juni 1788, aber Stedingk
nannte die Rassen nach diesem „Siege'' ^^maltres de la mer^'
(I, 112, 114, 119). Der Charakter dieser beiden schwedischen
Briefischreiber leuchtet am hellsten aus den Plänen hervor,
welche beide betreflFs des Krieges mit Russland entworfen
hatten (I, 93, 97, 104, 231, 264, 273) und welche einen dritten
Schweden, den Herausgeber, getäuscht haben; denn dieser
letztere ist überzeugt, dass es Gustav III. sehr leicht gewesen
wäre, „se rendre maltre de S. Petersbourg et d'y dicter la
paix ä Timpöratrice" (I, 77),
uns interessiren die Nachrichten über Nyslott (I, 87, 106,
108, 128), über den Russen Günzel (I, 113, 123), über das
Project Sprengtportens (I, 123), über Jägerhom und Hastfehr
(I, 145, 149, 201) und über das Friedensbedürfniss Gustav's III.
(I, 188, 273, 295), das am besten bewiesen wird zuerst durch
die Versicherung, „que je ne la ferai que de concert avec
mes alüÄs", und dann durch die Unterhandlungen von Wärälä
die sogar ohne Vermittler gefuhrt wurden, von den Verbün-
deten gar nicht erst zu reden.
Stedingk, der zum Gesandten in Petersburg ernannt wurde,
äussert sich folgendermaassen über den russischen Hof: „Votre
Majest^ veut me transporter ä la cour de cette Czarine süperbe,
qui se repalt de guerres, de faste et d'adulations, k cette cour
ou Ton trouve tout, exceptö ce qui rend la vie heureuse" (I,
282). Als ob die Höfe Ludwig's XVI. und Gustav's III., die
beide ermordet wurden, in dieser Beziehung besser gewesen
wären, als der Hof Katharina's! Interessant sind die Urtheile
Stedingk's über Numsen (I, 290, 302), über Graf Ssaltykow
(291, 301), über den Prinzen von Nassau (292, 302, 317), über
Ostermann (297), über den Fürsten Subow (305) über den
Grafen Besborodko (305, 306) und über Graf Pahlen (I, 307).
Seine Urtheile über Katharina (I, 298, 306), wobei der Heraus-
geber von sich aus noch hinzufügt: „une bonhomie allemande^'
— 381 —
(n, 1), über Paul Petrowitsch und über M^rja Feodorowna
(I, 303) sind vollkommen werthlos. Der Verfasser spricht von
Igelstrom (I, 309, 314) und erwähnt dabei ,,une grande lettre
de la main propre de l'imp^ratrice qu'elle venait de lui ^crire'S
vom 11. September 1790; dieser Brief ist noch nicht publicirt,
aber an dieser Nachricht ist im Hinblick auf den, in den
Motiven identischen Brief in der „Sammlung etc.^', XXIII,
494, nicht zu zweifeln.
Wir wollen hier als reinen Unsinn aus einem Briefe vom
10. December 1789 die folgende Stelle anführen: „La grande
duchesse attire sur eile les regards du public et se vait appel6e
k la succession par les voeux secrets de l'arm^e et des grands
de Tempire" (I, 226); ferner aus einer Depesche vom 23. Sep-
tember 1790 die Stelle: „Fimp^ratrice s'est vue r^duite k fair
mourir Ivan" (I, 310); von den „iswoischiki russes k P6ters-
bourg qui nourissent leurs chevaux avec du bl6" (I, 237), von
dem durch die Türken erschlagenen Ssuworow (I, 311) u. dgl. m.
wollen wir schon gar nicht reden. Als sehr wichtige Nach-
richt endlich wollen wir hier noch Gustav's III. Ansichten
über den Einfall der Dänen anführen: „Pinvasion des Danois
n'a servi qu'ä, reveiller Tesprit national et k me procurer des
troupes que le pays m'a fournies" (I, 135).
Die Daten darf man nur mit Vorsicht benutzen. So
müssten z. B. der Brief vom „28 juillet 1789" (I, 195) vom
22. Juli, der Brief vom „7 mars 1790" (I, 257) vom 1. Mai,
nicht einmal vom 7. dieses Monats, u. s. w. datirt sein.
992. Der Untergang des PolniBchen Nationalstaates. Von W. Binder.
2 Bde. Stuttgart, 1844.
Der Doctor der Philosophie Wilhelm Binder ist in der
deutschen historischen Litteratur ausschliesslich durch seine
Schriften über Eussland bekannt: „Peter der Grosse und seine
Zeit", „der Krieg gegen Russland in den Jahren 1853 — 56"
und das obenangeführte Werk über Polen, in dem so viel
— 832 —
über Russland gesprochen wird. Es ist dies eines der wenigen
Werke, die von der durcli Räumer angewiesenen Richtung
abweichen: „Es ist nun einmal etwas Schönes und Erhabenes,
für Polen zu schwärmen — sagen die Tonangeber von heute —
man sollte aus diesem süssen Traume nicht in die rauhe
Wirklichkeit hineinziehen. Mag dem immerhin so sein, aber
ich gehöre nicht zu den Helden der Ideenwelt . . • Ich weiss
wohl, dass es in Deutschland nicht zu dem beliebten Tone
gehört, den Interessen einer Macht (Russland) das Wort zu
reden, die man anfeindet, weil man sie beneidet" (Vorwort).
Nachdem der Verfasser Polen nach seinen Volksstämmen
und nach seiner geographischen Lage geschildert, kommt der
Verfasser zum Schlüsse, dass Polen, seitdem Russland sich zu
einem Staatswesen gebildet, als Staat nur im Bunde mit Russ-
land hätte existiren können (I, 100). In dem letzten Theile:
„Pragmatische üebersicht der Geschichte Polens", der in
21 Capitel zerfällt, folgt der Verfasser beständig der feind-
seligen Stellungnahme Polens zu seinem östlichen Nachbar,
der allein mit ihm nach der Rasse verwandt sei. Vier Capitel
behandeln Katharina II. und unterliegen hier unserer Durch-
sicht: XVn. „Polens erste Todeszuckungen, 1764—1772" (II,
80); XVni. „Erste Theilung Polens, 1772—1792" (103);
XIX. „Polens zweite Theilung, 1793" (136) und XX. „Polens
Aufstand und dritte Theilung, 1794—1795" (150).
Der Verfasser benutzt Rulhiäre, Ferrand, Oginskij und
Raumer und tadelt die schlechte Handlungsweise Saldern's,
Igelstrom's und Sievers', aber er verheimlicht auch nicht das
Verhalten der Polen und die schlechten Seiten ihres staatlichen
und bürgerlichen Lebens. „Wir wollen zwar nicht alle ein-
zelnen Schritte der russischen Politik billigen, allein, wir vin-
diciren Russland allein das Recht, über Polen, welches nicht
selbständig zu bleiben vermochte, seine Hand auszustrecken"
(II, 87). Dieser principielle Standpunct des Verfassers hat
333
ihm ein volles Recht gegeben, von seiner Arbeit zu sagen:
„Der Gesichtspunkt, von welchem aus ein mehrfach schon be-
handeltes Thema hier wiederholt besprochen wird, ist fast
durchaus neu" (Vorwort). In der That, er vertheidigt weder,
noch rechtfertigt er Russland quand meme, sondern er stellt
einen möglichst gerechten, d. h. einen fiir die damalige Zeit
in Deutschland völlig neuen Standpunkt fest. So bemerkt er
z. B. da, wo er von den Greueln spricht, die die Confoderation
von Bar gezeitigt hatte, folgendes: „Viele und grosse Gräuel
wurden bei dieser Gelegenheit verübt, aber man vergesse auch
bei deren Au£zählung den wichtigsten Umstand nicht, dass des
polnischen Königs eigene Autorität den Russen dabei zur Seite
stand" (II, 100). Eine solche „Vertheidigung" Russlands
findet sich nicht selten (102, 110, 150, 158).
Ausser diesem, in der That fiir die damalige Zeit neuen
Zuge bietet das ganze Werk nichts, was durchgelesen zu
werden verdiente.
993« Catherine II, trag^die cn cinq actes, par M. Hippolyte Ramond.
Paris, 1844.
Diese Tragödie wurde auf der Bühne des Th6ätre Frangais
aufgeführt und hatte nur Erfolg, weil Mlle. Rachel mit ihrem
Spiele die Mängel des Stückes verdeckte, das auf einer histo-
rischen Lüge und auf einep psychologischen Abgeschmacktheit
aufgebaut war. Katharina habe den Plan gehabt, Iwan III.
zu heirathen und ihn so aus der Festung Schlüsselburg auf
den Thron aller Reussen zu erheben, jedoch nur unter der
unerlässlichen Bedingung, 'dass er sie als Weib lieb gewönne.
Sie erniedrigt sich vor ihm, erscheint bei ihm unter fremdem
Namen und erhält auf ihre Liebeserklärung die folgenden
Repliken als Antwort:
Qaand voit-on la victime 6pouser le boarreau?
Ai-je cri6 vers vous du fond de mon tombeau?
Catherine! . . En mes voeux t'ai je jamais« nomm^e?
Je me dötesterais 8i je t'avais aim^e.
- 334 -
AprÖB avoir pase^ par la honte et le sang,
Apr^s avoir broy6 Pierre troia en passant,
Apr^ s^etre ^nivr^e aux plus basses d^liccs,
Maitresse des brigands qu'elle avait pour complices,
II ^tait digne encor de Catherine deux
De tromper Tavenir sur son pass6 hideux,
Et, dans son vain d^sir de toute fausse gloire,
De me voler mon nom pour mentir k Thistoire . . . (27).
und das hört im 5. Acte dieselbe Katharina ruhig an, die im
1. Acte den Grafen Panin wegen des Vorschlages, den Thron
ihrem Sohne Paul Petrowitsch abzutreten, folgendermaassen
abfertigt:
Comte, c^est trop d'esprit pour prScher une faute.
«Tai la raison trop droite, et j'ai Täme trop haute
Pour ne pas entrevoir, sous ce stjle appr6t6,
Que ce qu'on me proprose est une l&chet^.
Gerte, une lachet^; car, monsieur, c'en est une
Que manquer de parole k sa propre fortnne,
Et sur le moindre bruit qui commence k grogner,
Abdiqner un pouvoir qu'on ne seit pas garder.
J'ai Tamour de la gloire, et j'en ai le courage.
Qu'il tonne, et je serais faire tete k Torage;
Et dussent vos conseils me manquer aujourd*hui,
Je ne rendrai qv^k Dieu ce que je tiens de lui (7).
Auf die Vorwürfe Iwan's III. wegen ihrer Thronbesteigung
erwidert Katharina u. A. folgendes:
Daus votre cachot, vos geoliers, je crois,
Ne vous auront pas dit ce qu'6tait Pierre trois.
Mais c^^tait Tunion repoussante, infernale,
De la laideur physique k la laideur morale;
Stupide, violent, plein de vices honteux,
Faible autant que brutal, lache autant que hideux (23).
Die Charaktere Orlow's, Panin's, Bestushew-Kjumin's und
Miro witsch' s sind durchweg entstellt, und zur Krönung des
Ganzen ist Berednikow durch den Baron de Sombreuil er-
setzt, einen „Frangais exil6, gouverneur de la prison de
Schlusselbourg".
- 335 —
994« Meine Gefangenschaft zu St.-Petersburg in den Jahren 1794,
1795 und 1796. Nachgelassenes Werk von Julian TJrsin Niem-
cxetüiUch, Deutsch von Dr. L. Eichler. Leipzig, 1844.
Eine TJebersetzung von No. 987.
995« Migor MasaorCs Geheime Denkwürdigkeiten über Russland.
2 Bde. Constanz, 1844.
Siehe No. 859.
996« Notes of mj captivity in Russia in the years 1794, 1795 and
1796, by J. H. Niemcewicx. Translated from the original by
Alexander Laski. Edinburgh, 1844.
Eine üebersetzung von No. 987.
997. Chut! ou un Polonais k la cour de Catherine II, par M. E. Seribe.
Berlin, 1844.
Wie alle Vaudevilles, so ist auch dieses auf einem Miss-
verständnisse aufgebaut. Ein junger, schöner Pole, der in die
Gräfin Branizkij, die Nichte Potjemkin's, verliebt ist, ist zu
Fuss nach Petersburg gekommen und hat dort aller Welt seine
Leidenschaft ausgeplaudert. Die Gerüchte hiervon sind bis an
den Hof gedrungen, und der Pole hat ein Stelldichein mit
einer schönen Unbekannten, für welches jedoch völliges Still-
schweigen ausbedungen und bei welchem nur das Wort „Chut!"
zu hören war. In Folge dieses Stelldicheins werden die Ver-
wandten des Polen in den Grafenstand erhoben, der Pole
erhält 10,000 Seelen in Kleinrussland und Potjemkin bekommt
den Befehl, ihn Katharina vorzustellen. Um diesen Neben-
buhler zu beseitigen, verheirathet Potjemkin ihn mit der
Gräfin Branizkij. In der Komödie selbst wird der Name
Katharina's nicht ein Mal erwähnt.
998. La RuBBie et les j^suites de 1772 k 1820, d'apr^s des docu-
ments la plupart in^dits. Par Henri Lutteroth. Paris, 1845.
Der Verfasser dieser Broschüre verheimlicht es nicht, dass
er eine Tendenzschrift habe verfassen wollen. Er sagt: ,,0n
336 -
n'ose pas gaere, en Russie, Clever la Yoix, meme pour ap-
prouver les actes de rautorit6" (59), gleichzeitig aber führt er
aus den russischen Archiyen Auszüge aus Documenten y,d'un
accös tres difficile" an (110). Die Broschüre besteht aus
sechszehn kleinen Capiteln, wobei nur das erste der Epoche
Eatharina's gewidmet ist, während die übrigen die Zeit
Alexander's I. behandeln. Für uns ist in der Broschüre
durchaus nichts Neues oder Interessantes. Sie wurde sofort
in die deutsche Sprache übersetzt — : ^^B^ssland und die
Jesuiten von 1772 bis 1820. Von H. Lutteroth. Stuttgart,
1846'^ — und erst zwölf Jahre später auch ins Englische
übertragen: ,,Bussia and the jesuits, from 1772 to 1820,
principally from unpublished documents. London, 1858".
999. Markvärdigheter röraQde Syeriges FörhäHanden 1788—1794, af
J. C. Bar f od. Stockholm, 1846.
Diese Ausgabe der Memoiren und Briefe Barfod's, des
Secretärs Gustav's III., ist nach einer genauen Copie von dem
Manuscript, das im Archiv zu Stockholm aufbewahrt wird,
veranstaltet worden. Die nahen Beziehungen Barfod's zum
Adjutanten des Königs Johann Ehrenström, zum Major Möller-
swärd, zum Commandanten von Malmo Mörner, zum Geistlichen
Klark und zu anderen Persönlichkeiten gaben ihm die Mög-
lichkeit, vieles über den russisch-schwedischen Krieg zu wissen.
Einige Nachrichten konnte er auch von seinem Bruder, dem
Lieutenant Georg Barfod, erhalten. Die eigentlichen Memoiren
behandeln ausschliesslich den „Kriget med Bussland^S umfassen
nur das Jahr 1788 und bestehen aus drei Theilen: „1. „TiU-
rustningame och begynnelsen, intill sjoslaget vid Hogland" (1),
2. „Händelserna i Sverige fiän kriget begynnelse tili slutet af
är 1788'^ (72) und 3. „Anteckningar om deltagame i Anjala-
Förbundet" (131). An Briefen sind im Ganzen 21 vorhanden,
vom 14. August bis zum 4. November 1794 (145), und auch sie
sind hauptsächlich dem russisch-schwedischen Kriege gewidmet.
— 337 -
Die Aeusserungen Barfod's über Katharina (122), den
Fürsten Potjemkin (41, 171) und den Prinzen von Nassau (186)
bieten kein Interesse dar; viel wichtiger sind fttr uns die
Nachrichten über Jägerhom (133) und Sprengtporten (4), die
„om Finlands sjelfständigket^' träumten und Katharina bekannt
waren (Russ. Archiv, 1872, 2087; 1873, 2274 flf.; Sammlung,
XV, 151; XXVn, 515; XLH, 337 Russ. Alterthum, XVI,
579; Lin, 565, 571; LIV, 48, 49). Besonders interessant ist
die Charakteristik Sprengtporten's, der gleich einem reissenden
Strome, welcher Alles auf seinem Laufe niederreisst, nur Kronen
stürzen und die gesellschaftliche Ordnung zerstören konnte:
„Det är en strid ötröm, som öfversvämmar allt, förstör allt,
skapad att störta throner och lösa samfundband. J Rom hade
han varit en Marius, i Sverige blir han endast en PatkuU".
Die Einzelheiten, die vom Verfasser über Hastfehr mitgetheilt
werden (siehe nach dem „Namen-Register"), sind sehr wichtig
für das Verständniss der von uns herausgegebenen Rescripte
Katharina's an den Grafen W, P. Mussin-Puschkin (Russ.
Alterthum, LIV, 49, 53, 57).
1000. Eoli^taj w rewolucyi Eo6ciaszkow^j. Leszno, 1846.
Kollontai ist eine hervorragende Gestalt in der Geschichte
der letzten Jahre der Retsche Pospolita, werth, in eine Reihe
mit Kostjuschko gestellt zu werden. Wenn Kostjuschko die
Revolution „gemacht" hat, so hat Kollontai sie durch seine
Reformen in der Volkserziehung und durch seine Arbeiten im
Vierjährigen Reichstage vorbereitet. Er ist flir uns eine um
so interessantere Persönlichkeit, als er stets der Feind Russ-
lands, der Russen und besonders Eatharina's war.
Die anonyme Broschüre: „Kollontai während der Revo-
lution Kostjuschko's", verfolgt einen originellen Zweck — : sie
versucht um jeden Preis, Kollontai und seine Thätigkeit in den
letzten Tagen seines Aufenthaltes in Warschau als Mitglied
Bilbassoff, Katharina n. 22
— 338 —
des Obersten Käthes anzuschwärzen! Am 24. Mai 1794 kam
KoUontai nach Warschau, und bald darauf wurden die Sitz-
ungen des Rathes eröfi&iet. Der Verfasser erhebt hauptsächlich
wegen der Sitzung vom 28. Juni Anklage wider KoUontai (46);
am 6. November flüchtete KoUontai bereits wieder aus
Warschau.
Der Verfasser bemüht sich nachzuweisen, aber vergebens,
dass die allgemeine Meinung unrecht hätte, wann sie annähme,
„Kott^taj byJ czlowiek, ludu obrofica i przyjaciel prawjego"(39).
U. A. rechnet er KoUontai dessen Bemerkung über die Hin-
richtung durch den Strang vor seinen Fenstern als Schuld an :
„Jak mogliscie sif wa^yc stawiac szubienice przed mojemi
oknami; a nie wiecie to, ie ja hjiem i jestem zawsze waszym
obrofic^ i przyjacielem ludu?" (48).
Kostomarow nimmt nach polnischen Historikern*) an, dass
der Verfasser der Broschüre das Mitglied des Vierjährigen
Reichstages Linowskij gewesen sei (I, VII), der als Ersatzmit-
glied auch im Obersten Rathe fungirte. In der Broschüre ist
nichts Interessantes für die Geschichte der Regierungszeit
Katharina's zu finden, aber man muss sie doch im Auge be-
halten: KoUontai „hasste" Katharina, und zur Würdigung
seiner Wirksamkeit und seiner Anschauungen ist es uns wich-
tig zu wissen, dass selbst ein persönlicher Feind KoUontai's
nichts Ernsthaftes zur Verunglimpfung desselben anzuführen
vermochte.
1001. Powstanie T. Koäciuszki z pism antentycznych sekretnych dot^d
drukiem nieogloszonych wydane. Poznali, 1846.
Im April 1794 ergriff der polnische Aufstand fast gleich-
zeitig aUe Länder der Retsche PospoUta. Damals wurden
♦) In der Broschüre „Powstanie Koöciuszko*' (No. 973) wird ein
„List do przyjaciela odkrywaj|6y wszystkie czynnosci Kol:l:|taja w ciagu
Insnrrekcii. Pisany, 1795. (P. Linowskiego)'* erwähnt Acht Jahre später
ist diese Handschrift in der vorliegenden Broschüre herausgegeben worden.
— 339 —
von den Polen nicht nur alle Posten, alle Couriere, sondern
auch viele Archive, so z. B. in Erakau, Warschau und Wilna,
sowie in den Orten, an denen sich die Armeestäbe der Russen
und Preussen befanden, aufgehoben. Fünfzig Jahre später
wurden mehr als 50 Documente, die auf diese Weise in den
Besitz der Polen gelangt waren, von diesen herausgegeben.
Diese Documente beziehen sich hauptsächlich auf den Krieg
von 1794; es sind Circuläre und private Verfügungen, Be-
fehle u. 8. w. Am meisten interessirt uns eine Beilage zu dem
Berichte Igelstrom's an die Kaiserin vom 5. April 1794, d. h.
am Vorabende des Warschauer Aufstandes: hier werden aus-
fuhrliche Nachrichten über die Vertheilung und Anzahl der
russischen Truppen in Polen mitgetheilt (15). Alle diese Do-
cumente sind in polnischer Uebersetzung und vollinhaltlich
herausgegeben; nur ein Papier ist verkürzt: „List tenniejest
calkowicie ttomaczony, lecz pierwsze dwa punkta, jako nie
tycz^ce sie interessow polskich s^ opuszczone" (124). Hier
sind u. A. abgedruckt: acht Documente des Barons Igelstrom
(1, 4, 11, 24, 150, 164, 170, 172), fünf des Fürsten Zizianow
(68, 62, 73, 100, 107), sechs T. J. Tutolmin's (76, 94, 96, 97,
101, 104) und zwei des preussischen Gesandten in St. Peters-
burg (112, 127), natürlich mit Auslassung dfer chififrirten Stellen:
„reszta tego listu pisana jest liczbami^' (113), femer einige
Briefe von Second-Majoren, darunter einer des Prinzen Fried-
rich von Holstein, Generalmajors in preussischen Diensten (106),
vier Universale und Briefe Kostjuschko's (84, 87, 88, 91) und
drei Documente ohne Unterschrift (131, 133, 142).
Diese Ausgabe ist sehr wichtig für die Kriegsgeschichte.
Es versteht sich jedoch von selbst, dass sowohl die Echtheit
der Documente, als auch die Genauigkeit der Uebersetzung
noch der Prüfung unterliegen. Leider |ist die Ausgabe sehr
nachlässig hergestellt: sie hat nicht einmal ein Inhaltsverzeich-
niss und weist eine Masse Druckfehler auf. In einzelnen
22*
— 340 -
Fällen ist angegeben, auf welche Weise das betr. Document
erlangt wurde — : „prz^te na Zmudzi przez körnende szefa
Niesiolowskiego" (1, 7, 24), d. h. des Chefs des Infanterie-
Regiments No. 8 (87); „znaleziona przy tym iydzie, ktöry jest
zlapanym w powiecie Nowogrodzkim" (68); „znaleziony w
szasie rewizyi Petersburgskidj poszty" (112); „znaleziony w
szazie rewizyi poczty zabranej na morzu Baltyckiem'^ (127) u. s.w.
Ohne Angabe, wann und auf welche Weise das Document
erbeutet worden, ist das allerinteressanteste geblieben: „Stan
terasniejszy sily Bossyjskiej na morzu Czamem i Azowskiem,
tudziei w znakomitych osadach swieio w onych stronach zalo-
4onych" (176). Diese Documente waren als Manuscripte
Michail Oginskij bekannt, der in seinen „Memoi^es^' (No. 929)
russische Papiere erwähnt, „qui fut interceptös par les Polo-
nais^' (1, 372); er führt sogar Auszüge aus dem Berichte des
Barons Igelstrom vom 5. April 1794 an.
1002. Voltaire et la Pologne, par Romain- Comut Paris, 1846.
Romain Comut, „avocat du barreau de Paris", stellte sich
die Aufgabe, „rappeler comment s'est accompli le premier
attentat contre Tind^pendance de la nation Polonaise et contre
rintögritö de son territoire; comment ce grand crime fut accu-
eilli et jug6 pour TEurope d'alors, et de quelle manifere les
philosophes du temps, repr^sentants de Topinion publique, y
intervinrent" (7). Die ganze Broschüre besteht aus folgenden
vier Capiteln:
1. „Historique du premier partage de la Pologne" (9).
Es sind dies feurig geschriebene Zeilen gegen die europäischen
Mächte, die die erste Theilung Polens zugelassen haben. Der
Verfiasser führt als „le pr61ude du dömembrement de la Po-
logne" einen geheimen Artikel des russisch-preussischen Ver-
trages an, verschweigt aber, von wem und wann dieser Ver-
trag abgeschlossen worden (13). Er schiebt alle Schuld
— 341 —
Katharina in die Schuhe und schliesst nach Anführung des
Artikels: „Voilä le crime! le voilä,, öcrit, positif, officiel!" (14).
Man muss indess bemerken, dass der vom Verfasser mitge-
theilte Artikel der „Articulus secretus III" des Bündniss-
vertrages zwischen Russland und Preussen ist, der am 8. Juni
1762 von Peter III. und Friedrich IL abgeschlossen, aber
nicht ratificirt worden ist; zwei Jahre später hat Katharina
diesen Artikel im Vertrage vom 31. März 1764 nur wieder-
holt (Martens, V, 405; VI, 22).
2. „Voltaire et Fr6d6ric" (30). Hier werden Citate aus
dem Briefwechsel beider Männer angeführt, wobei die folgende
Stelle aus einem Briefe Voltaire's vom 18. November 1772
der Beurtheilung unterzogen wird: „On prÄtend que c'est vous,.
Sire, qui avez imaginö le partage de la Pologne — et je le
crois, parce qu'il y a la du genie." Der Verfasser hält Fried-
rich n. für den Hauptschuldigen der Theilung (57).
3. „Voltaire et Catherine" (60). In diesem Theile beweist
der Verfasser, der Voltaire ganz und gar nicht begriffen hat,
dass derselbe ein schlechter Patriot gewesen sei; sogar der
witzigste und geistreichste Brief vom 7. August 1771 wird einer
Verurtheilung unterzogen, besonders wegen der Phrase: „notre
flotte se pr^pare ä voguer de Paris ä St. Cloud" (66). Ka-
tharina beklagte sich gegenüber Voltaire über die französischen
Officiere im Haufen der Confoderirten und über die französi-
schen Ingenieure in Konstantinopel; Voltaire konnte sich dem
gegenüber nur durch Scherze aus der Affäre ziehen, und da-
für erhielt er von dem Verfasser und Advocaten den Vorwurf
des mangelnden Patrotismus. Besonders regen den Verfasser
zwei Stellen aus den Briefen Voltaire's an Katharina auf; am
6. Juli 1776 schreibt er: „J'ai un petit d6mon familier qui
m'a dit tout bas k Toreille qu'en humiliant d'une main For-
gueil Ottoman, vous pacifierez le Pologne de Tautre" (75), und
am 18. October 1771 : ,je ne suis point fran^ais; je suis suisse.
— 342 —
et si j'ötais plus jeune, je me ferais russe" (76). Der Ver-
fasser nimmt alle Scherze und Liebenswürdigkeiten Voltaire's
für Ernst an, er begreift nicht, dass Voltaire zuerst Mensch
und dann erst Franzose war, und schliesst deshalb dieses
Capitel mit der Erklärung: „Voltaire me parait un pauvre
homme^ le demier des hommes<< (83).
4. „Voltaire et d'Alembert" (84). Dieses Capitel inte-
ressirt uns nur wegen der Frage von den französischen Of&-
cieren, die bei Erakau gefangen genommen worden waren.
Die Antwort Eatharina's auf die Bitte d'Alembert's hat der
Verfasser nicht gelesen — ,Je n'ai pu retrouTer ce billet, il
n'existe pas dans la correspondance^' (86). Diese Antwort ist
in der „Sammlung etc.", XIII, 279, abgedruckt. Ueber die-
selbe Frage siehe auch den „Hist. Boten", XVI, 297. Das
Grundmotiv dieses Capitels, dass d'Alembert allein sich für
die gefangenen Franzosen verwandt habe, Voltaire dagegen
gegen sie gewesen sei, ist auch nicht richtig. Voltaire hat schon
früher als d'Alembert in dieser Frage seine Dienste angeboten;
siehe 6d. Beuchot, LXVII, 6347, 6349, 6359.
Diesen vier Capiteln sind zum Schlüsse eine „Conclusion",
die eine Seite einnimmt, und eine „Sentence", die sechs Zeilen
zählt, hinzugefügt. Das allgemeine Motiv der Broschüre ist
aus der folgenden Erklärung des Verfassers ersichtlich: „Je
dÄpose ce petit livre sur le tombeau de la Pologne, comme
une oflErande expiatoire, et comme une esp6rance de mon coeur,
que je prie Dieu de b6nir" (8).
1003. Katarzyna Wielka. Obraz historjczny. Paiyi, 1846.
Dies ist ein Drama in fünf Acten, das ausschliesslich
der Thronbesteigung Katharina's gewidmet ist. Die Acte
sind folgendermaassen angeordnet: Der erste Act behandelt
„Piotr III" (1), der zweite „Ariow" (33), der dritte „Zo^a
Daszkow" (71), der vierte „Marszaiek Muenich" (122) und
— 343 —
der fünfte „Katarzyna Wielka (173). Dieses Drama ist nicht
für die Auflführung auf der Bühne geschrieben; der Verfasser
hat es auch nur als ,, historische Scenen^' bezeichnet. Katharina
ist eigentlich nur der fünfte Act gewidmet, und in ihm sind
nur die folgenden Worte Eatharina's charakteristisch: ,,Sama
jedna panujf teraz nad ogromnym Panstwem, sama wladam i
kroluj^ tutaj; pot^^n^ i wielk^ teraz, moin^ jestem i bogat^, a
jednak szcz^sliwa nie jestem" (112).
1004. Denkwürdigkeiten und geheime Geschichten des Petersburger
Hofes. Leipzig, 1846.
Dies ist eine flüchtige üebersicht des Petersburger Hofes
und seiner Geschichte in anderthalb Jahrhunderten, von 1700
bis 1845, von Peter I. bis Nikolai I. Die Erzählung zerfallt
in 23 Gapitel, von denen 7 Katharina U. als Kaiserin und 3
als Grossflirstin gewidmet sind. Dies ist eine streng prag-
matische Darstellung, ohne jede Erörterung und Schlussfolge-
rung, wobei die Mittheilungen Masson's, Cast6ra's, Helbig's
und Anderer zu einem Gemälde zusammengestellt sind. Wenn
der Verfasser auch „Duclos, M^moires secrets sur la France"
citirt (161), so geschieht das nur, um die Blicke abzulenken.
Völlig unsinnige Nachrichten finden sich beim Verfasser nur
wenige (117, 167, 270), neue aber gar nicht, wenn man das
Gerücht von der Flucht Wlassjew's und Tschekin's nach Kopen-
hagen nicht mitzählen will (264). Katharina ist ziemlich
oberflächlich gezeichnet (91 ff.), Peter III. dagegen viel genauer
(93, 161 ff.).
1005. Polska. Ogolny zaryz przyczyn wzrostu i upadku dawnego
paüstwa Polskiego, skredlil 0. Zebrotoski. P&ryiy 1847.
Dies ist eine prachtToU ausgestattete Monographie über
die Ursachen des Wachsens und des Verfalles des ehemaligen
polnischen Königreiches, die dem Fürsten W. Tschartoryshskij
gewidmet ist. Inhaltlich ist es eine leere, stellenweise sogar
unsinnige „Skizze'^ ^^ i^ ^^^^ ungleiche Theile zerfällt:
344
1. „Obraz ogolny Panstwa Polskiego" (9), das drei Para-
graphen oder Capitel enthält, und 2. ,,Rozbi6r przyczyn jego
wzrostu i upadku" (23), die ans sieben Paragraphen besteht
Der Verfasser beurtheilt als Pole den staatlichen Zu-
schnitt Polens recht gesund. Bei der Daratellung der Be-
deutung des „liberum veto" und der Conföderationen bemerkt
er: „Pytam teraz kaidego przy zdrowych zmyslach, kaidego,
kogo namietnosc nie unosi, czy z takiemi zasadami porz^dkowosci,
Polska mogla sie ostac? Interes jednostkowy kaidego szlachcica
przemagaj^c, interes ogolny narodu musiaJ byc sthiczionym"
(41). Als Katholik schildert der Verfasser den Verfall der
polnischen Sprache unter dem Einflüsse der Jesuiten folgender-
maassen: „Jtjzyk polski pod ich kierownictwem psowac sie
pocz^l^, bo ci poslannicy misticyzmu rzymskiego potrafili wmöwic
bogobojnym Ojcom naszyra , zc Rzym i jezyk jego jest jedyn^
doskonalosci^ na ziemi" (44); zur Verbesserung der verderbten
Sprache habe es eines halben Jahrhunderts bedurft — : die
ganze „panowanie Stanislawa Augusta, czas potrzebny na
oczyszczenie j^zyka" (40).
Der Monographie ist eine schöne Karte beigelegt, die
,,Polske w naturalnych granicach" darstellt, sowie eine ver-
schiedenfarbige „Ogolny widok dziejöw panstwa Polskiego, i
ludöw ktöre jego panowaniu ulegly".
1006. Catherine II et ses filles d'honneur. Boman historique par
M. E. Niboyet. Paris, 1847.
Dieser Roman hat mehrere Auflagen erlebt und ist in
viele Sprachen übersetzt worden. Nach ihm hat man „les
moeurs et les habitudes intimes" der russischen Gesellschaft
aus den Zeiten Katharina's studirt. Der Verfasser hat den
Roman mit russischen Worten übersäet, die immer richtig
transponirt und immer genau erklärt sind, was den Werih des
Buches, als eines treuen Gemäldes des russischen Lebens
jener Zeit, bedeutend erhöht hat.
345 -
In diesem „historischen Romane" sind drei geschichtliche
Thatsachen in Eins verflochten, die unter sich nicht den ge-
ringsten Zusammenhang haben, — das Schicksal der Tara-
kanow, die Ehe Dmitrijew-Mamonow's und der Aufenthalt
Cagliostro's in Petersburg. Es ist nicht verwunderlich, dass
es dem Verfasser nicht gelungen ist, die Zeit der Handlung,
die ein halbes Jahr dauert, einheitlich festzuhalten: nachdem
zu Anfang das Jahr 1767 genau festgesetzt ist, erwähnt der
Verfasser ein Ereigniss aus dem Jahre 1775 (60) und endlich
sogar eines aus dem Jahre 1791 (250); in Wirklichkeit be-
fand die Tarakanow sich während sechs Monate des Jahres
1775 in der Peter Paul's-Festuug, Cagliostro war im Jahre
1779 in Petersburg, und die Hochzeit Dmitrijew-Mamonow's
fand im Jahre 1789 statt; diese Ereignisse umfassen also
einen Zeitraum von vierzehn Jahren. Die Tarakanow nimmt
in dem Romane die erste Stelle ein, und ihre Geschichte ist
völlig phantastisch erzählt (60, 74, 92, 126, 213, 253, 326,
380, 395, 437); es wird sogar ein Aufstand zu ihren Gunsten
erfanden, wobei Katharina selbst die Truppen gegen die Auf-
rührer fahrt (376, 408). Die Thätigkeit Cagliostro's ist nach
der Schablone erzählt: er taucht tiberall auf und verschwindet
dann wieder auf unbekannten Wegen, er weiss Alles und
vollfahrt alle möglichen Wunder, obgleich er indess die Tara-
kanow nicht retten konnte. Der Hauptschauplatz seiner
Thätigkeit ist der Hof — in der Eremitage, in Gegenwart
Katharina's, ja sogar mit ihrer Zustimmung, während doch
Cagliostro, wie bekannt ist, zu Hofe gar nicht zugelassen
wurde und Katharina ihn gar nicht gesehen hat. Am rich-
tigsten, obgleich auch hier äusserst willkürlich, hat der Ver-
fasser die Episode der Heirath Mamonow's mit der Prinzessin
Schtscherbatow benutzt; hierbei ist die Tochter Bruce's
historisch unrichtig, aber för den Roman sehr wirksam in die
Handlung eingeflochten; Katharina selbst hatte sie anfänglich
— 346 —
im Verdachte (Chrapowizkij, 293), obgleich sie damals erst
dreizehn Jahre alt war (45). Dazu wird im Roman nicht nur
Lanskoi (72), sondern sogar Subow (431) erwähnt.
Katharina ist in diesem Romane nicht wiederzuerkennen.
An einer Stelle erwähnt sie Voltaire, d'Alembert und Diderot
und fugt hinzu: ,Je n'aime pas les philosophes, qui instruisent le
peuple; j'^tudie la philosophie comme les chimistes etudient les
poisons — pour les 6viter" (48). Sie muss von der Fürstin Dasch-
kow folgende Rede anhören: „Voici cinq ans que vous rögner mal-
gr6 les s^ditions, malgr^ les troubles que suscitent dans Tempire
vos ennemis. Le clergö n'a pu Vous croire franchement devote,
les Partisans de Pierre III n'ont pas oubliö que ce prince est
mort par la corde, le poison et Tassassinat. Ce crime qu'on
vous impute et dont Orloflf fut le principal auteur, le peuple
le d6plore, car le peuple est toujours du parti des victimes"
(20). Im Romane kommen in der That eine Masse russischer
Worte vor — : „schastny pristav" (11), „boudotschnik" (73),
„swaka" (85), „matouchka" (88), „korouschka" (98), „ponamar"
(99), „razboinik" (211, 261), „christos voski-es" (365, 372)
u. s. w. — aber sie sind alle von russischen Bekannten des
Verfassers geliehen („pr6face", V) und verhindern diesen nicht,
in Kabaks (Kneipen) Kwas verkaufen zu lassen! Im ganzen
Romane glänzt die „couleur local" durch völlige Abwesenheit.
1007. Die GefaDgenen der Czaarin Lustspiel in zwei Aufzügen.
Von W. Friedrich, Hamburg, 1847.
Die Handlung dieses Stückes spielt in der Festung
Schlüsselburg. Der Prinz von Kurland ist aus der Festung
eine Stunde vor der Ankunft der Kaiserin entflohen; Alexei
Rasumowskij, der Gefahi*te des Prinzen in der Gefangenschaft,
nimmt seine Stelle ein. Diese Täuschung wird bald entdeckt,
aber die Kaiserin verzeiht Allen. Nach diesem Stücke könnte
unter der „Kaiserin" ebensowohl Katharina If., wie auch nicht
Katharina II. zu verstehen sein.
— 347 —
1008« Pami^tniki czasöw moich. Dzielo posmiertue Juliana Ursina
Niemcewicxa. ParyÄ, 1848.
Es sind dies ausfuhrliche Memoiren, die mehr als siebenzig
Jahre umfassen, von 1758, dem Geburtjahi'e des Verfassers,
bis 1829. Njemzewitsch starb im Jahre 1841, und seine
Memoiren wurden von seinem Neflfen, Karl Njemzewitsch,
herausgegeben. Der Herausgeber giebt nicht an, wann und
wie diese Memoiren seines Oheims geschrieben sind, er erklärt
nur den Beweggrund, der ihn zu ihrer Herausgabe veranlasst
hat: „powinnismy przedewszystki6m poznac siebie samych,
ocenic i zbadac nasz^ history^, a tak uzbrojeni, rozwijaj^c
post^p cywilizacyi na gruncie polskim, niewpadniemy jui w te
same bl^dy, ktöre nam za ostatniego powstania bron z r^ku
wytr^cily" (VI). Der Verfasser der Memoiren selbst sagt:
„nie trzeba szukac w zapisywaniach moich ni porz^dku materyi
ci^glego, ni dat zupelnych^', und f> hinzu: „pisz^ jak mi
wspomnienia przychodz^ na pami^c'^ (8). Aus der Darstellung
ist zu ersehen, dass die Aufzeichnungen nach dem Wiener
Congresse begonnen worden sind: zu Anfang der Memoiren
sagt der Verfasser bei Aufzählung der Theilnehmer an den
wissenschaftlich-litterarischen Gastmählern Stanislaus August's
folgendes : „portrety ich zachowane byJy w pokojach zamkowych,
pozostafy tam one ai do sprzedania ruchomosci Stanislawa
Augusta w 1815 roku" (45); früher stösst man auf die Elr-
wähnung der Jahre 1794 (34, 39) und 1812 (35). Auf diese
Weise sind die Zeiten Katharina's 11., sowie die Angelegen-
heiten, bei deren Entwickelung sie betheiligt gewesen ist,
hier vierzig, mindestens aber zwanzig Jahre später geschildert
worden, und zwar sind sie nach dem eigenen Geständnisse
des Verfassers aus dem Gedächtnisse und ohne zeitgenössische
Aufzeichnungen, die der Verfasser nicht gemacht hat, ge-
schildert worden.
Diese Memoiren lesen sich sehr interessant und zeichnen
- 348 —
(las pohlische Leben jener Zeit in lebhaften Farben. Im
Jahre 1776, als der Verfasser achtzehn Jahre alt war, be-
endete er den Cursus im Kadettencorps (51); über die Ver-
gangenheit vermochte er damals nur nach Gerüchten zu
sprechen, wobei ihm nur hin und wieder das einfiel, was am
meisten Eindruck auf ihn gemacht hatte. In Anlass der
Wahl des Grafen Ponjatowskij zum Könige schildert er fol-
gende Familienscene: „Jak tylko ojciec möj wszedl do pokoju
rzekl wesoto, mamy nakoniec kröla Piasta. Co to jest krol
Piast, zapytalem; jest to moje dziecie, rzekl ojciec, krol z
naszego narodu wybrany, polak, ktöry z nami mieszkac bedzie,
ktory nas zrozumie i my jego rozumiec bedziemy. Niewiem,
przerwata babka moja, czy nam z tem lepi^j bedzie — Wo4
bedzie pana Poniatowskiego Stolnika Litewskiego, jako kröla
powaial, beda wielcy panowie nasi jeidic na nim, jak wrony
na baranach" (11). Das ist nicht erdacht, das ist wirklich
gehört worden, ebenso wie das Volkslied vom Verfasser that-
sächlich gesungen worden ist, das in Anlass der Conföderation
von Bar entstanden war und mit folgenden Worten begacnn:
Lutiy, Kalwiny
Bezboine syny,
Z ojczyzny matki
Chc^ szarpa^ platki.
Erst mit dem Jahre 1776 beginnt in den Memoiren die
Erzählung des Selbsterlebten, und erst mit dem Jahre 1794
die Schilderung der Zeit, die uns hier angeht. Der Theil der
Memoiren, der von der Schlacht bei Maciejowizy bis zum
Tode Katharina's handelt (224—291), ist von uns schon bei
Besprechung eines anderen Werkes (No. 987), das fast un-
mittelbar nach den Ereignissen dieser Jahre verfasst worden
ist, betrachtet worden.
Es ist bemerkenswerth, dass Njemzewitsch auch in seinen
Memoiren das Verhalten Katharina's nach der ersten Theilung
lobt (41); das ist ein Anzeichen bedeutender Gewissenhaftigkeit;
- 349 —
aber noch bemerkenswerther ist seine StellungnaLme zu
Potjemkin (79, 157): „smierc jego byla mo4e strat^ dla Polski"
(80). Sehr interessant ist die Geschichte der Griechin
Mme. Witte (77), wenn sie auch vielleicht nicht ganz genau
wiedergegeben ist (Russ. Alterthum, LXXTTI, 42); interessant
sind ferner einige Einzelheiten über die taurische Reise
Eatharina's (121) und m. Ä.
Obgleich Njemzewitsch schon in seiner Kindheit mit den
Russen bekannt geworden war (18), spricht er natürlich in
seinen Memoiren vorzugsweise von den Polen, und gerade in
dieser Beziehung sind sie besonders interessant für den Ge-
schichtsschreiber Katharina's: in den Memoiren Njemzewitsch's
sind viele Züge enthalten, die geeignet sind, die Beziehungen
Eatharina's zu einem gewissen Theile der polnischen Magnaten
zu erklären.
1009. Anjala-Förbundet. Bidrag tili dess historia. Efter enskilta och
offentliga handliDgar, af Maunu Malmanen. Stockholm, 1848.
Dies ist die erste wissenschaftliche Untersuchung über den
Bund von Anjala, den die finnischen und schwedischen Truppen
im Jahre 1788 geschlossen haben. Der Verfasser hat bisher
nicht herausgegebene Documente benutzt und erwähnt u. A.
einen Brief Katharina's an Sprengtporten (53, 61), „hosten 1788",
der im Archive des Generalstabs in Petersburg aufbewahrt
wird. Dieser Brief ist auch bis heute noch nicht veröffentlicht
worden, aber Katharina erwähnt ihn in einer Zuschrift an
T. J. Tutolmin (Russ. Archiv, 1873, 2283). Man darf an-
nehmen, dass auch das Citat aus der Antwort Eatharina's vom
9. August 1788 (57) richtig ist. Dem Verfasser ist gleichfalls
bekannt, „pä kejserliga bibliotheket i St-Petersburg förvaradt
manuskript med titel »Memoires pour servir k Thistoire de la
guerre, qui amena la revolution 1789 en Sufede«" (104).
Ausser einer kurzen Einleitung, in der die Ereignisse
„frän statshvälfningen den 19 Aug. 1772 tili utbrottet af 1788
— 350 —
ärs Krig" in knapper Darstellung behandelt werden, zerfltllt
die ganze Untersuchung in zwei Theile: .^Sjelfständighets-Par-
tiet" (31) und „Anjala-Förbundet" (65). Der Verfasser führt,
sogar in schwedischer üebersetzung, die Ansicht Klick's an,
dass ,,Finlands sjelfständighet förut af Eyssland erbjuden'* (40),
aber er schreibt eine grössere Bedeutung in dieser Beziehung
dem „Valhalla-orden" zu, den er für den Hauptträger der
separatistischen Ideen in Finnland hält, indem er bemerkt:
„nägre deltagare i Anjala-Förbundet äfven embetsmän i Val-
halla-orden" (47). Den eigentlichen Bund von Anjala erklärt
der Verfasser aus zwei Gründen: erstens, „Krigets foretagande
tvärtemot regeringsformens 48 §'' und zweitens, „missvächt
och hungernöd i Finland", wobei es soweit kam, dass — wie
Stedingk dem Könige schrieb — „la faim öte au peuple les
forces et le courage — notre recrue et plus Busse que Suödois"
(M6m. de Sted., I, 93). Der Verfasser legt ausführlich „brist
p& proviant, beklädnad och penningar" (83) dar.
Für uns haben die Mittheilungen über die Beziehungen
Jägerhom's zu Katharina, über seine Reise nach Petersburg,
besonders aber über „Jägerhoms underhandling i Petersburg
och äterkomst" (63) das meiste Interesse. Alles dies ist aus-
führlich, u. A. auch auf Grund der vorliegenden Untersuchung,
in dem sehr umfangreichen Aufsatze Brückner's: „Der Bund
von Anjala", im „Journal d. Min. d. Volksaufklrg.", CXXXVII,
679, dargelegt. Vgl. auch desselben Verfassers „Der Anjala-
bund in Finnland, 1788", abgedr. in der „Baltischen Monats-
schrift«, XIX, 309.
1010« La pologne. Trilogie politique. Berlin 1848.
Diese politische Trilogie besteht natürlich aus drei Theilen:
„le partage", „l'expiation** und „la d^livrance". Der Verfasser
hat keinen dieser drei Theile völlig ausarbeiten können und
nur ein kurzes Scenarium des ersten Theiles geboten, der aus
— 351 —
fünf Acten besteht: „Catherine*' (1), „Frödöric-le-Grand" (24),
„Marie-Th6r6se" (28), „Le divan" (39) und „Praga, 4 Novembre
1794" (53). Das Jahr 1795, das oft erwähnt wird, ist ein
oflfenbarer Druckfehler für 1794. „Ce ne sont aprfes tout que
des scänes d^tach^es, que je brüle d'ölaborer un jour, de
porter peut-ötre jusqu'ä, Tunitfi du drame", sagt der Verfasser
im Vorworte, aber das Drama selbst hat er doch nicht ge-
schrieben. Die ersten vier Acte sind ausschliesslich der ersten
Theilung Polens gewidmet, wobei die Handlung des am meisten
ausgearbeiteten ersten Actes im Saale „du chäteau imperial
de St. Pötersbourg" vor sich geht. Ssoltyk, das Haupt der
polnischen Deputation, petitionirt um die Vereinigung Polens
mit Russland: „Veuillez, nous vous en conjurons, nous ras-
sembler entierement sous les ailes de votre puissance. Pro-
noncez et nous vous ob^irons et nous vous reconnaitrons comme
notre souveraine maltresse, pour que dösormais nous ne soyons
plus contraints de souffrir que les puissances ^trangäres du
dehors et nos divisions personnelles au-dedans d^chirent notre
belle patrie" (5). Nach Ssoltyk erscheint Prinz Heinrich von
Preussen, der die Theilung Polens vorschlägt, wobei Katharina
„s'approche d'une carte appendue k une partie saillante de la
muraille, trempe l'index dans Tencrier et trace la ligne de
dömarcation de la Prusse pour le premier partage de la Po-
logne" (20). In diesem Falle folgt Katharina den Anweisungen
des Testamentes Peter's des Grossen und erklärt ihr Vorhaben
folgendermaassen: „Si j'acceptais le pays tout entier, ce serait
pour le partager plus tard. Non, la Russie partage maintenant
pour ressaisir le tout un jour. Pierre Ta dit dans son test-
ament, Catherina Farrete aprfes lui" (23). Ueber dasselbe
Thema sind die politischen Gespräche verfasst, die „dans le
chäteau de Sanssouci", „dans le chäteau imperial de Vienne"
und in Konstantinopel im Divan stattfinden, wobei der Ver-
fasser eine völlige ünkenntniss der Hofetiquette und der Ge-
— 352 -
pflogenheiten diplomatischer Unterhaltungen offenbart. Der
letzte Act ist ein poetisches Gremälde: Ssuworow stürmt Praga;
eine reiche Polin verbrennt sterbend alle Documente über
ihren Landbesitz und ihre Reichthümer und übergiebt ihrer
Tochter ein Papier — die Prophezeihung, dass der Rächer
Polens erscheinen und dass Polen wiedererstehen werde
1011. Polen ; historisch, geographisch, statistisch. Mit fönf chemi-
typirten Karten über die Theilungen Polen's von 1772 bis jetzt
Leipzig, 1848.
Dies ist eine kurze Broschüre, die „für Zeitungsleser"
bestimmt war. Gut erdacht, ist sie jedoch leider schlecht
ausgeführt worden: auf den Karten sind die Grenzen unrichtig
bezeichnet, so dass z. B. Polen nach der dritten Theilung ein
bedeutend grösseres Territorium an Flächeninhalt aufweist,
als nach der zweiten Theilung (11). Diese Broschüre bezieht sich
auf die Bewegung, die durch die Proclamation der Franzö-
sischen Republik im Jahre 1848 hervorgerufen wurde, und in
ihr ist von den Theilungen Polens zur Zeit Eatharina's nur
beiläufig die Rede.
1012. The cossacks of the Ukraine comprising biographical notices
of the most celebrated cossacks chiefs or attamans, by count
Henry Krasinski. London, 1848.
Der Verfasser dieser Schrift, der mehr Patriot, als Histor-
iker ist, schreibt auch über die Kosaken nur, um seine Grund-
überzeugung zu beweisen: „the denationalizing of Poland for
many reasons is impossible, and if Russia will not give up
Poland voluntarily, that kingdom will be wrested from here
sooner or later*' (IX). In dem vorliegendem Werke wird das
Leben von sechs Kosaken erzählt: Chmeljnizkij , Sheljesnjak
und Gonta, die Polen in Aufruhr versetzt haben, und Stenjka
Rasin, Maseppa und Pugatschew, die Russland bedrohten.
Aber hier sind auch noch zwei Gapitel enthalten, die nichts
Gemeinsames weder mit dem Kosakenthume, noch mit der
— 353 —
Ukraine haben: „Princess Tarakanoff" (163—177, notes 283
bis 285) und „Catherine 11 and her favourites" (178—185).
Diese beiden Capitel und die „Rebellion of Pugatchef'' (186
bis 223, notes 285 — 288) allein können uns hier interessiren.
In allen diesen drei Capiteln theilt der Verfasser natürlich
nichts Neues mit; aber auch seine Nacherzählung dessen, was
AUen bekannt ist, hat gar keine Bedeutung und verdient nicht
die geringste Beachtung. So wird z. B. die sinnlose Geschichte
von der körperlichen Züchtigung der Mamonow nur aufgetischt,
um daran folgende Moral zu knüpfen: „Such a barbarous
violation of domestic privacy could only happen in Bussia,
and gives some idea of the manner in which that country is
governed" (184). Der Verfasser behauptet, dass er bei der
Darstellung des Pugatschew'schen Aufstandes die Angaben
eines der Theünehmer^ einer Person, die Pugatschew nahege-
standen, benutzt habe: „I gattered many things from a friend
of Suchodolski, who retumed to Russian Poland and who
used to relate many interesting anecdotes of Pugatchef ^ (223),
in seiner Ezählung aber ist nichts Neues zu finden und selbst
das blödsinnige Gerücht, dass Katharina Pugatschew besucht
habe — „the Empress visited him secretly in disguise, atten-
ded by her lover" (220) — , ist ganz und gar nicht neu.
Am Ende jeden Gapitels giebt der Verfasser die Quellen
an, aus denen er die Nachrichten für seine Erzählung ge-
schöpft hat.
1013. Prinzessin Tartaroff, oder die Tochter einer Kaiserin. Histo-
rischer Roman von L. Mühlbaeh, 2 Bde. Berlin, 1848.
Natalie Tartaroff, die Heldin dieses „historischen Romans'^
ist Elisabeth Tarakanow. Die historischen Nachrichten hat
die Verfasserin aus Levecque (No. 415), Chappe d'Auteroche
(No. 106) und Schlosser, „Geschichte des achtzehnten Jahrhun«>
derts^' (I, 215), geschöpft. Bei den ersten Beiden ist der Name
der Tarakanow nicht einmal erwähnt, und die Verfasserin hat
BilbaBBoff, Katharina n. 23
— 354 —
auch den ganzen ersten Band gar nicht ihr gewidmet: hier
werden Natalja Dolgorukow (3), Graf Mftnnich (8), Graf Oster-
mann (21) und die Geschichte Rasslands bis zum Tode der
Kaiserin Elisabeth Petrowna (252) einschliesslich behandelt.
Der eigentliche Roman beginnt erst mit dem zweiten Bande
und hat nicht den geringsten Anspruch darauf, ein ,,historischer^'
genannt zu werden : in ihm ist Alles phantastisch, Alles beruht
auf Erfindung — bis zum Tode der Tarakanow auf dem Platze
durch die Hand des Henkers (313).
Louise Mühlbach ist ein Pseudonym für Klara Mundt,
die Gattin des Schriftsteller Theodor Mundt. Selbst die
Deutschen sind über die Masse der von ihr verfassten Romane
und Erzählungen erstaunt und gestehen ihren belletristischen
Schöpfungen mehr Phantasie als Talent zu, wobei ,,ihre Phan-
tasie wild und regellos das künstlerische Mass und die ethischen
Schranken überschritt".
1014. Sarmatische Lebensbilder. Novellen aus Russlands und Polens
Geschichte. Von W. Schuhe, Magdeburg, 1848.
Aus den sieben Erzählungen in diesem Buche ist nur
eine Katharina gewidmet: „Alexandra Paulowna oder die Liebe
einer Grossfürstin" (69). In dieser Erzählung wird die Ge-
schichte der Brautwerbung des schwedischen Königs Gustav IV.
Adolph um die russische Grossfürstin Alexandra Pawlowna
wohlwollend und durchaus nicht künstlerisch erzählt: der
Bräutigam ist der Gipfel der Vollkommenheit (74), und die
Braut ist dies nicht minder (75); sie lieben einander leiden-
schaftlich (82), aber die Heirath kam nicht zu Stande, und
zwar aus dem Grunde, „dass in den höchsten wie in den
niedrigsten Kreisen von je her bis zur Stunde nicht immer
des Herzens Wunsch auch des Schicksals und der Politik
Stimme war" (93). Das ist blos abgeschmackt; aber die
Schilderung des Petersburger Patriarchen zur Zeit Katharina's
(85) ist schon ganz und gar nicht schön.
355
1015. Le csar Cornelius, com^die-vaudeville en deux actes, par BtfM.
Melesviüe et Cartnottche. Paris, 1848.
Dieses Yaudeville ist für das Theater des Palais Boyal
über das Sujet: ,,die Heirathsgedanken des Grafen Orlow'^
geschrieben. Hier wird eine Trauungs-Ceremonie, die von
Katharina inscenirt worden, in der Hofkirche mit einer unbe-
kannten Braut (29), einer „demoiseile d'honneur", die einen
vierjährigen Sohn von einem unbekannten Vater hat (50), vor-
geführt, wobei Katharina singt:
Mon fier tyran est confonda,
Sa disgräce s'appr^te . . .
D'Orloff j'ai fait courber la töte . . .
II voit qu'il est perdu.
1016. üeber die Theilungen Polens. Stettin, 1849.
Dies ist eine kriegerische Broschüre, die durch die Be-
wegung, die wir in No. 1011 erwähnt haben, hervorgerufen
ist. In ihr werden die Theilungen aus der Zeit Katharina's
kurz, aber in starken Ausdrücken erwähnt: „Zwar gestattet
das Völkerrecht Länder zu erobern , aber die Theilungen Polens
sind keine Eroberungen, sie sind ein Baub und noch mehr
wie dies, sie sind ein Mord, ja sogar ein Meuchelmord. Man
hat versucht eine Nation meuchlings zu ermorden" (5).
1017 • Co sig stalo w Polsce od pierwszego j^j rozbioru az do koüca
wojen za cesarza Napoleana. Poznaü, 1850.
Eine kurze Broschüre, die 70 Erzählungen vom Ruhme
Polens und von polnischen Helden enthält. Dieses Sammel-
werkchen ist eine jener Broschüren, durch welche in der pol-
nischen Gesellschaft die HofiFhungen auf die Wiedergeburt
Polens „von Meer zu Meer" rege gehalten worden sind. Die
letzte Erzählung: „0 zgonie niektörych cnotliwych Pol&kow",
giebt Nachrichten vom Tode Kollontai's, Kostjuschko's Ealin-
skij's und Dombrowskij's. Das Volk hat in der Nähe von
23*
— 356 —
Erakau einen ganzen Hügel zum Gedächtnisse Kostjuschko's
aufgeschüttet, „aby wzrastaj^ce dzieci patrz^c na t^ mogil^,
uczyly 8i§ czesci dla cnot i wielki^j milosci Ojczyzny Kosciuzki"
(142). Es versteht sich von selbst, dass zur grösseren Ver-
herrlichung der Polen die Herabsetzung ihrer Nachbarn er-
forderlich war; aber es ist doch bemerkenswerth, dass auch
im Jahre 1850 der grössere Theil der Schuld an allem Un-
glücke Polens auf Preussen gehäuft worden ist, und dass dieses
Land unter den drei bösen Nachbarn stets in erster Reihe
steht. „Drug^ s^siedk^ byla carowa moskiewska, z urodzenia
Niemka. üboga z rodzicöw i przez chciwo^c poszla za cara
moskiewskiego, ktorego w pare lat post^pnie kaza^a udusic i
sama pot^m rz^dzila. Byla to niewiasta okrutna, wszeteczna,
a nadewszystko chciwa^' (2). Die Anhänger Russlands unter
den Polen werden mit nicht weniger deutlichen Farben gemalt:
„Co zas Branicki, ten byi cale iycie lotr nad Jotrami, kon-
federatöw Barskich gorzdj mordowa^^ nii sami Moskale, brat
zawsze od Moskwy pieni^dze za zdrade Polski, tak si^ zmosk-
wicii, 4e nawet 4on§ sobie wziqi z tego narodu" (17).
In derartigen Broschüren wird natürlich eine wirksame
Darstellung jeglicher historischen Wahrheit vorgezogen. Die
Gefangennahme Kostjuschko's wird so wiedergegeben, als ob der
Verfasser Augenzeuge derselben gewesen wäre (77), und der
Tod Potozkij's wird folgendermaassen erzählt: „Szczesny Potocki
nigdzie smiru znalesc nie mög^, dostal t^i mankolii, z ktör6j
umar^, a powiadaj^, ii mu to zt^d przyszto, ie raz z daleka
uslysza}, jak Lud ruski w jego wlasn^j wsi Spiewak piosneczk^,
ktöra sie zaczynala:
Panie Potocki Wojewodzki synn
ToLptzedskeü nam Litwu, Ukraino.
Dorozumial sie, io napisem na jego grobie b^dzie »Zdrajca
Ojczyznyo" (85).
— 357 —
1018. Histoiya Jana Eiliüskiego, szewca, radzcj miasta Warszawy,
pnikownika najjasniejsz^y Rzpltej Polski^j, dowödzcy 20 pulku
piecbotj za czasöw Eodciuszki, napisana przez niego samego.
Poznan, 1850.
Dies ist ein Nachdruck von No. 939, wobei nur die Reihen-
folge der Artikel abgeändert ist, und zwar ziemlich ungeschickt:
das Buch beginnt mit der Erzählung der Gefangenschaft
Kilinskij's in Preussen, wobei die Capitel nicht bezeichnet
sind; dann folgen die Artikel „Powtöma niewola" (31), „In-
kwizycye" (41), „Poczatek zamyshi" (69) und „Thimaczenie sie
Zakrzewskiego" (HO). Die Unterredung Paul's I. mit Ko-
stjuschko ist nicht nachgedruckt. Der Ausgabe ist ein ßildniss
Jan Eilinskij's beigegeben.
1019. Svenska örlogsminnen, samlade af H. 0. M-^. Kriget 1788.
Stockholm, 1851.
Der Titel dieser Schrift ist nicht vollkommen genau: das
sind nicht Eriegs-Erinnerungen überhaupt, sondern ausschliess-
lich Erinnerungen an den Seekrieg, und zwar acht kürzere
Bemerkungen über die Bewegung der schwedischen Flotte im
Jahre 1788. Für uns sind nur die Bemerkungen über die
Eroberung des „Wladislaw" (39) und die Erwähnung Greigh's
(45) von Interesse. Der Herausgeber erklärt: ,.Des8a Örlogs-
minnen äro samlade ur enskilda anteckningar och ämnade alt
förvara ett och annat drag, som äfven nägon gäng kan för
historien vara icke uton betydelse. Skulle de, för minnen
frän de foljande krigsären, kunna förvärfva forfattaren ytter-
ligare meddelanden af detaljer, ville han gerna, tacksam derför,
begagna dem<< (59). Ungeachtet dieser Erklärung sind die
Erinnerungen über die folgenden Jahre des schwedischen
Krieges nicht erschienen.
1020« Eede zur Feier der Enthüllung des Monuments Ihrer Majestät
der hocbseligen Kaiserin Catharina II in der Saratowscben
Colonie Catharinenstadt, gebalten vom V. von Snarski. lüga,
1852.
- 358 -
Durch einen Ukas vom 22. Juli 1763 wurde die Vor-
mundschafts-Eanzelei für ausländische Kolonisten errichtet
(Archiv des Senats, Bd. 107, Bl. 170; Allg. Ges.-Sammlg.,
No. 11879); an demselben Tage wurden durch ein besonderes
Manifest den Kolonisten gewisse Rechte verliehen (Allg. Ges.-
Sammlg., No. 11880); am 28. März 1764 wurde den Kolo-
nisten das Land zwischen Ssaratow und Astrachanj zugetheUt
(ibid., No. 12109), und am 25. Juni 1764 wurde die erste
Kolonie im Gouvernement Ssaratow gegründet, die zu Ehren
der Kaiserin den Namen Jekaterinenstadt erhielt Zur Elr-
innerung an dieses Ereigniss errichteten die Kolonisten Katha-
rina II. ein Denkmal, dessen Enthüllung in einer flir Bussland
schweren Zeit — am 25. Juni 1852 — erfolgte. Der Decan der
römisch-katholischen Diöcese, Snarskij, hielt dabei, mit dem
Segen des Bischofs von Cherson, Ferdinand Kahn, versehen,
eine Rede, in der er natürlich mehr vom Kaiser Nikolai I.
und von den obrigkeitlichen Gewalten, als von Katharina sprach.
1021. Fürsten. Boman af C. F. Ridderstad. 2 Dln. LinkSping, 1852.
Die schwedische belletristische Litteratur besitzt kein
anderes Erzeugniss, das für uns so interessant wäre, wie der
vorliegende Roman, der die Frage von dem missglückten
Heirathsplane zwischen Gustav IV. und der Grossfiirstin
Alexandra Pawlowna behandelt. Als rother Faden zieht sich
durch das ganze Werk der Gedanke, dass dieses Ehebündniss als
Anfang der Unterwerfung Schwedens unter die russische Herr-
schaft, gemäss dem Vermächtnisse Peter's des Grossen, dienen
sollte: „Catharina, sjelfva verket fuUbordarinnan af Peter den
I's päbörjade verk, trodde nu stunden vara inne, att frän
samma thron, som hau sä ärorikt häfdat, lägga grundstenen
tili det framtida välde öfver Sverige, hvars nödvändighet f5r
Rysslands enhet och iure styrka han forutsagt" (II, 360).
Katharina nennt diesen Ehecontract nicht anders, als „ett
— 359 —
äktenskapskontract emellan Bjssland och Sverige^^ (ibid., 362)
Nach der Ansicht Markow's verbürge der Erfolg in Polen auch
den Erfolg in Schweden: ,,Det är naturligt, Ers Majestät; pä
sädant satt sknlle det, ja, mäste det luckas er att spänna
Sverige — liksom ni redan gjort med Polen — framför er
triumfvaga" (I, 433). In dem Romane ist die Bedeutung der
Bärchenfrage für Gustav IV. sehr reliefartig gezeichnet (11,
310), und die Weigerung Gustav's, den Contract zu unter-
zeichnen, ist durch folgende Bedingung erklärt: „Prinsessan
skalle ega rättighet att frit utöfva sin trosbekännelse, tili följe
hvaraf ett Grekiskt kapell skulle inrättas pä slottet i Stock-
holm och Grekiska prester der tillsättas ifrän Petersburg"
(II, 390). Sehr wahr ist der Charakter Gustav's durch den
schwedischen Verfasser gezeichnet worden: „Gustav IV Adolf
fÖrblef genom heia sitt liftemligen oföränderlig. Hvad hau
var som pojke, var han som yngling: grubblande, högtidlig,
envis, häftig'* (11, 230). Sehr gut ist dem Verfasser auch
eine Skizze Katharina's gelungen, die mit den folgenden
Strichen schliesst: „Hennes bana är icke en utveckling af
moraliska motiver, utan blott en kedja of äregirighetens
och sjelftillfredsställelsens behof: den har ocksä ledt icke tili
iure, utan blott tili en jttre politisk sterbet; icke tili enstod
af Ijus i natten, utan tili en molnstod om dagen; icke tili
en stjerna, som leder folken tili frälsarens krubba, utan tili
en landsväg, som leder tili ett Golgatha. Samtiden mä böj
a knä; efterverlden skall döma" (I, 320—321).
Der Verfasser hat sich mit der eigentlichen Brautwerbung
des Königs nicht begnügt und in sie eine Menge nebensäch-
licher Intriguen hineingeflochten : hier kommt auch Elisabeth
Tarakanow vor, die durch ein Wunder gerettet worden ist,
um Katharina weisszuwaschen, mit der Anmerkung „historisk
sann" (I, 268, 436; 11, 422); hier spielen auch die nach
Sibirien verschickten Polen eine Bolle, und zwar in Gestalt
- 360
des Fürsten Baschanowskij , der dem Romane den Titel ge-
geben hat; hier giebt es eine Intrigue des dummen Subow
und des spitzbübischen Markow gegen das schwedische Bünd-
niss; hier spielen Äraktschejew und die Wahrsager, Protassow
und Masken, Armfeit, Verhaftungen, Ermordungen und endlich
die geheime Polizei mit dem Grafen Orlow an der Spitze,
einem entfernten Verwandten des Fürsten Gregorij und des
Grafen Alexei Orlow (I, 99) eine Bolle. Das ist einfach ein
Fehler: der Verfasser sagt, dass dieser Orlow „grefve, öfver-
hofmarskalk, verklig Eammarherre, chef for den hemligen
polisen<< war (I, 100), aber der wirkliche Eammerherr und
Oberhofmarschall Gregorij Nikitowitsch Orlow war weder Graf,
noch Chef der geheimen Polizei, noch ein Verwandter der
Grafen Orlow. Er spielte jedoch eine Rolle bei dem Besuche
Gustav's IV. in Petersburg, und zwar als Oberhofmarschall,
und ihm trug Katharina auf, den Hofdamen zu erklären, „dass
sie in Anlass der hiesigen Anwesenheit des Königs von
Schweden weder Chemisen, noch Foureaus, noch andere
Deshabill6s, ausser dem griechischen Kleide anziehen dürfen^'
(Sammlung, XLII, 266).
Der Verfasser war in Petersburg — er suchte Gold-
fische in den Teichen des Taurischen Palais, fand aber keine
(I, 397); er stellt sich an, als ob er die russische Sprache
verstände (I, 429 ; II, 308), und begreift das russische Leben,
sogar das Hofleben ganz und gar nicht (I, 299, 313); aber
die Schweden des vorigen Jahrhunderts zeichnet er sehr
richtig und hat sich in seinen Romanen, die ihm einen
Namen in der schwedischen Litteratur verschafft haben, mit
ihnen viel beschäftigt. Seine Gedichte und Dramen sind ver-
gessen, aber seine Romane, besonders der hier vorliegende,
erscheinen bis heute.
1022. La tour de Dago. Par A. de Oondreeourt 2 v. Bruxelles,
1852.
— 361 —
Als Sujet für diesen Roman diente die legendenhafte Elr-
zählung vom Baron Ungern-Sternberg, der, nachdem er alle
möglichen Enttäuschungen im Leben erfahren, ein Misanthrop
wird und sich an den Menschen durch Piraterie rächt und die
Schiffe plündert, die, durch einen falschen Leuchtthurm her-
angelockt, an der Insel Dago zerschellen. Die Handlung des
Romans ist in das Jahr 1777 verlegt und spielt im ersten
Bande in Petersburg, im zweiten in Versailles, im dritten auf
der Insel Oesel.
Ungern -Stemberg begegnet der „Braunschweig'schen
Familie" in Sibirien (I, 53), aber nur deshalb, weil Cholmo-
gory im Gouvernement Tobolsk liegt (I, 93). Katharina ist
als ein ödes, launenhaftes und rachsüchtiges Weib geschildert:
Graf Dernizij wird dafür nach Sibirien verschickt, dass er
„un peu 16g6rement de la beautö de Timpöratrice" gesprochen
hat (I, 48); „cette femme hautaine ne r^sistait ä aucun de ses
caprices et chez eUe la fantaisie ne voyait d'obstacles ni dans
la morale, ni dans le ridicule" (I, 91); der Verfasser nennt sie
eine „grande com6dienne" (I, 101) und schwärzt sie in jeder
Weise an (I, 106; II, 24). Der Verfasser lässt Peter IIL in
Schlüsselburg sterben (I, 116), nennt Ssaltykow „Oltikoff"
(I, 101, 119) u. s. w.
1023. M^moires de la baronne d' Oberkirch y publica par le comte
L. de Montbrison. 2 vis. Paris, 1853.
Henriette Louise d' Oberkirch, 1754 — 1803, eine geborene
Gräfin Waldner, lebte seit dem Jahre 1769 in Freundschaft
mit der Prinzessin Dorothea von Württemberg, die im Jahre
1776 sich mit dem Grossflirsten Paul Petro witsch vermählte.
Im Jahre 1782 begleitete sie die Grafen Ssjewemy auf ihrer
Reise durch Frankreich, Belgien und Holland und correspon-
dirte bis an ihr Lebensende mit der Grossfürstin Marja
Feodorowna. Während der Beise führte sie „un Journal
exact et d^taillö", und verfasste später, im Jahre 1789, auf
— 362 —
Grund desselben ihre Memoiren, wobei sie diese letzteren mit
den Aufzeichnungen vereinigte, welche sie in den Jahren 1784
und 1786, während eines Aufenthaltes in Paris am Hofe der
Herzogin von Bourbon, niedergeschrieben hatte. Die revo-
lutionäre Bewegung, von der Frankreich ergriffen wurde, be-
sonders aber die Einnahme der Bastille, veranlasste sie, sich
dem weltlichen Leben zu entziehen, und sie beschäftigte sich
in ihrer Heimath, im Elsass, mit der Abfassung ihrer
Memoiren, deren erster Theil in demselben Jahre beendet
ward und den sie später auch nicht mehr veränderte. Als die
Prinzessin Dorothea sich nach Petersburg begab, sprach ihre
Mutter die Befürchtung aus: „il arrive souvent des malheurs
aux czars, et qui sait le sort que le ciel röserve k ma pauvre
fiUe^'; die Verfasserin der Memoiren fügt hinzu: „Elle s'est
heureusement tromp^e; son instinct matemel est en d^faut
jusqu'ici" (I, 80).
Die lebendigen, interessanten Memoiren der Frau v.
Oberkirch sind ausserordentlich wichtig für die Charakteristik
Marja Feodorowna's; in ihnen finden sich auch interessante
Nachrichten über Paul Petrowitsch. In beiden Fällen ent-
behren natürlich die persönlichen Urtheile der Verfasserin
einer besonderen Bedeutung. Von Katharina (I, 234, 251;
II, 5, 161, 170) und von den russischen Männern ihrer Zeit
spricht sie wenig und ausschliesslich nach den Worten
Dritter, nicht selten ihrer Freundin Marja Feodorowna, und
in diesem letzteren Falle haben ihre Bemerkungen nur als
Echo der Gatschinoer Meinungen ein Interesse. In dieser Be-
ziehung ist das ürtheil über den ükas an den Adel inter-
essant: „L4mp6ratrice Catherine rendit k cette 6poque un
ukase fort extraordinaire. H divise en six classes Tordre de
la noblesse, et les deux premiöres renferment les nobles par
diplömes, c'est-ä-dire les nouveaux, tandisque la noblesse an-
cienne se trouve rel6gu6e dans la sixiöme. Quelque peu
— 363 —
illustre que soit rancienne noblesse de Bussie, c'est renyerser
toutes les id^es re^ues, et recommencer Thistoire de l'empire
sur nouveaux frais'' (II, 161). Derselben Herkunft sind die
Nachrichten über die Gräfin Bruce und Eorssakow (I, 284)
und über den Tod des Fürsten Orlow, ,,que poursuivait
Tombre sanglante de Pierre III et dont le cerveau malade
par suite de ses remords a rendu la fin a&euse'' (II, 7) u. s. w.
Von staatlichen Angelegenheiten und politischen Fragen ist in
den Memoiren nicht die Bede, und wenn hierauf bezügliche
Bemerkungen zufällig vorkommen, so sind sie stets sinnlos, so
über Polen (I, 78), über den schwedischen Krieg (11, 327)
u. s. w. Aber in den Memoiren sind viele kleine Mittheilungen
über Personen und Vorkommnisse, die Katharina interessirten,
verzeichnet, so über die Sängerin Todi (I, 61; II, 377), über
Aerostaten (EL, 135), über Seimira (EL, 171), über Kingston
(11, 266, 277) u. A. Zur Charakteristik der Verfasserin ist
das Urtheii über den Fürsten J. S. Barjatinskij von Interesse:
„Le prince Baradinsky 6tait, comme presque tous les Busses
de la cour de Catherine, un homme fort distingu6; il avait
les meilleures maniöres et rien du Sarmate et du Goth, je
vous en r^ponds^' (I, 179). Hier sind fast alle Ausländer er-
wähnt, die in Bussland gewesen sind und die Katharina be-
kannt waren — : der Fürst de Ligne und Cagliostro, de la
Bivi^re und Lafermier, der Prinz Heinrich von Preussen,
Schomberg, der Gomte de Haga, Laharpe, Joseph 11. u. A. m.
Diese Memoiren der Baronin Oberkirch erlebten mehrere
Auflagen, von denen die letzte im Jahre 1869 erschien; sie
ist die einzige, die vom Herausgeber mit Anmerkungen ver-
sehen ist; sie ist von uns benutzt worden. Wie die vorher-
gehenden Ausgaben, ist auch diese letzte dem Kaiser Nikolai 1.
gewidmet, wodurch die vorhandenen Auslassungen an einigen
Stellen, die mit Puncten bezeichnet sind, erklärt werden (I,
115). In den Anmerkungen finden sich bisweilen sehr charak-
— 364 —
teristische Notizen, z. B.: ,,11 y a une particularit^ originale,
quoique parfaitement certaine, que madame d'Oberkirch a pu
ignorer ou plutöt qu'elle a vonlu passer sous silence; c'est
que les filles du duc Fr6d6ric-Eug6ne n'^taient jusqu'i leur
mariage 61ev6s dans aucune communion particulifere — on se
contenait de leur donner des notions gönörales de religion
chr6tienne| et leur mariage arretö, on d^cidait alors leur
^ducation religieuse dans le sens de la religion de leur futur
6poux" (I, 84).
1024. Geschiebte des Rassischen Staats, von E. Herrtnann, VII Bde.
Hamburg, 1853.
Diese erste und vollständigste „Geschichte des Bussischen
Staates^' erschien in der deutschen Sammlung von „G-eschichten
der europäischen Staaten", die von A. Heeren und F. Ukert
herausgegeben worden ist. Sie kam in eineinen Bänden, nach
Maassgabe ihrer Fertigstellung, im Laufe von 34 Jahren, von
1832 bis 1866, heraus; im Jahre 1866 erschien der siebente
und letzte Band. Sie ist von zwei Historikern verfasst worden :
die ersten zwei Bände, die in den Jahren 1832 und 1839 er-
schienen, sind von Strahl, die letzten fünf von Herrmann ver-
fasst worden. In dem ganzen Werke spiegeln sich natürlich
sowohl die Jahre des Erscheinens, als auch die Eigenart der
Verfasser wieder.
Der Nachfolger Strahl's, welcher letztere die russische
Geschichte nur bis zum Anfange des XVI. Jahrhunderts ge-
führt hat, Herrmann, hat im Vorworte zum dritten Bande
seine tendenziöse Parteinahme direct und ziemlich offenherzig
ausgesprochen. Nach ihm hat Bussland Alles den Deutschen
zu verdanken, „denn vor Allem sind es die Deutschen, durch
deren Bildung und Kenntnisse Bussland sich zu dem Bange
einer europäischen Grossmacht erhoben und seine Grenzen bis
in die cultivirteren Länder des Westens und einen guten
Theil des asiatischen Ostens vorgestreckt hat'' (V), Die alt-
— 365
rassischen Zustände, die Verhältnisse vor Peter dem Grossen,
taugten zu gamichts. Die deutschen ffistoriker können ,,als
unbetheiligte Fremde, als aussen Stehende, dazu etwas bei*
tragen, den modernen Russen, welchen das Wohl ihrer Nation
wahrhaft am Herzen liegt, durch einen Spiegel ihrer Ver-
gangenheit in Erinnerung zu bringen, dass der Keim des
Fortschrittes ihrer nationalen Bildung nicht in dem alten
Bojarenthum liegt, und überhaupt nicht innerhalb der Grenzen
einer beschränkten Nationalität, auch nicht in der formellen
Einheit einer erstarrten Kirche, und am wenigsten in der
Politik einer gewaltsamen Russificirung" (VI). B^larer kann,
so scheint es uns, die politische Tendenz des Verfassers gar-
nicht ausgesprochen werden: er schreibt nicht eine Geschichte
Russlands, sondern eine auf historische Thatsachen begründete
Belehrung der Russen darüber, dass sie alles Russische ver-
achten und die Deutschen, denen sie Alles verdanken, ver-
ehren müssten. Anstandshalber verspricht der Verfasser
natürlich, „weder schwarz zu sehen, noch weiss zu brennen";
aber es ist von vornherein auch nicht daran zu zweifeln, dass
er seine Tendenz in vollem Maasse verwirklichen und emsig
bemüht sein werde, unsere russischen Thatsachen auf seine
preussischen Ideen aufzureihen; im Jahre 1874 hat sogar
unsere Academie der Wissenschaften seine Definition der
Hauptaufgabe der historischen Wissenschaft — „ars historica
in arctissima ideae factique conjunctione sita est" — mit
Dankbarkeit entgegengenommen („lieber die fünfzehnte Ver-
gebung der Prämien des Grafen Uwarow").
In der Geschichte Russlands von Herrmann interessirt
uns natürlich hier nur die Epoche Katharina's, welche die
„herrschende Note" in dem ganzen Werke bildet. Peter d.
Grossen ist nur ein Theil des IV. Bandes (30 — 467) gewidmet,
wogegen Herrmann sich mit Katharina 11. am Ende des
V. Bandes (281—714), im ganzen VI. Bande (596) und im
366
grössten Theile des VII. (Ergänzung8-)Bande8 (1 — 591), im
Ganzen also auf 1620 Seiten beschäftigt. Er hat ihr also
viermal so viel Raum, als der Epoche Peters d. Grossen ge-
widmet. Dieser Mangel in dem Gesammtplane der „Geschichte
des Bussischen Staates^' ist wahrscheinlich dadurch zu erklären,
dass die zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, die Zeit Fried-
rich's IL und Eatharina's II., die Lieblingsbeschäftigung des
Verfassers gebildet hat, der er seine meiste Zeit widmete.
Die Geschichte Eatharina's IL war in der Darstellung
Eerrmann's ein wichtiges Novum nicht nur für Bussland, wo
die Zeit Eatharina's bis heute eine verbotene Epoche ist,
sondern auch für Europa, wo sie als erste vollständige Ge-
schichte der grossen Eatbarina, die auf dem breiten Studium
archivalischen Materials beruhte, erschien. Der Verfasser
hatte die diplomatischen Depeschen vorzugsweise der sächsischen,
preussischen und englischen Besidenten in Petersburg und
Warschau benutzt, sowie persönlich in den Archiven von
Dresden, Berlin und London ganze Bände allermöglicher Be-
richte durchgelesen und die nothwendigen Auszüge gemacht*).
Hier las das europäische Publicum zum ersten Male eine
ausführliche Geschichte, in der fast jedes Wort durch ein
Gitat aus einem zeitgenössischen Documente belegt war; es
schien, als ob nicht der Verfasser die Personen charakterisirte
und die Ereignisse schilderte, sondern als ob die Zeitgenossen
selbst, die zum grössten Theile die Geschichte gemacht hatten,
aus den Gräbern erstanden wären und Alles bezeugten, was
sie gewirkt, gesehen und gehört hatten. Die Darstellung er-
*) Im Jahre 1887 kaufte der Bedacteur des ,,BassiBchen Altertbums",
M. J. Ssemewsky, von der Wittwe Hemnann's alle archivalischen Ans-
zfige desselben, die sich auf die GTeschichte Russlands bezogen, und stellte
sie uns zur VerfElgung. Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit ge-
habt, uns mit den vorbereitenden Arbeiten Herrmann's für seine „Q«-
schichte des Russischen Staates'^ bekannt zu machen.
- 367 -
hielt hierdurch ein lebendiges Gepräge und machte einen starken
Eindruck, besonders in Bussland, wo das Werk Herrmann's
noch dazu verboten wurde. Gerade deshalb wurde es bei uns
gierig gelesen und auf Treu und Glauben hingenommen. Und
eine Prüfung war ja auch unmöglich: die rusischen Archive
waren alle verschlossen, und die Benutzung der ausländischen
Archive konnte keinen Zweck mehr haben. Herrmann galt
bei uns für einen derartigen Kenner der russischen Geschichte,
dass unsere Academie der Wissenschaften ihn aufforderte, eine
Kritik über das Werk N. J. Kostomarow's: „Die letzten Jahre
der Retsche Pospolita", zu schreiben: sie hielt ihn für einen
„erfahrenen Kritiker", der fähig sei, „auf dem Standpunkte
der zeitgenössischen Wissenschaft" zu stehen. Und die
Russische Historische Gesellschaft übertrug ihm die Herausgabe
von Documenten aus dem Berliner Archive und druckte sein
Vorwort, als wichtige Abhandlung, sowohl in deutscher als auch
in russischer Sprache mit Ehrfurcht ab (Sammlung, III, 817).
„Der deutsche Geschichtsschreiber Russlands" (Ikonnikow,
Bibliographie, 356) wird bis heute als Autorität anerkannt,
besonders flir die russische Geschichte des XVIII. Jahrhunderts.
Sein Werk wurde übrigens, weil es verboten war, keiner ernsten
Kritik unterzogen. Im Jahre 1874 sprach es zwar D. J. Ilo-
waiskij aus, dass Herrmann „sich als Historiker durch den
Mangel an litterarisohen und kritischen Talenten aus-
zeichne", und dass seine russische Geschichte „in schwer-
fälliger und nachlässiger Sprache geschrieben sei und weder
Tiefe der Anschauungen, noch das Vermögen, ihre mitunter
sehr trüben Quellen nach ihrem Werthe zu schätzen, offenbare"
(Russ. Alterthum, IX, 794); aber diese Hinweise, die aus rein
persönlichen Motiven ausgesprochen und durch nichts bekräftigt
waren, konnten die Autorität Herrmann's nicht erschüttern:
Er schreibt der Academie der Wissenschaften eine Kritik
über das Werk Kostomarow's, das hauptsächlich nach pol-
— 368 -
nischen Quellen verfksst war, ohne die polnische Sprache zu
kennen, und — die Academie verwendet diese Kritik als
Grundlage fiir ihr Urtheil; er verunstaltet die Depeschen des
Berliner Archivs, und die Russische Historische Gesellschaft
druckt das ab, was Hemnann ihr zuzusenden beliebte!*)
Die Geschichte Katharina's II. ist von Herrmann nur bis
Anfang 1792 fortgeführt und nach einem ganz besonderen,
eigenartigen Plane verfasst worden, der die Richtung und die
Tendenz des Verfassers vollkommen offenkundig darthut. Die
ganze Geschichte von 1762 bis 1791 ist in 11 Theile getheilt^
wobei jeder Theil wiederum in einige Capitel zerfallt Die
ersten vier Theile sind im Y. Baude enthalten und die übrigen
sieben im VI. Bande. Eine ausführliche Zusammenstellung
dieser Theile und Capitel ist uns sehr interessant:
Erster Theil: „Die Regierung der Kaiserin Katharina 11 von
ihrer Thronbesteigung bis zur Krönung des Königs von Polen,
Stanislaus August Poniatowski, Juli 1762" (V, 308—380); er
zerfällt in drei Capitel: 1. „Katharina's Charakter" (308),
2. „Katharina's Verhalten im Inneren ihres Reiches" (320) und
3. „Kurland und Polen bis zur Krönung Stanislaus Angust'8"(344),
*) Da wir in denflelben Archiven gearbeitet haben, die auch Herr-
mann benutzt hat, sind wir wiederholt in der Lage gewesen, uns zu
überzeugen, dass er bei der Lectfire diplomatischer Papiere für seine
russische Geschichte immer nur Deutschland, nicht aber Russland im
Auge gehabt hat. So ist z. B. eine Depesche Sohns' vom 17./28. April
1764 (Berliner Archiv, P. S. & la döpSche No. 123, en chiffires) von ihm
nicht ganz abgeschrieben worden, und er hat an die Russische Historische
Gesellschaft nur den Schluss derselben gesandt (Sammlung, XXII, 247);
indess, gerade der Anfang der Depesche ist ausserordentlich wichtig,
aber er behandelt eine rein innere Frage, „die Hetman-Angelegenheit",
und den Augenblick, als „der Name der Hetmane auf ewig erlosch"
(Russ. Archiv, 1863, 184, 527). Diesen Anfang der Depesche haben wir
im 2. Bande unserer „Geschichte Katharina's der Zweiten*' herausgegeben.
Derartiger Beispiele giebt es bedauerlicherweise nicht wenig, und in
dieser Beziehung kann der ,,Sammlung etc." nicht Vertrauen geschenkt
werden.
— 369 —
Zweiter Theil: „Russische Herrschaft in Polen von der
Krönung Stanislaus August's bis zum Vollzug der ersten
Theilung, December 1764 bis April 1775" (380—555); er be-
steht aus folgenden vier Capiteln: 1. „Polen unter der Ge-
sandtschaft Repnin's" (380), 2. „Polen von der Abberufung
Repnin's bis zur Abberufung Wolkonski's" (461), 3. „Polen
unter Saldem's Gesandtschaft" (489) und 4. „Verhandlungen
der drei Mächte über die Theilung Polens" (519).
Dritter Theil: „Der türkische Krieg, 1768—1774" (597
bis 646); er ist nicht in Capitel getheilt, aber alle fünf Feld-
züge werden einzeln dargestellt.
Vierter Theü: „Innere Vorgänge, 1765—1775", (647 bis
691); hier ist die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf „Das
Ende Joan's VI, Juli 1764" (647) gerichtet.
Fünfter Theil: „Beziehungen Busslands zum bairischen
Elrbfolgekrieg und zu den deutschen Grossmächten" (VI, 1 — 35).
Sechster Theil: er führt keine besondere Benennung
(36 — 103) und besteht aus folgenden vier Capiteln: 1. „Die
Eroberung der Krim" (36) 2. „Der Kaukasus. Persien und
Georgien" (69), 3. „EJngland und die bewaffnete Seeneutralität"
(82) und 4. „Der deutsche Fürstenbund" (91).
Siebenter Theil: „Polen seit dem Theilungsreichstag bis
zum constituirenden Reichstag vom Jahre 1788" (104 — 146);
er ist nicht in Capitel eingetheilt.
Achter Theil: er führt keine besondere Benennung (147
bis 277) und zerfallt in folgende sechs Capitel: 1. „Russich-
österreichisch-türkische Kriegsangelegenheiten bis zum Jahre
1788" (147), 2. „Der russisch-schwedische Krieg im Jahre
1788" (180), 3. „Preussen's Politik nach dem Tode Friedrich's
des Grossen" (199), 4. „Polen vor dem constituirenden Reichs-
tag im Jahre 1788 und während desselben bis zum Congress
in Reichenbach" (213), 5. „Der türkische Krieg im Jahre 1789"
(255), und 6. „Der schwedische Krieg im Jahre 1789" (268).
BilbasBoff, Katharina n. 24
— 370
Neunter Theil: er hat keine besondere Benennung (278
bis 325) und besteht aus zwei Theilen: 1. y,Der reichenbacher
Congress" (278) und 2. „Schweden bis zum Frieden von
Werelä" (314).
Zehnter Theil: „Polen vom reichenbacher Congress bis
zum Frieden von Jassy" (326—387), ohne Eintheilung in
Capital, und
Eilfter Theil: „Die Politik der grossen Höfe im Jahre 1791"
(388 — 448), gleichfalls ohne Eintheilung in Gapitel.
Aus dieser Inhaltsübersicht ergeben sich folgende Schluss-
folgerungen: Die Geschichte Russlands während der Regierungs-
zeit Eatharina's 11. nimmt 800 Seiten ein; von diesen sind
Polen 315, den europäischen Staaten, vornehmlich Preussen
und Oesterreich, 210, den beiden Türkenkriegen und dem einen
Kriege mit Schweden 200 Seiten gewidmet; es entfallen also
auf Russland allein nur — 75 Seiten! Das ist keine Geschichte
Russlands, sondern eine Darstellung der historischen Ereignisse
an der Ostgrenze Europas, eine „osteuropäische Geschichte"
(II, Vorrede), und zwar eine Darstellung hauptsächlich solcher
Ereignisse, an denen diese oder jene westeuropäische Macht be-
theiligt gewesen ist. Dieselbe Richtung kann man auch in der
Darstellung jedes einzelnen Theiles verfolgen; so hatte z. B. von
den beiden Türkenkriegen der erste unvergleichlich mehr Be-
deutung für Russland, als der zweite, und Herrmann selbst
misst dem Frieden von Eutschuk-Eainardshi (V, 646), obgleich
derselbe nach seiner Meinung ein „verhängnissvoller'' gewesen
(VI, 2), eine ungeheuere Bedeutung bei; trotzdem aber stellt
er den ersten Türkenkrieg unvergleichlich kürzer dar: er be-
handelt ihn auf im Ganzen 40 Seiten, während bei der Er-
zählung des zweiten Krieges allein auf die Jahre 1788 und
1789 bereits 43 Seiten entfallen, und zwar einzig und allein
deshalb, weil an diesem zweiten Türkenkriege auch Oesterreich
theilnahm. Genau so charakteristisch ist die Behandlung, die
— 371 —
der Verfasser den rein inneren russischen Fragen angedeihen
lässt: der Commission zur Abfassung des Projects eines Neuen
Gesetzbuches und der „Verordnung" sind ebensoviel Seiten
— 4 Seiten (V, 660 — 664) — gewidmet, wie der berüchtigten
Intrigue der Ugrjumow (VI, 137—141) gegen den polnischen
König (Russ. Alterthum, XI, 558); die Säcularisation wird
kaum erwähnt (V, 328), von dem Erlasse über die Gubernien
ist überhaupt nicht die Rede, und den ausländischen Kolonisten
sind drei Seiten zugestanden (V, 332 — 335), wobei der Ver-
fasser die ausserordentliche Armuth der Deutschen verschweigt,
von denen „Hunderte und Tausende nach Russland strömten",
und sich beeilt, als Hauptverdienst der Kolonisten „die Ver-
breitung des KartoflFelbaus" herauszustreichen (V, 335). Im
Vorwort zum VI. Bande der „Geschichte des Russischen
Staates" wird direct gesagt: „Das vorliegende Buch enthält
aus dem Gesichtspunkt der auswärtigen Machtbeziehungen
Russlands siebenzehn Jahre europäischer Geschichte".
Solchergestalt ist der Plan der „Geschichte des Russischen
Staates" von Herrmann; noch interessanter sind die allgemeinen
Gesichtspunkte und Urtheile desselben, in denen sich die
Grundtendenz des Verfassers oflFenbart.
Herrmann schrieb nicht nur eine Russische Geschichte,
sondern er schrieb sie auch zu dem Zwecke, um den Russen
Vernunft beizubringen. Das russische Volk sei ein rohes
Volk (III, 713; V, 315), es sei unsittlich (V, 336) und verstehe
die Freiheit nicht (III, 712) — kurz „eine Nation, die mit
orientalisch-slavischer Naturanlage einer anderen Verfassung
als der despotischen nicht fähig ist". Der Verfasser variirt
diesen letzteren Satz in verschiedener Weise und kehrt mehrere
Male zum Beweise zurück, dass in Russland eine andere Re-
gierungsform, als die despotische, gar nicht möglich sei (III,
712; V, 312, 314 flF.). Herrmann begreift das üebel des
Despotismus sehr gut — : „in einer auf Gewalt begründeten
24»
— 372 —
Herrschaft sind so wenig auf dem Throne wie in der Hütte
die Ruhe und der Friede der Gerechtigkeit zu finden" (V, 647);
er lasse alle Grausamkeiten zu, ,,so lange und so oft in einem
Staate die dämonischen, der sittlichen und intellektuellen Be-
stimmung des Menschen spottenden Mächte die Oberhand
haben" (V, 655). Der Verfasser weiss, dass der Despotismus
auf der Willkür, dem Haupthemmschuh der geistigen und
wirthschaftlichen Entwickelung, begründet ist ; er ist also selbst
gegen den Despotismus, aber er empfiehlt ihn ßussland an-
gelegentlichst: „Mit unseren Begriffen von Recht und Ge-
rechtigkeit fällt es uns schwer die despotischen Regierungs-
form der Russen gut zu heissen, und dennoch können wir
nicht sagen, dass sie nicht dem Genius der russischen Nation
angemessen sei" (in, 713); „die russische Nation bedurfte im
eigentlichsten Sinne der Selbstherrschaft des Monarchen" (IV,
218;) „Russland befand sich noch immer in der Verfassung
einer unvermeidlichen Despotie" (V, 312). Eine derartige
Ansicht zu widerlegen ist unmöglich. Da Herrmann die Russen
für eine niedere Nation hält, so definirt er das historische
Schicksal Russlands folgendermaassen: „Es giebt der Völker
viele, die, nicht im Stande, aus ihrer beschränkten Natonali-
tät und Sprache heraus sich zu einem geläuterten Welt- und
Gottbewusstsein zu erheben, im Lauf der Zeiten sämmtlich
in den Völkern, welche die Träger der Urideen der Mensch-
heit geworden sind, aufgingen, von ihnen unterjocht und unter
ihnen verschwunden sind, und auch die Nation der Russen
sträubt sich hartnäckig, dem Geist der Wahrheit und Erkennt-
niss, dem Geiste selbst über ihre roh sinnliche Natur die
Herrschaft einzuräumen, aber dennoch ist sie, sollen wir sagen
durch die Gunst oder Ungunst? ihres heimathlichen Bodens
geschützt, von den gebildeteren Völkern des Westens nicht
bleibend unterjocht und nicht zerstückelt worden, vielmehr hat
sie, wiewohl selbst der Bildung widerstrebend, indem sie die
— 373 —
Erfahrungen nnd Kenntnisse des Auslandes, Yomehmlich der
Deutschen, benutzte, und sie in ihren Dienst nahm, über die
ihr an politischer Gewandtheit untergeordneten Völker des
Ostens ein grosses Weltreich auszubreiten unternommen'^ (DI,
713). Alle Ekfolge hat Russland den Deutschen, in jedem
Falle aber Nichtrussen zu verdanken: „Wie Peter I. hauptsäch-
lich auf die Mitwirkung auserwählter Ausländer sich stützte, so
musste auch Katharina II. noch bei den bedeutendsten von ihr aus-
gehenden Unternehmungen wesentlich den Beistand dienstbarer
Ausländer oder eingeborener Nichtrussen in Anspruch nehmen"
(V, 313). Für den „deutschen Geschichtsschreiber ßusslands"
sind Eayserling, Stackeiberg und Sievers natürlich wichtiger als
Rumjanzow, Potjemkin und Ssuworow; aber die Gerechtigkeit
erfordert, darauf hinzuweisen, dass Hermann den „Ausländer^'
Saldem nach Gebühr als Henker gewürdigt hat (V, 387, 495).
Eine allgemeine Charakteristik Eatharina's giebt der Ver-
fasser nicht, und das Capitel „Katharina's Charakter^' (308)
ist ihren ersten Schritten zur Thronbesteigung gewidmet.
Urtheile über die Persönlichkeit der Kaiserin sind im ganzen
Werke verstreut (V, 242, 281, 308, 314, 340, 652, 657, 664);
wenn man sie sammelt und zusammenstellt, so erhält man
ein ausserordentlich dunkeles Bild. In ßussland darf es nichts
Gutes geben: Katharina, die „kluge'' Deutsche, hat sich, nach-
dem sie Kaiserin von ßussland geworden, beinahe in ein un-
geheuer verwandelt! „Das Gesetz ihrer Moral war kein anderes,
als das, was sie wollte, so anzugreifen, dass sie es erreichte.
Der Zweck ihrer Absichten rechtfertigte in ihren Augen die
Mittel. Zum Herrschen war sie geboren" (308). „Für sie
gab es kein Laster und kein Verbrechen, das sie nicht ihrer
Herrschsucht dienstbar machte" (281). „Ihr unternehmender
Charakter bekam schon früh jene Falschheit und Unwahrheit,
die statt des Wesens der Dinge den Cultus des Scheins zum
Idol macht" (656). „Der alte Spruch: vulgus vult decipi,
— 374 —
ergo decipiatur, schien für sie erfunden zu sein" (657), u. s. w.
Wir wollen nur ein Beispiel dafiir anführen, wie der Verfasser
jeden Schritt Katharina's schwarz färbt; im Jahre 1787 „liess
Katharina grossmüthig den Bewohnern des schwedischen Fin-
lands zur Linderung der Hungersnoth aus den wiborgischen
Getreidemagazinen bedeutende Unterstützungen zukommen",
und sogar diese „hochherzige" Handlung wird von Herrmann
nur zum Beweise dafür angeführt, dass Katharina „nicht säumte,
selbst das gemeine Volk durch Wohlthaten zu bestechen"
(VI, 186). Mit dem Wunsche, Katharina als „Ungeheuer" dar-
zustellen, wiederholt der Verfasser wissentlich lügenhafte Nach-
richten: er erzählt, Katharina habe am 6. Juli 1762 „Gesell-
schaft bei sich gehabt und war in Erzählung einer unterhalten-
den Anekdote begriffen", als Alexei Orlow aus Ropscha heran-
gesprengt kam; sie hörte die Nachricht vom Tode Peter*s III. an
und entschloss sich, diese Nachricht bis zum Morgen zu verheim-
lichen; „hierauf kehrte Katharina zu der Gesellschaft zurück
und fuhr im Erzählen ihrer Geschichte mit Gleichgültigkeit
da fort, wo sie beim Herausgehen stehen geblieben war" (V,
806). In dem gegebenen Falle misstraut Herrmann sogar
Friedrich II., der schrieb: „rimperatrice apprit ce fait avec
un d^sespoir qui n'6tait pas feint" (Oeuvres posthumes, X,
806), und zieht es vor, die Worte Helbig's (Biographie, 11,
170) zu wiederholen, der gar keine Möglichkeit hatte, der-
artige Einzelheiten zu wissen, was einem fachmännischen Histo-
riker bekannt sein musste. Heibig wusste nicht einmal, wer
mit dieser Nachricht aus Ropscha angekommen war! Herr-
mann glaubt jeden Unsinn, der Katharina anschwärzen kann:
in einem Briefe an Ssuworow vom 30. Juni 1762 befiehlt
Katharina, Peter III. Alles zu schicken, was er sich erbitten
sollte (Sammig., VII, 107), aber Herrmann sagt, wieder nach
Heibig: „mit brutaler Härte und mit Spott schlug man sein
Gesuch ab" (V, 302).
— 375 —
Alle derartigen Abgeschmacktheiten aufzuzählen, ist un-
möglich — : es giebt ihrer allzu viele. Wir machen nur als
Beispiel auf das Gapitel y,Das Ende Joan*s VI/' aufmerksam,
wo auf sechs Seiten (V, 648 — 654) eine ganze Reihe un-
sinniger Nachrichten aus Quellen zusammengestellt sind, die
kein Vertrauen verdienen. Dies erklärt sich hauptsächlich
durch das System, nach welchem der Verfasser seine Quellen
benutzt und das ihn der Möglichkeit beraubt hat, die strengen
Gepflogenheiten der historischen Kritik in erforderlichem
Maasse anzuwenden. Wegen der Wichtigkeit dieser Beschul-
digung, besonders aber weil man dieses System auf russischen
Boden verpflanzt hat, halten wir es für geboten, eine genaue
Begründung dieses unseres Urtheils zu geben:
Bereits die im Jahre 1836 erschienenen beiden ersten
Bände von ßaumer*s: „Beiträgen zur neueren Geschichte'^
(No. 975) hatten wegen ihrer „Aus dem Britischen Museum
und Reichsarchiv'' geschöpften Nachrichten die Aufmerksamkeit
auf sich gelenkt; der erste Band machte keinen besonderen
Eindruck, da er „den Königinnen Elisabeth und Maria
Stuart" gewidmet war, aber der zweite Band — „Friedrich IL
und seine Zeit" — wurde in ganz Deutschland mit Begeisterung
gelesen; drei Jahre später, 1839, kamen drei neue Bände
dieser „Beiträge" heraus, die die „Geschichte Europa's vom
Ende des Siebenjährigen bis zum Ende des Amerikanischen
Krieges (1763—1783)" behandelten und „nach den Quellen
im britischen und französischen Reichsarchive" bearbeitet
waren. Diese drei Bände verbreiteten ein neues Licht über
die den Deutschen Iheuere Epoche Friedrich's H., als ob sie
einen neuen Quell historischer Kenntnisse erschlossen hätten.
Man begann dem Studium diplomatischer Depeschen in den
Archiven besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Gerade da-
mals, im Jahre 1839, ging die Abfassung der „Geschichte des
Russischen Staates" von Strahl auf Herrmann über, und
— 376 —
dieser wandte sich der Leetüre von Depeschen in den Archiven
zu. Er las sie gewissenhaft und schrieb sich Alles, was er zu
verwenden gedachte, ab — zuweilen in der Sprache des
Originals, öfter in deutscher Uebertragung; aber niemals hat
er die ganze Depesche vollinhaltlich abgeschrieben, er schied
vielmehr alles das aus, was er f&r die Eingebung eines augen-
blicklichen Eindruckes hielt oder was er als „persönliche
Kleinigkeiten'^ erkannt zu haben glaubte. So las er über die
Epoche Katharina's alle Bände der Berichte Sacken's, Goltz's,
Harris', Withworth's und Fitz-Herbert's aus Petersburg und
Essen' s, Hailes', Goltz's und Patz's aus Warschau durch, ohne
die Berichte aus Berlin, Wien und Stockholm mit zu zählen;
dabei arbeitete er jahrelang in den Archiven von Dresden,
Berlin und London, und nahm ganze Bände von Auszügen
mit nach Hause. Indess, bei der Benutzung einer Depesche
muss man nicht nur die gegenseitigen Beziehungen der beiden
in Frage kommenden Staaten, sondern auch die persönliche
Stellung des Diplomaten am Hofe und seine Stellungnahme zu
der in der Depesche berührten Frage in Betracht ziehen.
Als Hemnann daran ging, eine Geschichte des Russischen
Staates nicht nach den Depeschen, sondern nur nach Aus-
zügen aus denselben, die von „persönlichen Kleinigkeiten'' ge-
säubert waren, zu schreiben, war er der Möglichkeit beraubt,
jede Mittheilung kritisch zu behandeln — : er liess sich nur
durch die Angabe der ofQciellen Beziehung des Verfassers der
Depesche, als Vertreters einer bestimmten Grossmacht, zum
russischen Hofe leiten. Durch das System der „Auszüge" hat
Herrmann die Anwendbarkeit der historischen Kritik an eine
so wichtige, aber gefährliche Quelle, wie die diplomatischen
Depeschen es sind, bedeutend eingeschränkt. Allem, das er
ausgeschrieben hat, vertraut er bedingungslos und benutzt
seine Auszüge kühn, auch wenn sie den Grundsätzen, die er
ftusgesprocben hat, widersprochen hab^n würden. Sacken be-
— 377 —
richtet z. B. aus Petersburg am 5. Juli 1764: „Wenn die
Jugend und die Leute mittleren Alters eine republikanische
Begierung oder eine wenigstens monarchische einzuführen
¥ruuschen, so sind dagegen die Alten, welche die bedeutendsten
Stellen im Staate bekleiden, so sehr für den Despotismus ein-
genommen, dass sie glauben, dieses weite Reich müsse zer-
fallen, sobald seine gegenwärtige ßegierungsform so weit ver-
ändert würde, dass sie sich der schwedischen, englischen oder
polnischen annäherte. Die Kaiserin versteht es, von einer
solchen Gesinnung für ihre Sicherheit und für das Erreichen
ihrer Absichten allen möglichen Vortheil zu ziehen'* (V, 566).
Das ist der Ansicht Herrmann's direct entgegengesetzt, dass
das russische Volk „das Streben und den inneren Drang
nicht kennt, das Gesetz der Freiheit selbst zu finden'^ (11,
712), und dass die Preussen Friedrich's 11. mehr als ihre
russischen Zeitgenossen zu einer vernünftigen Begierungsform
gestrebt hätten (V, 312). Nichtsdestoweniger verschweigt
Herrmann die Bestrebungen, den Despotismus zu beseitigen,
und zieht die nachfolgende Schlusstolgerung: „Katharina be-
obachtete die Politik, die jugendlichere Keckheit der Jüngeren
durch den bedächtigeren Egoismus älterer Männer im Zaume
zu halten" (V, 339). In Wirklichkeit ist der angeführte Aus-
zug im Munde Sacken' s, der die englische Begierungsform mit
der schwedischen und polnischen verwechselt, nichts weiter
als eine leere Phrase, die genau so auf Sachsen und Preussen,
wie auf Bussland, und nicht bloss im Jahre 1764, angewandt
werden könnte. Wenn Herrmann Auszüge aus den Depeschen
gemacht hatte, so glaubte er bedingungslos Alles, was der
Diplomat mittheilte, und er konnte ihm auch gar nicht miss-
trauen, da ihm die Umstände unbekannt waren, unter welchen
die Nachricht geschrieben worden, und er sich selbst der
Mittel beraubt hatte, derartige Mittheilungen kritisch zu
untersuchen. Hatte N. J. Panin den Diplomaten zur Con-
— 378 —
ferenz empfangen, and hatte Katbarina ihm ein freundliches
Wort bei der Hofcour gesagt — so ward die Depesche in
rosigem Lichte gehalten; hatte aber A. J. Ostermann den
Diplomaten nicht zum Diner eingeladen, und hatte Katharina
ihm lange keine Audienz gewährt — so ward Alles grau in
grau gemalt. Und gerade diese „persönlichen Kleinigkeiten"
sind bei den Auszügen in Wegfall gekommen. Selbst die
Auswahl der Auszüge ist mit Rücksicht auf den Zweck und die
Stimmung der Person geschehen, die den Auszug macht; so hat
Herrmann z. B. aus einer Depesche des Grafen Solms die
Nachrichten über die „Hetman- Angelegenheit", wie wir oben
bereits angegeben haben, nicht ausgeschrieben. Und dieses
unwissenschaftliche , ^System der Auszüge" hat neuerdings
unsere Rassische Historische Gesellschaft sich angeeignet, in-
dem sie Depeschen im Auszuge abdruckt, so dass ein ernster
Gelehrter ihnen kein Vertrauen schenken kann und sich ver-
pflichtet fühlen muss, sich wie früher an die Archive selbst
zu wenden — sowohl wegen der Kritik der Depeschen selbst,
als auch zur ControUe, ob nicht irgend etwas Wichtiges, wie
die „Hetman-Angelegenheit*', weggelassen sei. Die Historische
Gesellschaft, die grosse Mittel auf eine Uebersetzung, die
Niemand braucht, und auf deren Dracklegung verwendet, hat
sich natürlich nicht durch materielle Berechnungen leiten
lassen, als sie das System der Auszüge und Ausschreibungen
statt des Abdrucks vollständiger Documente in Anwendung
gebracht hat; ihre Mitglieder und Mitarbeiter erkennen ein-
fach die Bedingungen einer gelehrten historischen Arbeit
nicht an.
Das vorzugsweise auf diplomatische Depeschen basirte
Werk Herrmann's hatte viele neue Ansichten und neue
Einzelheiten gebracht, aber eine „Geschichte des Russischen
Staates" während der Regierung Katharina's II. hat es uns
nicht geschenkt. Nach dem vom Verfasser ausfuhrlich darge-
— 379 —
legten Plane hat er dies auch gurnicht beabsichtigt. Soweit
wenigstens die Zeit Katharina's in Frage kommt, hat Herr-
mann sich nicht einmal Mühe gegeben, sich mit der Litteratur
der Frage bekannt zu machen. Er führt z. B. Urtheile über
die russische Armee aus Depeschen von Heibig und Keller
an (VI, 155, 157), aber das Werk von Snell: „Briefe über das
russische Kriegswesen" (No. 595), das in Leipzig im Jahre
1790 erschienen ist, ist ihm gar nicht bekannt. Er erzählt
die taurische Reise nach den Depeschen Sacken's (VI, 149),
der an der Beise nicht Theil nahm, und kennt nicht eine
einzige der von uns in dieser Uebersicht der Quellen zur Ge-
schichte Katharina's angeführten Eeisebeschreibungen (No. 824)
u. s. w. Es versteht sich freilich von selbst, dass das Ge-
mälde, für welches die Farben aus den Depeschen der Resi-
denten genommen sind, ausserordentlich düster erscheint; und
da Herrmann wahrscheinlich dieses Colorit nicht verderben
wollte, hat er aus anderen Quellen nur die düsteren Töne
ausgewählt. Er weiss es sehr gut, dass Dohm (No. 905) nie-
mals in Russland gewesen ist, dass er Russland nicht kannte
und Katharina hasste; nichtsdestoweniger aber zeichnet Herr-
mann das Russiand vom Jahre 1780 gerade nach Dohm
(I, 421): „Der Zustand der Armee hatte seit dem letzten
Türkenkrieg unter der eben so sorglosen als despotischen
Leitung des Fürsten Potemkin sich um nichts verbessert.
Die grenzenlose Verschwendung des Hofes machte alle Ord-
nung in den Finanzen unmöglich. Bei schimmernder Pracht
fehlte oft in den Kassen das Geld zu den dringendsten Be-
dürfnissen. Die ungeheuere moralische Verderbtheit Der-
jenigen, welchen die meiste Gewalt anvertraut war, liess keine
wahre Fürsorge fiir das Wohl der ünterthanen zu. An red-
lichen Eifer und an Gewissenhaftigkeit in der Verwaltung der
Geschäfte, an gute Rechtspflege, an nachhaltige Förderung
von Fleiss und Wohlstand war nicht zu denken. Jeder suchte
— 380 —
nur durch Unterdrückung derer, die unter ihm waren, die
Mittel zu erwerben, um die geneigt zu machen, die über ihm
standen" (VI, 29).
Besonders ausführlich, Yomehmlich nach den Depeschen
Essen's, sind die polnischen Angelegenheiten behandelt (Beer,
I, lY). Bei der Behandlung der polnischen Frage war der
Verfasser auf's Aeusserste beengt: gleichzeitig und gemeinsam
mit Bussland traten hier zwei deutsche Mächte, Oesterreich
und Preussen, in Action. Bussland ist natürlich der schuldige
Theil (V, 356, 360, 361, 383, 463), aber wie durfte man es
anklagen, da auch Preussen an derselben Schuld betheiligt war?!
Daher kommt in diesem Abschnitte die unklare und unent-
schiedene Sprache (V, 320), sowie der rein äsopische Stil, in
dem sogar „das Naturgesetz der Staatenphysiologie" (V, 357)
eine Bolle spielt: „Es ist viel leichter, eine solche Politik
schlechtweg zu verdammen, als zu sagen, ob es denn auch
wohl nach dem natürlichen Lauf menschlicher Dinge, nach
dem auch den einzelnen Staaten so gut wie dem einzelnen
Menschen vorgezeichneten Lebensgesetz und nach der beson-
deren Beschaffenheit der Verhältnisse, in denen damals Polen
den übrigen europäischen Staaten gegenüber sich befand,
anders hätte kommen können" (V, 356). Die Willkür Preussens
und Oesterreichs wird durch folgendes staatlich -politische
Eäsonnement erklärt: „Nur in den seltensten Fällen werden
Staaten, die so tief gesunken sind, dass sie ihre äussere Un-
abhängigkeit nicht mehr der eigenen Tüchtigkeit, sondern im
wesentlichen nur den schwankenden Bücksichten ihrer mäch-
tigeren Nachbarn verdanken, sich lange in ihrem so eben noch
geduldeten Bestand erhalten können. Vielmehr werden die
Staaten, welche das nächste Interesse haben, einen andern
hülflosen Staat nicht die Beute eines dritten werden zu lassen,
den Kraftaufwand, ihn zu erhalten und zu schützen, nur so
lange tragen wollen, als er die Hoffnung giebt, sich selbst
— 381 —
wiederherzustellen; sie werden ihn aufgeben und einen Ver-
gleich mit seinen Gegnern eingehen, sobald diese Hoffnung
sich als trügerisch erweist; sie werden nicht leicht auf die
Dauer der verführerischen Gelegenheit zur eigenen Machtver-
grösserung zu widerstehn vermögen" (VI, 2). Der Verfasser
gesteht dabei zu, „dass keine andere unter allen christlichen
und zu den civilisirten gerechneten Nationen ihr eigenes Un-
glück in so reichem Maasse selbst verschuldet hat, als eben
die polnische" (V, 357), und dass die polnischen Magnaten
„durch ihre Selbstsucht, ihr sittenloses Leben und ihre despo-
tische Willkür die Hauptschuld an dem Unglück und dem
Untergang ihres Vaterlandes trugen" (V, 501). Obgleich der
VerfEksser unter dem Namen der Dissidenten nur die „nicht
unirten Unterthanen griechischer Religion" (V, 383) versteht,
giebt er doch zu, dass die Dissidenten „ein natürliches Recht
hatten ihre politische Gleichstellung mit den Katholiken zu
verlangen" (V, 411). Von allen polnischen Fragen ist vom
Verfasser die Frage von der Constitution des 3. Mai 1791
am nachlässigsten bearbeitet worden, wobei Russland kaam
erwähnt wird (VI, 385). Die Charakteristik Stanislaus August's
als Königs von Polen und seine Beziehungen zu Katharina
sind vom Verfasser sehr ausführlich und ziemlich gerecht dar-
gestellt (V, 399, 420, 429, 471, 491, 527).
In den türkischen Angelegenheiten hat Herrmann den
Sinn der beiden russisch-türkischen Kriege gar nicht begriffen,
obgleich er die Bedeutung des Friedens von Kutschuk-Kai-
nardshi richtig gewürdigt hat: „Die Bedingungen des Friedens
von Kainardsche sind die Breschen im morschen Mauerwerk
des ottomanischen Staatenbaues, durch die Russland sich den
Eingang zu seiner stetigen Schrittes vordrängenden, erst mittel-
baren und jetzt, nach Verlauf von fast drei Vierteljahrhun-
derten immer unmittelbarer werdenden Herrschaft im Innern
dieses nur noch durch den Neid und die Eifersucht der euro-
— 382 —
päischen Diplomatie sein Leben fristenden Reiches eroberte"
(V; 646). Herrmann hat überhaupt die ^^orientalischen Pläne"
Katharina's nicht verstanden (VI, 56, 66) und da, wo er von
der Krim spricht, ganz umsonst den Tataren 9 Seiten (VI,
40 — 49) aus Peyssonel: „Trait6 sur le commerce de la mer
noire", gewidmet. Nach der Meinung des Verfassers hatte
Katharina keine Mittel fiir den zweiten Türkenkrieg; „allein
Katharina und Potemkin vertrauten auf ihr gutes Glück, weil
sie wussten, dass sie es mit keinem anderen Feind zu thun
hatten, als mit dem Türken; beide vertrauten auf ihr gutes
Glück, weil sie die eigenen ünterthanen, die der Günstling
mit seiner Gebieterin beherrschte, so wenig wie den Feind zu
schonen entschlossen waren" (VI, 164). Herrmann hielt es
sogar nicht für nöthig, den zweiten Türkenkrieg zu schildern,
und fand, dass es wichtiger wäre, die „durch diesen Krieg ver-
änderten Beziehungen der übrigen europäischen Staaten zu
Russland" zu erklären (VI, 171).
Den Beziehungen Russlands zu den europäischen Staaten,
besonders zu den deutschen, ist vom Verfasser eine grosse Be-
deutung beigelegt. Als Vorwand hierfür dienen die bayrische
Erbfolge- Frage (VI, 5, 18), der Aufenthalt des Prinzen von
Preussen in Petersburg (32), die „bewaflFnete Neutralität" (87)
und der „Deutsche Fürstenbund" (90). Bei der Behandlung
aller dieser Fragen erscheint Herrmann als eifriger Preusse.
Hier ist sein Urtheil über Joseph II. : „Sein Hauptfehler war,
dass er nie zu beurtheilen verstand, was wirklich zu erreichen
möglich sei, und so bewirkte er denn im Reiche im Grunde
nichts, als dass in kurzem alle Reichsstände, denen das öster-
reichische Wesen zuwider war, die eine österreichische Herr-
schaft in Deutschland nicht dulden wollten, in ihm, dem
Kaiser, den ärgsten Reichsfeind, den gefährlichsten Verfolger
und Verächter ihrer Sonderrechte zu erblicken glaubten" (VI, 4).
Herrmann verheimlicht es nicht, dass gerade Friedrich II.
— 383 —
durch seine „bedenklichen Bathschläge^' (VI, 22) Bussland
einen gewissen Einfluss auf die deutschen Angelegenheiten
eingeräumt habe, und widerspricht sich selbst, wenn er ver-
sichert, dass Friedrich nach der ersten Theilung Polens be-
strebt gewesen sei, „Russlands weiterem Vordringen und der
wirklichen Vermehrung seiner Macht einen Biegel vorzu-
schieben" (VI, 27). Herrmann ist so sehr Preusse, dass er
sich ganz naiv über den Misserfolg des Prinzen von Preussen
in Petersburg wundert (VI, 32). Bei der Schilderung des
schwedischen Krieges beschuldigt der Verfasser Katharina
ganz entschieden der Anstiftung des Bundes von Anjala (VI,
190, 195), aber Beweise für diese seine Anschuldigung bringt
er nicht bei. Ebenso beweislos ist „die Herstellung eines
griechischen Kaiserreiches^' als „Lieblingsplan" Katharina's
erwähnt (VI, 32); über Kurland bringt Herrmann kaum einige
Zeüen (V, 344).
Am allerschwächsten sind die inneren Angelegenheiten
Busslands dargestellt, die dem Verfasser offenbar vollkommen
unverständlich geblieben sind. In der Erzählung der Thron-
besteigung ist der Fürstin Daschkow eine allzu grosse Bolle
zuertheilt (V, 281, 285, 292); bei Peter III. ist seine „narren-
hafte Vorliebe für Alles, was preussisch war", annotirt (V,
242), auch ist sein Hauptfehler richtig angegeben (V, 260);
die Schulen (V, 330), der „Geheime Staatsrath" (V, 337) wer-
den kaum erwähnt. Der Aufstand Pugatschew's wird kurz
erzählt, aber der leitende Gedanke desselben ist richtig er-
fasst, wenn auch in unrussischer Art und Weise zum Ausdruck
gebracht worden: „Diese Bevolution war der Bückschlag der
üeberspannung, die Katharina's Buhmsucht ihren erschöpften
Völkern zugemuthet hatte, sie war zugleich die Antwort auf
die unerfüllten Hoffnungen, die ihr grosssprecherischer Libe-
ralismus in dem Stand der Leibeigenen hervorgerufen hatte"
(V, 658). Mit der Berufung der Commission zur Abfassung
— 384 —
des Projects eines neuen Gesetzbuches hat Katharina, nach
der Ansicht Herrmann's, ^^eine Comodie in grossem Stil auf-
führen wollen, um zu zeigen, wie sehr sie sich bemühe, ihre
Unterthanen glücklich zu machen, und der bewunderungs-
süchtigen Welt Sand in die Augen zu streuen'' (V, 663).
Einige Abgeschmacktheiten sind von Herrmann nur deshalb
nacherzählt worden, weil er den diplomatischen Depeschen
und den Zeitungsgerüchten allzu sehr vertraute und aus Un-
kenntniss Busslands nicht im Stande war, falsche Nachrichten
von solchen, die wenigstens wahrscheinlich sein konnten, zu
unterscheiden. So hat z. B. bei ihm während der Thron-
besteigung Katharina bei Vorstellung der Geistlichkeit „zum
Zeichen ihrer Huld und Verehrung die Angesehendsten auf
die Stirn geküssf' (V, 302); bei der Krönung „empfing das
Volk den jungen Grossftirsten, wo es ihn erblickte, mit lautem
Freudenruf, und zog sich zurück, wenn die Kaiserin nahte''
(V, 327); der französische Gesandte Baron de Breteuil verliess
Petersburg „kurz vor dem Ausbruche der Thronrevolution,
weil er zu der bei derselben ihm angemutheten Mitwirkung
ohne die besondere Genehmigung seines Hofes sich nicht her-
beilassen wollte" (V, 343); im Jahre 1772 „hatte mit dem
Verfall der politischen Unabhängigkeit Polens die Sittenlosig-
keit, der Mangel an Ehrgefühl und Ehrlichkeit auf entsetz-
liche Weise überhand genommen" (V, 541). Im Jahre 1764 hat
Katharina „kurz vor ihrer Abreise nach Livland" (V, 648)
keinerlei Ukas über Iwan III. unterzeichnet (Gastöra, 11, 82)
— das hätte Herrmann aus den Berichten Sacken's wissen
müssen, wenn er aus der Depesche desselben vom 14. August
1764 folgende Stelle ausgeschrieben hätte: „L'Imp^ratrice a
d^clar^e vendredi demier en plein s6nat, qu'Elle n'avait fait
que confirm^e simpliment les ordres donn6s sous le rfegne pr6-
c6dent aux officiers auxquels la garde de ce prince avait 6t6
confi^e" (Dresdner Archiv, 1773, sol. I, No. 67). Solcher
- 385 —
Fehler, die nur durch das sinnlose System der Auszüge aus
Depeschen erklärt werden können, finden sich sehr viele.
Der Verfasser liebt die russischen Männer jener Zeit nicht,
besonders aber liebt er Potjemkin nicht, dem er alle nur
möglichen Mängel zuschreibt (V, 674; VI, 157, 159, 162 ff.);
schlechter als Hemnann, der „deutsche Geschichtsschreiber
Busslands'', hat Potjemkin nur der „russische Deutsche''
Brückner in seinem Werke: „Potjemkin." St. Petersburg,
1891, geschildert. Aber Herrmann kennt die russischen
Männer auch nicht: „Setchin" (V, 241) d. h. Dmitrij
Ssjetschenow wird als „einer der eifrigsten der Wühler" (V,
283) gekennzeichnet, was Hemnann aus einer Depesche über-
setzt hat, in der es heisst: „trfes grand ouvrier"; Katharina
Iwanowna Schargorodskaja nennt er „Tscherekowskoja" (V,
284), Jakow Iwanowitsch Bulgakow heisst bei ihm „Buliakow"
(V, 477), den Obrist Arbusow nennt er „Albusinof" (V, 499)
u. s. w. Wenn russische Männer, wie N. W. Repnin (V, 445),
zu nichts taugen, so glänzen dagegen Deutsche in russischen
Diensten, wie Asseburg (VI, 22, 23) oder Nesselrode (VI, 24),
durch alle nur möglichen Vorzüge. Nur von einem einzigen
Bussen spricht der Verfasser nichts Schlechtes, von A. A.
Tschesmenskij , als derselbe vom Second-Bittmeister nach
Anciennität zum Obristen befördert wird (Sammig., XLII, 274),
aber bei derselben Gelegenheit setzt er alle Bussen herab
und streicht die Deutschen heraus: „üeberhaupt zeigten die
geborenen Bussen keine Neigung zum Dienst auf der See, und
ausser dem Herrn Tschesmenski, einem natürlichen Sohn des
Grafen Alexei Orlow, erboten sich nur noch sehr wenige, sich
als Offiziere der Landtruppen einzuschiffen, fast alle übrigen
waren Livländer oder Ausländer" (VI, 159).
Dem Verfasser verdanken wir die Veröffentlichung von
sechs Briefen Eatharina's, die er in den Archiven aufgestöbert
hat (VI, 461; VU, 123, 125, 361, 445, 537).
BilbEBBoff. Katharina H. 25
— 886 —
Bei der Leetüre der Geschichte Herrmann's bringt die
unaufhörlich wiederholte Beschuldigung Eatharina's der politi-
schen y,Habgier<< und ^^Habsucht'' einen ausserordentlich un-
angenehmen Eindruck hervor; man könnte glauben, dass
Katharina sich in der That durch diesen wenig anziehenden
Charakterzug von ihren gekrönten Brüdern unterschieden habe.
Um die Gewissenhaftigkeit des ,,deutschen Geschichtsschreibers
Busslands'' in dieser Beziehung festzustellen, möchten wir ihn
an die Erwerbungen Friedrich's 11, erinnern. Häusser sagt
in seiner ,,Deutschen Geschichte'', dass während der Regier*
ung des grossen Friedrich ,,aus einem Lande von 2300 Qua-
dratmeilen mit 2 Millionen und einigen Hunderttausend Ein-
wohnern Preussen ein Staat yon 3600 Quadratmeilen mit 6
Millionen Einwohnern geworden war" (I, 191). Das war in
der That ein „habgieriger König", wie Elisabeth Petrowna,
nach Herrmann die „unwürdige Elisabeth" (V, 243), Friedrich 11.
genannt hat.
D. J. Jlowaiskij hat ganz richtig bemerkt, dass die Ge-
schichte Herrmann's in „schwerfäUiger und nachlässiger Sprache"
geschrieben sei. Der Verfasser zeichnet sich keineswegs durch
einen schönen Stil aus und noch weniger durch eine künst-
lerische Darstellung: als Liebhaber eingeschachtelter Sätze,
dehnt er seine Perioden bis ins unendliche aus. Bei ihm
finden sich Perioden bis zu 22 Druckzeilen (V, 315); bisweilen
ist auf einer ganzen ^eite nur ein Punkt zu finden (V, 655).
Der siebente oder richtiger „Ergänzungs"-Band ist voll-
ständig mit „diplomatischen Correspondenzen aus der Revo-
lutionszeit, 1791^1797" angefüllt, üeber diesen Band hat
D. J. Bowaiskij zwei Male geschrieben: „Der Ergänzungsband
zur Russischen Geschichte Herrmann's", im „Russ. Boten",
LXXn, 297, und „Aus der diplomatischen Correspondenz des
XVni. Jahrhunderts", im „Russ. Archiv", 1868, 822. Was
ist das fürein„Ergänzungs"-Band? Was soll er denn ergänzen?
- 387 -
Im Jahre 1889 übernahm Herrmann die Forsetzung des
Strahl'schen Werkes: ,,Die Geschichte des Russischen Staats'',
das beim zweiten Bande stehen geblieben war; er gab im
Jahre 1846 den dritten, im Jahre 1849 den vierten, im Jahre
1853 den fünften und im Jahre 1860 den sechsten Band
heraus, in dem die Geschichte Eatharina's bis zum Jahre 1791
geführt ist. Im Jahre 1866 erschien dann noch der „Er-
gänzungs''-Band, der Auszüge aus 426 Depeschen, Bescripten
und Briefen aus der Zeit von 1791 bis 1797 enthält; diese
Auszüge hat Herrmann in den Archiven zu Berlin, Dresden
und London im Laufe von sechs Jahren, 1860 — 1866, gemacht.
Nicht nur in diesen sechs, sondern auch in den darauffolgenden
zwanzig Jahren, bis zu seinem Tode, hat Herrmann dieses
Material weder zu verarbeiten, noch aus ihm ein abge-
schlossenes und übersichtliches Bild zu schaffen vermocht,
welches die Regierung Katharina's in den letzten fünf Jahren
ihres Lebens dargestellt hätte. Aus diesen Bruchstücken von
Depeschen und Briefen, die die widerspruchvollsten Ansichten
und nicht selten direct entgegengesetzte Meinungen enthalten,
ist es unmöglich, einen Gesammteindruck oder eine geschlossene
und geordnete Vorstellung zu erhalten; davon gar nicht zu
reden, dass diese Auszüge offenbar zu einem bestimmten
Zwecke gemacht sind und schon deshalb in keiner Weise als
zuverlässiges Material für eine historische Arbeit dienen können.
Nach diesem „Ergänzungs^'-Bande kann man am besten die
Untauglichkeit derartiger Auszüge beurtheilen — : sie vermochte
nicht einmal Herrmann selbst, der doch diese Auszüge ge-
macht hatte, zu benutzen!
1025. Die grosse Landgräfin. Bild einer dentschen Fürstin des
XVIII. Jahrhunderts. Von Ph. Bopp, Leipzig, 1863.
Die „Grosse Landgräfin" war nach dem ürtheile Goethe's
die Landgräfin Caroline von Hessen, die Mutter der Prinzessin
Wilhelmine, der ersten Gemahlin des Grossfürsten Paul Petro-
25*
— 388 —
witsch, Grossfurstin Natalja Alexejewna. Ueber ihren inter-
essanten Briefwechsel siehe No. 1178. Ohne mit der Persön-
lichkeit Caroline's bekannt zu sein, bleiben viele Briefe sowohl
Eatharina's selbst (Achtzehntes Jahrh., I, 96; Russ. Archiv,
1878, I, 886 ff.), als auch anderer Persönlichkeiten am Hofe
unverständlich.
Der Aufsatz Bopp's ist ein Panegyrikon auf Caroline.
In ihm sind die Einzelheiten der Unterhandlungen über die
Ehe besonders interessant, wobei der Verfasser die diplo-
matischen Papiere des Grafen Solms, preussischen Gesandten
in Petersburg, und die Correspondenz Asseburg's mit der
Landgräfin benutzte. Diese letztere Correspondenz ist bis zu
einem gewissen Grade chiffrirt geführt worden: unter „libraire"
ist Katharina zu verstehen, unter „associö de libraire'' Fried-
rich n., unter „la souscription d'un ouvrage k publier" die
Ehe, unter „les volumes de cet ouvrage" die Töchter der
Landgräfin (562). Der Verfasser definirt den Unterschied
zwischen Katharina und CaroUne folgendermaassen: „Auf der
einen Seite die Beherrscherin eines Reichs, welches einen
grossen Theil der Erdkugel bedeckte, auf der anderen eine
Fürstin, welche einem der kleinsten Staaten, nur einem Punkt
auf dem Erdglobus, angehörte, die aber, wie Wieland einmal
wünschte, zur »Königin von Europa« erhoben zu werden ver-
diente; auf der einen Seite ein sittenloses Weib, auf der andern
eine sittenreine hohe Frau, die zu bedenken hatte und gewiss
bedachte, an welchem Hof sie erschienen sei" (566). In Be-
zug auf die letzten Worte vergl. das „Russ. Archiv", 1878,
I, 192. Der Verfasser zählt die reichen Geschenke auf, mit
denen Katharina ihren Gästen das Geleit gab, und fügt
hinzu: „Den Schatz von Lehren und Rathschlägen, womit
die Mutter der jungen Grossfürstin die Tochter ausstattete,
hat Niemand geprüft" (568). [Historisches Taschenbuch,
1853, 533.]
— 389 —
1026. Der FOrst. Ein historischer Boman von C. F. Ridderstad.
6 Thle. Leipzig, 1853.
jjAus dem Schwedischen (No. 1021) yon Hanns Wachen-
husen^'. Dies ist keine E2inzelausgabe, sondern sie gehört in
den Bestand des ^^Belletristischen Lese-Gabinet der neuesten
und besten Romane aller Nationen in sorgfältigen Ueber-
setzungen^^
1027. Le nozze di Comelio. Commedia in dae atti, dei signori
Melesville e Öarmouöhe. Firenze, 1858.
Eine üebersetzung von No. 1015.
1028. Der Thurm von Dago. Von A. r. Gondrecourt Uebersetzt
von J. A. Streitfeld. 5 Thle. Leipzig, 1858.
Eine Üebersetzung von No. 1022. Diese Ausgabe bildet
die 261. — 265. Lieferung des ^^Belletristischen Lese-Cabinet
der besten Romane aller Nationen in sorgfältigen Ueber-
setzungen, herausg. von H. Meynert^'.
1029. Gustaf IV Adolfs märkvärdiga firieri tili lyska storfQrstinnan
Alexandra. Stockholm, 1854.
Diese Broschüre bildet die No. 23 einer Serie von Yolks-
schriffcen und ist mit einem Holzschnittbildchen geschmückt:
an Katharina' s Busen, die in einem Lehnsessel sitzt, weint die
Grossfürstin Alexandra Pawlowna; vor ihnen steht Gustav lY.
hoch aufgerichtet; die Unterschrift lautet: ,,Gustav IV. Adolf
ger Alexandra korgen'^ Alle diese Personen sind vollkommen
phantastisch abgebildet. Die Erzählung ist nicht minder
phantastisch: der Streit Gustav's mit Katharina darüber, wen
von ihnen die Minister mehr betrügen (9), und der ganze Ver-
lauf der Brautwerbung sind ganz im Geiste der Yolkslectüre
erzählt.
1030« Catherine 11 ou la Bussie au XVIII si^cle. Seines historiqnes.
Par MoU-GmÜlhomme, Paris, 1854.
Alle schreiben über Bussland, und Viele schreiben über
Katharina: „Les historiens, les moralistes, les diplomates se
— 390 —
sont mis k loeuvre et leur trayail se continue actiyement sous
nos jeux. Pourquoi les romanciers n'auraient-ils pas aussi
leur tour?" (11). Hierin sind alle Ansprüche des Verfassers
auf den Beruf, eine Geschichte ,,Eatharina's II. oder Buss-
lands im XYin. Jahrhundert'' zu schreiben , enthalten. Er
kennt weder Bussland noch Katharina, und er kennt sie so
wenig, dass er sein Werk sogar unrichtig betitelt hat: in dem-
selben ist weder Bussland, noch Katharina zu fuiden, und es
sind durchaus nicht „historische Scenen", — das Ganze ist
vielmehr ein Boman, der die letzten Tage der Begieruug
Peter^s III. behandeln soll. Irgend ein Monsieur Saint-Germain
Leduc, der an Gelehrsamkeit dem Bomanschriftsteller gleich-
kommt, hat diesen, den Verfasser, mit einigen historischen
Namen und Thatsachen und sein Erzeugniss mit vier Anmerk-
ungen versehen, die seine Unwissenheit bekunden. Ais Er-
gebniss des Zusammenwirkens Beider ist das vorliegende Buch
erschienen, das nach Ansicht des Verfassers sehr nützlich ist,
eine „piöce ä consulter", weil in ihm „rhistoire absorbe le
roman''. Dem kann man natürlich nicht zustimmen. Der
Verfasser ist so unwissend, das er „Bopscha" in „Mopsa" ver-
ballhornt (223), dass er die heimlichen Verschwörer sich auf
dem Platze vor der Kasan' sehen Kathedrale versammeln lässt
(115), dass er den Fürsten Daschkow zum Feinde Katharina's
macht (287) u. s. w..
1031. Die Türken in Petersburg, oder wie Katharina Frieden schliesst
Lustspiel in fünf Acten, von H. Henrich, Heidelberg, 1854.
Als der „Orientalische £j:ieg'< in hellen Flammen stand,
erschien die Komödie: „Die Türken in Petersburg oder wie
Katharina Frieden schliesst" auf der Bühne, — eine Hans-
wurstiade, die, was das Schlimmste ist, langweilig und ohne
Ende war: sie hatte fünf Acte! Der beim Sturme auf Ismail
gefangen genommene Schalicha Pascha entflieht und taucht
unter dem Namen eines italienischen Porträtmalers in Peters-
- 391 -
bürg auf, wo Eatharina, die Fürstin Daschkow und deren
Stubenmädchen sich in ihn verlieben. In dieses Stuben-
mädchen sind wiederum der türkische Pascha und der Gross-
fiirst Alexander verliebt. Katharina geht aus diesem Wirr-
warr ganz messbudenmässig hervor: ein verliebtes Stelldichein
mit dem Italiener modelt sie zu einer Erklärung des Friedens
an den Türken um. Als Katharina zum Stelldichein erscheint,
spricht sie zum Parterre: „Ich habe viel geliebt, zum Theil
unwürdige Menschen, ich gebe es zu; Potemkin und Lanskoy
standen mir am nächsten. Der eine war stark, er hat mich
verstanden; der andere war schön, er hat mich geliebt. Beide
sind todt. 0, dass der eine Mensch lebte, der beides ver-
eint — Kraft und Schönheit, verstehen und lieben" (107).
Als solcher Mann erweist sich der Türke. Der englische
Botschafter hat übrigens die Zuschauer bereits darauf vorbe-
reitet, dass „Katharina eine grosse Sünderin sei'' (35), und
Katharina selbst belehrt den Befehlshaber der russischen
Polizei, dass die russischen Zeitungen nur herausgegeben
würden, um die Leser zu täuschen (39, 40). Sie versichert
auch ihrem ältesten Enkel, dass er und nicht Paul Petrowitsch
ihr auf dem Throne folgen werde (16, 26).
In dieser Komödie wird das Drama „Wadim" von
Knjashnin, der hier den Namen „Kniärdschin" fährt, oft er-
wähnt (2, 3, 58, 68, 85, 121); dieses Drama erschien bekannt-
lich gerade im Jahre 1793 im Drucke, und in dieses Jahr ist
auch die Handlung der vorliegenden Komödie verlegt, wobei
aus „Wadim" die Stellen angeführt werden, die Katharina am
meisten erregt hatten (122). Gleichzeitig aber lässt der Ver-
fasser auch Potjemkin im Jahre 1793 sterben (40) u. s. w.
1032. Memoirs of the coart and reign of Catherine the Second, em-
press of BuBsia, by 8. M. Smiicker. New- York, 1855.
Dies ist eine ziemlich ausfuhrliche, geschickt zusammen-
gestellte und gut geschriebene Geschichte Katharina's der
— 392 -
Zweiten. , Jt liad been easy for the author to introdnce mach
gross and indelicate scandal, such as is to ben found in some
French works upon the subject; bat as this work pretends to
be an authentic and reliable history, such details were necessarily
excladed" (VI). Von den letzteren sind indess noch viele in
dem V^erke Smucker's verblieben, obgleich er am die
Sittlichkeit des Lesers sehr bemüht ist: ,,Her history is
highly instractive in one sense, while it is eqaally dangeroas
in another. It is instractive, becaase the theme, the heroine,
was a women of extraordinary genius; an historic meteor, the
splendoar of whose glittering transit across the political
heavens strack every beholder with awe and wonder. No one
can perase that portion of her life withoat instraction, pleasare
and profit. On the other band, this empress was beyond all
qaestion, one of the most corrapt, sensaal and licentioas of
women" (VII).
Zar Grandlage seiner Erzählang hat der Verfasser die
von Masson gesammelten Nachrichten (No. 481) gelegt, aaf den
er sich bisweilen aach bezieht (49, 140, 158), sowie die
„Memoirs aathentic of Catherine II, London, 1797", die er
nicht erwähnt. Er ist indess aach mit den Memoiren S6gar's
(116, 202, 209) und mit den Werken de Ligne's (186) and
Cast^ra's (132) bekannt. Die Anordnung und Vertheilung
dieses Materials muss als sehr gelungen bezeichnet werden,
und der Verfasser schildert in den neunzehn Capiteln des
Buches die ganze Wirksamkeit Eatharina's und giebt ein
ziemlich vollständiges Bild ihrer Epoche. Nur in Bezug auf
Potjemkin kann man mit dem Verfasser nicht übereinstimmen;
er nennt ihn immer „Potempkin" (150, 182, 197, 221) und
misst ihm eine allzu grosse Bedeutung bei: „the administration
of Catherine 11 may justly be termed the reign of Catherine
and Potempkin" (209). Der Verfasser wiederholt, als Amerikaner,
mit Begeisterung das Urtheil Katharina's über den Republika-
— 893 —
nismos Laharpe's (178), schreibt die Theilong Polens, ,,this
memorable robbery^' (85), ausschiesslich dem Ehrgeize Eatha-
rina's zu (271), bewundert die Umwälzung von 1762 — „this
wonderful revolution accomplished in one daj, and as yet,
without shedding a droop of blood, seems rather a tale of
romance, than the narration of sober history" (60) — und ist
von dem griechischen Project entzückt (198, 255, 266). Der
Verfasser war ein gebildeter und sehr talentvoller Mann und
beherrschte die lateinische Sprache vollkommen (74, 184).
Die Schilderung des Hofes Katharina's ist sprachlich wunder-
schön verfasst (144 — 146), obgleich man auch auf einen der-
artigen Unsinn stösst, wie: „the chevalrous and daring
Alexius Orlof, whose vigorous arm had destroyed the perilous
conspiracy of Pugatschef^^ (l^^)* ^^ würdigt Katharina
folgendermaassen: „After calmly surveying all her merits and
her demerits, and taking into impartial view the peculiar cir-
cumstances of peril, of temptation and of difficulty by which
she was surrounded, we think that the most rigid censor of
human conduct, and of human weakness, must freely ascribe
to her every dement of female greatness, excepting female
virtue" (272).
In einer Beilage werden ganz zufällig neun Documente
und der unvermeidliche „Catalogue of Catherine's presents of
her üavourites'* (884) mitgetheilt.
1033. Histoire de la Bussie, par A. de Lamartine, 2 vis. Paris, 1855.
Lamartine, 1790—1869, war ein Dichter und Denker und
bemühte sich ein Politiker und Historiker zu sein. Heute ge-
stehen selbst die Franzosen, die ihm einen bedeutenden Theil
des Ruhmes der französischen Litteratur verdanken, zu, dass
seine historischen Werke „rinsuffisance d'6tudes<* bekunden,
und sie beurtheilen das vorliegende Werk folgendermaassen:
„La d6cr^pitude de Thistorien apparalt pleinement dans
— 394 —
THistoire de la Bussie, qui ne fut guere publice que
comme prime du cConstitutionnel»; eile 6tait, des son appa-
rition, ce qu'on appelle en argot de librairie, du rossignoP'
(Larousse, X, 103).
Von den zehn Capiteln der beiden Bände sind Katha-
rina n. zwei gewidmet (I, 333; 11, 1), auch ist Ton ihr in
dem einen Capitel, das sich mit Peter IQ. befetöst (I, 233),
die Bede. Der Verfasser kennt weder Bussland, noch Katha-
rina; er ist sogar mit den französischen Werken nicht be-
kannt, welche Nachrichten über Katharina enthalten. Ssergei
Ssoltykow nennt er „le prince Alexis" (I, 244); Bestushew-
Bjumin lässt er an der Thronumwälzung von 1762 Theil
nehmen (I, 255) und einige Seiten weiter aus der Verbannung
zurückkehren (I, 345); aber den meisten Unsinn theilt er über
Iwan in. mit (I, 246, 338, 353). Bisweilen ist es sogar
schwer, festzustellen, woher der Verfasser seine abgeschmackten
Nachrichten geschöpft hat, z. B. seine Mittheilung über den
Brief Katharina's an Peter HI. (I, 234); bisweilen wiederum
wird eine richtige Nachricht in unrichtiger Form wiederge-
geben, z. B. die Nachricht über die Gährung in Petersburg,
zur Zeit der Krönung Katharina's: „On y r^pandait un mani-
feste authentique, mais non encore publik, quoique sign^, de
l'infortunö Pierre III contre sa femme. Dans ce manifeste,
le mari outrag6 et le souverain affrontö articulait tous les
crimes de son 6pouse, et d^clarait que le grand-duc, son
enfant pr6sum6 et Thöritier illögitime du trone, n'^tait pas le
fils de l'empereur, mais le fruit d'un commerce criniinel
entre l'imp^ratrice et Soltikof' (I, 337). Dasselbe muss man
in Bezug auf das „Manifest^' Bestushew-Bjumin's über die
Wahl des Gemahls sagen (I, 344). Nicht selten aber ver-
wandelt der Historiker sich in den Poeten und erfindet
Scenen, die niemals stattgefunden haben, z. B. bei der Dar-
stellung des Todes Katharina^s (11, 59). Sehr oft begegnet
- 395 —
man leeren Phrasen, die vielleicht in stilistischer Beziehung
sehr schön sein mögen, die aber mit der historischen Wahr-
heit nichts gemein haben. So z. B. die Phrase über den
Despotismus: ,,le despotisme, quand parhasard il est ^clair4,
peut devenir un y^hicule de civilisation" (I, 838), oder über
Katharina: „une passion criminelle avait 61ey^ Catherine sur
le tröne; c'ötait k Tamour dödaigneux de la d^grader" (II, 17).
Unter diesen Phrasen finden sich stellenweise auch recht ge-
lungene, wie z. B. die folgende Charakteristik Katharina's:
„com6dienne souvent, tragödienne quelquefois, actrice toujour,
mais grande actrice^' (II, 62), oder die Bemerkung über
Potjemkin: „FAntoine de la Clöopätre russe" (I, 396). Es ver-
steht sich von selbst, dass man von dem Poeten Lamartine
weder Folgerichtigkeit in den Ansichten, noch Logik in den
Urtheilen erwarten darf. In der Kammer griflfen Thiers und
Guizot Lamartine wegen seines Vorschlages, die Türken aus
Europa zu vertreiben, an, und derselbe Lamartine klagt
Katharina wegen der Kriege mit den Türken an (I, 374;
n, 41)!
Als „Buch für leichte Leetüre" hat die „Histoire de la
Eussie" Erfolg gehabt: bereits im selben Jahre 1855 erschien
eine zweite, compactere Ausgabe in einem Bande.
1034. Freymüthige Betrachtangen über Wachathum, Grösse, Verfall
und Untergang des Polnischen Beiches. Meist nach polnischen
Schriftstellern, von Th. WienkowsH. Berlin, 1855.
Dieses Buch machte bei seinem Erscheinen keinen Ein-
druck und ist heute von Allen vergessen, und zwar deshalb,
weil es mit den allgemein giltigen Ansichten über die pol*
nische Frage nicht übereinstimmt. Der Verfasser ist ein
germanisirter Pole, Namens Wi^kowski. Die Ursache alles
Unglücks in Polen sieht er in den Polen selbst (21, 25, 32,
166, 177), wohingegen er die Preussen wegen der Theilungen
Polens rechtfertigt (18, 28, 155, 166, 169, 180, 182) und
— 396 —
Bussland y besonders wegen der Einverleibung der pobiischen
Lande, kräftig weissbrennt (32, 151, 152, 158, 169, 170, 180, 181).
Katharina erwähnt er nur ein Mal, in Anlass der Beseitigung
der Constitution vom 3. Mai 1791, und zwar in folgenden
Ausdrücken: „Dass die talentvolle, ehrgeizige Kaiserin Kathe-
rine 11. dies nicht benutzen sollte, wäre fast gegen die mensch-
liche Natur gewesen" (10).
Nachdem der Verfasser im Vorwort erklärt, dass er kein
Schriftsteller sei und das zeitgenössische Polen mit den Augen
des Polen Njemoiowskij, der gesagt habe, „E^ Polen giebt
es so wenig Rettung, wie von einer unheilbaren Schwindsucht:
es stirbt an der Zwietracht", ansehe, stellt er in der Einleitung
seinen Standpunkt gegenüber Polen und den Polen des XVIII.
Jahrhunderts fest. Ihn überrascht es vor Allem, dass Polen,
ein grosses und fruchtbares Land mit einer Bevölkerung von
15 Millionen, von der Erde weggetilgt werden konnte: „ein
solches Volk zu unterjochen ist nur dann möglich, wenn es
sich selber aufgiebt" (7); er betrachtet die Königsgewalt, die
Reichstage und Conföderationen, sowie die Schljachta und kann
den Cement nicht finden, der die Polen zu einem staatlichen
Ganzen zusammenhalten könnte. In Polen habe es kein
europäisches Volk gegeben: „Die Masse des Volkes gelangte,
aus Mangel natürlicher und gesetzmässiger Freiheit und eines
kräftigen, aufgeklärten und gewerbthätigen Bürgerthums, kaum
zum ABC europäischer Kultui-, kaum bis zur Ordnung ein-
seitiger Priester- und Adelsherrschaft, d. h. zum politischen
Blödsinn" (6). Alle polnischen Magnaten, mit Ausnahme der
Samoiskij (11), hätten nur das Volk exploitirt, um das Leben
zu gemessen und den König zu ärgern. Sie hätten mit ihrem
Patriotismus nur geprahlt, aber die Heimath nicht geliebt*);
*) „So viel der Pole von Vaterlandsliebe spricht, so liebt er so gut,
wie schlechte Fürsten, doch nur sich selbst" (166).
- 897 -
den Schutz und die Vertheidigung derselben hätten sie Anderen,
Europa, überlassen, ohne begreifen zu wollen, dass es „für
ein Volk kein gefährlicheres Experiment giebt, als sich von
einem andern helfen lassen, seine Unabhängigkeit zu erkämpfen'^
(89). Die Polen seien eben zu Grunde gegangen, weil sie
immer hofften, dass Europa sie gegen die Bussen vertheidigen
würde: „Das Polnische Volk glaubte immer, Europa müsse
Heere zur Eh*haltung der polnischen Weisheit aufbieten, um
Europa vor der Barbarei der Bussen zu schützen, welche
letztere doch jedes Talent von jeder Glaubensform aufnehmen
und dadurch allein schon den Beweis liefern, dass sie in der
Givilisation unendlich höher standen, als die sich damit so
einseitig brüstenden fanatischen Polen, die nur ihre bisherige
Zügellosigkeit und religiöse Barbarei mit dem schönen Bilde
der Freiheit illustriren möchten" (145, 149). „Aber sich von
Fremden vertheidigen zu lassen, um unterdess zu Hause vom
Schweisse der Bauern lustig sich mästen lassen zu können,
macht kein freies Vaterland" (152). Die Polen hätten immer,
im XVIII. und im XIX. Jahrhundert, sich gegen einander
„verbissen", intriguirt und sich gezankt: „Dass das Erbübel
der Zwietracht und leichtsinniger Genusssucht auch durch die
unglücklichen Katastrophen von 1772 bis 1775 sich nicht
gemindert hat, beweiset, dass sie in dem Aufstande von 1831
in zehn Monaten acht Begierungshäupter und in den elenden
Ephemeriden von Erakau sogar in zwei Tagen drei Diktatoren
hatten" (25). Wer sei also schuld am Untergange Polens?
„Die Frage kann man nicht anders beantworten, als Polen
hauptsächlich selbst schon aus dem Grunde, weil echter
Bürgersinn in demElima polnischer Nationalität, zwischen einem
zügellosen Adel, blindgläubiger, fanatischer Geistlichkeit und
durch lange Unterdrückung halb thierisch gewordener Bauern
immer nur eine exotische Pflanze blieb, also nie recht gedeihen
konnte" (177).
398 —
Ihre Nachbarn hätten die Polen immer nur gereizt. Im
Siebenjährigen Kriege hätten die polnischen Magnaten die
preussischen Grenzen gebrandschatzt und den Eussen erlaubt,
ihre Magazine in Polen zu bauen (18, 31); konnten die Polen
also auf preussische Hilfe hoffen? „Polen gross, heisst
Preussen klein machen^' (17^)- Bussland hätte einige Jahr-
hunderte unter dem Mongolenjoche gelitten (25) und sei doch
nicht untergegangen; im XVII. Jahrhundert hätten die Polen
Bussland in Aufruhr versetzt, Moskau belagert und Zaren aus
ihren Häusern auf den russischen Thron gesetzt (96); sie hätten
somit, wie es schiene, keine gute Meinung von sich bei den
Bussen verdient: „Der Kampf zwischen Bussland und Polen
nahm nur den Ausgang, wie ihn Einigkeit, Kraft und Ordnung
der Selbstherrscher, gegen Zwietracht, Gesetzlosigkeit und
Anarchie immer hervorbringen werden" (32). Es sei begreif-
lich, dass Preussen und Russland gegen diesen ihren unruhigen
Nachbarn waren: „Dass die Nachbarn endlich Veranlassung
nahmen, sich nach Jahrhunderte langer Anreizung dazu, von
ihrer ungeregelten, feuergefährlichen Nachbarschaft zu befreien,
war nur der natürliche Lauf menschlichen Treibens".*)
Der Verfasser ist flir Preussen, aber gegen Bussland. Er
verbreitet sich sehr ausführlich über die erste Theilung Polens,
„weil es viele Politiker giebt, welche der Welt die Verläum-
dung einreden möchten, der erste Anstoss zur Theilung Polens
sei von Preussen ausgegangen" (155). Indessen sei doch an
dieser ersten Theilung, wenn nicht der Papst (154), so doch
Kaunitz (155) schuld. Bei der zweiten Theilung „musste
Preussen, gegen seine Neigung, Parthei für Bussland nehmen"
*) Im Hinblick auf die Zeit des Erscheinens des Buches fügt der
Verfiisser hinzu: „Ob das vortheilhaft für sie selbst und für die Welt
ist, mag Gott oder die Zukunft entscheiden, menschliche Vernunft ver-
mag es noch nicht, das hängt vielleicht sogar mit von Sebastopols oder
Kronstadts Eroberung ab'^ (160).
— 399 —
(169), bei der dritten aber „hatte Preussen allein einen natür-
lichen, ja nothwendigen Drang nach Erwerbung von polnisch
Preussen und Grosspolen, weil es sich dadurch nur so noth-
wendig ausrundete und stärkte, wie es die unglückliche Lage
seiner getrennten Provinzen vemunft-gebieterisch forderte" (1 82).
Oanz anders verhalte es sich mit Bussland — : es habe die
polnischen Gebiete nicht nur ohne Nothwendigkeit, sondern
auch sich selbst zum Schaden an sich gebracht: „Betrachtet
man die Erwerbungen der drei theilenden Mächte genauer, so
ergiebt sich, dass Bussland nur aus Eroberungssucht handelte
(180). Diese übergrossen Gränzen, die es bloss aus Hochmuth
der Tamerlane und Dschingiskhane erstrebte, und die es schon
jetzt nicht regieren kann, ohne durch die ihm nothwendige
Defraudation, sein ungeheures Gebiet in die gottloseste Sklaven-
höhle zu verwandeln, werden es eher schwächen als stärken
(181). Busslands Streben nach Verbindung mit dem schwarzen
Meere, östlich der Dnieper, war rationelle, natürliche Politik,
aber bis über die Weichsel und ganz Polen nur ein so kost-
barer üebermuth, wie er sein würde, wenn sie den Sund und
die Strasse von Gibraltar für ihre natürliche Gi-änzen halten
wollten" (182). Nur als Theilnehmer der anderen Mächte wird
auch Bussland gerechtfertigt: „Bussland, Oesterreich und
Preussen handelten dabei nur so, wie alle Nachbarn aus-
gearteter Völker gehandelt haben und gelegentlich immer
wieder handeln werden, so lange die Menschen nur Menschen
und keine leidenschaftslosen Engel sind" (177). Die polnische
Politik Busslands wird einmal sogar gelobt, aber man höre
nur, wie: „Das Meisterstück der Politik Busslands und das
grösste Unglück für Polen aber bestand darin, dass es Preussen
und Oesterreich mit an der Theilung vortheilen liess" (170).
Auch die russische Knute wird vom Verfasser nicht ver-
gessen. Er spricht von der Zeit, die der ersten Theilung
Polens vorhergegangen, und sagt: „Wahrlich, mit dem grössten
— 400 —
Rechte darf man hi^ fragen: wo residirte denn damals die
B^enmg Polens? Die sicherste Antwort wird sein, in der
russischen Knnte^' (1^^)- Nach der ersten Theilnng sei es in
Polen stiller geworden „ans i^ircht vor Sibirien, den Eosacken
nnd der Ennte^' (158). Ausserdem findet man auch noch ,,die
mssische unersättliche Herrschsucht^' (1^^) ^ &• ^- ^^ ürtheile
des Verfassers über Stanislaus August (144, 167), über die
Dissidenten (146, 151, 159), über Maria Theresia (154) und über
die Beformen des Vierjährigen Reichstages (159) sind interessant
Nach der „Vorrede^' und „Elinleitung^' ist ein „Kurzer
Inbegriff der Geschichte des polnischen Reichs^' (34) abgedruckt,
der in einige Capitel zerfällt und die Uebersicht bis zum Jahre
1855 fortf&hrt. Am Schlüsse des Buches ist ein „Alphabetisch
geordnetes Namenverzeichniss aller Derjenigen, die sich in der
Geschichte von Polen auf irgend eine Art bemerkbar gemacht
haben'< (245) beigelegt.
1035. Der Kampf um das Schwarze Meer. HiBtorische Darstelliiiigen
aiLB der Geschichte Rosslands. Von Th. Mundt. Braonschweig,
1885.
Theodor Mundt, 1808—1861, der Liebling Scbelling's, ein
begabter Vertreter des „Jungen Deutschland", war Gelehrter,
Schriftsteller und Publicist in einer Person und hat sich einen
Namen in der deutschen Litteratur gemacht. Die politischen
Verfolgungen, denen er unterworfen war, und seine publici-
stische Wirksamkeit spiegeln sich in allen seinen Erzeugnissen
wieder. Seine Romane werden auch heute noch gelesen, ob-
gleich die deutsche Kritik über sie folgendermaassen urtheilt:
„In allen seinen Romanen herrscht die Reflexion Tor, doch
fehlt dabei der schlagende, durchgreifende Gedanke, die Pointe
in Stil, Einfällen, Charakteren; es findet sich viel Brillantes
Geistreiches aber auch viel Groteskes, Unwahres" (Brockhaus,
X, 479). Das ist auch auf das vorliegende Werk vollkommen
anwendbar.
— 401 —
Der Titel desselben entspricht nicht dem Inhalte: der
Kampf nm den Besitz des Schwarzen Meeres ist hier auf die
Zeiten Katharina's beschränkt, wobei mit dieser speciellen
Frage noch eine Reihe nebensächlicher Angelegenheiten ver-
bunden sind, wie: „Katharina und ihre Günstlinge" (18),
„Potemkin" (34), „Einfluss Voltaire's auf das orientalische
Weltproject ßusslands" (50), „Kaiser Joseph in Petersburg"
(133), „Ein Besuch des Prinzen von Preussen am russischen
Hofe" (161), „Die Triumphreise nach Tauris" (223) u. dgl. m.
Hier wird femer von den Bildhauerarbeiten Palconet's in
Petersburg (90), von der Pockenimpfung (101), ja sogar von
den Nichten Potjemkin's (169) gesprochen. Der Verfasser stellt
Katharina hoch und zeichnet ihr Porträt folgendermaassen:
* „Ihre Stirn hatte eine leuchtende Majestät und Klarheit, und
in den tiefliegenden blauen Augen, die von schwarzen Augen-
brauen auf eine pikante Weise überschattet wurden, spielte
zuweilen ein sanftes und anmuthiges Lächeln, das die zartesten
Empfindungen anzeigte. Die Adlernase würde dem Gesicht
einen noch mächtiger wirkenden Ausdruck gegeben haben, wenn
sie nicht an der Wurzel eine gewisse verhängnissvolle Falte
gezeigt hätte, durch welche die ganze Phisiognomie auf eine
fast unheimliche Weise charakterisirt wurde" (37).
Die erste Theilung Polens ist ausschliesslich dem russisch-
preussischen Einverständnisse zugeschrieben (42) ; das Testament
Peters des Grossen wird für ein historisches Document erklärt
(91) u. s. w. Was speciell die Frage vom Schwarzen Meere
anbelangt, so ist sie sorgfältig und bis in die kleinsten Einzel-
heiten untersucht — sogar bis zur Heilung der Füsse Katha-
rina's durch Schwarzmeer- Wasser (321).
Das Erscheinungsjahr dieses Buches bezeugt, das es mit
einer vorhergefassten Absicht geschrieben worden ist; deshalb
wird in ihm Kussland auch als „un colosse aut pieds d'argile"
(102) dargestellt. In demselben Jahre ^ 1855 liess der Ver-
BilbaiBoff, Katharina IL 26
— 402 —
fiasser noch ein anderes Werk (No. 1037) erscheinen, das sich
wenn auch nicht direct auf Katharina, so doch auf ihre Zeit
bezieht
1036. The Ml of Poland in 1794. An historical tragic drama in four
acta. By a patriot London, 1S55.
Die y,Crimean Expeditione^ ist nach der Meinung des pol-
nischen Patrioten, der das vorliegende Stück verfasst hat, zu
keinem anderen Zwecke geplant gewesen, als zur Wieder-
herstellung Polens und zur Restauration Ungarns. Da dieser
Zweck von Anderen verdunkelt worden war, schrieb der Ver-
fasser ein Drama, um Europa aufzuwecken. „As a medium
in hands of the public, the drama may be made an instru-
ment for arousing the dormant patriotism and sympathy of
Western Europe on behalf of unhappy Poland" (LXXVll).
In einem sehr weitläufigen Vorworte erzählt „a Polish patriot''
die russisch-polnischen Beziehungen von 1695 bis 1855 und
schliesst es mit phantastischen „Bules for the formation of a
national Constitution'^, die „by the Bussian despof' entworfen
worden seien (LXX).
Die Hauptperson in der Handlung ist natürlich Kostjuschko,
der in den ersten drei Acten nur Beden an die Truppen hält
(20, 45, 48) und der Katharina also empfohlen wird:
My name *s a tempest, and my heart a fire;
My element the etonny track of war (60).
Katharina setzt der Fürstin Ljubomirskij die Gründe der
Theilungen Polens folgendermaassen auseinander:
The cause of that dismemberment, thou know 'st,
Embraced a train of most efficient reasons.
Partly from ancient title — and in part
To put the cause of revolution down —
Necessity, with ancient rights, combin^d
To circamscribe thy nation in due bouuds (52).
Als Katharina naiv bemerkt, dass
— 403 —
Poland breathes
As much the air of freedom as oorselves (53),
antwortete ihr die Fürstin sehr richtig:
Bat all are slaves; whereas bj natare 's laws
Fair libierty *s the birthright of mankind.
Auf der Bühue erscheinen Ssuworow und Fersen, Sievers
und Igelstrom, Kostjuschko und EoUontai, Dsjalinskij und Mada-
linskij, femer russische, preussische und polnische Truppen; die
Handlung spielt auf dem Kriegsschauplätze, trotzdem aber giebt
es im Stücke nicht eine lebendige Scene, nicht ein aufrichtiges
und zündendes Wort, nicht einen historisch richtigen Charakter.
Im vierten Acte verwandelt die Tragödie sich, dank „the vision
scene^S ^^^ nsich Shakespeare verfasst ist, zeitweilig in eine
Feerie.
1037. Krim-Giraiy ein BuDdesgenosse Friedrichs des Grossen. Ein
Vorspiel der Russisch -Türkischen Kämpfe. Von Th. Mtmdt,
Berlin, 1855.
Der Krimkrieg von 1852 — 55 rief eine Reihe von Bro-
schüren über die Frage vom Schwarzen Meere und von der
Krim hervor. In der Zahl derselben erschien auch die vor-
liegende Broschüre, die den Leser hundert Jahre zurück in die
Zeiten Katharina's II. und Friedrich's IL versetzt, wofür der
Verfasser sich auch entschuldigt: „Möchte diesen rückbeschau-
lichen Geschichtsbildern ihr thatsächliches Interesse und ihr
Hereinragen in die Kämpfe der Gegenwart bei dem geneigten
Leser zugutkommen'^
Die ganze Erzählung beruht in der Hauptsache auf den
Memoiren Tott's (No 441), wobei der Verfasser indess auch
die „Nachrichten über die Gesandtschaftsreise des Lieute-
nants von der Golz zu dem Tatar-Khan", die in den „Denk-
würdigkeiten für die Kriegskunst und Kriegsgeschichte, Berlin
1819" abgedruckt waren, benutzt. Der ganze erste Theil der
Broschüre — „Friedrich der Grosse und der Khan der
26*
— 404 —
Krim" (3) — ist eine Nacherzählung des Gesandtschafts-
berichtes von der Golz's, der den Auftrag hatte, die Krim'schen
Tataren zuerst gegen Bussland und dann, nach der Thron-
besteigung Peter's III., gegen Oesterreich in Bewegung zu
setzen (106). Im zweiten Theile — „Der Kampf gegen Buss-
land" (133) — sind der Einfall der Krim'schen Tataren in
Neuserbien und der Tod Krim-Girai's, beides nach Tott, er-
zählt. Zum Amüsement der Leser „frischt" der Verfasser
seine Erzählung nicht selten durch Erinnerungen auf, wie z. B.
an den „verhängnissvoU gewordenen Paletot des Fürsten
Menschikow" (149) u. s. w.
1088. Le dessous des cartes, comädie-vaudeyille en trois actes, par
MM. Dumanoir et de Bteville. Paris, 1855.
Dies ist mehr ein Yaudeville, als eine Komödie, und zwar
ein lebendig und lustig geschriebenes Yaudeville auf das Thema
der Brautwerbung des schwedischen Königs Gustav's IV. um
die Grossfürstin Alexandra Pawlowna. Der Bräutigam ist
schier von Sinnen aus Liebe für die Braut und sagt zu Katha-
rina im zweiten Acte: „Entre la princesse Alexandra et moi,
c'est dösormais ä la vie et ä la mort! Si vous me refusiez
sa main, je ferais la guerre k la Bussie" (33). Im dritten
Acte aber, nachdem er das schriftliche Jawort der Braut er-
halten, sagt er sich von ihr los, weil er ihre Handschrift auf
einem Coeur-Ass erkennt, durch welches dem Prinzen von
Oldenburg ein Bendezvous bestimmt wird (43). „Le dessous
des cartes" trägt an Allem die Schuld, Katharina aber gleicht
Alles wieder aus, und Alexandra Pawlowna heirathet den
Prinzen von Oldenburg.
Dieses Vaudeville hatte Erfolg und wurde sogar mit kleinen
Abänderungen in's Italienische übersetzt: „D roverscio delle
carte. Comedia in tre atti, dei signori Dumanoir e de Bi^ville.
Versione libera di Luigi Salag6. Milano. 1857."
— 405 —
1089. La prison de SchlnsBelboiirg, par Georges Faih. Paris, 1855
Der Verfasser hat wohlweislich verschwiegen, dass dies
ein Roman sein soll. Ausser zwei Theilen giebt es hier auch
einen Prolog, wobei in jedem Theile Schlüsselburg die bekannte
Rolle spielt: im Prolog schickt Elisabeth Petrowna den jungen
Iwan hierher, im ersten Theile besucht ihn hier Peter IIL,
und im zweiten Theile wird er hier von Wlassjew getödtet,
der ihn vor Mirowitsch „retten will". Der Roman beruht auf
der Liebe der Tochter Barednikow's, natürlich eines „Grafen",
zu Iwan. Zur Illustration des Ganzen sind die Beziehungen
Kaiser Peter's IIL zu Elisabeth Woronzow und alle Einzel-
heiten der Umwälzung von 1762 in die Erzählung hinein-
geflochten. Dem Verfasser sind sowohl die Geschichte jener
Zeit, als auch die handelnden Personen und Russland über-
haupt vollkommen unbekannt; er kennt nur zwei Schimpf-
worte (59, 100), „qui ne sont pas susceptible d'interpr6tation
en fran^ais".
1040. Busslands Einfluss auf, und Beziehungen zu Deutschland, vom
Beginne der Alleinregierung Peters I. bis zum Tode Nikolaus I.
(1689—1855). Von S. Sugenheim. 2 Bde. Frankfurt am Main,
1856.
Von den 17 Capiteln, in welche die zwei Bände dieses
Werkes zerfallen, sind der Zeit Eatharina's drei gewidmet:
das letzte Capital des ersten Bandes und die ersten beiden
des zweiten, wobei dem Frieden von Teschen im Jahre 1779
drei Seiten zuertheilt sind, obgleich diese Frage, im Einblick
auf die Aufgabe des Verfassers, als die hauptsächlichste von
allen Fragen jener Zeit erscheint. Nicht umsonst hat Asseburg
in einer Depesche vom 2. März 1780 geschrieben: „Au moyen
de cette garantie, la Bussie entrera, pour autant qu'elle vou-
dra, dans les affaires de cet empire" (295). Die Bedeutung
dieses Vertrages begreift auch der Verfasser: „Diese Erhebung
Busslands zu einer seit mehr als zwei Menschenaltern erstrebten
— 406 —
so bedenklichen Stellung war fftr Deutschland unstreitig ein
weit grösseres Unglück, als wenn das ganze damalige Baiern
Habsburgs Beute geworden wäre" (II, 25). Aus diesem Bei-
spiele ist bereits zu ersehen, dass der Verfasser mit wenig
Ernst an seine Aufgabe herangetreten ist. Statt der Beurtheil-
ung der wichtigen Frage von den Beziehungen Kusslands zu
Deutschland hat der Verfasser es vorgezogen, sich mit der
Mittheilung pamphletartiger Nachrichten und publicistischer
Combinationen zu befassen.
Der Verfasser ist ein verzweifelter Bussenhasser, der für
das Wort „ßussland" den Ausdruck „Knutenstaat" gebraucht
(I, 263; n, 22, passim) und in der Kaiserin Elisabeth
Petrowna „eine thierischste aller Messalinen" sieht (I, 246).
Von diesem Standpunkte aus erörtert er die ganze russische
Geschichte und erklärt, dass die „missgestaltete Entwickelung"
der Bussen von zwei Ursachen abhänge: erstens, von der
byzantinischen Bechtgläubigkeit, „dem byzantinischen Hof-
christenthum, dem alle ethischen, alle geistigen Elemente ab-
gingen, das aller erziehenden, aller veredelnden Fermente ent-
behrte", und zweitens von der „fast dritthalbhundertj ährigen
Unterjochung durch die Mongolen" (I, 2). Die Bussen hätten
das Mongolenjoch abgeschüttelt, aber von der Bechtgläubigkeit
hätten sie sich nicht losgesagt; folglich könnten sie niemals
eine Culturnation sein. Um dies zu beweisen, hat der Ver-
fasser es für unerlässlich gehalten, „in dem Schmutz der
russischen Hofgeschichten des vorigen Jahrhunderts zu wühlen,
um die böse Welt mit Scandal zu ergötzen" (II, 424). Der
Verfasser macht mit Katharina natürlich keine Ausnahme und
verfolgt sie vom Tage ihrer Geburt an. Er nennt Friedrich 11.
den „Incognito -Vater Katharina's 11." (II, 45). Der Fürst de
Ligne erzählt, dass Friedrich IL ihm im Jahre 1770 gesagt
habe: „Je crois qu'il faut quelquefois croiser les races en
empire ; j'aime les enfants de Tamour — voyez le maröchal
— 407 —
de Saxe, et mon Anhalt, c'est un homme, rempli de talent'^
(De Ligne, 15). Sagenheim zieht hieraus den ganz falschen
Schluss, dass der Graf von Anhalt ein unehelicher Sohn des
Königs von Preussen gewesen sei (11, Vorrede, V). Aber
diese Schlussfolgerung hat er nöthig, und zwar zu folgender
Gombination: Katharina habe für ihren Bruder, den Fürsten
Friedrich August von Zerbst nichts gethan, ja ihn nicht ein-
mal zu sich nach Petersburg eingeladen, während sie den
Grafen von Anhalt mit Gnadenbezeugungen geradezu über-
schüttet habe — : „da wird man wohl nicht länger bezweifeln
dürfen, dass nicht jener Fürst von Zerbst, sondern dass dieser
Graf von Anhalt der Bruder Katharinen's, dass letztere die
natürliche Tochter Friedrich' s des Grossen gewesen, der seine
Vorliebe fftr aussereheliche Sprösslinge, deren er eine ganz
hübsche Anzahl hatte, mit dem Hinweis auf seine Anhaltinerin
begreiflicher Weise nicht motiviren konnte" (I, 329; II, Vor-
rede, VII). Da er nicht weiss, wodurch er das Verhalten
Katharina's gegenüber Friedrich II. in den ersten Tagen nach
der Thronbesteigung erklären soll, verkündet der Verfasser
mit fetter Schrift, dass „die Beherrscherin des Knutenstaates
nicht, wie alle Welt und sie selbst glaubte, die Tochter des
Fürsten Christian -August von Anhalt -Zerbst, sondern eine
natürliche Tochter Friedrich's des Grossen war"
(I, 332). Hierüber siehe No. 1260.
Der Verfasser theilt jeden Unsinn über Katharina und
den Petersburger Hof mit, wo und von wem er auch gedruckt
sein mag — : über die Palais-Säle (11, 137), über die Mission
Dufour's (II, 39), über das Opium (11, 43) u. dgl. m. Wie
das Werk Sugenheim's nicht werth ist, durchgelesen zu werden,
so verdienen auch die von ihm aufgespeicherten Abgeschmackt-
heiten keine Widerlegung. Man muss indess auch gegen
Sugenheim gerecht sein: er documentirt in den zwei Bänden
dieses Werkes eine überraschende Belesenheit; er kennt alle
— 408 —
Memoiren, er hat alle Depeschen und Berichte gelesen nnd
sich mit der gesammten Litteratur der Frage bekannt gemacht.
Aber er ist niemals ein Historiker gewesen und hat von der
historischen Kritik nicht den geringsten Begriff — : er glaubt
Alles, was geschrieben, und noch mehr, was gedruckt ist.
Sybel charakterisirt den Verfasser folgendermaassen: „Sugen-
heim — ein Historiker, der nach sittlicher Entrüstung über
das verderbte Treiben der politischen Welt mit unermüdlichem
Eäfer die Beispiele dieser Nichtswürdigkeit aus allen Winkeln
zusammensuchte'' (Hist. Zeitschr., LXX, 236).
1041. Le prexnier partage de la Pologne, par £. Labofdaye. Paris, 1856.
Der Verfasser, ein talentvoller Publicist, benutzte den
Erimkrieg, um das Publicum in einer Beihe von Feuilletons
an „ce crime royal qui n'est pas encore expi6" (Prefac4) zu er-
innern, und bewarf bei dieser Erinnerung Eussland, die
Bussen und Katharina mit Schmutz, was damals in Mode war.
Der Verfasser verwandte hierzu den damals soeben erst er-
schienenen fünften Band der „Geschichte des Bussischen
Staates" von Herrmann, der die Zeit von dreissig Jahren, von
der Thronbesteigung Elisabeth Petrowna's bis zum Frieden
von Kutschuck Kainardshi, umfasst. Diese Feuilletons wurden
dann vom Verfasser in den „Etudes contemporaines sur
l'AUemagne et les pays slaves", die auch wir benutzt haben,
herausgegeben.
Der Verfasser, der keine neuen Thatsachen mittheilt,
sondern Alles den Werken von Herrmann, Eaumer, Flassan
und Saint-Pris entnimmt, bat sich nicht einmal bemüht, die
bereits bekannten Thatsachen in ein neues Licht zu rücken.
Elr wollte nur „comparer k ce qui se passe sous nos yeux ce
qui s'est passö il y a quatre-vingt ans et demander k Thistoire
d'6clairer Tavenir" (4). Eine schöne Phrase, aber eine uner-
füllbare Aufgabe: an der Hand des Krimkrieges sollte die Zu-
__ 409 —
kunft Polens, das keine Gegenwart mehr hatte, bestimmt
werden! Der Verfasser bemerkt treffend und wiederholt, dass
die Anarchie Polen verdorben habe — „Fanarchie, la Ifepre de
la Pologne (47, 74, 81); ce peuple brave et g6n6reux 6tait
condamn6 ä p^rir empoisonn^ par l'anarchie^' (85) — aber
diese richtige Bemerkung hat auf die Urtheile des Verfassers
über die polnischen Angelegenheiten keinen Einfluss gehabt.
Dieses Polen, das von der Anarchie zerfressen ist, erscheint
beim Verfasser als eine Stütze Eoropa's: „Avec son peuple
de soldats, la Pologne 4tait une barriere contre Tambition des
czars: eile contenait la Turquie mena^ante, eile protögeait la
Turquie en danger; eile 6tait la defense de la Sufede; eile
couvrait la Prusse, la Saxe et TAutriche" (86). Der Lands-
mann des Verfassers Dumouriez hat in seinen „M^moires^'
(1. I, eh. 8), dieses „peuple de soldats ^% das Bussland, die
Türkei, Schweden u. A. im Schach halte, folgendermaassen
gekennzeichnet: „pas une place, pas une piece d'artillerie, pas
un homme d'infanterie^' (74).
Die erste Theilung Polens schreibt der Verfasser aus-
schliesslich Friedrich 11. zu (56, 65, 86), aber er übergeht auch
Katharina 11. nicht: „si Fr^d^ric a 6t6 le grand coupable,
Catherine a 4t6 sa complice^. Da er kein Specialist ist,
sieht er auch in der ersten Theilung Polens eine der Bedin-
gungen „du testament de Pierre le Grand'' (42). Er schont
weder Katharina (19, 84), noch Bepnin (42), noch sogar die
russische Armee (52), welche damals glanzende Siege erfocht.
Dem Verfasser kann man nur Eünes als Verdienst an-
rechnen: er hat die Documente benutzt, die von Lord Mahon
in serner „History of England'' (69, 71) herausgegeben worden
sind und die sogar Herrmann übersehen hat Zur Zahl der
gelungenen Urtheile muss man die Charakteristik Tott's^ des
firanzösischen Agenten in Konstantinopel, rechnen: „Tott, ce
flongrois un peu gascon etc." (53).
__ 410 —
1042. Vie et aventares du comte Manrice-AiigiiBte Beniowski, resumees
d'apr^ 8C8 memoires par N. A. Kfubalski), Tonn, 1856.
Der polnische Emigrant Eubalskij hat eine ganze Reihe
von Abhandlangen über Polen heransgegeben — : ^^Les poissances
europ6ennes ont-elles droit et intäret d'interrenir dans les
affaires de la Pologne?'^ Besangen, 1832; „Snr les cr^ances
reclam^es de la France par la Bassie an nom da royaame de
Pologne", Paris, 1835; „M^moires sar Fexpedition des r6fugi6s
polonais en Suisse et en Savoie", Paris, 1836, a. a. m. Er
hat femer einige Werke über Bassland erscheinen lassen: ge-
meinsam mit C. Moreaa, „Statistiqae physique et description
de Tempire de Eussie", Paris, 1838; „La cour de Borne et
Celle de St.-Petersbourg", Paris, 1842; „Voyage en Sib^rie",
Toars, 1853, n. a. m. Hierdurch erklärt es sich wahrschein-
lich, dass die Herausgeber der „Biblioth^que des Cooles chre-
tiennes" ihn beauftragten, die Abenteuer ßenjowskij's nach-
zuerzählen, aber das hat diese Ausgabe keineswegs von geo-
graphischen und anderen Fehlern befreit, die hier wörtlich
aus No. 659 herübergenommen worden sind.
Dieser Ausgabe ist ein Holzschnitt beigelegt, der den
Moment darstellt, als „cinq de mes compagnons parurent et
desarmferent Thetman*' (162).
1043. Katharina II, die Semiramis des Nordens. Historischer Roman
von Fr. Lubojatxky, 8 Bde. Leipzig, 1856.
Dies ist ein sehr interessanter Roman, dem die Aufzeich*
nungen „einer polnischen Familie" zu Grande gelegt sind.
Er zerfällt in drei Theile: 1. „Polen vor der zweiten Theilung",
2. „Semiramis** und 3. „Des weissen Adlers Untergang".
Jeder Theil umfasst einen besonderen Band. Das Interesse
concentrirt sich auf das Schicksal einer polnischen Familie,
die wegen der politischen Umwälzungen jeder Art Ton Zu-
fällen ausgesetzt ist. Aber beiläufig werden, besonders im
zweiten Bande, auch allgemeine Interessen berührt, wobei in-
— 411 —
dess der Verrath einzelner polnischer Magnaten an der Sache
Polens in den Vordergrund gerückt ist. Am schwächsten sind
im Roman die russischen Männer und die russischen Angele-
genheiten charakterisirt, wobei der Verfasser z. B. sagt, dass
Schkurin ein „Estopkin oder Ofenheizer" war (II, 136), den
Grafen Bobrinskij „Basil Gregorowitsch" nennt (II, 237) u. s. w.
Katharina ist in ziemlich sympathischen Zügen gezeichnet:
„Katharina setzte das Werk Peter's des Grossen, ßussland zu
civilisiren, obwohl in ganz anderer Beziehung fort. Während
er durch Gewaltthat sein Volk zwang, sich der Veredelung
fähig zu machen, erreichte sie dasselbe Ziel, indem sie die
Leidenscliaften des Stolzes, der Ehrsucht und die Eitelkeit der
russischen Grossen durch ihr eigenes Beispiel in so hohem
Grade anzuregen verstand, dass die Verfeinerung der Sitten
schnell um sich griff und ihren Hof zu einer Art Wunderhof
umwandelte** (II, 61). Wie es im Romane üblich, ist hier
nicht selten das Mögliche mit dem Unwahrscheinlichen ver-
knüpft. So wird z. B. erzählt, dass der Vater der Subow's,
ein Senator, „ein prächtiges Geschäft macht, indem er alle
alten Processe für ein Spottgeld kauft und sie dann vom
Senate zu seinen Gunsten entscheiden lässt'*, und dass er zu
gleicher Zeit „den Plan nährt, König von Polen zu werden"
(II, 104).
1044. La guerra sul mar Nero, ossia Caterina II di Russia e la sua
Corte. Schizzi storici di Theodoro Mundt. Torino, 1S56.
„Traduzione dal tedesco (No. 1035) di P. Peverelli".
1045. Ein russischer Staatsmann. Des Grafen Jakob Johann Sievers
Denkwürdigkeiten zur Geschichte Russlands. Von K. L. Blum.
4 Bde. Leipzig, 1857.
Von allen Eathgebem und Mitarbeitern Katharina's hat
nur Jakob Jephimowitsch Sievers einen Biographen gefunden,
der sein Leben und Wirken vollständig und umsichtig erforscht
hat. Die Rede Eambach's (No. 895) war nur ein theil-
— 412 —
nehmendes Wort an dem noch frischen Grabe, das Werk
Blom's dagegen ist eine ernsthafte historische üntersnchungy
ein werihvoUes Werk sowohl fiir die Geschichte Katharina's,
als auch besonders ihrer Zeit. Wenn wir daran denken, dass
Blum seine Arbeit vor 40 Jahren hat erscheinen lassen, so
glauben wir ihm gern seine Erklärung: „die Arbeit war eine
unermessliche" (IV, Vorrede); und wir erkennen an, dass seine
Untersuchung das Muster einer biographischen Arbeit für die
damalige Zeit war. Sie besteht aus zwölf Capiteln, die auf
vier Bände vertheilt sind, und zerfällt, als Ganzes genommen,
in zwei ungleiche Theile: der grössere und wichtigste besteht
aus vorzugsweise eigenhändigen Original-Aufzeichnungen, Be-
richten und Briefen Sievers', ofQcieUen und privaten Charakters,
sowie aus Briefen Katharina's an ihn und endlich aus Briefen
der Gemahlin Sievers', die als „Mittheilungen" oder „Nach-
richten aus Petersburg" bezeichnet sind (II, 20, 133, 243);
der kleinere Theil enthält Erläuterungen, Erörterungen,
Charakteristiken, Meinungen und Ansichten des Verfassers und
ist ganz unter dem Drucke der tendenziösen und, wie wir
hoffen, unrichtigen Ueberzeugung geschrieben, dass „der Slave,
ob er's eingestehe oder nicht, den Deutschen hasst" (ibid.).
Zwei Male hat Sievers eine hervorragende Bolle gespielt,
und seine Mittheilungen aus dieser Zeit enthalten ein be-
sonderes Interesse: das erste Mal von 1764 bis 1781; er be-
kleidete in diesem Zeiträume von 17 Jahren einen Ver-
waltungsposten, zuerst als Gouverneur von Nowgorod und dann
als Statthalter von Twer und Nowgorod; das zweite Mal, von
1791 bis 1793, also im Laufe zweier Jahre, versah er den
diplomatischen Posten eines ausserordentlichen und bevoll-
mächtigten Gesandten in Warschau beim Könige und bei der
Betscbe Pospolita von Polen. In diesen 19 Jahren hat Sievers
beständig mit Katharina im Briefwechsel gestanden, er erhielt
von ihr gegen 500 Eescripte, Briefe und Billets (IV, 650) und
— 413 —
übersandte ihr eine Menge von Berichten, Projecten und Vor-
schlägen, die zuerst von Blum veröffentlicht worden sind. Be-
sonders interessant ist Sievers' administrative Wirksamkeit.
Bald nach seiner Ernennung zum Chef des Gouvernements
Nowgorod, das damals acht heutige Gouvernements umfasste,
überreichte er der Kaiserin einen umfangreichen Bericht über
die Bedürfnisse des Gouvernements (I, 159), wobei er eine be-
sondere Aufmerksamkeit auf die Wasser -Verbindungen, die
ihn immer beschäftigten, verwandte (I, 897; II, 10, 216, 385,
397, 438); und im Laufe der 19 Jahre seiner amtlichen
Wirksamkeit hat er nicht aufgehört, Katharina eine ganze
Beihe von Beformen in allen möglichen Fragen der inneren
Verwaltung vorzuschlagen — : über den Schiffsbau (I, 165;
n, 86, 89), über die Eecruten-Aushebung (I, 286, 393; 11, 181),
über die Erhaltung der Wälder (II, 212), über eine Assignaten-
Bank (I, 273), über die Lage der Bauern (I, 207), über die
Gefängnisse (11, 322), über Seuchen-Quarantänen (I, 306, 314,
324, 333, 344) u. s. w.. Ausser der allgemeinen, „General"-
Instruction (Russ. Archiv, 1863, 431) hatte Katharina Sievers
noch eine besondere, „geheime Instruction'^ gegeben (I, 173),
und „die geheime Instruction war" — nach den Worten
Sievers' — „bei weitem ausführlicher als die Generalinstruction"
(ibid., 172). Sievers mass der Gesetzgebungs-Commission eine
grosse Bedeutung bei, er correspondirte hierüber mit Katharina
und bedauerte ungemein, dass der Krieg die Arbeiten der
Commission unterbrach (I, 237, 258, 260, 269). Als Sievers die
„Verordnung" erhielt, schrieb er an Katharina: „Ich habe jenes
Buch erhalten, welches künftige Jahrhunderte Russlands goldene
Bulle nennen werden" (I, 266). Er arbeitete eifrig an der Ab-
fassung der „Verfügungen über die Verwaltung der Gubemien"
mit (Archiv d. Senats, Bd. 138, Bl. 300; Allg. Ge8.-Sammlg.,
No. 14392), so dass der Verfasser fast geneigt ist, Sievers für
den Schöpfer dieser Angelegenheit zu halten (11, 66, 85, 89,
— 414 —
115, 174, 207). Der Verfasser hat übrigens diese Angelegen-
heit richtig geschätzt: „Damit that das Russische Beich den
ersten eigentlichen Schritt ins civilisirte Staatensystem. Die
Verfassung war aus den deutschen Provinzen Russlands ge-
schöpft, aber zugleich mit so nachdenklichem Blick Rücksicht
genommen auf die russischen Verhältnisse, dass wir begreifen,
wie ein lauter Jubelruf durch das ganze Reich ihr entgegen-
scholl. Es schien, als würde dasselbe jetzt auf feste Gesetze
gegründet, der Willkühr endlich gewehrt" (II, 112). Sievers
hat als Erster diese neue Gouvernements- Verfassung eingeführt
und sandte Katharina die „Tagebücher" der Wahlen in Twer,
Nowgorod undPskow (II, 118, 185, 195, 229). In diese Zeit
fallen auch seine Bemühungen um eine Reform des Senats,
die nicht von Erfolg gekrönt waren (II, 141, 223). Sehr
interessant sind die Bemerkungen Sievers' während seiner
wiederholten Reisen durch die Gouvernements, die in der
Rubrik „Sievers' Rundreise" abgedruckt sind (I, 215, 241,
387; II, 202, 309); in ihnen wird das innere Russland, das
uns so wenig bekannt ist, lebendig geschildert. Bei diesen
Rundreisen sah er den Grafen A. A. Bestushew-Rjumin
(I, 219), der vom Vater ins Kloster gesteckt worden war
(Sammig., X, 59, 60, 61, 88; Russ. Archiv, 1869, 201), ferner
sah er ,,das wunderthätige Bild, welches keine merklichen
Wunder mehr thut" (1, 242) und viele andere wunderbare Dinge.
Die diplomatische Wirksamkeit Sievers' in Warschau und
Grodno ist weniger interessant. Seine Betheiligung an der
zweiten Theilung Polens (HI, 39, 82, 153, 191). ist mehr oder
weniger bekannt. In dem Werke Blum's finden sich auch
Striche zu einem Porträt Stanislaus August's (III, 52, 56, 68,
240, 277). Der Verfasser vertheidigt die „polnischen Ange-
legenheiten" seines Helden folgendermaassen: „Man sagt, Sievers
hätte eher abtreten sollen, als sich zu Maassregeln hergeben,
die sein Innerstes anwiderten. Wer das verlangte, würde be-
— 415 —
weisen, dass er den Unterschied eines despotisch und eines
frei regierten Volkes nicht kennt. Ein freies Volk verlangt
mit Recht, dass die Lenker seiner Geschicke Eath und Ent-
schluss aus den Bedürfnissen und dem Drang der gesammten
Nation schöpfen. Ein Despot dagegen übt Willkühr und ver-
folgt Sonderinteressen, denen am wenigsten entgegentreten
darf, wer ihm am nächsten steht" (III, 275). Hier finden sich
endlich interessante Nachrichten über Kurland (III, 27, 217,
253, 447; IV, 58, 180), Charakteristiken Beauscamp's (III, 67;
IV, 138), Berichte über die Händel in Grodno (III, 121, 194),
sowie ein interessanter Brief M. L. Kutusow's (III, 426).
Zwei Male wurde der Staatsdienst Sievers' unterbrochen,
und jedes Mal hat er beim Fortgehen die Geschäfte mit Liebe
seinem Nachfolger übergeben: als er von seinem, Verwaltungs-
posten schied, hat er ein „Testament au comte Bruce 1782
en quittant les Communications des eaux" hinterlassen (II, 438),
und als er von seinem diplomatischen Posten zurücktrat, ver-
fasste er eine interessante „Denkschrift an Igelström" (IV, 16),
in der er die handelnden Personen charakterisirte.
Aus der Masse von Documenten, die von Blum heraus-
gegeben worden sind, interessiren uns am meisten die Briefe
Katharina's. Als Sievers 1808 starb, verbrannte er kurz vor
seinem Tode 300 — 400 Briefe der Kaiserin, indem er erklärte:
„Ich war's dem Andenken meiner Kaiserin schuldig" (IV, 650).
Nichtsdestoweniger hat Blum noch 61 Briefe Katharina's publi-
cirt: 35 im Original, als Beilage,*) und 26 in einer deutschen
Uebersetzung, im Texte. Der interessanteste Brief ist — ein
Zettelchen mit wenigen Worten: „Le zfele a dict6 votre P.S.;
je Tai brül6" (11, 548). Dieses P.S. ist in einem Briefe vom
22. Januar 1776 enthalten und lautete: „Was ich Ew. K.
*) Hier sind die „Briefe Katharina's 11. an Graf J. J. Sievers" ent-
nommen, die im Buss. Archiv, 1870, 1422, abgedruckt worden, wobei die
Briefe aus dem Texte weggelassen worden sind.
— 416 —
Majestät jetzt sage, wird Ihnen zum neuen Beweise meiner
Gefühle für Ihre geheiligte Person dienen. Auch sind Sie's
allein, zu der ich zu sprechen wage. Die Moskauer Gerüchte,
welche sich bis hierher verbreiten, geben die Stelle des Günst-
lings einem andern glücklichen Sterblichen, und behaupten,
Herr Graf Potemkin werde, seine Gleichgültigkeit und den
Mangel an Fähigkeit zu verbergen, mit Reichthümem über-
häuft, seine Gouvernements bereisen, und nur im Mönchskleid
wiederkehren, das ihm, sagt man in Moskau, weniger anstehe
ab das blaue Band. Diess sagt jene Stadt, die er so innig
liebt. Der Wunsch der guten Unterthanen, und deren giebt's
eine hübsche Zahl, geht dahin, der Nachfolger des Günstlings
möge keinen Wirkungskreis angewiesen erhalten, als den glück-
lichen, seiner liebenswürdigen Wohlthäterin zu gefallen —
auch ist dies der Wunsch eines Mannes, der den Namen
Katharina auf Marmor, Jaspis und Granit wird eingraben
lassen^ ^ (U, 128). Man musste ein grosses Vertrauen bei der
Kaiserin gemessen, um solche Sachen an Katharina zu schreiben!
Sievers liebte Potjemkin nicht, und auch Blum liebte ihn nicht
(11, 20, 52, 59, 79, 171, 302), und es scheint, dass Sievers
auf Betreiben Potjemkin's im Jahre 1781 von seinem Statt-
halterposten entfernt worden ist; er wurde erst nach dem Tode
Potjemkin's aufs Neue berufen. Der Brief, der sich auf Ssergei
Puschkin bezieht (11, 550), ist nicht richtig datirt: er stammt
vom 6. Februar 1772, aber nicht 1777 (Achtzehntes Jahr-
hundert, I, 390; Sammlung, XTTT, 219). Der Brief an Pohl-
mann vom 26. August 1788 (II, 502) ist in den „Briefen
Katharina's der Grossen an E. W. von Pohlmann", die dem
Archive der Frau v. Pohlmann, geb. von Bremen, entnommen
sind, nicht enthalten (Buss. Archiv, 1888, I, 1).
In der Biographie Sievers' wird natürlich viel von Katha-
rina gesprochen (I, 136, 140, 150, 154, 183, 281, 282; 11, 4,
53, 59, 79, 171, 302; HL, 338; IV, 58, 268), wobei sie U.A.
— 417 —
als „eine Deutsche" gelobt wird (I, 135); nach ihrem Tode
wird das ürtheil über sie in einer Weise zusammengefasst,
der man nicht umhin zustimmen kann: ,,Eatharina war jedoch
eine grosse Frau, oder vielmehr Herrscherin; vielleicht die
grösste unter allen Frauen , die je ein Diadem geschmückt''
(IV, 266). „Mit Katharina erhob sich die ganze Wucht euro-
päischer Bildung zum erstenmal auf den russischen Thron''
(IV, 269). „Man darf sagen Peter der Grosse brachte Russ-
land die Verheissung; Katharina 11 die Erfüllung" (ibid.).
Je höher wir das Werk Blum's stellen, desto unangenehmer
ist es für uns, seine Fehler anzustreichen, die durch ein über-
flüssiges Vertrauen zu Gerüchten hervorgerufen worden sind.
Zu der livländischen Reise der Kaiserin bemerkt er: „die böse
Zunge der Welt liess sie reisen, um noch einmal einem früheren
Liebhaber zu begegnen, besonders aber den Gräueln aus dem
Wege zu gehen, die den jungen Iwan m. in Schlüsselburg er-
warteten" (I, 153). Er wiederholt „das dunkle Gerücht", dass
„Browne den Kaiser Peter HI. der nicht umgekommen sei,
viele Jahre in geheimem Gewahrsam gehabt habe" (II, 458;
in, 16). Er glaubt an das Märchen vom Senator Jelagin,
das von Durand in die Welt gesetzt worden ist (I, 283). Was
seine Uebersetzungen anbelangt, so haben wir nur eine TJn-
genauigkeit bemerkt: „le plus sot de tout" (11, 547) ist durch
„das allererste von allen" (11, 89) wiedergegeben.
In der russischen Litteratur hat D. J. Ilowaiskij das Werk
Blum's in zwei Aufsätzen exploitirt: „Das Gouvernement
Nowgorod vor 100 Jahren" (Buss. Bote, 1868, XII, 479), wo-
bei sogar der Name Blum's nicht erwähnt ist, und „Graf
Jakob Sievers" (ibid., 1865, I, Isqq.), wo das Werk Blum's
russisch nacherzählt ist Das vierbändige Werk des Deutschen
Blum, das der Biographie nur einer Person gewidmet ist, —
ein Werk, das nach bisher nicht erschienenen Documenten
verfasst war, konnte natürlich dem französirten Polen
Bilbassoff, Katharina n. 27
— 418 —
Walischewskij nicht gefallen, der auf Grand von Mittheilungen
Anderer in einem einzigen Bande (No. 1270) die Biographien
von einem ganzen Hundert von Politikern dargeboten hat.
Deshalb urtheilt er, wie folgt, über das vorliegende Werk:
„C'est un monument curieux de la sereine et pour ainsi dire
extatique inconscience avec laquelle un Allemand est
susceptible de parier des hommes et des choses de TAUe-
magne" (41).
1046. Gustav m und die politischen Parteien Schwedens im 18. Jahr-
hundert Von Ernst Herrmann. Leipzig, 1857.
Diese Abhandlung zerfallt in zwei Theile: 1. „Schweden
in der sogenannten Freiheitszeit" (1856, 849 — 476) und
2. „Die politischen Katastrophen unter Gustav HI." (1857,
861 — 581). Diese Abhandlung ist hauptsächlich deshalb inter-
essant, weil sie auf archivalischen Documenten beruht, die
noch nicht veröffentlicht waren. Ausserdem hat der Verfasser
als Erster das Werk von Geijer, „Teckning of Sveriges
tillständ och af de fomämsde handlande personer under tiden
frän konung Carl XII' s död tili konung Gustav III's anträde
of regeringen", Stockholm, 1839, benutzt. Herrmann filhrt
aus dem Londoner Archiv ganze Depeschen der englischen
Gesandten Kane (U, 422, 442) und Listen (II, 450, 496, 508,
525) an. Aus seinen archivalischen Mittheilungen sind für
uns besonders wichtig: erstens, zwei Briefe Katharina's 11. an
Gustav in., vom 18. (29.) September 1791 (11, 499) und vom
25. November (6. December) 1791 (II, 502), und zweitens,
die Erzählung eines Augenzeugen, des Majors Gazales, über
die Seeschlacht vom 28. Juni 1790, aus dem Berliner General-
stabs-Archiv (IE, 477). Diese Barzahlung ist in's Russische
tibersetzt worden (Journal d. Min. der Volksaufklärg., 1869,
JuU, 84).
Um den Charakter Gustav's III. zu definiren, vergleicht
der Verfasser ihn mit Joseph 11. und mit Katharina: „er
— 419 —
huldigte y wie Katharina 11., dem Cultus des Scheins, ohne,
wie sie, über eine an überzeugungslosen Gehorsam gewohnte,
dem blossen Schein folgende Nation zu gebieten; er war, wie
sie, ein leichtfertiger Jünger der oberflächlichen Lehren
Voltaire's, aber er verstand es nicht, wie sie, die Eitelkeit
und Genusssucht mit einem beharrlich grossen Zielen nach-
strebenden Ehrgeiz zu verbinden" (I, 352). Gustav III. seien
alle Mittel recht gewesen — „erlaubte und unerlaubte, ver-
steckte und offene" (II, 427); „es fehlte ihm an besonnener
üeberlegung, wie an strategischer Einsicht" (II, 475), nichts-
destoweniger aber „sollte nur Das gelten, was er wollte, weil
er, der König, es war, der es wollte" (11, 494); „er schlug
den sittlichen Werth des Menschen nur zu gering an" (11,
505). Katharina 11. habe Gharlatane, wie Cagliostro, gehasst
(Marcard, 358; Smirdin, HI, 453; Sammig., XXITI, 211 flf.);
„es fehlt nicht an Andeutungen, dass auch Gustav III. mit
Cagliostro in Verbindung zu kommen gesucht habe, und mit
anderen Betrügern gleichen Gelichters stand er zeitweise im
vertraulichsten Verkehr" (IE, 380). Der Verfasser sagt selbst,
dass Gustav Gelegenheit gesucht habe, „der Welt als Kriegs-
held sich zu zeigen" (11, 383, 386, 388), und zeichnet die
Beziehungen Busslands zu Schweden als solche, die zum
Kriege herausforderten (11, 361, 362, 383, 389). Die eigent-
lichen Kriegsereignisse behandelt der Verfasser nicht, wohl aber
das Ergebniss der Kriegsthatsachen, und dies mit der ihm
eigenen Missgunst gegen die Bussen. Die Schlacht vom
17. Juli 1788 ist einfach gewissenlos dargestellt: zuerst die
Behauptung, „dass zur See die Schance zu Gunsten Schwe-
dens sein möchte" (11, 411); dann die Erklärung, dass „es am
17. Juli zu keiner Entscheidung kam", und dass die schwe-
dische Flotte nach Sweaborg absegelte, „wo sie aus Mangel
an Munition bis Ende October bleiben musste" (II, 414);
endlich das Zugeständniss , dass die schwedische Flotte in
27*
— 420 —
Sweaborg ^^von einer überlegenen rassischen Flotte bloldrt
wird" (n, 425). Und doch erkennt der Verfesser an: ,,noch
nie ist ein Krieg leichtsinniger unternommen worden" (ü, 402) ;
er theilt mit, dass die schwedischen Soldaten hungerten (ü,
415, 417); und gesteht, dass der Krieg Gnstay's IQ. gegen
Bnssland erfolglos gef&hrt worden sei (II, 494).
Der Verfesser fährt schone Worte Gnstav's HL zu
Gunsten der Pressfreiheit an: „Durch die Pressfreiheit erfahre
der König die Wahrheit, die man so geflissentlich, oft nur
allzu künstlich ihm verheimliche etc." (II, 365). Interessant
ist eine Aeusserung des Grafen Creutz: „Russland ist ge-
wohnt seine Verbündeten als Vasallen zu behandeln und
Könige als Statthalter, die mit passivem Gehorsam seine
souveitoen Befehle entgegenzunehmen haben" (IE, 388). Der
Verfasser vergleicht den schwedischen Beichsrath mit dem
russischen Senate: „Der Beichsrath sank allmälig zu einer
völlig bedeutungslosen Behörde herab, in welche der König,
gerade so wie es schon damals bei dem Senat des russischen
Kaiserreichs üblich war, vorzugsweise als Mitglieder gern die-
jenigen Männer von Bang und guter Herkunft aufnahm, denen
er eine durchgreifende Thätigkeit nicht mehr anvertrauen
wollte" (n, 381). Er erwähnt femer die Zusammenkunft
Gustav's m. mit Katharina (II, 382, 385), den Brief Katha-
rina's an Gustav (IE, 386), den Grafen Ostermann (I, 438,
447) und Sprengtportcn (11, 399). [Hisix)risches Taschenbuch,
1856, 349; 1857, 359].
1047. BoBsiflche Hofgeschichten. Von Katharina n bis Nicolaos I.
Von H. E. B. Belani, 3 Bde. Leipzig, 1857.
Karl Ludwig Häberlein, 1784 — 1858, ein Sohn des zu
seiner Zeit bekannten Professors des Staatsrechts Häberlein,
eines Theilnehmers an dem Bastadter Congress und Verfassers
einer „Algemeinen Weltgeschichte" (12 Bde., 1773), sowie
einer „Neuesten Deutschen Reichsgeschichte" (21 Bde., 1786),
— 421 —
studirte die Rechte, war im Amte und wurde im 44. Lebens-
jahre eines Criminalverbrechens angeklagt und in's Gefängniss
geworfen. Er hatte den berühmten Namen seines Vaters so
sehr beÜeckt, dass er zu Pseudonymen ^riff und seine Novellen
und Romane unter den Namen ,,Melindor<% ,,Niemand<S ^^^
häufigsten aber ,,H. E. R. Belani'^ erscheinen liess. Da er
die Feder in der Gewalt hatte, schrieb er eine Menge Romane
und unter ihnen auch ,,Russische Hofgeschichten^' in zwei
Abtheilungen. Die erste Abtheilung kam im Jahre 1856
unter dem Titel: „Von Peter dem Grossen bis auf die neuere
Zeit. Ein historischer Novellenkreis^^ in drei Bänden heraus,
wobei im dritten Bande das Leben Katharina's bis zu ihrer
Thronbesteigung erzählt ward. Die zweite Abtheilung bildete
das hier vorliegende Werk. Der Vater des Verfassers,
1756 — 1808, ein Zeitgenosse Katharina's, der dem Herzoge
von Braunschweig nahe stand, viele im Auslande thätige
Russen kannte und mit Deutschen, die in russischen Diensten
standen, Briefe wechselte, hätte, so schien es uns, dem Sohne
seine und der Zeitgenossen Ansichten über Katharina mit-
theilen können; aber wir haben uns geirrt: dieser Roman
Belani's ist nach der hergebrachten Schablone aller historischen
Romane bis Walischewskij (No. 1261) inclusive verfasst.
Von den drei Bänden des Romans sind speciell Katharina
die ersten anderthalb gewidmet, wobei ihr Roman in drei
Theile getheilt ist: „Die Gebrüder Orloff" (I, 9), „Potemkin"
(I, 243; n, 3) und „Nach Potemkin's Tode" (H, 125). Der
Verfasser stellt Katharina sehr hoch: „Katharinens Herrschaft
für die heutige Gestaltung und Politik Europa's war von
höchster Bedeutung. Da sie aber Selbstherrscherin dieses
Reiches und eine Frau von seltener Geisteskraft, dabei aber
von grossen menschlichen Fehlem war, so darf man sie als
die Trägerin ihrer Politik und als eine der Säulen der Welt-
geschichte betrachten" (I. 2). Im Romane selbst aber spiegelt
— 422 —
sich diese Ansicht des Verfassers durchaus nicht wieder, er
schliesst vielmehr sein Werk mit der folgenden Charakteristik
Eatharina's: ,,Dass besoldete Federn eines Voltaire und anderer
officieller Schmeichler sie in den Himmel erhoben, dass die
Ghronique scandaleuse, welche meistens in französischen
Memoiren vertreten war, sie tief erniedrigte und kein gutes
Haar an ihr liess, darf nicht verwundem. Geschichtsschreiber,
je nach ihrem Standpunkte, sprachen ihr den Titel Katharina
die Grosse zu, indem sie nur pragmatische Geschichte
schrieben und, blind filr das Privatleben der Kaiserin, allein
in der Vergrösserung Russlands ihre Grösse erkannten und
nicht einmal tiefer blickten in den Zustand des russischen
Reiches, wie er sich unter einer so schamlosen Günstlings-
herrschaft, die nur in jenem Jahrhundert der Sittenlosigkeit
an den galanten Höfen Europa's und unter einem so frivolen,
barbarischen Volke, wie damals Russland darbot, eine Mög-
lichkeit war" (II, 169).
1048. Memoiren der Fürstin Daschkoff. Zur Geschichte der Kaiserin
Katharina ü. 2 Bde. Hamburg, 1857.
Dies ist eine wörtliche üebersetzung von No. 978, aber
in einer anderweitigen Anordnung der einzelnen Theile. Ebenso
willkürlich, wie die englische Uebersetzerin der Memoiren der
Fürstin E. R. Daschkow die Erzählung in Capitel eingetheilt
hatte, wobei sie in den ersten Theil 25 und in den zweiten nur
4 Capitel stellte und ihnen eine Masse verschiedener Briefe
beifügte, hat auch der deutsche üebersetzer im ersten Theile
nur 17 Capitel herausgegeben, denen „als Anhang^^ (I, 299)
die firiefe Eatharina's 11. an die Fürstin Daschkow und an
Mme. Lewschin beigefügt sind, und in den zweiten Theil die
übrigen 12 Capitel gestellt, denen wiederum als „Anhang"
(11, 185) der Rest der Briefe aus dem 2. Bande der englischen
Ausgabe beigegeben ist. üeberdies hat der deutsche üeber-
setzer in Gestalt einer „Einleitung" eine üebersetzung der
— 428 —
Abhandlung ,,Für8tin Katharina Eomanowna Daschkow'^ aus
dem „Polarstern" für das Jahr 1857 (207) in das Werk hinein-
genommen. Die Uebersetzung ist ziemlich genau, bisweilen
sogar zu genau. So ist z. B. die „Italienische Stadt Livomo"
(I, 252) die englische Stadt „Leghorn", (I, 279) geblieben.
Mitunter erlaubt der üebersetzer sich auch willkürliche Ein-
schiebsel, die den Sinn des Textes entstellen: so hat er z. B.
die Einleitung nicht verstanden und zu Menschikow und Biron,
Münnich und den Dolgorukij auch Orlow und Potjemkin hin-
zugesetzt (XVI). Die einzige Anmerkung in der Einleitung —
ein Citat aus Koschichin zur Charakteristik des Bojaren-ßathes
— hat der Üebersetzer weggelassen, weil er offenbar nicht
vnisste, was der „Bojaren-Bath" war; andererseits hat er zu
dem „westphälischen Baron Haxthausen" von sich aus die
Anmerkung: „Ein bekannter Schriftsteller eines Werkes über
Russland", hinzugefügt (XI). Bei der Uebersetzung der Mit-
theilung von der bekannten Unterredung Alexander's I. mit
Napoleon I. hat der üebersetzer ziemlich glücklich „Tilsit"
durch „Erfurt" ersetzt.
1049. Der rassische Hof von Peter I bis auf Nicolaos I und einer
Einleitung: Rassland vor Peter dem Ersten. Von M. J. van
Grusenstolpe. 9 Bde. Hambarg, 1857.
Dies ist eine tendenziöse Ausarbeitung von No. 1004 auf
breiterer Grundlage. Eigentlich nur für seine Tendenz be-
durfte der Verfasser auch der im Titel angegebenen Einleitung,
„da wir es uns zur Aufgabe gestellt haben, es nachzuweisen,
dass die russische Eroberungspolitik sich nicht nur von Peter
dem Grossen herschreibt, sondern gleichzeitig eins der staat-
lichen Grundelemente dieses Reiches ausmacht, welches unab-
hängig von dem Willen des Monarchen zu einer historischen
Nothwendigkeit für dasselbe geworden ist" (Einleitung). Von
den neun Bänden sind zwei, der zweite und der dritte, Katha-
rina gewidmet. Dieses Werk erschien im Laufe von 5 Jahren,
— 424 —
von 1855 bis 1860^ und Bussland ist in allen Bänden unter
dem Einflüsse des Erimkrieges als ,,der Schrecken Europas^'
hingestellt (ibid.). Auf dem Titelblatte findet sich der Zusatz:
,,Deutsche Originalausgabe^', und zwar deshalb, weil der
schwedische Verfasser zu gleicher Zeit, aber ohne seinen
Automamen, in vier Bänden eine schwedische Ausgabe des-
selben Werkes erscheinen liess: „Byska hofVet frän Peter I
tili Nicolaus I, jemte inledning: Byssland före Peter L'S
Stockholm.
Der Verfasser kennt weder Bussland, noch die Bussen
und begegnet ihnen mit Hass. Er übertreibt die schlechten
Seiten des russischen Lebens und übersetzt z. B. „Polizei-
soldaten'' durch das Wort „Bazboiniks'* (I, 834) und verurtheilt
die Bussen zu ewiger Sclaverei (11, 110). Er theilt femer
jeden Unsinn mit (U, 75, 83, 121, 126, 127, 136, 138 ff.),
nur um die Bussen und besonders Katharina herabzusetzen.
Die zahllosen Beden der handelnden Personen (II, 14, 20, 89,
101, 109, 114 ff.) bezeugen, dass der Verfasser diese Personen
nicht verstanden hat. Seine Urtheile zeichnen sich entweder
durch Naivetät aus, z. B.: „Die Geschichte der allemeuesten
Zeit beweist es, dass Bussland, wie es sich auch selbst als
der Heerd der conservativen Ideen darstellt, sich dennoch im
Nothfalle, zur Erreichung seines Zweckes, vorgeblicher liberaler
Mittel bedient" (II, 133), oder durch ünkenntniss, z. B.: „der
Tod des Czaren Iwan erzeugte den aUgemeinen Glauben, dass
dies auch noch nicht die letzte gewaltihätige Handlung sein
würde, die sich Katharina zu erlauben wagen möchte"
(n, 149).
Dieses Werk hatte keinen Erfolg; es wurde nicht einmal
ins Französische übersetzt, und nur in jüngster Zeit hat
Walischewskij (No. 1270) es benutzt, ohne indess Crusenstolpe
in der Zahl der „auteurs consult6s" (600) aufzuführen.
— 425 —
1050« Le prince, roman historique, traduit du SuMe de Rtdderstad,
2 V. Paris, 1857.
Eine Uebersetzung von No. 1021.
1051. La cour de la Russie il y a cent ans. 1725—1783. Extraits
des. d6p§ches des ambassadeurs anglais et fran^s. Par
[M. Qrimblot.] Berlin, 1858.
Dies ist eine Nachahmung des Werkes von Eaumer,
(No. 975), welche von einem Menschen verfasst ist, der nicht
die Kenntnisse desselben besass. Entsprechend seinem persön-
lichen Geschmack hat der Herausgeber aus den Depeschen
vorzugsweise die Thatsachen intimen Charakters herausge-
schrieben: muss er mitunter auch über ernste Angelegenheiten
reden, so bedauert er dies und beeilt sich, zu seinem Lieb-
lingsthema zurückzukehren: „il est temps de reprendre la
chronique scandaleuse de la cour" (325). Der Herausgeber
besitzt nicht die geringste kritische Fähigkeit und schreibt
nicht selten neben einander zwei sich wiedersprechende Nach-
richten aus, ohne einer derselben den Vorzug zu geben: „Tout
au contraire de M. Gunning, Tenvoye de France, M. Sabatier,
s'exprimait ainsi . . ." (273). Der Herausgeber erklärt nicht,
in wie weit man den von ihm mitgetheilten Nachrichten trauen
darf; ja er führt nicht einmal Hinweise an, nach denen man
sich über die Fähigkeit des einen oder des anderen diplo-
matischen Agenten, sich eine zuverlässige Quelle für die von
ihnen mitgetheilten Nachrichten zu verschaffen, ein Urtheil
bilden könnte, und nur an einer Stelle definirt er die gegen-
seitige Beziehung des französischen und des englischen Agenten
folgendermaassen: „Mr. B6renger ne se croyait pas tenu k
tant de reserve que Mr. Keith" (218). Offenbare, ins Auge
springende und schon längst widerlegte Ungereimtheiten in den
Mittheilungen derartiger Agenten (216, 228, 241, 243, 255 ff.)
werden hier, sogar ohne jegliche Anmerkungen, wiederholt,
und da sie aus den Depeschen der Vertreter zweier Höfe, des
— 426 —
französischen und des englischen, zusammengetragen sind, so
bringen sie schon allein durch die Masse ^^skandalöser^' Nach-
richten Eindruck hervor. Dieses Werk bietet ein reiches
Material für Romane und Novellen, Komödien und Yaudevilles,
das denn auch die Dramaturgen und Belletristen nicht unbe-
nutzt gelassen haben.
In dem Buche findet sich weder ein Vorwort, das den
Plan der Herausgabe erklärt, noch ein Inhaltsverzeidmiss.
Es besteht aus 15 Capiteln, von denen die ersten ftiiif die
Zeit vom Tode Peter's des Grossen bis zur Thronbesteigung
Elisabeth Petrowna's behandeln. Der Name Eatharina's wird
zuerst auf S. 113 erwähnt, und erst von S. 200 ab wird sie
der Mittelpunkt der Darstellung. Sehr wichtig sind zwei
Briefe Katharina's (155, 170), die hier zum ersten Male ver-
öflFentlicht worden sind; ein dritter, an Ponjatowskij (102), ist
nur ein Nachdruck. Als Beilage sind abgedruckt: 1. „Ektraits
du Journal de Villars" (383), 2. „Extrait des M6moires de
Duclos" (390) und 3. „Notices sur les envoyös, ministres et
ambassadeurs de France prfes la cour de Eussie". Hier w